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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Charly's Diner in 42655 Solingen bewertet.
vor 5 Jahren
"Gonna smoke me a fatty brisket, I got my barbecue shoes on…"
Verifiziert

Geschrieben am 14.07.2019 | Aktualisiert am 21.07.2019
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Besucht am 08.03.2019 Besuchszeit: Abendessen 8 Personen
…I'm going down to the house of sausage, I got my barbecue shoes on… bibop didub…oh yeah..

Wenn es ein Lied an diesem Abend gab, das mir nicht aus dem Kopf gehen wollte, dann war es „BBQ Shoes“ von Blue House, wohl auch weil es das einzige ist, das mir zum Thema einfiel, aber einen besseren Soundtrack hätten die erlebten Gaumenfreuden wohl kaum erwischen können.
 
Das ich diese erleben durfte, ist letztlich dem glücklichen Umstand geschuldet, dass das ursprünglich anvisierte „Fasil“, ein orientalisches Restaurant in der Innenstadt, an diesem Abend keinen Tisch mehr für unsere kleine Gesellschaft frei hatte: ein Treffen mit lieben, ehemaligen Arbeitskollegen stand an.
 
Als ich erfuhr, das die Alternative „Charly’s Diner“ sein würde, machte ich innerlich Luftsprünge der Vorfreude; schließlich wollte ich hier seit Jahren – genauer gesagt seit der Einführung fester Öffnungszeiten im Herbst 2014 - schon hin.
 
Ich verbinde mit dem Südstaaten-BBQ traumhafte Jugenderinnerungen, da ich damals im Rahmen eines interkulturellen Austauschprogrammes der Fulbright Association einige Zeit in Georgia verbringen durfte. Da ich mich mit der Gastfamilie sehr gut verstand, folgten noch weitere gegenseitige Besuche, inklusive eines unvergesslichen Roadtrips von Athens, Georgia, zum Mardi Gras nach New Orleans, Louisiana.
 
Die Fahrt durch Alabama und Mississippi und zurück war geprägt von einigen reichhaltigen BBQ Orgien in großartigen Roadside-Dinern und mein 16-jähriges Ich zeigte sich damals begeistert von der ersten Begegnung mit der Holy Trinity des BBQ: Spareribs, Pulled Pork und Beef Brisket aus dem Smoker.
 
Das ist nun fast 30 Jahre her, und hat meinen resignierten Blick auf die hiesige (noch viele Jahre andauernde und sich in letzter Zeit mitunter erfreulich bessernde) Nackensteak-Bratwurst-Tristesse, die man hier unter Grillen versteht, sehr geprägt.
 
Das Restaurant ist das Werk des Solingers Dirk Vieth, seines Zeichens gelernter Fleischermeister und großer BBQ- und Musik-Fan, von seinen Vorlieben in letzterer Hinsicht kündet die mit Stolz getragene Rockabilly-Tolle mit passenden Koteletten  - ein in jeder Hinsicht sympathischer Charakterkopf, wie sich zeigen sollte.
 
Der Name des Diners geht übrigens auf Dirk Vieths Vater Karl zurück, Charly war sein Spitzname und der Legende nach liebte auch er stets das Neue und Außergewöhnliche.
 
Dirk Vieth hat es sich zum Ziel gesetzt, ein in jeder Hinsicht authentisches Südstaaten-Diner zu reproduzieren, sei es was das liebevoll gestaltete Interieur angeht, oder die „low & slow“ bei niedriger Temperatur über Stunden sorgfältigst im Smoker zubereiteten BBQ Spezialitäten aus bestem Fleisch angeht - und, um es vorwegzunehmen: dieses Ziel wurde mehr als erreicht.
 
Das Parken an der Katternberger Straße im Umfeld des Lokals ist eigentlich kein Problem, da der Abend aber drohte, latent feuchtfröhlich zu werden, entschied ich mich zur Sicherheit dazu, dem Solinger Taxigewerbe unter die Arme zu greifen, kurz nach 18 Uhr waren wir gut gelaunt vor Ort.
 
Und da war sie wieder, die schlimmste Belichtungssituation für Handy-Kameras bei Außenaufnahmen: Die gefürchtete 10 Megawatt-Neon Reklame bei Dunkelheit!


 

Ich habe fünf Fotos gemacht und nachbearbeitet, so gut es ging, aber besser ging es einfach nicht, was die Außenansicht angeht.
 
