Zum Bandweber
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Rödertalplatz 1, 01900 Großröhrsdorf
Restaurant Biergarten Gaststätte
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GastroGuide-User: Jenome
Jenome hat Zum Bandweber in 01900 Großröhrsdorf bewertet.
vor 2 Jahren
"40 Jahre stand die Gastronomie leer-jetzt ein gelungener Neustart"
Verifiziert

Geschrieben am 16.12.2021 | Aktualisiert am 17.12.2021
Besucht am 26.11.2021 Besuchszeit: Abendessen 4 Personen Rechnungsbetrag: 96 EUR
Endlich wurde mal wieder ein bedeutendes Gebäude in Großröhrsdorf, der „Stadt der Bänder“ wie sie auch genannt wird, saniert. Zum Bandweber
Die neue Gastronomie „Zum Bandweber“ hat ihren Namen aus der bedeutsamen Geschichte der kleinen, ostsächsischen Stadt. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts avisierte Großröhrsdorf mit seinen 32 Bandfabriken und mehr als 1.000 Bandwebstühlen zu einem der größten Zentren der Band- und Gurtweberei in Deutschland. 1874 gab es hier im Ort zusammen 79 Band-, Gurt- und Zwirnbetriebe. 1940 be­trug das re­gio­na­le Pro­duk­ti­ons­er­geb­nis an Bän­dern und Gur­ten sogar das 30-Fa­che des Erd­um­fangs. Nach dem zweiten Weltkrieg schrumpfte die Zahl der Betriebe auf 68 und von 1972-1978 erfolgte die Verstaatlichung der meisten Betriebe der Bandindustrie und eine Zusammenfassung zum VEB Bandtex als Großbetrieb (ein sogenanntes Kombinat) mit bis zu 5.000 Beschäftigten. Mit der deut­schen Ein­heit kam die Band­in­dus­trie Groß­röhrs­dorfs je­doch fast voll­stän­dig zum Er­lie­gen. Die Band- und Gurtweberei J.G. Schöne oder auch die Bandweberei F. A. Schurig und die Bandweberei F.J. Rammer sind die letzten Überlebenden der ehemaligen Bandweber, welche heute u.a. dekorative Textilbänder herstellen.

Aus jener gutgehenden Zeit stammt auch der ehemalige Gasthof der Familie Haufe, welche um 1905 die Türen erstmals öffnete. Kurze Zeit später wurde auch der wunderbare Jugendstilsaal eingeweiht. Auch hier wurde das Gebäude zu DDR Zeiten verstaatlicht, und ein sogenanntes Kulturhaus daraus gemacht. Im Jugendstilsaal wurde bereits ab 1940 die damalige „Kinoschau“ gezeigt, zu DDR Zeiten wurde der Saal als Kino genutzt und hatte 631 Plätze. Als kleiner Steppke, der in diesem wunderschönen Städtchen aufwuchs, war ich natürlich oft in diesem Hause. Eine Gastronomie gab es da bereits in den 1970/80 íger Jahren nicht mehr. Dieser Gebäudeteil stand leer. Nach der Wende versuchten sich noch einige Enthusiasten mit der Fortbelebung des Kinos mit einer kleinen Bar, aber der Druck der großen Kinosäle in Dresden war zu groß, sodass auch diese letztendlich 2010 aufgaben.
Aufgang zum Saal/Kinoaufgang
Seitdem stand das Gebäude leer, und wechselte öfters den Besitzer (oder eher Spekulanten). Am Gebäude geschah nichts, es war offenbar seinem Verfall preisgegeben. Demzufolge war natürlich auch die Meldung über einen weiteren Besitzerwechsel durch die örtliche Presse gehuscht, jedoch hatte keiner auch nur annähernd die Vermutung das jetzt doch etwas geschieht. Mit enormem Aufwand wurde letztendlich das ehemalige Kulturhaus im Herzen Großröhrsdorfs aus einem fast zehn Jahre währenden „Dornröschenschlaf“ wachgeküsst. So ist u. a. der in den Jahren der DDR hinter massiven, mit Dekostoff bespannten Holzeinbauten versteckte Jugendstilsaal wieder freigelegt worden. Eine wunderbare Stuckdecke sorgt für besonderes Flair. Bis zu 600 Besucher können heute im neuen Röder­Saal Platz finden. Aufgang zum Jugendstilsaal

