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Ja, ich gebe es zu, eigentlich wollte ich hier heute erstmalig seit Anfang November eine kleine Pause einlegen, obwohl ich am letzten Wochenende noch fest entschlossen war, dieses neue Ohligser Restaurant zum Wochenausklang unter die Lupe zu nehmen; schließlich liebe ich Tapas und artverwandte „Häppchen“-Konzepte über alles.
Am Dienstag musste ich jedoch eine kleine, unvorhergesehene ambulante OP über mich ergehen lassen, die Sitzen bis Freitag eher unangenehm gestaltete, stundenlanges Hocken im Restaurant klang ergo nicht unbedingt wie der famoseste Plan.
Auch automobiles Ungemach hatte sich im Doppelpack angebahnt, beides in der Abteilung „Motorkühlung“, gottlob aber mit gutem Ausgang: der erst im März eingebaute neue Kühler in meinem CJ7 leckte, wobei ich eine komplette Erstattung inklusive Lohnkosten erwirkt habe und nun einen wesentlich besseren Ersatz mit Messingkorpus erhalte, gut so!
Weniger gut hingegen die Qualität der elektrischen Motor-Lüftereinheit meines knapp 40 Jahre jüngeren „Alltags-Jeeps“: hier muss – da mal wieder in Europa nicht verfügbar, hoch lebe Fiat-Chrysler – das Teil aus den USA eingeflogen werden und inklusive der Reparaturkosten komme ich auf eine Summe, für die sich mancher ungesponserte Stundent einen halbwegs brauchbaren Kleinwagen leisten würde – aber unseren sehnsüchtig erwarteten, baldigen Urlaub in Garmisch konnte ich natürlich nicht gefährden und eine Wahl hatte ich ohnehin nicht.
Die Laune war zwar deswegen mitnichten im Keller, auch weil sich in Sachen Nachwehen der kleinen OP schon am Donnerstagabend wesentliche Besserung einstellte, aber ich wollte einfach nur meine Ruhe, einen großen Wein opfern und etwas transportsicheres beim Italiener bestellen.
Jedoch überschlugen sich in dieser Woche die hiesigen Inzidenzwerte – ich könnte mich mittlerweile übergeben wenn ich das Wort nur schreiben muss – und da die Politik sich trotz vollmundiger Ankündigungen immer noch nicht dazu durchgerungen hat, die Lage nicht nur aufgrund der eindimensionalen, holzschnittartigen, existenzvernichtenden Betrachtung dieses Wertes zu beurteilen – in Solingen gerade zwei Fälle stationär in Behandlung – muss ab Montag dem 26.7. die Innengastronomie erneut komplett schließen - auch für Geimpfte und Getestete wohlgemerkt, unfassbar.
Da sich dies schon am Freitag abzeichnete warf ich alle Sofa-Pläne kurzerhand über den Haufen und versuchte ab dem Mittag noch einen Tisch im „El Toro“ zu ergattern, wohlwissend, dass man am Standort neben den Räumen im Keller – dazu gleich mehr - auch eine kleine Außenfläche anbietet.
Leider erreichte ich erst gegen 16 Uhr jemand persönlich, ich hatte zwar am Mittag schon eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen und um Rückruf gebeten, aber die freundliche junge Dame mit herzerwärmenden spanischen Akzent klang so, als sei sie gerade erst angekommen, man öffnet offiziell um 17:30 Uhr.
Eine leichte Sprachbarriere und eine schlechte Verbindung verhinderte zwar ein flüssiges Gespräch, das eher an eine Konversation via Funkgerät erinnern sollte, dennoch gelang es mir für 18:30 Uhr einen Tisch zu reservieren, die kleine Außenfläche unweit der Fußgängerzone war wie erwartet aufgrund des guten Wetters und der Corona-Aussichten ausgebucht und ich freute mich dennoch sehr, einen im Inneren des kleinen Lokals bekommen zu haben.
Und so ging es dann gegen 18 Uhr guter Dinge frisch geduscht mit einem der Seat Ersatzwagen des Autohauses Richtung Ohligs, wo ich das Vehikel entspannt auf der Talstraße abstellte, wo ab 17 Uhr -- wie im ganzen Viertel - die Parkgebühren entfallen.
| Kritik |
Der Standort an der Forststraße, nur einen Steinwurf entfernt von der Ohligser Fußgängerzone, ist seit vielen Jahren thematisch in spanischer Hand. Vormals gab es hier für gut 18 Monate das „La Gamba“, der Betreiber warf allerdings corona-bedingt im letzten Jahr das Handtuch, davor wiederum gab es einige Jahre das „Los Amigos“, in dem ich vor Urzeiten mal recht semi-zufrieden mittags einkehrte.
