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GastroGuide-User: NoTeaForMe
NoTeaForMe hat Hotel Yachtclub · Balthazar in 23669 Timmendorfer Strand bewertet.
vor 2 Jahren
"Ein "teuflisch" schönes Vergnügen, dass dieses Prädikat einer, wenn auch nicht immer perfekten, aber sehr einfallsreichen kulinarischen Dramaturgie und einem sehr versierten Service verdankt."

Geschrieben am 27.05.2022 | Aktualisiert am 27.05.2022
Besucht am 26.05.2022 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 171 EUR
Auch wenn sich das Restaurant "Balthazar" wohl einen eher "negativ" angehauchten Namen gegeben hat, muss dem Gast doch nicht bange werden, dass er hier eine gastronomische Hölle erlebt. Das beweisen allein schon die Wertungen in den bekanntesten Restaurant-Ratgebern, unter denen der Guide Michelin bereits seit 2017 den begehrten Stern über dem Restaurant erstrahlen lässt und auch der Gault Millau mit nunmehr 16/20 Punkten, oder der Gusto mit 7/10 Punkten ein beachtenswertes Niveau der hier gebotenen Leistung sieht.
In zum Ort Timmendorfer Strand gehörenden Niendorf gelegen, stellt das "Balthazar" somit neben der ebenfalls in Timmendorfer Strand zu findenden "Orangerie" und dem "Diva" in Scharbeutz die aktuell besternte Spitze der Gastronomie an der beliebten Lübecker Bucht dar. Damit steht es natürlich auch auf meiner Liste der in kurzer Entfernung gelegenen interessanten Restaurants ganz oben und nun sollte das Vorhaben eines Besuches endlich in die Tat umgesetzt werden.

Wie auch die anderen beiden erwähnten Restaurants gehört das "Balthazar" zu einem der zahlreichen Hotels in der beliebten Touristenhochburg der Lübecker Bucht. Es befindet sich dabei im "Hotel Yachtclub" an der Promenade. Hätte ich meinen Besuch schon vor dem Herbst 2020 getätigt, wäre der Fahrweg noch ein wenig kürzer gewesen. Bis zu dieser Zeit befand sich das Restaurant nämlich in der wunderbaren "Villa Mare" an der Travemünder Strandpromenade. Dann erfolgte der Umzug in das nur wenige Kilometer weiter nördlich gelegene Niendorf, der dem Anspruch und der Leistung aber nicht geschadet hat, wurden die Wertungen der erwähnten Guides im Jahr 2021 prompt bestätigt.
Wie ich während des Abends erfahren konnte, begründete sich dieser Umzug vor allem durch den von der Personalnot erschwerten, nicht mehr zu stemmenden Aufwand für sowohl Gourmet-Restaurant als auch Hochzeits- und Feier-Catering. Mit dem starken Partner des "Hotel Yachtclub" im Rücken ist nun wenigstens der Fokus auf das Restaurant wieder möglich und wurde, wie erwähnt, ja auch bereits honoriert. Doch selbst dafür lässt sich heute die Größe des Teams mit nur jeweils 2 Mitarbeitern in Küche und im Service an nur einer Hand abzählen.

Eine Abwertung des kulinarischen Niveaus nach dem Wechsel wäre auch eine Überraschung gewesen, denn auch am neuen Standort ist mit Oliver Pfahler als Chef de Cuisine die wohl wichtigste Personalie des kulinarischen Erfolges an Bord geblieben. Der 48-jährige gebürtige Baden-Württemberger kann dabei von seiner gastronomischen Laufbahn her als sehr treues "Nordlicht" bezeichnet werden. Prägende, hochklassige Grundlagen wurden in Hamburg im besternten "Le Canard" und "Haerlin" gelegt. Auch danach hielt ihn sein Weg in der Hansestadt an der Elbe und an der Ostsee, bis es 2016 eben in das "Balthazar" in Travemünde ging. Allgemein bezeichnet die Website des Restaurants seinen "kulinarischen Stil“ als „Mischung aus einer mediterranen Mittelmeerküche mit französischem Einschlag sowie kulinarisch saisonalen Höhepunkten“. Ein Ausrichtung, die auch mir persönlich bereits sehr zusagte.