Um nun die Großröhrsdorfer in das neue Restaurant zu locken, lagen bei vielen Gutscheine im Briefkasten. Dort lockte man mit 2 Hauptgerichten zum Preis von einem. Der Ansturm war Anfangs riesig, die 2G-Regeln in Sachsen ließen diesen aber enorm abklingen. So nutzten nun also auch wir unsere Chance, und bestellten für einen Freitagabend einen Tisch für uns viere. Unser Auto stellten wir auf dem kleinen Parkplatz vorm Haus-da sollte deutlich nachgebessert werden- ab und ich konnte nach über 40 Jahren zum ersten Mal wieder durch den Restauranteingang dieses ehrwürdige Haus betreten. Am Eingang wurden wir von einem freundlichen, sehr beleibten jungen Mann in Empfang genommen, und unser 2G-Status penibel kontrolliert. Anschließend wurden wir zu unserem Platz geführt und bekamen die Karte gereicht.

Ein Rundumblick im Restaurant versprühte den Charme der 60´er Jahre. Große gemütliche Sessel und breit gepolsterte Bänke laden zum Verweilen ein. Gaststube
Die große, rustikale Holztheke steht mittig im Raum, sodass der Barkeeper den vollen Überblick über die Gäste hat.
Blick zur Theke

Nach einem kurzen Blick in die Karte standen unsere Getränke recht schnell fest, und so orderten wir

·         1x 0,4ér Feldschlösschen Rubin für 4,20 €
·         1x Schoppen Sophie Helene Petit blanc für 5,50 €
·         1x 0,4ér KiBa
·         1x 0,4ér hausgemachte Pflaumen-Thymian Limonade für 4,00 €

Nach knapp 5 Minuten waren die Getränke am Tisch, und unsere Essenswünsche standen nun auch fest. Da wir das neue Restaurant und seine Küche testen wollten wünschte also jeder etwas anderes. Getränkeauswahl
Erstaunlich für mich jedoch die Faßbierauswahl. So setzt man hier auf das Bier von Feldschlößchen aus Dresden, obwohl die Radeberger Brauerei nur 10 km entfernt ist. Mehr Protest aus der Kundschaft gab es aber wohl, da die Großröhrsdorfer Brauerei "Böhmisch Brauhaus" nur wenige hundert Meter vom Objekt entfernt liegt, und hier die Großröhrsdorfer in den hiesigen Kneipen dieses Bier auch wünschen. Dem soll wohl aber demnächst Rechnung getragen werden, wenn auch erst einmal nur mit Flaschenbier. Dabei hat Böhmisch Brauhaus mit seinem Kellerbier aus dem Faß ein wahrhaft süffiges Bier.
Feldschlößchen Rubin & Schoppen Sophie Helene Petit blanc

Als Vorspeisen wählten wir

·         1x Feurige Gulaschsuppe nach Art des Hauses mit Rindfleisch, Kartoffeln und Paprika für 6,90 €
·         1x Würzfleisch aus zarten Geflügelfleisch mit Käse überbacken, dazu Zitrone und Worcestersauce für 6,90 €

Als Hauptspeisen wünschten wir

·          1x Schweinemedaillons „au four“ – ein Schweinefilet überbacken mit hausgemachtem Würzfleisch, dazu Vanille-Butter-Möhren und Kartoffelgratin für 17,50 €
·          1x Flat Iron Steak mit Kräuter Pesto, Tomaten-Zwiebel-Ragout und gebratene Süßkartoffel für 20,90 €
·          1x Rindfleisch Burger vom Stolpener Landrind mit Pflaumen Relish, Tomaten-Zwiebel-Ragout, Camembert und Wildkräutersalat, dazu werden Steakhouse Pommes serviert für 17,90 €
·          1x sanft gegartes Papada vom Schwein in Rauchmarinade an Zwetschgen-Zwiebelgemüse und Pastinakenpüree für 18,90 €
 