An diesem lauen Freitagabend war der kleine Außenbereich nicht zuletzt aus den im Vorwort angesprochenen Gründen komplett ausgebucht und gut besucht.
Das eigentliche Restaurant befindet sich im Kellergeschoss eines gepflegten Wohn und Geschäftsgebäudes und ist von außen betrachtet das sprichwörtliche „Loch in der Wand“, viel mehr als den Eingang und die Werbetafeln über diesem sieht man eigentlich nicht.
Dennoch machte man etwas aus diesem begrenzten Platz, viel frische Blumen, ein kleiner Stehtisch mit schwarzer Husse neben dem Eingang, darauf Visitenkarten, der Blick ins Innere erhascht rustikal verputzte Wände, einen gepflegten roten Teppich und das ein oder andere güldene Beiwerk – ein wenig kitschig plüschig aber es geht ja schließlich zunächst nur treppab in den eigentlichen Gastraum im Untergeschoss.
Mein Gram, keinen Platz mehr im Außenbereich erhalten zu haben, hielt sich zugegeben sehr bald in denkbar engen Grenzen, auch wenn ich zunächst versucht hatte, dort zu reservieren. Zum einen war es nicht wirklich heiß und der Keller dennoch angenehm kühl, zum anderen gab es draußen wieder nur das fürchterliche klassische, nackte, maximal unbequeme Bistro-Gestühl mit winzigen Tischen bei den Zwei-Personen-Exemplaren.
Unter diesen Umständen war auch der dortige, wenig atmosphärische Ausblick auf ein Stück der Ohligser Fußgängerzone mit begleitendem Soundtrack von den gerne über die Emdenstraße cruisenden jungen Herren im getunten Bauern-Porsche des Vertrauens sehr entbehrlich und wir waren kurz darauf froh über die entspannte Ruhe an unserem Kellertisch mit genügend Platz und gepolsterten, bequemen Stühlen.
Bevor wir dort ankamen, begrüßte uns am Eingang ein junger Mann mit spanisch-kubanischer Ausstrahlung aufs Freundlichste, checkte auf seinem iPad unsere Reservierung, führte uns nach unten und ließ uns weitgehend freie Auswahl, noch waren wir hier bis auf drei Personen unweit der Bar die einzigen Gäste.
Er sollte später den Tresen stemmen und wurde von zwei jungen Damen – die eine schon etwas reifer – und einem sportlichen Herrn gleichen Alters im Service unterstützt, alle im gleichen, adretten schwarz-roten Outfit, machte einen guten Eindruck.
Ich habe diese Räume sehr dunkel in Erinnerung, heute waren aber nicht nur die dezenten Wandlampen im Einsatz, sondern auch die m.E. viel zu hellen Deckenleuchten. In Kombination mit fehlender Musikuntermalung ergab sich so ein eher ungemütliches Gesamtbild, auch wenn man die Räume als solches nett, wenn auch zugegeben etwas stereotyp-kitschig renoviert hatte. Hier wäre also mit Leichtigkeit Abhilfe der Sorte „kleiner Handgriff – große Wirkung“ zu schaffen.
Die Karten wurden gereicht, Tapas sind sicher als das Herzstück der Karte zu bezeichnen, dazu noch obligatorische Paella, eine Handvoll Hauptgerichte und Desserts, vermisst habe ich Fischgerichte abseits der Tapas:
https://www.eltoro-sg.de/
Ich hatte mich aber schon vorher dazu entschieden, einen reinen Tapas-Abend feiern zu wollen, anstatt nur wenige von diesen zu probieren und dafür ein üppiges Tellergericht wie den „Brocheta de carne „El bandido“ zu vertilgen, obwohl der „Riesenfleischspieß – der Bandit“ natürlich gut zum infantilen Gemüt des hier gerade so eifrig tippenden Kauzes gepasst hätte.
Ich ließ die freundliche Dame im Service wissen, dass wir zwei Runden Tapas bestellen würden, zunächst eher leichtere Dinge, dann später noch etwas Fleischlastiges und zum Abschluss Dessert.