Wie erwähnt verwöhnte das "Balthazar" in Travemünde seine Gäste noch mit dem wunderbaren Ambiente der "Villa Mare" und einem schönen Blick über die Ostsee der Lübecker Bucht. Im "Hotel Yachtclub", welches sich in zweiter Reihe zur Küste befindet und somit nicht mehr dem Blick auf das offene Meer bieten kann, hat man dem Restaurant nun einen Seitenflügel im Erdgeschoss mit integrierter Bar gewidmet.
Außenansicht: Eingang.
Mit ihrem Holzbretterboden einem Schiffsdeck ähnelt ermöglicht eine Terrasse zur Straßenseite hin auch Sitzgelegenheiten im Freien. An diesem windigen und unbeständigen Tag war dies aber ohnehin keine Option, wobei wie erwähnt der schöne Ausblick der ehemaligen Villa Mare hier auch bei gutem Wetter sowieso nicht mehr einladen kann.
Außenansicht: Terasse.
Das Ambiente hat sich dabei vom hellen Stil der "Villa Mare" in ein durchweg von dunklen bis schwarzen Tönen geprägtes gewandelt. Das erzeugt auf jeden Fall eine edle und hochwertige Atmosphäre, die dem kulinarischen Anspruch gerecht wird. Die grauen, Stoffbezogenen Stühle gewähren mit Sicherheit ebenso guten Sitzkomfort wie die Samt-Sofabank an einer Wand des Gastraumes, auf der ich an diesem Abend sehr entspannt Platz nehmen durfte.
Innenansicht, Menü-Bereich.
Das kleine Séparée in dem ich saß ist dabei dem Menü-Bereich des Sternerestaurants vorbehalten, wären der vordere Bereich um die Bar schon zum A-la-Carte-Restaurant gehört.
Innensicht, A-la-Carte-Bereich mit Bar
Eine warme Ausleuchtung, die in kleinen Nischen mit bunten Gläsern der Wand in diesem Teilraum sehr kreativ umgesetzt wurde, unterstützt die elegante Stimmung.
Innenansicht, Menü-Bereich.
Zu guter Letzt fügen sich auch die angenehm großen Tische mit ihren feinen Tischdecken in die gelungene Atmosphäre ein.

Um das Wohl der Gäste im Gourmetbereich kümmerten sich an diesem Feiertags-Abend, wie oben bereits erwähnt, ein Herr und eine Frau mittleren Alters, wobei letztere wohl die Serviceleitung innehatte. Schon der Empfang fiel aufmerksam, freundlich und offenherzig aus. Wohl auf Grund des vor allem beim männlichen Geschlecht eher anders genutzten Feiertages musste sich das Serviceteam an diesem Abend neben mir um nur eine weitere Reservierung im Menü-Abteil kümmern, welcher aber sowieso nur 4 Tische umfasste.
Dementsprechend gab es im weiteren Verlauf, auch mit sich füllendem A-la-Carte-Bereich nie ein Nachlassen der Fürsorglichkeit.
Unsere beiden Tischpartien bediente vornehmlich der Herr simultan in sehr guter Koordination und Timing über den ganzen Abend hinweg. Sehr schätzte ich an ihm auch sein umfassendes Wissen bei wirklich allen der, soviel sei verraten, sehr vielzähligen kulinarischen Services. Keine meiner gewohnt neugierigen Fragen blieben bei ihm unbeantwortet und gerne servierte auch mir auch einzelne Komponenten noch einmal separat, wenn ich diese besonders spannend empfand (zB ein Dashi-Sud oder eine Rotwein-Jus).
Das war eine absolut professionelle Leistung, bei der aber zu keinem Zeitpunkt eine kühle Distanz entstand, denn auch gegenüber gegenseitigem Austausch trat er stets offenherzig auf.
Auch die Service-Leiterin trat, wie im weiteren Verlauf des Berichts noch erläutert, gegen Ende des Menüs absolut positiv in Erscheinung und das sehr interessante und persönliche Gespräch mit Küchenchef Oliver Pfahler zum Abschied rundete diese von natürlicher Herzlichkeit und gelebter Gastlichkeit geprägte Atmosphäre ab. Besser kann für mich ein Service nicht agieren.

