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GastroGuide-User: DerBorgfelder
DerBorgfelder hat Funky Fisch in 10625 Berlin bewertet.
vor 6 Jahren
"Im Reich des Duc"
Verifiziert

Geschrieben am 25.02.2018 | Aktualisiert am 29.03.2018
Besucht am 18.02.2018 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 102 EUR
Ein früher Termin am Montag führte mich wieder in die Hauptstadt. Glücklicherweise mit einer Kollegin, die für gutes Essen schwärmt. Und so machten wir uns am Eröffnungstag der diesjährigen Berlinale nach Westen auf. Nämlich ins Herz des kulinarischen Imperiums von The Duc Ngo rund um die Kantstraße. Der umtriebige Innovator insbesondere der asiatischen Küche in Berlin, die er mit einem coolen Hauptstadt-Twist versieht, ist einem noch größeren Publikum durch die Ausstrahlung seiner Battle mit Tim Mälzer bei Kitchen Impossible vor einigen Wochen bekannt geworden.
Wunsch-Ziel wäre das derzeit sehr angesagte 893Ryotei gewesen, in dessen dunkler Gangster-Atmosphäre japanische und Nikkei-Küche zelebriert wird. Wie so häufig fiel der Besuch wegen Schließzeit am Sonntag aus. Also zogen wir (telefonisch reservierend - ohne hagelt es Wartezeit in der Welt von Kuchi und Co.) ein Lokal weiter ins Eckhaus Kant- und Schlüterstraße, in dem lt. Homepage „frischeste Meeresfrüchte“ auf uns warteten.
Zwischen beiden Restaurants, in einem recht kleinen Raum werden die Fische übrigens verarbeitet. Besonderheit: Auch dort ein Schaufenster zur Kantstraße, so dass tout Berlin beim Filetieren zuschauen kann.

Als wir das Lokal fast 30 Minuten vor der gebuchten Zeit betraten, schlug uns Hauptstadt-Atmosphäre entgegen. Ein lebendiges Stimmengewirr, umher eilende junge hippe Bedienungen, stylisches Lichtkonzept. Wir wurden schnell in Empfang genommen. Da unser Tisch am Fenster noch besetzt war, hätten wir an der Bar warten können. Allerdings wurde fürsorglich darauf hingewiesen, dass die Sitzgelegenheiten wie alle an den Schaufensterfronten keine Rückenlehnen aufweisen. Im Angebot waren alternativ zwei Plätze am Ende einer langen Tafel im zweiten, unmittelbar anschließenden Raum, die wir dankbar annahmen. Zwar auf harten einfachen Holzstühlen, aber immerhin. Wir waren später sehr zufrieden. Hier saßen wir zwar in der Ecke, aber das ermöglichte trotz der Geräuschkulisse ein Gespräch in halbwegs normaler Lautstärke. Vor der Wand mit den vielen funky Fischen, die als Corporate Design fungieren, hatten wir auch hier genug zu sehen. Es herrschte Geschäftigkeit, die Plätze werden sicher zwei bis dreimal am Abend gedreht. Selbst um 22.00 Uhr kamen noch neue Gäste. Das Publikum ist gemischt, junge Leute, Paare, gleich mehrere mit kleinen und kleinsten Kindern, die durch das Restaurant geschaukelt werden. Vater und Sohn, Einheimische und Gäste. Sicher auch etliche (Film-)Kunstschaffende, wie die Gespräche verrieten, die in unserer Nähe auf Deutsch, Englisch und Italienisch geführt werden. Es setzt ein heiteres Promi-Raten ein, vielleicht waren es auch nur Look-a-likes. Egal, gehört für mich in Berlin dazu.

Alternativ wurde unsere Aufmerksamkeit von der Innengestaltung gefesselt, die wieder von Hyun-jung Kim entworfen wurde. Die koreanische Künstlerin ist an einigen Läden Ngos beteiligt. Neben der großen bunten Wand ist die Decke ein Hingucker. Unter den offen gelegten Betonkassetten verschiedenfarbige Neon-Installationen

Auch die Wände im Raw-Design, was gut zum rustikalen Mobiliar aus hellem Holz und dunklem Metall, teilweise als Hochgestühl passt. Kontrapunkt ist der warme rot-braune Parkettfußboden. Durch diesen Gegensatz wirkt die Ausstattung, obwohl in sich stimmig, charmant vorläufig. Das hat etwas von Pop-up, von Nimm-den-Trend-mit, morgen könnte er vorbei sein. Carpe diem in der pulsierenden Gastro-Szene von Berlin. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.