Erste Getränke wurden geordert, eine große Flasche Wasser, ein Glas Wein, sowie eine Kirsch-Schorle - es gab keine Rhabarber-Variante, Madame war den Tränen nahe……
Nun ist es ja an dieser Stelle eine meiner Standardfloskeln, zu erwähnen, dass diese „gut gekühlt und prompt den Weg auf den Tisch fanden“, was hier leider nicht der Fall war.
Als erstes wurde Brot mit Aioli geliefert, das ich zunächst nicht anrührte weil ich Durst hatte, dann passierte längere Zeit nichts, bevor der Service-Kollege unvermittelt ein Glas Wasser – mit Eis und Zitrone, prima – und die Schorle auf den Tisch stellte.
Ich sagte ihm, dass ich eine Flasche bestellt habe, diese wiederum brachte nach einiger Zeit unter Entschuldigungen die Dame, die ursprünglich die Bestellung entgegengenommen hatte, von meinem Wein noch immer keine Spur – erste Service-Menetekel, die sich zuspitzen sollten.
Das Wasser, 0,75l Haaner Classic kostete mehr als grenzwertige 6,90 € und die schmale 0,2l Schorle 3,40 € - und so sollte es weitergehen, zum Wein gleich mehr.
| Tapas / 1. Runde |
Pan con Aioli casero – 3,50 €
Pan con tomate – 3,50 €
Pimientos de Padrón – 6,90 €
Ensalada variada – 5,50 €
Croquetas rellenas con Jamón & Pollo (dos y dos) – 6,50 €
Gambas al Ajillo picantes – 12,50 €
2019 Radio Boka, Verdejo, D.O. Castilla la Mancha, Hammeken Cellars, Spanien – 0,2l zu 6,90 €
Das Brot mit Aioli sollte grundsätzlich gut gefallen, die Aioli war authentisch und schmeckte, auch wenn mehr scharfer spanischer Knoblauch mir persönlich besser gefallen hätte, es war aber auch keine Placebo Version. Das Brot mehr als akzeptabel, auch wenn sich für das Lokal ein Blick in die Nachbarschaft lohnen würde, mit der Qualität der mediterranen Brotsorten der Bäckerei Schüren konnte sich das Hausbrot leider nicht messen. Dennoch fernab jedes Industrie-Baguette Horrors!
Einige Zeit später dann paralleler Auftritt aller weiteren Tapas bis auf meine Gambas, von meinem Wein weiterhin keine Spur, ich fragte also nochmals nach. Als sich dann daraufhin immer noch nichts tat, ging ich zum ersten Mal persönlich zur Bar – es sollte nicht das letzte Mal bleiben…. – und fragte freundlich nach dem Verbleib, mittlerweile hektisches Chaos im Service, man rannte teilweise mit einzelnen Getränken in der Hand fast panisch die Treppe rauf, da ging es hoch her.
Mein Wein wurde anscheinend bereits zwei Mal versehentlich auf die Terrasse gebracht, wo er anscheinend prompt dankbare Abnehmer in ähnlicher Lage wie meiner gefunden hatte, ich erhielt ihn – unter erneuten Entschuldigungen - erst, nachdem ich schon einige der nun folgenden Dinge probiert hatte.
Pa amb tomàquet, hier Pan con tomate, die berühmte iberische Tomaten-Stulle, in gut gemacht mal wieder mediterrane Kulinarik-Quintessenz: brutal einfach und von der Qualität der Zutaten lebend.
Das bereits bekannte Brot wurde hier geröstet und mit Kräuteröl bepinselt es wurde nicht mit Tomate und Knoblauch abgerieben bzw. die Tomaten auf ihm zerrieben, sondern mittig vom Teller wurde eine entsprechende Tunke à part serviert, was ein Aufweichen verhindern und eigenes Dosieren ermöglichen sollte.
Die aromatischen passierten Tomaten relativ mild gewürzt, gefiel mir aber grundsätzlich gut, aber auch hier habe ich u.a. deutlich Ajillo vermisst, da geht doch mehr Spanien auf dem Gaumen und Spanien definiere ich nicht nur über Unmengen von Knoblauch.
Die Pimientos de Padrón gehören sicher mit zu den ikonischsten Vertretern der Tapas Zunft und waren hier auch recht gelungen, ich mag sie gerne in etwas größer als die „Bratpaprika“, die man ja seit einigen Jahren auch hier in den Supermärkten findet. Ich hätte mir ein aromatischeres Öl und etwas mehr grobes Meersalz gewünscht, auf den Tischen leider nur Menagen mit Rieselpfeffer und –salz. Der Preis von 6,90 € für diese kleine Portion jedoch komplett lächerlich an der Grenze zu Nepp, auch wenn es geschmacklich gut war.