Aktuell gewährt das Restaurant tatsächlich nur ein Menü, bei dem lediglich die Anzahl der Gänge von deren 5 für 159€ bis 6 für 179€ variiert werden kann. Ab 4 Personen wird dabei auch darum gebeten, dass sich selbst dann der gesamte Tisch auf eine Anzahl einigt. Das ist schon eine selbst im Vergleich zu anderen Sternerestaurants große Einschränkung, bei der also wirklich alles passen muss und wobei zudem zunächst in der Karte auch gar nicht sicher hervorkommt, ob denn auch auf Vegetarier eingegangen werden kann. Dieser Wunsch wird jedoch bei der Reservierung abgefragt, sodass sich die Küche also darauf vorbereiten kann.
Hierbei muss auch erwähnt werden, dass bei der Reservierung die Kreditkarten-Daten notwendig sind. Ein für mich verständlicher und sich auch weiterverbreitender Schutz der Gastronomen vor den unsäglichen „No-Shows“ wegen parallelen Reservierungen auf Verdacht.
Ich entschied mich an diesem Abend für die 5-Gang-Option für 159€. Es überrascht sicher bestimmt wieder nicht, dass ich dabei auf das Dessert zu Gunsten des herzhaften Käse-Abschlusses im Menü verzichtete.

Meine gustatorische Begrüßung sollte dieses Mal ein alkoholfreier Aperitif in Form eines „Martini“ mit Bergamotte und Grapefruit sein.
Aperitif: Alkoholfreier „Martini“ mit Bergamotte und Grapefruit.
Dieser schön kühle Drink sorgte mit seinen Zitrus-Aromen schon einmal für eine angenehme Frische im Rachen, wobei der leicht herbe Touch der Grapefruit das Prickeln schön ergänzte, während ich von Bergamotte hingegen nichts vernahm.

Kulinarisch startete man im „Balthazar“ gleich mit dem Tischgedeck rund ums Brot.
Brot, Butter-Fünferlei (Carabiniero-, Curry-, braune-, Oliven-Sardellen- und klassische Salzbutter), Olivenöl, spanischer Schinken und Grissini.
Soviel sei vorweggenommen, dieses stellte schon einmal die Weichen für eine Besonderheit, die sich durch das gesamte Menü ziehen sollte: einer großen Auswahl und Vielfalt an einzelnen Petitessen und kulinarischen Eindrücken.
So umfassend wurde das uns Deutschen heiliges Brot für mich auch noch nicht in Szene gesetzt. Zu einem Dreierlei aus fluffigem, wenn auch leider kalten und nicht so schön röschen Tomaten- und Curry-Ciabatta, sowie einem klassischen Kastenbrot gab es neben Olivenöl gleich eine 5er-Armada verschieden aromatisierter Butter-Halbkugeln. Von links nach rechts servierte man dabei eine Carabiniero-, Curry-, braune, Sardellen-Oliven- und klassische Salzbutter. Von diesen gefielen mir die karamellige braune Butter und spannend iodig-salzige Oliven-Sardellen-Variante am meisten.
Dazu gab es noch eine Scheibe von spanischem Schinken, der zwischen Marmorplatten getrocknet wurde. Ein weiterer kulinarischer Spaß aus schmelzigem Fett und Herzhaftigkeit.
Für Knabberei war mit den Grissini-Stangen ebenfalls gesorgt.

Auch bei den nun folgenden, in kurzen Abständen hintereinander servierten Amuses stand die Küche mit ihrer Kunst sozusagen gleich in einer Parade zum Gruß. ;-)
Nicht weniger als 6 Petitessen darf ich darum nun vorstellen.

Los ging es mit einem Zitronengras-Lachs-„Burger“ mit Mango.
Amuse #1: Zitronengras-Lachs-„Burger“ mit Mango.
Ein luftiger Baiser diente nur als Unterlage und haptischer Träger, ohne eine eigene Aromatik zu besitzen. Im Mund entwickelte sich nach dessen Auflösung dann ein schön cremiger Eindruck, getragen von der kleinen Lachsscheibe, die sich zwischen den Scheiben des mit Zitronengras aromatisierten Mango-Gelees geschmacklich nicht verlor, aber auch keine besondere Spannung am Gaumen ergab. Ein handwerklich guter, aber sonst nicht in Erinnerung bleibender erster Happen.

Flüssiger Genuss mit einem Gemüse-Gazpacho-Shot im Reagenzglas stand nun als zweiter Gruß an.
Amuse #2: Gemüse-Gazpacho-Shot.
In der Nase dominierte die natürlicherweise obenauf schwimmende Schicht Olivenöl. Im Mund ergab sich dann das typische Bild der italienischen, kalten Gemüsesuppe, die gefiel, aber erneut keine sonstigen Besonderheiten aufwies. Jedoch muss bei solch einem kleinen Einstieg natürlich nicht schon ein aromatisches Feuerwerk gezündet werden.