Was mit daran lag, dass das Personal keineswegs von oben herab agierte. Junge, bis auf die Restaurantleiterin sicher nicht ausgebildete Menschen jeden Geschlechts, die aufmerksam und fix waren. Viel Warenkenntnis schien nicht vorhanden, jedenfalls wurde die auf Knoblauch zielende Frage nach dem Inhalt des Paté Patata Bacalhau mit „Das is so mit Fisch drin.“ eher unbefriedigend beantwortet. Ich will allerdings nicht ausschließen, dass wir uns an eine der Bedienungen gewandt hatten, die wohl nur fürs Auftragen der Getränke zuständig sind. Diese durchaus effektive Arbeitsteilung birgt immer die Gefahr von Übermittlungsfehlern, so auch bei unserem Besuch. Aber falsches Mineralwasser und fehlendes Eis waren schnell und ohne Aufhebens korrigiert, für eine verspätete Beilage vermute ich eher die Schuld bei der Küche. Von Zeit zu Zeit verschwand der Service durch zwei leichte Schiebetüren, die an traditionelle japanische (und koreanische?) Wohnungen erinnern, hier aber in schwarz und blinkendem Silber künstlerisch aufgeladen waren. Erst auf dem Weg zur U-Bahn sahen wir den Grund. Nur durch die Türen getrennt, schließt sich das neueste Produkt der ungebrochenen Innovationsfreude Ngos an, das Taki White Rabbit. Erst vor drei Wochen eröffnet, wird hier von 9 to 8 täglich außer Sonntags Clean Eating serviert. Ein Trend, der mir wie alle extremen Ernährungs-Philosophien etwas suspekt ist.

Auf der Karte des Funky Fisch dagegen ein Mix derzeit angesagter Küchen. Frittiertes (auch Gemüse) im japanisches Tempura-Teig und Carpaccios von Fisch und Oktopus. Statt der schon im Mainstream angekommenen Anden-Ceviches gibt es Nikkei-Küche in Form des hawaiianischen Poke. Eine Besonderheit überrascht doch. Wohl aufgrund der Herkunft des Chefkochs stehen einige portugiesische Spezialitäten auf der Karte, so Escabeche, das schon erwähnte Kartoffelpüree mit Stockfisch, Gambas oder auch Reis à portuguesa.
Etliche Empfehlungen spielen mit den Erwartungen an ein Fischrestaurant, vom Fischbrötchen bis zur Seezunge Savoy.
Aber natürlich reizt uns auch der im Eingangsbereich in einer großen Theke auf Eis angebotene Fisch, der nach Gewicht bezahlt, gegrillt oder gedämpft und mit einigen Kleinigkeiten serviert wird.

Meine Kollegin entschied sich erstmals für Mahi-Mahi (130€/kg), bei mir sollte es ein Filetstück vom Steinbutt (110€/kg) sein, so dass die 200g-Stücke ergo mit 27,2€ und 22€ berechnet wurden. Das entspricht nach meiner Wahrnehmung etwa dem Zweifachen des Ladenverkaufspreises; den Preis fand ich fair, man zahlt zudem genau die Menge, die man möchte. Wie stets beim Baukastensystem treiben die Beilagen den Preis hoch. Die Filets wurden direkt aus dem Fisch geschnitten, der Butt ein wahrer Prachtbursche, der für 200€ im Ganzen über die Theke gegangen wäre. Während ich noch den Kaventsmann bewunderte, kam Duc der Innovator persönlich um die Ecke und wir plauderten über die Auslage. Seine Empfehlung war der Adlerfisch, ich blieb beim Steinbutt, dazu Reis auf portugiesische Art (5€).
Zum Einstieg hatten wir das gemischte Tempura (14€) gewählt. Da für Carpaccio nur noch Tintenfisch zur Verfügung stand, wechselte ich kurz entschlossen zum Lachs-Poke (als Zwischengericht 8€, Hauptspeise das Doppelte). Meine Begleitung passte, da sie die hawaiianische Küche für zu scharf hielt.