„Os pementos de Padrón, uns pican e outros non!“ sagt der galicische Volksmund, ich habe hierzulande aber noch nie eine Scharfe dabei gehabt, auch hier nicht, schade eigentlich.
Beim sehr überschaubaren, gemischten Beilagensalat sah es in dieser Hinsicht nicht viel besser aus, man hat die Wahl zwischen Essig/Öl, Orange/Honig/Senf, Vinaigrette und einem Basilikum Dressing. Für geschlagene 5,50 € servierte man eine Handvoll fertigen Gastro-Mischsalat aus der Tüte, eine hellrote wenig aromatische, halbierte Tomatenscheibe, zwei Gurkenscheiben und ein paar Paprika-Stückchen; Wareneinsatz gefühlte 70 Cent.
Geschmacklich ging das aber inklusive des erbetenen Essig-Öl-Dressings in Ordnung, für den Gegenwert von Pimientos und Salat in Summe hätte man in Ohligs beim Wettbewerb schon das ein oder andere brauchbare Tellergericht erhalten, unglaublich.
Die Croquetas gehen preislich weiter in diese Richtung. Für 6,50 € servierte man ganze vier kleine Exemplare, und obwohl zwei „Pollo“ und zwei „Jamon“ beinhalten sollten, habe ich in keiner Variante auch nur einen Fetzen Schinken erspäht. Mir zu wenig aromatisch, eher mild mehlig und etwas fettig aber dennoch gut essbar, vor allem wenn man sie in die Tomatentunke vom Teller nebenan dippte. Kann man so machen für 2,50 € im Imbiss, aber nicht für 6,50 € in einem spanischen Restaurant.
Als ich vor einigen Jahren mal mit meinem befreundeten Ohligser Wein und Feinkost-Mogul die Anuga besuchte und wir in der Spanien Halle bei einem ausgesprochen hochklassigen Gastro-Convenience Produzenten einige Croquetas verkostet haben, konnte ich es nicht glauben, die Steinpilz Variante erinnere ich bis heute.
Will sagen: wenn diese Dinger tatsächlich hausgemacht waren, wie mir auf Nachfrage verdächtig zögerlich gesagt wurde, sollte man vielleicht erwägen ins gute Convenience Regal zu greifen und ich muss gestehen, dass ich ernste Zweifel daran habe, ob man diese zeitlich recht aufwändige Geschichte hier nicht auch aus der TK bezieht.
An meine Gambas al Ajillo musste ich dann auch wieder erinnern, die kamen dann aber nach nur wenigen Sekunden, hatten sie unter dem Salamander auf mich gewartet? Man weiß es nicht, sah fast so aus, auch weil der Knoblauch an einer Seite auf dem Boden schon etwas angebrannt war und die Meeresfrüchte teilweise einen Hauch trocken waren aber geschmacklich dabei alles noch völlig ok.
Da ich auf diesem hochmodernen Portal in 2021 u.v.a. weder Emojis nutzen noch kurze Videos hochladen kann, habe ich das Spektakel des Servierens durch meine Social Media Agentur in dieses YouTube hochladen lassen, von dem immer alle reden, sizzling-garlicky-goodness at its best:
https://youtu.be/R74E5oZ9Hqo
Ja, großartig, so gehören sie auf den Tisch und nicht anders. Tonnen von fein gewürfeltem Knoblauch in tosenden, glühend-heißen Öl-Fluten, dazu eine schöne Chili Schärfe, ganz wunderbar!
Ich dippte zufrieden mit Brot, passte auf mich nicht zu verbrennen und schlürfte meinen wohltemperierten, einfachen Verdejo, das passte.
Was aber wiederum gar nicht passte, war der Preis von 12,50 € für eine kleine Cazuela mit 9 murmelgroßen Gambas, etwas Öl und Knoblauch – es sei denn die Energiekosten liegen in Ohligs so hoch, dass das Erwärmen schon 5 Euro verschlang, mehr gibt es hierzu nicht sagen.
Und so geht es weiter beim Wein: Radio Boka (vormals Boca), ein im industriellen Maßstab produzierter Verdejo (es gibt unter dem Label auch einen Rosé und Tinto) mit dem klaren Ziel, ein zugänglicher Schoppenwein zu sein, der in der Gastronomie den Umsatz eher ankurbelt als erschwert.