Mehrteiliger wurde es dann schon mit dem dritten Auftakt in Form eines Carabiniero-Tatars mit Waldmeister- und Erdbeer-Gelee, sowie Kaviar.
Amuse #3: Carabiniero-Tatar mit Waldmeister- und Erdbeer-Gelee, sowie Kaviar.
Das unter einem Geleedeckel am Grunde des Gläschens befindliche Tatar vom Carabiniero überzeugte in seiner Qualität mit angenehmen Biss und Krustentier-Geschmack bereits. Beim Anstechen der rötlichen Sphäre wurde der Erdbeersaft freigegeben. In Kombination mit der Salzigkeit des Kaviars und der Fruchtigkeit des Obstes ergab sich somit ein interessanter Raum für das Krustentier, bei dem für meinen persönlichen Geschmack nur der Salzpart noch etwas stärker hätte sein können. Der Waldmeister kam in diesem Arrangement für mich zwar nicht zur Wirkung, trotzdem steigerte sich die Komplexität mit diesem dritten Teil schon spürbar.

Numero 4 wurde folgend mit dem Motto „iberische Halbinsel“ serviert.
Amuse #4: Motto „iberische Halbinsel“: Oktopus-Quader mit Chorizo und gepufften Schweinebauch (links); Stockfisch-Praliné mit Kartoffelpüree und Kaviar (rechts).
Dieses Zweierlei bestand dabei aus einem Oktopus-Quader mit Chorizo und gepufften Schweinebauch.  Der Oktopus hatte eine herrlich fleischige Konsistenz und bildete somit eine tolle Grundlage für die kräftigen Aromen der Chorizo-Creme und des Schweinebauchs, die den Geschmack der Petitesse ausmachten. Ein Charakter von Rauch und Salz stimulierte die Geschmacksknospen somit in weiterhin steigender Stärke.

Der zweite Fingersnack war eine Stockfisch-Praliné mit Kartoffelpüree und Kaviar.
Damit kam auch das erste warme Häppchen auf den Tisch, was die Intensität und Spannung dieses mehrteiligen Einstiegs nochmals steigerte und somit immer klarer den roten Faden dieser Abfolge erscheinen ließ. Cremige Kartoffel und aromatischer Fisch erfuhren durch das Salz des Rogens dabei eine perfekte Abrundung.

Nach dieser herzhaften Stimulation widmete sich der 5. Gruß mit gestockter Auster auf Champignoncreme, getoppt mit einer Hollandaise und „Speck-Staub“ einer weiteren Geschmacksfacette: dem Säure-Spiel.
Amuse #5: „Gestockte“ Auster auf Champignoncreme, getoppt mit Hollandaise und „Speck-Staub“.
Dafür sorgte eine als „gestockt“ annoncierte, ausgelöste Auster auf einer Champignoncreme am Boden eines Schälchens, die von einer luftigen Hollandaise und ein paar Pigmente „Speckstaub“ getoppt wurde. Säurebetont war hierbei vor allem die Hollandaise, die mit der aromatischen Champignoncreme geschmeidig die schön fleischige Auster umschnitt, sie aber geschmacklich nicht verdrängte. Die Herzhaftigkeit des Speckstaubs war somit viel weniger präsent als beim Oktopus zuvor, was aber eine wiederum willkommene Abwechslung in der Reihe darstellte.

Das Finale dieser Einstimmung fand dann als Maispoularden-Praliné im Tempura-Teig mit einer Creme von schwarzen Knoblauch an den Tisch.
Amuse #6: Maispoularden-Praliné im Tempura-Teig mit einer Creme von schwarzen Knoblauch.
Die schön warme und krosse Praline war dabei mit einem herrlich saftigen Würfel der Poularde gefüllt und an sich schon eine Wonne. Mit der kühlen Creme vom schwarzen Knoblauch ergab sich somit ein schöner Temparatur-Kontrast. Zudem ergänzte das leicht an Lackritz erinnernde, aber trotzdem würzige Aroma des fermentierten Zwiebelgewächses diesen finalen Gruß um einen tollen weiteren Reiz.

Diese Einstiege erfüllten ihren Zweck für mich somit perfekt, denn mein Appetit war nun wahrlich sehr angeregt und gleichzeitig konnte ich auch schon auf eine große Bandbreite an Geschmackseindrücken zurückblicken. Das wirkte fast schon wie ein Menü im Menü, denn der Aufbau von Intensität, Temperatur und Aromen war dabei klar spürbar.
In dieser Form war solch ein Menübeginn für mich eine Premiere und somit etwas, dass diesem Besuch schon zu Beginn eine Besonderheit gab und in der Erinnerung verankerte.