 
Die Wartezeit bis zu unseren Vorspeisen wurde mit einem Gruß aus der Küche durch ein Kokos-Orangen-Süppchen verkürzt. In vier kleinen Schälchen war eine cremige, süße Suppe. Im ersten Versuch vielleicht noch mit einer sehr süßen Kürbissuppe vergleichbar, war es uns dreien dann doch zu süß, sodass Mama die restlichen drei Schälchen mit Genuss auslöffelte. Ich sag mal so: kann man machen, muss man aber nicht. Gruß aus der Küche-Kokos-Orangen-Süppchen

Knapp 20 Minuten nach Bestellung kamen dann unsere Vorspeisen.

Die Feurige Gulaschsuppe war eine deftige Suppe, mit kleinen Kartoffel-und Paprikastückchen. Man konnte schon fast sagen das die Suppe grob püriert war. Auch das weiche Rindfleisch war in vielen kleinen Stückchen reichlich vorhanden. Zum Feurig sein fehlte mir persönlich aber ein kleiner Touch. Aber so war sie vollkommen in Ordnung und für jedermann genießbar. Feurige Gulaschsuppe nach Art des Hauses mit Rindfleisch, Kartoffeln und Paprika Feurige Gulaschsuppe nach Art des Hauses mit Rindfleisch, Kartoffeln und Paprika

Das Würzfleisch bestand hier leider aus Hähnchen, statt wie es eigentlich(?) richtig ist aus Kalb. Aber es wurde ja ordnungsgemäß ausgewiesen. Reichlich große Fleischtückchen in einer cremigen Sauce, kross überbacken mit einer dicken Schicht Käse. Obenauf als Topping noch Preiselbeermarmelade. Dazu gab es leicht geröstetes Toastbrot. Im Großen und Ganzen gut, für die hier anspruchsvolle Gastronomie aber zu wink. Wenn das Hähnchen durch Kalb, und das billige Toastbrot ersetzt werden, und dafür auch gerne nen Euro mehr verlangt wird, ist es ok. Würzfleisch aus zarten Geflügelfleisch mit Käse überbacken, dazu Zitrone und Worcestersauce

Die Hauptspeisen waren eine halbe Stunde nach den Vorspeisen am Tisch. Optisch machten die schon mal was her, hier wurde zumindest optisch der Anspruch der gehobenen Gastronomie gerecht.

Das Flat Iron Steak war auf Wunsch medium gebraten, und das wurde auf den Punkt genau erreicht. Mehrere Stränge aus milden Kräuter Pesto durchquerten den Teller, an deren Ende das kalte Tomaten-Zwiebel-Ragout wartete. Die Zwiebel frisch und scharf, durch die Milde der Tomate etwas abgefedert. Ein idealer Begleiter für Gegrilltes. Die gebratene Süßkartoffel ist natürlich Geschmackssache, hier aber durch das braten und die kleinen Würfelchen angenehm. Der Punkt geht an die Küche. Flat Iron Steak mit Kräuter Pesto, Tomaten-Zwiebel-Ragout und gebratene Süßkartoffel

Der Rindfleisch Burger vom Stolpener Landrind (Burg Stolpen ist vielleicht so manchen hier bekannt) war ein ordentlich aufgebauter Burger. Im Vollkornbrötchen ein großer Pattie aus saftigem Rindfleisch lag auf einem Bett aus Wildkräutersalat. Oben auf dem Pattie war eine dicke Schicht des süßen Pflaumen Relish, gefolgt von einer ordentlichen Scheibe Camembert, bevor noch einmal etwas Wildkräutersalat folgte.  Letztendlich stellte sich die Kombination aus Pflaumen Relish und Camembert als zu viel des Guten heraus, und wurde vom Burger entfernt. Sicher Geschmackssache, aber für Töchterchen, die eigentlich ne Süße ist, eindeutig zu viel.  Rindfleisch Burger vom Stolpener Landrind mit Pflaumen Relish, Tomaten-Zwiebel-Ragout, Camembert und Wildkräutersalat Rindfleisch Burger vom Stolpener Landrind mit Pflaumen Relish, Tomaten-Zwiebel-Ragout, Camembert und Wildkräutersalat