Den nerdigen Gastrokritiker Frustmoment schon fast wieder vergessen, bot sich mir hernach erstmalig die Gelegenheit, die Räumlichkeiten von außen in Augenschein zu nehmen.
 
Und was ich sah, überraschte mich aufgrund des unscheinbaren Gebäudes doch sehr positiv, mit viel Liebe wurde bis ins Detail ein höchst authentisches US-Diner nachempfunden.


 
Das allerdings nicht mit China-Deko, die hektisch zusammengekauft wurde und für entsprechendes Plastik-Flair sorgen würde, sondern u.a. mit Konzertplakaten und allerlei musikaffinem Wandschmuck, sowie den ikonischen, typischen, dick gepolsterten Sitzbänken.
 
Ich war begeistert, keine Retorten-Hipster-Höhle mit generischem „Established 2014“-Schwarz-Weiß Hipster-Logo an der Scheibe: Zwei  Extrapunkte für Ambiente!
 
Als unsere lieben Ex-Kollegen wenig später eintrafen, traten wir endlich ein und standen zunächst im rechten Gastraum, in dem sich auch die Theke und die offene Küche befindet.
 
Ein emsiger Dirk Vieht brutzelte höchst routiniert ein paar Burger Pattys, eine junge Dame Anfang 20 war für den Service verantwortlich, alles war gepflegt und sauber, eine gute Entlüftung sorgte für einwandfreie, nicht fett-geschwängerte Luft, die himmlischen Gerüche sorgten beim Autor dieser Zeilen trotzdem für eine spontane Absenkung des Blutzuckerspiegels.


 
Wir hatten reserviert und wurden freundlich begrüßt und in den separaten, von der Straße aus gesehen links liegenden Raum geführt, im Hintergrund gute Blues und Rockmusik in angenehmer Lautstärke, dazu die erwähnte, gelungene optische Gestaltung, wir fühlten uns auf Anhieb sehr wohl, es ist einfach gemütlich und stimmig.


 
Es hat zwar ein wenig von „Samba in Mettmann“, wenn man auf der Katternberger Straße in aul Solig in solch einem Ambiente tafelt und durch die Fenster auf ein gegenüber ansässiges Indoor-Kinderparadies blickt – aber wenn der Samba Weltklasse ist, soll er doch gerne auch in Mettmann getanzt werden dürfen.
 
Die Platzsets fungieren auch als Speisekarte, deren Herz ist ein monumentaler Burger-Baukasten, der alleine bei den Buns mit sieben (7) verschiedenen Varianten aufwartet, oder aber mit zwanzig (20!) ebenfalls allesamt hausgemachten Saucen. Entscheidungsneurotiker würden hier verhungern, daher gibt es natürlich auch einige schöne „Beispielkonfigurationen“, die man ohne eigene Burger-Bau-Künste unkompliziert bestellen kann.


 
Somit wird man wirklich allen gerecht, den kreativen Burger-Freaks genauso wie dem Casual-Publikum, das froh ist einfach einen Cheeseburger mit Bacon und BBQ-Sauce zum kühlen Bier bestellen zu können.
 
Schaut man sich die Beilagen und Burger-Optionen an, oder trifft auf Dinge wie Short Ribs, Babyback Ribs, Juicy Lucy und Brisket, wird schnell klar, das sich hier jemand intensiv in der Materie auskennt - das ist nicht das Werk eines Rock’n Roll Fans mit US-Spleen, der einen Nachmittag lang YouTube BBQ-Tutorials geschaut hat und aus einer Bierlaune heraus einen quietschbunten Diner eröffnet hat.


 
Die Auswahl von Burger & Co. sollte sich etwas hinziehen, nur gut, dass hier eines meiner Lieblings-Weizenbiere verfügbar ist, ein gut gekühltes Keiler Weizen stand dankenswerter Weise rasch vor meiner Nase – das Einschenken überlässt man dem Gast.


 
Währenddessen füllte sich das Lokal stetig und die junge Dame kam zusehends in leichte Not, hatte aber – fast – immer alles unter Kontrolle. Später sollte sich herausstellen, dass eine weitere Bedienung im Stau steckte und erst mit großer Verspätung vor Ort war, diese war für den ganzen Abend mit eingeplant, keine Schuld einer zu dünnen Personaldecke also.
 
Die Kollegen bestellten größtenteils Burger und hatten sichtlich Freude mit dem epischen Baukasten-Umfang, alleine acht (8) verschiedene BBQ Saucen erforderten beim ein oder anderen eine mehr als sorgfältige Abwägung der Optionen. Augenrollsmiley. Schlafsmiley.
 
