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GastroGuide-User: Carsten1972
Carsten1972 hat Restaurant & Weinbar WeinBasis in 30161 Hannover bewertet.
vor 7 Jahren
"Gipfeltreffen, kulinarisch......"

Geschrieben am 25.06.2018 | Aktualisiert am 28.06.2018
Besucht am 23.06.2018 Besuchszeit: Abendessen 6 Personen Rechnungsbetrag: 1000 EUR
Der wunderbare Sir Simon Rattle zelebriert seinen Abschied als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker in der Berliner Waldbühne und bei den Klängen der Übertragung im TV brüte ich über der Formulierung einer Rezension. Ich durfte mit unseren zwei Rezensions-Großmeistern Tischnotizen und Borgfelder essen gehen! Das heißt natürlich, irgendwann werden die Beiden vielleicht eine ihrer Referenzkritiken zu unserem Abend schreiben und ich muss wieder mal feststellen, dass ich im Vergleich gesehen meine Tätigkeit einfach mal einstellen sollte. Da das aber erfahrungsgemäß und glücklicherweise immer etwas dauert mit dem veröffentlichen, mache ich meinen Beitrag schnell fertig, und er ist vergessen, wenn die Beiden auf „Posten“ drücken.

Eigentlich hatten wir schon früher ein kulinarisches Date ins Auge gefasst, aber wie immer ist die Terminfindung das schwierigste bei uns in der Community. Nachdem wir mit den Bremern (Frau und Herr Borgfelder) Ende Mai schon zu einem gemeinsamen Nachmittag und Abend (Feuerwerk in den Herrnhäuser Gärten) in Hannover waren, kehrten wir 4 Wochen später noch mal nach Hannover zurück. Auch die beiden Bremer fanden wieder den Weg an die Leine, Tischnotizen wohnt sowieso dort. Mit dem Heimrecht einher ging seine Verpflichtung einen Ort für das abendliche Treffen zu erwählen. Letztendlich fiel die Wahl auf das Restaurant Weinbasis in der List. Das ist schön für meine Frau und mich, denn von unserem angestammten Hotel in Hannover war das fußläufig zu erreichen.

Nach einer (was macht Frau wenn sie nach Hannover ausgeführt wird) ausgedehnten Shoppingtour durch die List und Linden, war für halb acht abends unser Treffen in der Weinbasis angesetzt. Pünktlich ein paar Minuten vor der Zeit betraten wir das Restaurant.

Wir wurden schon erwartet, war ja klar, die Herrschaften konnten es nicht erwarten mit der Schlemmerei zu starten. Samstagabend spielte die deutsche Fußballnationalmannschaft ihr Schicksalsspiel gegen Schweden und wir waren die einzigen 6 Gäste an diesem Abend. Das war natürlich nicht schlecht, denn der uneingeschränkten Aufmerksamkeit von Küche und Service konnten wir uns sicher sein und auch der Ergebnisdienst war durch Borgis Smartphone und unangekündigte Jubelschreie sicher gestellt.

Nachdem die Garderobe abgenommen war, konnten wir unsere 4 Tischnachbarn begrüßen. Fröhliches Wiedersehen mit den beiden Bremern und endlich lernten wir Tischnotizen und seinen äußerst sympathischen und herrlich in sich selbst ruhenden Ehemann persönlich kennen. Schon nach 3 Minuten war klar, dies würde ein sehr schöner  und kurzweiliger Abend werden, völlig unabhängig von den Leistungen der Küche und des Restaurants.

Zum Ambiente will ich nicht viel schreiben, da ich keine Bilder davon gemacht habe. Vielleicht können Borgi und TiNo ein paar Bilder und Worte dazu verlauten lassen in ihren Berichten. Das Ambiente ist schlicht, aber keinesfalls kalt und ungemütlich, wir saßen im hinteren Gastraum, leicht abgetrennt vom Hauptraum, an einem Tisch für 6 Personen. Das passte schon ganz gut, ich habe mich wohlgefühlt im Gastraum.

Der Aperitif wurde serviert und die Karten lagen schon am Tisch. Bevor ich mich dem wichtigsten des Abends widme, ein kurzer Blick auf das Weinangebot. Der Name des Restaurants weckt ja schon einige Erwartungen in Hinsicht auf das Angebot an begleitenden Getränken zum Essen. Konsequenterweise wurde nach der Weinkarte gefragt. Hierauf erwiderte der Service allerdings, dass es keine geben würde, sondern er die sozusagen wandelnde Weinkarte wäre und wir mit ihm zusammen uns der Weinauswahl widmen müssten. Das stellte sich als nicht wirklich praktikabel heraus, denn er wusste nicht, was unser Geschmack sein würde, wir wussten nicht, wie das Angebot sein würde. Bei Stammgästen, die man kennt, kann man das machen, aber bei neuen Gästen und bei 6 Personen mit unterschiedlichen Zielvorstellungen wird es kompliziert. Letztendlich einigten wir uns darauf, dass der junge Mann immer mit mehreren Flaschen an den Tisch kam und eine dieser Flaschen für den jeweiligen Gang auserwählt wurde.