Die Schweinemedaillons „au four“ bestanden aus drei zarten Medallions, welche mit reichlich Würzfleisch aus Hähnchen und einer dicken Käseschicht bedeckt waren. Die Möhrchen aus Convenience noch knackig gekocht, mit etwas Petersilie verfeinert. Das Kartoffelgratin bestehend aus dicken Kartoffelscheiben gut gebacken. Eine leichte Soße rundete das ganze ab. Bis auf die Convenience Möhrchen war Frauchen zufrieden. Schweinemedaillons „au four“ – ein Schweinefilet überbacken mit hausgemachtem Würzfleisch, dazu Vanille-Butter-Möhren und Kartoffelgratin

Mein Papada (Papada bezeichnet in Spanien das Schweinekinn) vom Schwein in Rauchmarinade waren zwei große und wirklich zarte, aber feste Stücken Fleisch. Unter der Papada reichlich Zwetschgen-Zwiebelgemüse, angrenzend das lecker cremige Pastinakenpüree. Auch hier muss ich als herzhafter Esser sagen, das eindeutig zu viel Zwetschge in dem Zwiebelpüree war. Die Zwetschge nehm ich dann doch lieber in flüssiger Form. gegartes Papada vom Schwein in Rauchmarinade an Zwetschgen-Zwiebelgemüse und Pastinakenpüree gegartes Papada vom Schwein in Rauchmarinade an Zwetschgen-Zwiebelgemüse und Pastinakenpüree

Die Portionen waren zwar reichlich, aber wie ihr wisst sind meine Mädels ja ausgesprochene Leckermäuler, und so musste es noch eine Nachspeise sein.

So orderten sie als Nachtisch:

1x Schokobrownie mit Zwetschgenmus für 6,90 €
1x Panna Cotta mit Pflaumenpürre für 5,90 €

Die beiden Nachspeisen dauerten nicht lange, und auch hier zog sich die Pflaumen/Zwetschgenausrichtung der Küche weiter. Hier bei den Süßspeisen ok, bei den Hauptspeisen grenzwertig. Schokobrownie mit Zwetschgenmus Panna Cotta mit Pflaumenpüree

Im Anschluss hatten wir noch ein ausgiebiges und freundliches Gespräch mit unserem jungen Herrn vom Anfang, der uns auch den ganzen Abend freundlich bediente. Dort bemängelte ich als herzhafter Esser die süßliche Ausrichtung der Speisen, und er nahm die Kritik dankend an. Die Speisekarte soll ständig wechseln, und bereits jetzt drei Wochen später steht eine völlig anders ausgerichtete, und vor allem herzhafte Speisekarte zur Wahl.

Natürlich waren wir auch neugierig, und erkundeten die sanitären Einrichtungen und die zugänglichen Teile des Gebäudes. Alles sauber, alles neu. Toiletten Zubehör auf Toilette

Unser Fazit: trotz Gutschein ließen wir zu viert 96,50 € im neuen Bandweber. Gehobene Gastronomie wird sicher sehr schwer in dem kleinen Städtchen Großröhrsdorf umsetzbar sein. Gibt es doch auch einige Kneipen, wo das Schnitzel vom Fleischer nebenan nur 10 Euronen kostet. Andere Gastronomen müssen sich warm anziehen. Die Auswahl auf der Karte war ausreichend, aber in Zukunft vielleicht herzhaft und süß anbieten. Ich, und auch viele andere freuen sich, das nach so langer Zeit endlich wieder Leben ins alte Kulturhaus kommt. Hoffen wir, das das Haus auch weiterhin so belebt bleibt. Das Hotel steht kurz vor Fertigstellung, der Saal hat schon die ersten Stars auf dem Spielplan. Ich drücke die Daumen, und komme wieder.

PS: Liebe GG Community, bitte entschuldigt den Ausflug in mein ehemaliges Heimatstädtchen, aber es hängen ebend doch viele Kindheits-und Jugenderinnerungen an dem Gebäude.

PPS: Fotos vom Außenbereich reiche ich nach erfolgter und fertiger Restaurierung nach.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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