Im nun folgenden 1. Gang des eigentlichen Menüs wurde sich diesen vier Zutaten gewidmet: „Thunfisch / Gurke / Wasabi / Dashi“.
Die Vorliebe der Küche für vielfältige Happen zog sich auch in den Gängen des eigentlichen Menüs fort, welche nämlich stets mit einer separaten Kleinigkeit bzw. „Satelliten-Teller“ eingeleitet wurden.
Einstimmung zu „Thunfisch / Gurke / Wasabi / Dashi“: Baiser-„Burger“ mit Thunfisch und Gurke.
Analog zum Lachs zum Auftakt war dies hierbei ein Baiser-„Burger“ mit Thunfisch und Gurke als dünner Scheibe und Gelee.
Hier agierte vor allem die Gurke als Geschmacksgeber, womit das Häppchen eher nicht mehr als eine haptische Unterhaltung war.

Im Hauptteil folgte dann ein Thunfischtartar unter Gurkenhaut mit Wasabi-Mayonnaise-Tupfern, sowie Würfeln von Wasabi-Gelee und saurer Gurke mit Dashi-Sud.
Hauptteil zu „Thunfisch / Gurke / Wasabi / Dashi“: Thunfischtartar unter Gurkenhaut mit Wasabi-Mayonnaise, Wasabi-Gelee, saurer Gurke mit Dashi-Sud.
Die akkurat geschnittenen Würfel des Fisches hatten eine wirklich schöne Konsistenz und Frische, die von der Gurke schön unterstützt wurde. Trotzdem konnte der Gang mich persönlich darüber hinaus aber nicht begeistern, blieb doch vor allem der Wasabi komplett wirkungslos. Auch der an sich eigentlich würzige Dashi konnte keine zusätzliche Spannung aufbauen, war er doch dafür wohl zu gering dosiert. Einen schönen knackigen und Säure-bringenden Effekt gewährten die kleinen Würfel der sauren Gurke, was noch positiv zu erwähnen ist.
In Summe also ein Produktqualitätsmässig guter Gang, der zwar Frische, aber keine klare Aromatik versprühte.

Auch der 2. Service bewegte sich mit „Kaisergranat / Kohlrabi / Curry / Speck“ noch teilweise im Meer, ging aber auch schon teilweise an Land.
Dessen Einstimmung bestand aus einem im Ei servierten Langoustinen-Tartar mit Selleriecreme und Kaviar, sowie einem Dim-Sum vom Kaisergranat, zu dem ein Buttermilch-Soja-Sud genossen werden sollte.
Einstimmung zu „Kaisergranat / Kohlrabi / Curry / Speck“: Langoustinen-Tartar mit Selleriecreme und Kaviar im Ei, sowie Kaisergranat-Dim-Sum mit Buttermilch-Soja-Sud.
Im Ei diente die Langoustine vor allem als haptisch passende Ergänzung zur Geschmeidigkeit einer Selleriecreme, die mit ihrem klaren, kräftigen Aroma hier den Wohlgeschmack ausbildete, der vom Kaviar passend gewürzt wurde.
Das warme Dim-Sum gab dann mit seinem schon dünnen Teig dem Kaisergranat wiederum eine größere geschmackliche Bühne, die von dem säuerlich-salzigen Sud von Buttermilch und Soja ausgeschmückt wurde. Im Vergleich zum ersten Gang war dies eine wesentlich stimmigere und prägnantere Einstimmung.

Im zweiten Teil kam sodann ein schönes Stück vom Schwanz des Kaisergranats auf Würfeln von gepickeltem Kohlrabi daher, der von einer Curry-Creme und dem bereits von einem der Amuse bekannten gepufften Schweinebauch getoppt wurde. Dieses zentrale Gebilde wurde von einem Curry-Sud mit ein paar Tropfen Curry-Öl umgeben.
Hauptteil zu „Kaisergranat / Kohlrabi / Curry / Speck“: Kaisergranat auf Würfeln von gepickeltem Kohlrabi, mit Curry-Creme und gepufften Schweinebauch in Curry-Sud und Curry-Öl.
Dieser Schwung in ein vom Würzreichtum des Currys geprägtes Bild im Hauptteil war dann ebenso überraschend wie auch spannend. Während schon das haptische Spiel aus dem perfekt saftigen, knackigen und zudem angenehm temperierten Kaisergranat mit den Kohlrabi-Würfeln und dem Knusper des gepufften Schweinebauches im Gegenspiel zu Creme, Sud und Öl vortrefflich war, begeisterte mich hier vor allem die Curry-Akzentuierung. Diese entfaltete sich in der perfekten Temperatur und der genannten Dreifaltigkeit ganz wunderbar und gab dem Gang somit eine einprägsame Besonderheit, ohne dem Granat dabei seine geschmackliche „Kaiser-Rolle“ komplett zu nehmen.
Der verhaltene Eindruck von Thunfisch-Gang wurde somit hier wieder sehr gut kompensiert.