Das obige Bild zeigt, wir haben konsequent durch probiert. Und es bleibt nicht aus, dass bei 6 Personen auch 6 verschiedene Meinungen zu den servierten Weinen vorhanden waren. Letztendlich waren bis auf einen einfach viel zu alten Riesling von 2007 (nicht abgerechnet) alle Weine von hoher Qualität. Ich muss gestehen, dass ich die Weine nicht mehr aufzählen kann, aber der Schwerpunkt lag auf Weiß, und auf Deutschland, und besonders ein Pfälzer Barrique Chardonnay blieb im Gedächtnis. Trotzdem, lieber Herr Wilkens, Sommelier in der Weinbasis, Ich würde dringend empfehlen eine Weinkarte zu erstellen, denn das Prozedere war nur akzeptabel in seinem Ablauf, weil wir die einzigen Gäste im Restaurant waren an diesem Abend.

Nach diesem kurzen Blick auf die Getränke komme ich zum eigentlichen Grund unseres gemeinsam verbrachten Abends, dem Essen. Koch Dennis Thies kann mit seiner Vita schon glänzen und hat einige Stationen in seinem CV, die Erwartungen wecken an die von ihm servierte Küche. Informationen dazu gibt es auf der HP des Restaurants. Letztlich bestellten alle das volle Menü in 6 Gängen, nur der Borgi lies das Dessert aus seinem Menü heraus (schwerer Fehler, den ihm seine Liebste nicht so schnell nachsehen dürfte). Noch bevor wir diese Entscheidung getroffen hatten, ein erste Amuse Gueule der Küche, Fingerfood laut Karte, bestehend aus drei Komponenten

Sehr klassisches Rindertartar, noch klassischer mit Aromen von saurer Gurke und Perlzwiebel. Im ersten Augenblick sah das Fleisch selber sehr glatt aus, eher zu fein gewolft. Im Mund aber hatte es Textur und Biss. Feiner Löffel.

Selleriestangen, mit denen man eine Tomatencreme naschen konnte. Die Creme war auf Frischkäsebasis und Selleriestangen die besseren Grissini. Auch lecker!

Es war ja Fußballweltmeisterschaft, also braucht man irgendwo eine Knabbererfahrung an dem Abend. Die gab es hier mit den krossen, hohlen Kartoffelirgendwas. Gefüllt waren sie auch, ich weiß aber nicht mehr womit. Okay.

Dann hatten wir bestellt und danach Küchengruß zwei, für meine Frau mit das Beste an diesem Abend, Blunzenbrot mit gesalzener Butter.

Das war mundfüllend lecker! Frisches noch ganz leicht warmes Brot mit Blutwurst darin. Kenne ich aus Österreich, ist mir in Deutschland so lecker noch nicht untergekommen. Hervorragend auch für mich.

Sellerie – Holunderkapern / Trüffel / Sesam / Eigelb

Gang 1 war einfach mal eine Augenweide, der Anblick machte außerordentlich Freude. Man hatte Hemmungen, diesen Anblick mit Messer und Gabel zu zerstören. Zuerst das Eigelb, es erinnerte an japanische Onsen-Ei Zubereitung in seiner Cremigkeit, da war ganz viel „sous vide“ im Spiel. Der zurückhaltend aromatische Trüffel setzte hier den I-Punkt drauf. Das Drumherum konnte an diesem Teller nicht mehr viel steigern, war aber trotzdem auch lecker.

Waldpilz-Essenz – Pilzkrokette / Waldpilzcréme/ Amontillado. Suppe als Gang zwei, mal außerhalb des Gourmetsprech bleibend. Die klare Essenz (am Tisch zu Krokette und Creme angegossen) war ein Aromen-Knaller. Leider verband sie sich nach dem eingießen sehr unansehnlich mit der Creme, die ,weil auch Pilz, dem Aroma nichts hinzufügen konnte. Die Krokette schmackhaft, bleibt meine Meinung, hier wäre getrenntes servieren schöner gewesen, mir hätt auch einfach diese Essenz genügt, weniger ist manchmal mehr. Den Amontillado habe ich in der Essenz nicht wahrnehmen können, aber er mag seinen Beitrag zu diesem breiten Aroma gemacht haben. Grün obenauf Schafgarbe, unbekannt bisher und recht bitter.

