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Die einschlägigen Gastro-Führer kurz bemüht, bot sich das Fatal in Flingern-Nord an, einem ehemaligen Arbeiterviertel, lt. Wikipedia „mit seinem alten Baubestand ein vorwiegend von jüngerem städtischen Publikum geprägter Stadtteil, der einem zunehmenden Gentrifizierungsprozess unterliegt“. Mein Kollege, der einige Jahre in der Landeshauptstadt wohnte, bestätigte diese Einschätzung völlig glaubwürdig, gehört er doch zur beschriebenen Gruppe;-)
Stramm marschierte 20 Minuten später fand ich mich vor dem Bistro wieder und sogleich in einer Zwangslage, denn das Manufactum-Publikum besetzte fast alle Plätze. Ein einziger freier Tisch hätte für nicht gerade üppige 80 Minuten zu meiner Verfügung gestanden, denn man vergibt die Plätze am Abend in zwei Durchgängen. Da die bodentiefen Fenster weit geöffnet waren, riskierte ich einen Blick in die Innenräume, die sich ob der Temperatur leer und leider auch etwas stickig präsentierten. Letztlich den Ausschlag gab ein unangenehm aufgefrischter Wind. Später wäre aufgrund einer Absage doch ein Tisch draußen frei gewesen, doch fühlte ich mich an meinem Platz inzwischen sehr wohl; einerseits hatte einen guten Blick nach draußen, andererseits den künstlerisch und, nun ja, frankophil gestalteten Raum für mich.
Bretonische Butter bei die Sardinen!
Die Freiheit führt die Kulinarik
Die russische Fahne an der Wand?
Später kam ein weiterer engagierter Food-Photograph dazu. Sonderlich bequem war das minimalistische Gestühl nicht, aber die dunklen Steinplatten der Tische sehen schon schick aus.
Da man an diesem heißen Tag eigentlich nur die Außenplätze bespielen wollte, war mein Tisch nicht abgewischt, was der engagierte Service sofort nachholte. Die jüngere Dame könnte die Mit-Inhaberin gewesen sein oder die Restaurantleitung, wenn man das bei zwei Kräften so nennen darf; jedenfalls richtete sich die lebenserfahrene Dame mit osteuropäischen Zungenschlag nach ihren Anweisungen. Der Ton untereinander war freundlich; das kann ja manchmal unangenehm sein, wenn man die Streitereien im Team mitbekommt. Um dem kleine Küchenteam die Planung zu erleichtern (immerhin stand ja noch der zweite Durchgang an), bat man darum, nicht nach und nach zu bestellen. Ein Abrufen der einzelnen Gänge sei aber möglich. Insgesamt waren die Damen flott und freundlich, dabei gut gelaunt. Noch einen Blick mehr hätte ich mir gewünscht, aber da war auch Volllast angesagt. Man interessierte sich jedenfalls für mein Wohlbefinden und meine Meinung zu Essen und Weinen, zu denen mir sogar ungefragt Leitungswasser angeboten wurde.
Aus der Küche schallte derweil Ska und ein rauher, aber herzlicher Ton.
Bei einem Rosé Portwein mit Tonic (8,3€) beschäftigte ich mich mit dem Angebot und wurde von der Weinkarte überrascht. Neben einem recht überschaubaren Flaschenangebot verfügt das Fatal über ein D-Vine Wine-Dispenser. Für mich eine Premiere. Hochwertige Weine werden in 0,1l-Phiolen mit Schraubverschluss bereit gehalten. Das Dispenser-System erkennt den jeweiligen Wein, reguliert die Temperatur und die Geschwindigkeit mit dem die Flüssigkeit ins Glas kommt. Ziel soll die richtige Belüftung sein. Auf diese Weise konnte ich einen Sancerre, einen Meursault und einen Chablis Premier Cru verkosten. Die Preise für das Schlückchen reichten von 14€ bis 24€, was eine Kalkulation mit Faktor 2,5 sein könnte. Für Düsseldorf nicht teuer. Überzeugt hat mich die Technik indes nicht. An diesem heißen Abend herrschten fast 30 Grad und so war der erste Versuch viel zu warm. Erst als das Glas mit viel Eis vorgekühlt wurde, passte es. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Lagerung bei wechselnder Raumtemperatur und Tageslicht dem Wein wirklich gut tut. Geschmeckt haben alle Weine, aber 0,1l…
Die Karte las sich schon auf den ersten Blick französisch durch und durch: Beginnend bei Austern und Crevetten über Schnecken und Bries zu Wachtel und Steak Frites, um schließlich mit Gruyere, Soufflé au Chocolat und Crêpes Suzettes zu enden. Die bei meinem Besuch noch angebotene Foie Gras ist übrigens seit wenigen Tagen von der Karte verbannt.