Eine ganz klassische Verbindung folgte, zumindest der Annoncierung nach, als 3. Gang mit „Gänseleber / Pfirsich / Ingwer / Brioche“.
Wiederum in einem Ei serviert bildete ein Gänseleber-Parfait mit Pflaumenschaum und knusprigen Buchweizen den Einstieg in diesen dritten Gang.
Einstimmung zu „Gänseleber / Pfirsich / Ingwer / Brioche“: Gänseleber-Parfait unter Pflaumenschaum mit knusprigem Buchweizen.
In diese Einstimmung wurde schon einmal die so häufig anzutreffende Kombination der Leber mit fruchtiger Süße zelebriert. Das Parfait zerschmolz mit perfekter Konsistenz und klarem Geschmack im Mund und fand durch den Schaum gleichzeitig Luftigkeit und Süße, während der Buchweizen leicht knusperte. Das funktionierte zum Einstieg bereits gut und machte Spaß.

Der Haupt-Teller präsentierte die Leber dann als anschaulich marmorierte Pate mit Pfirsich als Geleedeckel, sowie Sorbet, Creme und Würfel der Frucht.
Hauptteil zu „Gänseleber / Pfirsich / Ingwer / Brioche“: Marmorierte Pate mit Pfirsich als Geleedeckel, Sorbet, Creme und Würfel mit gezuckerter Brioche.
Natürlich gab es dazu Klassischerweise noch eine Scheibe Brioche, von der ich aber ablassen musste, war sie, für mich unnötigerweise, in ihrer Süße doch sogar noch mit Puderzucker intensiviert. Das brauchte das Leber-Arrangement für mich nämlich gar nicht, bei dem die Süße meiner Meinung nach schon passend dosiert war. An der Qualität und dem bekannt kräftigen Geschmack der Leber gab es dabei nichts zu bemängeln. Auch die Achtung des Konsistenzen- und Temperaturkontraste mit dem Sorbet, Gelee und den Würfeln war gut getroffen. Was mich lediglich wieder, analog zum Thunfisch, etwas enttäuschte war die Tatsache, dass ich den Pfirsich und Ingwer in der Kombination geschmacklich einfach nicht ausmachen konnte. Es fehlte wieder der Schwung, der dieses Gericht zu mehr als nur einer schmackhaften Leber-Pate machte. Nicht falsch verstehen: Der Hauptteller war wieder definitiv handwerklich sehr gut und Genuss-würdig, aber eben im Gegensatz zum Kaisergranat nicht Erinnerungs-würdig.

Als sprichwörtlich Fleischgewordener Hauptgang wurde als 4. Speise nun „US Beef / BBQ / Lauch / Kohle“ serviert.
Dabei setzte die Küche dem ganzen schon einmal dadurch noch einen drauf, dass sich dieser Höhepunkt sogar in drei Akte gliederte.
Vorweg gab es ein Rindertartar unter Johannisbeer-Gelee mit Kaviar und geeistem Wasabi-Joghurt-Staub, sowie separat eine Rinderbouillon im Tässchen.
Einstimmung zu „US Beef / BBQ / Lauch / Kohle“: Rindertartar unter Johannisbeer-Gelee mit Kaviar und geeistem Wasabi-Joghurt-Staub, sowie separat eine Rinderbouillon im Tässchen.
Beim Tatar erfreute mich vor allem, dass im Gegensatz zum Thunfisch hier der Wasabi tatsächlich eine Wirkung entfaltete, die der gelungenen Kombination aus cremigem Tartar, Beeren-Fruchtigkeit und Kaviar-Salzigkeit eben jene Besonderheit gab.
Die wie bis hierhin schon gewohnte perfekt getroffene Temperierung der Speisen setzte sich auch bei der Bouillon fort und verstärkte deren fleischige Intensität vortrefflich. Zunge und Gaumen waren somit schon einmal in herzhafte Hab-Acht-Position gestellt.