Ich kam für mich und Madame an der „BBQ Mixed Plate“ für zwei Personen nicht vorbei, dazu Onion Rings und eine nette Auswahl der hausgemachten Saucen: let the games begin..
 
Während das Bier schmeckte, launige Anekdoten gewälzt wurden und wir in Nostalgie schwelgten, wurde nach etwa 20 Minuten die erste Etappe der sich abzeichnenden BBQ Eskalation serviert:
 
Die „handliche“ Dip-Line, die ich zum Fleisch bestellt hatte und mit 6,50€ zu Buche schlägt und eine Auswahl von zehn verschiedenen Dips darstellt, wurde unter beeindrucktem Raunen der Kollegen auf den Tisch bugsiert.

"Dip-Line"
 
Kurz darauf folgen erste Burger, diese einfache Variante mit Salat, Tomaten und Onion Rings befand mein verfressener Tischnachbar für derart gelungen, das er das Ding nach Inhalation des ersten gleich noch einmal bestellte- dafür liebten wir den Kollegen schon immer, schön, wenn das Leben noch Konstanten bietet.
 
Schaut man sich die Anrichtung im Körbchen im Fettpapier an, kann man auch hier wieder die Liebe zum Detail erkennen, mit der ein authentisches Diner Gefühl erlebbar gemacht wird.


 
Auch fiel die angenehme Größe auf, kein monströser, überladener Trumm, der einen in den Anakonda-Modus zwingt und die Hälfte seines Inhaltes beim ersten Biss auf dem Teller verteilt.
 
Nein! Ein handlicher, sehr appetitlich anzusehender Burger mit idealem Verhältnis von Brot und Fleisch, gut mit einer Hand zu essen ohne matschiges Tropf-Inferno beim Essen – oft ist weniger mehr, so auch hier.
 
Unsere Beilagen wurden serviert, die Spannung stieg, hausgemachter Cole Slaw und BBQ Beans fanden ihren Weg auf den Tisch:

Coleslaw & BBQ Beans
 
Der Cole Slaw war frisch und hatte keinerlei „Kühlhaus-Note“ was diese Salate in der Gastronomie gerne haben, wenn auf Halde produziert wurde. Er gefiel durch eine angenehme, säuerliche Note und die Tatsache, dass er nicht pappig und schwer war, was Cole Slaw für mich in den meisten Fällen leider ist.
 
Die optisch naturgemäß unspektakulären Bohnen wie zu erwarten klassische Baked Beans mit einer feinen Hickory Note, äußerst schmackhaft und weit entfernt von Heinz Bohnen aus der Dose.
 
Auch die Zwiebelringe (3,50€) waren Meilen entfernt von Convenience: Goldgelb in Bierteig ausgebacken, nett serviert auf einem Metallständer auf einem kleinen Holzbrett, das Vertiefungen für zwei der umweltfreundlichen, essbaren Dip-Schälchen bereithielt.

Onion Rings
 
Unfassbar gut! Der knusprige Teig, das leicht süßliche Aroma der butterweichen Zwiebeln, ich bekomme Hunger und komme ins Schwärmen, wenn ich nur das Foto anschaue.
 
Dann war es wieder an der Zeit für perplexes Raunen am Tisch, mein „leichtes Zwischengericht“, die monströse „BBQ Mixed Plate“ zu 37,50€ wurde auf selbigen gehievt und war ein Anblick, der bei Freunden dieser Küche für glückliche Schnappatmung sorgen dürfte.

BBQ Mixed Plate
 
Hier fand sich alles, was das „Low & Slow“-Herz begehren dürfte: Beef Brisket (Rinderbrust), Short Ribs (Rinder Querrippe mit viel Fleischanteil), Pulled Pork, Spare Ribs, Salsiccia, Pastrami und – man soll ja nicht hungrig nach Hause gehen müssen – einige Scheiben einer Bacon Bomb.
 
Und falls hier jemand denkt „oh das sieht aber verbrannt aus!“, kann ich diesen beruhigen, die dunkle Kruste entsteht durch das lange heißräuchern und den in den Rubs enthaltenen Zucker.
 
Für BBQ Fans immer wichtig: Der „Smoke Ring“, jener hierbei entstehende, rötliche Ring an den Außenseiten des Fleisches, den man beim Anschneiden des Briskets bspw. gut sehen kann, dieser war hier gut ausgeprägt und appetitlich anzuschauen.
 