Zanderfilet - Zitronen-Thymian-Hollandaise / Austernpilze/ Spargel war der folgenden Gang. Die Küche hatte ja unsere Erwartungen durch die vorhergehenden Gänge sehr hoch geschraubt, deswegen hier ein paar kleine Dinge die nicht passten. Der Zander war über den Tisch sehr ungleichmäßig gegart, die dickeren Filetstücke auf den Punkt, waren die dünneren, unter anderem meines, zu weit durch, noch nicht trocken, aber nicht mehr saftig-glasig genug für diesen edlen Speisefisch. Meckern wollte man zu Beginn auch über den vermeintlich zu großen Berg Sauce Hollandaise Espuma, aber das war dann okay in der Portionierung. Austernpilze und Spargel gehen eine perfekte Verbindung ein, deswegen meckern auf einem geschmacklich sehr hohen Niveau.

Apfelschwein - Limettenjus / Bauch / geräucherte Aubergine. Fleisch, sehr gutes, sehr gut zubereitetes! Schleck-die-Finger-ab-Gang (nahm Borgi quasi wortwörtlich), mehr will ich dazu nicht sagen! Nur noch, dass die am Teller angegossene Limettenjus, deren Rest auf dem Tisch blieb, eine perfekte Sauce war. Der Meinung war auch unser Borgfelder, er beendete das Dasein des Saucenrests in seinem Behältnis am Tisch nach dem Verzehr seines Gangs gründlichst!

KÄSE – Brie de Meaux / Rotweinschalotten / Wiesenkräuter
Sommertrüffel war über einen mit Trüffelfarce (denke ich) gefüllten Brie de Meaux gehobelt worden. Der arme leichte Sommertrüffel ging unter in Kombination mit dem Käse. Schalotten, Kräuter und ein geröstetes Olivenbrot hingegen passten perfekt. Einer der besten Gänge des Abends.

PRE – DESSERT – Gurke / Zitronengras / Limettenblätter, das war der trennende Gang zum Dessert hin. Serviert wurden jeweils drei Schälchen am Tisch, dann kam Koch Dennis Thies dazu, in der Hand Großmutters altes bestes Porzellankännchen und goss etwas über die Kiesel in der Schale, dass sah dann so aus

Flüssiger Stickstoff denke ich, oder ein anderes verflüssigtes Gas mit Siedepunkt weit unter -100° Celsius. Da wollte ich schon die Augen verdrehen und mich über Showeffekte aufregen, bemerkte dann aber etwas erstaunliches, aus dem Dampf heraus verbreitetet sich ein Aroma von Limetten und Zitronengras…..das war mal sehr kreativ. Mal abgesehen, dass ich sehr sicher bin, dass diese Flohmarktkanne keine Zulassung der BAM (Bundesanstalt für Materialprüfung/ Berlin) für verflüssige Gase hat, war das Klasse! Und die Berufsgenossenschaft kommt erst, wenn die Kanne durch Versprödung mal reißt, und sich ihr Inhalt über den Tisch ergießt. Keine Angst, Kontakt mit einem superkühlen, flüssigen Gas ähnelt eher schwersten Verbrennungen als Erfrierungen. Das Sorbet war sehr gut! Kreativer Gang und sehr lecker!

Pina-Colada - Ananas Sorbet / Kokoskugel / Kokos-Rum-Milch. Auch hier Show, Kugel im Ganzen an den Tisch, heiße Milch darüber, zerschmolz die auf der Stelle und das Ergebnis war ein wunderbares Dessert. So lecker, dass Frau Borgfelder gerne zwei gegessen hätte, das aber nicht ging, weil erstens Ihr Mann keines bestellt hatte und zweitens meine Frau ihre Ankündigung, das nicht mehr zu schaffen, zurück nahm, als das Dessert serviert wurde. Warum wusste ich das vorher?

Die Küche verabschiedete sich aus dem Menü mit hausgemachte Süßigkeiten, da will ich gar nicht viel zu sagen

aromitiserte Valrhona
Apfel-Schokolade
Süßspeisen können sie in der Weinbasis außerordentlich gut, da wird sogar Carsten zum Dessertliebhaber, der sonst immer im Zweifelsfall alles Süße gegen Herzhaftes eintauscht.

Kann ich also zum Fazit des Abends kommen. Für die bestellten 6 Gänge werden 83 EUR aufgerufen. Das ist gerade für Hannover schon ein sehr gutes PLV. Durch die Bank haben alle Gänge Spaß gemacht und waren kreativ, daran ändert auch die Kritik an einzelnen Details nichts. Im Gegenteil, über die regt man sich ja nur auf, wenn das Gesamterlebnis so gut ist, dass man sonst nichts findet zum Meckern. Dennis Thies und sein Serviceteam haben uns einen angenehmen Abend bereitet und ich kehre sehr gerne wieder ein, dann aber bitte mit Weinkarte.

Kurz vor Mitternacht, glaube ich, löste sich unsere fröhliche Runde auf und meine Frau und ich machten uns auf den Weg zurück zu unserem Hotel. Das war ein sehr schöner Abend. Und bei Edward Elgars „Pomp and Circumstances“ (wer kann es nicht mitsingen: „land of hope and glory“) und Paul Linckes „Berliner Luft“ mach ich mit den Berlinern Philharmonikern Feierabend.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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