Der mittlere Teil der Hauptgang-Reihe drehte sich dann ganz um den Lauch und überraschte damit als ganz vegetarischer zweiter Akt.
Mittelteil zu „US Beef / BBQ / Lauch / Kohle“: Herz von verbrannten Lauch mit Petersilien-Mayonnaise, Speckstaub, zerlassener Butter und Holundergelee.
Den Lauch ließ das Küchenteam auf dem Grill verbrennen (ein erster Anklang der annoncierten Kohle) und servierte dann das saftige und doch noch angenehm feste Herz, das durch Petersilien-Mayonnaise und zerlassener Butter eine Cremigkeit anbei gestellt bekam. Während das Fett der Butter den Eigengeschmack des Lauchs ebenso intensivierte, wie der feine Speckstaub obenauf, sorgte ein Holundergelee daneben für einen fruchtigen Konterpart, der diesem überraschenden Einschub im sonst fleischigen Hauptgang eine Besonderheit verlieh. Das war ein absolut gelungener und toller Einfall.

Die krönende dritte Stufe stellte dann natürlich das US-Beef mit einem perfekt rosa gegarten Filet-Quader voll in den Mittelpunkt.
Hauptteil zu „US Beef / BBQ / Lauch / Kohle“: Filet mit Petersilien-und BBQ-Mayonnaise, Speckstaub, Rotwein-Jus, BBQ-Sphäre und Pinienkern-Creme.
Auf dessen Haupt thronte erneut die Petersilien-Mayonnaise, die mit einer BBQ-Mayonnaise kombiniert wurde. Dabei sorgte der ebenfalls bereits erlebte Speckstaub für einen erneut passenden, salzigen Knuspereffekt.
Die Kunst für klassisches Handwerk beim saftigen und zarten Filet offenbarte sich auch in einer leicht klebrigen und damit auch wunderbar intensiv daherkommenden Rotwein-Jus, von der ich mir gerne noch etwas mehr aus der dazu servierten, kleinen Karaffe gönnte. Zusätzliche Spannung gesellte sich zum Fleisch durch eine Pinienkern-Creme, humorvoll als halbe Erdnuss getarnt und vor allem eine als Eigelb erscheinende Sphäre, die im Mund ein herrlich würzig-süßes BBQ-Aroma versprühte. Da letztere schön im Mund nachhallte, fand so auch der versprochene BBQ- und Kohle-Rauch-Touch sinnvoll in das Gesamtgericht.
Eine wahrlich wiederum voll in Erinnerung bleibende Gestaltung dieses Menü-Höhepunkts, der diesen Namen somit voll verdient.

Ganz auf einen süßen Stimulus musste ich natürlich nicht verzichten, füllten die Köche das beliebte Eierschalen-Gefäß doch nun mit folgendem Pre-Dessert.
Pre-Dessert: Schokoladensorbet mit Erdbeere unter Mango-Espuma.
Unter einem Mango-Espuma verbarg sich dabei ein Schokoladensorbet mit Würfelchen von Erdbeere.
Die Melange aus dunkler Schokolade mit fruchtiger Süße und Säure erfüllte seinen den Mund erfrischenden Zweck dabei sehr gut, wobei einzig die Mango im Schaum nicht geschmacklich hervortrat. Das tat dem süßen Spaß aber keinen wirklichen Abbruch.

Wie bereits erwähnt, entschied ich mich bei der Reduzierung der gewählten Gänge meiner 5-Gang-Variante dazu, dass Menü statt mit einem süßen Dessert mit „Käse von Affineur Waltmann“ abzuschließen.
Eine absolute Freude war es dabei, endlich mal wieder einen klassischen Käsewagen in einem Restaurant an den Tisch gefahren zu bekommen. Die Präsentation der angebotenen Sorten übernahm hier nun die Service-Leiterin, die dies in einer entwaffnend charmanten, humorvollen und dabei doch mit viel Wissen gespickten Art tat.
Wagen mit Käse von Affineur Waltmann.
Vom Wagen entschied ich mich für eine Bries-Variation aus Schafsmilch (auf 6-Uhr), einen Calvados-Brie (rechts daneben), einen Rahmkäse aus Ziegenmilch (ganz links), einen 10-12 Monate gereiften Gouda (rechts oben) sowie einen Blauschimmelkäse „Fourme d‘Ambert“ (in der Mitte).
Jeder einzelne Käse konnte mich als Käseliebhaber mit seiner Kraft und Individualität vollkommen überzeugen und damit rundum glücklich machen.