Selten hatte ich so große Entscheidungsschwierigkeiten, alles klang großartig und nicht nur die Zutaten verrieten, dass hier mehr als nur ehrliche Bistrot-Küche zu erwarten war.
Ich startete vegetarisch mit einer großen, „fleischigen“ Artischocke (14€). Die in Deutschland viel zu selten angebotene leckere Distel wurde mit Zitronenscheiben besteckt in einem tiefen Teller mit warmen Wasser stehend serviert, am Ende bleibt dann eine Fingerschale. Leider war das vorgekochte Exemplar nicht lange genug aufgewärmt worden und somit die äußeren Blätter lau, aber die inneren kalt. Ich greife vor: Das blieb die einzige Kritik an der Küchenleistung des Abends. Geschmeckt hat es vorzüglich, was natürlich besonders an den Dips lag: Die milde, nicht zu saure Rotweinvinaigrette schien mir mit Moutard de Dijon verfeinert und die Anchovis-Tapenade war ein würziger Kracher.
Weiter ging es mit zartestem Lamm(!)-Bries, begleitet vom letzten weißen Spargel der Saison und gebratenem Romanasalat für 24€. Granatapfelkerne hatten ihren Anteil an der eher frischen Ausführung des Tellers und waren als Konterpart für die Agro-Dolce-Sauce wichtig. Inhaber und Chefkoch Alexandre Bourgueil (Ja, der Sohn…) löscht das Karamell mit Orangensaft statt Essig ab und verwendet weiter Rhabarber statt Pampelmuse. Ich brauchte gegen die heftige Süße etwas Salz, dann war die Sauce auch für meinen Geschmack perfekt. Im Abgang eine tolle pfeffrige Schärfe und Parmesan-Chips zum Knabbern. Eigenständige und überzeugende Kreation!
Als Hauptgang konnte ich natürlich dem Rochenflügel nicht widerstehen. Die dicke Tranche des feinen Edelfisches war nur leicht paniert und in Butter sorgfältig gar gezogen worden. An der Gräte sogar noch leicht glasig; für mich geht das völlig in Ordnung. Die klassische Sauce grenobloise ein würziger, molliger Genuss - welch wunderbares Küchenhandwerk! Dazu sautierter Spinat und buttriger Kartoffelstampf. Feinste Fischküche für absolut gut angelegte 31€.
Dem durchaus mächtigen Vergnügen brachte ein Salat Mesclun Frische bei, der Brotchips, raffiniert eingesetzten Estragon und eine rosarote dehydrierte, elastische Zutat enthielt. Leicht fruchtig-säuerlich und, obwohl der Farbe nach eine Himbeere, erinnerte das Aroma an Tomate.
Zum Abschluss etwas Käse, aber nichts alltägliches: Der original Schweizer Gruyère de Garde 2021 (15€) wurde bei längerem Kauen immer komplexer, faszinierend. Die Beschreibung bei Antony https://www.fromagerieantony.fr/de/fromage/gruyere-de-garde/ trifft es wirklich. Als Beilage frisches Baguette, das auch am Abend noch knusperte und schön geröstetes Landbrot. Selbst der Friseesalat mit Spargelstreifen in seiner französischen Savorasenf-Sauce mit süß eingelegten Pollen war ein kleines Fest.
Damit ging ein bemerkenswertes Essen zu Ende, das mich regelrecht begeisterte. Alexandre Bourgueil, der meine Fragen später am Abend gern beantwortete, könnte mühelos einen Stern erkochen, daran habe ich keinen Zweifel. Will er aber scheinbar nicht und das ist auch gut, denn so bleibt das Bistro Fatal mein persönlicher Tipp für perfekte Bistrot-Küche mit höchstem Anspruch. Diesen Treffer hätte ich gern mit einem Salmiakki begossen, der aber leider ausgetrunken war. Dann halt einen Grünen aus der Chartreuse bei Grenoble, passt ja hervorragend und ist eh besser für die Gesundheit!