Ich weiß eigentlich nicht, was ich besonders herausheben könnte, ob es die zarten, saftigen Ribs sind, die sich quasi vom Knochen „lutschen“ ließen, oder ob es die geschmackliche Vielschichtigkeit und Komposition der verwendeten Rubs ist: alles, wirklich alles war herausragend gut und katapultierte mich gedanklich umgehend in die erwähnten Diner im Sommer 1991.
 
Das recht aufwändig herzustellende Pastrami gefiel Madame besonders gut, auch sie lobte die Fleischqualität, denn sie mag fettiges Fleisch gar nicht und hatte hier einige Befürchtungen.
 
Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gab, dann vielleicht die im Vergleich etwas trockene Baconbomb, aber das ist wirklich Jammern auf hohem Niveau und ein wenig die Suche nach der Nadel im Fleisch- ähh- Heuhaufen.  
 
Auch die Dips wussten durchgehend zu überzeugen, besonders gut gefiel mir die Chipotle-Raspberry Variante und die Tatsache, dass einer der Anwesenden sich an meinem Dip Sammelsurium bediente und dabei die Bourbon BBQ Sauce mit einer höllisch scharfen Habanero Sauce verwechselte und sehr beherzt zugriff.
 
Der Tisch konnte somit für fast 10 Minuten erstklassiges Slapstick-Entertainment genießen, ein kleiner Mann, ein roter Kopf, viel Schweiß und verbrauchte Servietten, lediglich unterbrochen durch ab und an geröchelte Dinge wie „Alter…“, „heftig“, „was war das?“, „ich sterbe!“, „alles brennt, sogar Mund außen!“.
 
Er entete mitfühlende, empathische Reaktionen wie hämisches Gelächter in Kombination mit aufmunternden verbalen Schulterklopfern wie „Weichei“, „Memme“, „Waschlappen“ oder „die Mama kommt gleich Marc!“
 
Nachdem fast alle Tränen getrocknet waren – die Lachtränen und die Chilitränen beim Betroffenen, machte ich den überfälligen Vorschlag, Schmerz und Capsaicin mit einem kühlen Milkshake zu bekämpfen, was wiederum das Dessert Kapitel aufschlagen sollte.
 
Ich war dermaßen satt, das ich passen musste, um mich herum wurden jedoch munter Shakes bestellt, die bald frisch zubereitet serviert wurden und einen grandiosen Eindruck machten.
 
Die Kolleginnen lobten den Blackberry sowie den Cookie Dough Shake über alle Maßen und überschlugen sich mit Superlativen, es schien gemundet zu haben, soviel steht fest.
 
Ansonsten bietet man auch eine kleine Kuchenauswahl, momentan mit Erdbeer-Cheesecake, Apple-Pie und Himbeer Brownies, das sollte den meisten Gästen gefallen.
 
Die Bezahlung findet im Charly’s Diner immer an der Theke statt, man bekommt am Tisch einen Bon mit seinen verzehrten Speisen und Getränken und geht damit zur Kasse, wo man seine Rechnung bar oder per EC begleichen kann.
 
Satt, glücklich und zufrieden verließen wir 22 Uhr den kleinen Südstaaten Außenposten in der Solinger Provinz und waren uns einig: Das schreit nach Wiederholung!
 
Fazit
 
Herausragendes, im wahrsten Sinne des Wortes von Meisterhand zubereitetes, authentisches Südstaaten BBQ wie ich es hierzulande noch nicht in dieser Qualität gegessen habe, zumindest sofern es sich um öffentliche Gastronomie handelte. Glasklare 5 Sterne für die Küche.
 
Der Service ist freundlich, bodenständig und kumpelhaft, ohne dabei peinlich anbiedernd zu sein oder das Gefühl zu vermitteln, das sei eine Masche. Gefiel mir gut, 4 Sterne.
 
Zum Ambiente kann man das gleiche sagen, wie zum Service, authentisch, echt, mit Ecken und Kanten, auch das mochte ich sehr, 4 Sterne.
 
Die Sauberkeit, auch auf den Toiletten, ist auffallend gut, 5 Sterne.
 
Das Preis-Leistungsverhältnis sehe ich auch bei 4 Sternen, und damit ebenfalls als gut an.
 
Mir bleibt zu sagen:  So long, Charly’s diner, cheers to pitmaster Dirk, see you very soon.

EDIT: 
!!! Wichtig zu wissen: Geöffnet ist momentan lediglich Donnerstag bis Samstag von 17-23 Uhr. !!!
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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elfenblume56 und 25 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.