Auch zu diesem Abschluss hielt man sich bei der Anzahl der Beigaben in keiner Weise zurück.
Zugaben zum Käse: Früchtebrot und (v.l.n.r.) Trüffel-Honig, sowie einem Viererlei aus Traubenmost-, Estragon-, süßen und klassischen Senf.
Neben dem klassischen Früchtebrot bereiteten die Schälchen mit (von links nach rechts) aromatischem Trüffel-Honig und einem Viererlei aus Traubenmost-, Estragon-, süßen und klassischen Senf noch einmal einen tollen letzten kulinarischen Spaß meines persönlichen Menüs, wobei vor allem die Estragon-Variante mit einer schön ätherischen Schärfe, sowie der rote Senf mit Traubenmost, der eine tolle Fruchtigkeit eingebunden hatte, besonders in Erinnerung blieben.

Nach wie im Fluge vergangenen rund 3 Stunden verließ ich somit das "Balthazar" mit folgenden, zusammengefassten Eindrücken und gleichzeitigem Fazit.

Auch wenn das Restaurant nun nicht mehr den freien, weiten Blick über die Lübecker Bucht auf die Ostsee gewährt, wie es damals in der "Villa Mare" in Travemünde der Fall war, garantierte das hochwertige Mobiliar und die stimmige, elegante Einrichtung trotzdem einen angenehmen Rahmen für solch ein Menü.

Diese Atmosphäre unterstützte auch das Serviceteam mit seiner für mich perfekten Symbiose aus Professionalität und dem Gast zugewandter Herzlich- und Persönlichkeit.

Von diesen guten Umständen begleitet sorgte schließlich das von dem nur 2 Mann umfassenden Küchenteam um Oliver Pfahler aufgetischte Menü dafür, dass dieser Abend eine Kurzweiligkeit und dabei auch stets aufrecht bleibende kulinarische Spannung besaß, die ich in der Form bisher noch nicht erfahren habe.
Es ist wirklich beeindruckend, welche Vielfalt und welchen Reichtum an geschmacklichen Stimuli diese nur 4 Hände für den Gast in ihrer Küche zubereiteten. Gerade bei solch vielen kleinen Häppchen ist es dabei von besonderer Wichtigkeit, dass ein Sinn für Aromenbalance und vor allem Verdichtung gekonnt ausgeübt wird. Ansonsten würden diese Bissen in eine neutrale Belanglosigkeit abdriften.
Doch Oliver Pfahler und Co. bewiesen mir in unzähliger Ausführung, dass sie diesen Sinn beherrschen. Das dabei bei ein paar Amuse Gueules, sowie dem Thunfisch- und Gänseleber-Gang die Geschmacksherausbildung nicht vollends gelungen war enttäuschte mich in der Gesamtheit dabei gar nicht. Denn dieser "Abfall" resultierte vor allem aus dem Vergleich mit den in besonderer Erinnerung bleibenden, Aromen-satten Speisen wie den Amuses rund um die iberische Halbinsel und die Wachtelpraline, sowie dem würzigen Kaisergranat-Hauptteil und der spannenden Hauptgang-Trilogie. An Qualität von Produkten und Zubereitung gab es nämlich bei keinem Service für mich etwas zu bemängeln-

Angesichts dieser kulinarischen Besonderheit und Freude und vor allem der Vielteiligkeit an Zugaben z.B. beim Einstieg mit dem Brot und den Amuses, sowie der mehrteiligen Gänge ist ein Preis von 159 € für 5 Gänge für mich ganz klar als gerechtfertigt zu bezeichnen. Die Menüfolge sorgte nicht nur für eine sehr angenehme Sättigung, sondern wie erwähnt auch für eine stets andauernde kulinarische Freude, bei der jede häufig "typisch deutsche" Kritik an Mini-Portionen einfach nur komplett unbegründet bleiben würde.

Wer also bei einem Urlaub an der Lübecker Bucht, welche ja seit Beginn der Corona-Pandemie noch einmal zusätzliche Beliebtheit gewonnen hat, auf der Suche nach einem bemerkenswerten, kulinarischen Erlebnis ist, dem würde ich einem Besuch im "Balthazar" wärmstens empfehlen.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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