Zunächst ließ ich mir (notgedrungen) frischen Grapefruitsaft mit Soda und Eis 5€, uh!) schmecken. Wasser kostete 2,5€/6,5€.
Dazu wurden angewärmtes Baguette und wohl selbst eingelegte Oliven mit Kräutern gereicht

Das Tempura war in einem sehr leichten Teig typisch knusprig ausgebacken und vernünftig entfettet. Welten entfernt vom traditionellen deutschen Backfisch mit seiner dicken und im schlechtesten Fall fettigen Panade. Was die Inhalte anging, wusste schon die Mutter von Herrn Gump: Fritta mista ist wie eine Pralinenschachtel - Man weiß nie, was man bekommt. In diesem Fall waren Gemüse und Süßkartoffel o.k. Die Garnele knackfrisch und der Kabeljau wunderbar saftig. Nur die dicken Streifen Tintenfisch hätten zarter sein können. Da meine Kollegin erst jetzt von ihrer heimlichen Liebe zu Fish‘n‘Chips erzählte, orderten wir flugs noch eine weitere Portion nur mit Kabeljau. Dabei erfuhren wir en passant, dass hier nicht die Küche das Tempo vorgibt, sondern die Gänge vom Service abgerufen werden. Hat mich positiv überrascht.
Das reine Fisch-Tempura war vorzüglich. Was ebenso für die leichte, zitronige Majonäse galt

Für mein Poke war erfreulich fetter Lachs in kleine Stücke geschnitten und mit Würfeln von Gurke und Tomate, Lauchzwiebeln, einem neutralen Öl, einem Hauch Sojasauce und Sesamsaat vermengt worden

Schärfe war nur ganz leicht im Abgang zu ahnen, Säure war gar nicht im Spiel, das ist wohl der große Unterschied zum Ceviche, so dass
der Fisch nicht anzieht. Die Kombination ließ dem Lachs viel Raum, schmeckte frisch. Nichts Weltbewegendes, aber zufriedenstellend.
Unsere vielleicht etwas zu akribische Inspektion des Schüsselinhalts sorgte für Heiterkeit bei den Gästen am oberen Ende der Tafel.

Wir hatten uns beide beim Hauptgang für die gegrillte Variante (wohl eher Platte denn Rost) entschieden. Das hatte die Küche mustergültig hinbekommen. Mein Butt war wunderbar goldgelb

und mit etwas Olivenöl umträufelt
Das Fleisch war durchgegart

was überhaupt nicht störte, denn das Exemplar war für den Plattfisch ausgesprochen fett. Was sich nun wiederum beim Geschmack positiv bemerkbar machte, den ich zwischen Seezunge und Scholle ansiedeln möchte. Auch meine Mitschlemmerin war mit ihrer Goldmakrele sehr einverstanden.

Die Beilagen überzeugten weniger. Etwas selbst gemachte Remoulade, in der Konsistenz fein, die Einlage eher grob. Der Tomaten-Chipotle-Salsa

fehlte Würze wie Schärfe. Das eingelegte Gemüse entpuppte sich als kleines Röschen Blumenkohl, arg sauer. Dann noch etwas geschnittene rohe Zwiebel mit Petersilie und ein Zitronenachtel. Zum Steinbutt passte nichts. Die Präsentation uninspiriert. Passend dazu wurde nicht auf einem Teller angerichtet, sondern auf einem Blechtablett mit Pergamentpapier-Auflage

Das war mir (als einziges) doch zu viel Mitte statt Charlottenburg.

Ganz schwach der portugiesische Reis

der zudem wohl in der Küche vergessen wurde und erst mehrere Minuten später an den Tisch kam. Völlig zerkocht (das Bild schmeichelt), mit nicht enthäuteten Tomatenbrunoises und geschmacklosen Zwiebeln, zudem von aufdringlicher Säure. Salz, Frische, Kräuter - alles Fehlanzeige. Hanseat1957 als Kenner der lusitanischen Küche wird uns sicher eine Einordnung geben.

Trotzdem verließen wir nach einem anregenden Besuch gut gestimmt ein Lokal mit funktionierendem Konzept.

Fazit:
Das Gesamtpaket stimmt. Die deutsche Schreibweise Fisch macht deutlich, dass das Produkt ernst genommen wird und nicht hinter dem vorhandenen Funk verschwindet. Kulinarische Aha-Erlebnisse dürfen jedoch nicht erwartet werden.
Alles in allem: Wenn es sich wieder ergibt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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