Ich kenne diesen Wein gut, nicht aus dem eigenen Keller sondern was den Handel angeht, der Gastro-Nettopreis für eine Flasche liegt in etwa bei 3,50 € - je nach Abnahme plus minus.
Bei den anderen, einfachen Weinen auf der Karte sieht es ähnlich aus, weil ich aber gerne Verdejo wollte, wählte ich notgedrungen diesen, eine gesonderte Weinkarte mit Flaschenweinen hat man nicht im Angebot.
Vor diesem Hintergrund verdient auch der Preis von 6,90 € für das nicht unbedingt großzügig eingeschenkte Glas das zarte Prädikat Nepp, gerade weil vielen Gästen hier der Durchblick fehlt.
Das schien aber zumindest sicher einige der Anwesenden nicht zu interessieren, die ich bei einer kleinen Zigarettenpause im Außenbereich erblickte, aber hier waren ganz sicher nicht nur augenscheinliche Vertreter der lokalen Vanity-Fair-Fraktion zu sehen, sondern auch betont bodenständige Damen und Herren, zumindest der Garderobe nach zu urteilen.
Ob man letztere mit so einer Preisgestaltung bei der Stange hält ist fraglich, aber ich möchte dem Fazit nicht vorweggreifen, weiter geht es also mit der zweiten Runde Tapas….
| Tapas / 2. Runde |
Entrecote andaluza „al Toro“ – 9,90 €
Costillas en salsa barbacoa – 7,90 €
Albondigas es salsa de tomate – 5,90 €
Pan con Aioli casero – 3,50 €
Bis ich diese bestellen konnte, vergingen wiederum fast 15 Minuten, bis ich leicht genervt abermals zur Theke ging, man hatte uns bei dem Betrieb und der Hektik trotz dreier Servicekräfte in unserer Ecke schlicht meist vergessen. Allerdings wenn sich jemand zu uns verirrte, war jede Begegnung unglaublich herzlich und freundlich, der Wille und Herz waren vorhanden und irgendwie taten sie mir fast schon ein wenig leid, hier muss sich einfach noch viel einspielen, was man auch freimütig bei der Verabschiedung gestand, als ich mit vorsichtigem Nachdruck gefragt wurde, ob es mir gefallen hätte.
Diese Tapas sollten alle heiß und gleichzeitig serviert werden, und das Entrecote war eine sehr positive Überraschung. Zwar fehlte die Chimichurri, die man mir anpries, als ich fragte, was das Fleisch denn zu „al Toro“ machen würde, aber was sich auf dem Schiefer fein tranchiert räkelte war außerordentlich köstlich.
Trotz anfänglich optisch enttäuschender äußerlicher Blässe herrlich rauchige Grillnoten, auf den Punkt medium an der Grenze zu medium rare, saftig, ein schöner grober Pfeffermix obenauf, am Rand der Platte etwas Fingersalz in das man Tranchen stippen konnte, am Rand eine kleine Salat-Garnitur mit gelungenem Orangen-Senf-Dressing.
Sehr zur Nachahmung empfohlen, auch den Preis-Genuss-Faktor fand ich hier wesentlich stimmiger als bei einer Handvoll milder grüner Paprikaschoten aus der Pfanne.
Auch die Albondigas, neben den Pimientos sicher auch ein Griff in die Allzeit Hall-of-Tapas-Fame, konnten überzeugen. Gut gewürztes, nicht zu feines Hack mit viel frischer Petersilie, eine nicht zu flache Tomatensoße, leicht stückig mit dezenzer Schärfe, sehr schön.
Da wir von diesen und den folgenden Ribs noch etwas mitnahmen, gratinierte ich die spanischen Köttbullar am nächsten Abend mit mittelaltem Manchego, möchte mich nicht selber loben aber das war eine sehr gute Idee bei der Wiederauflage des Freitags mit einer schönen Flasche Vinho Verde.
Costillas en salsa barbacoa, Wahnsinn, klingt doch viel besser als Spareribs mit BBQ Sauce oder?
Und so hatte ich inständig gehofft, das sei eine spanische Soße, mit Pimentón de la Vera, Sherry etc. etc. Aber nein, das war eine zutiefst amerikanische Soße mit Hickory Noten, sowie man wie sie aus dem Steakhaus und Co. kennt, sehr süßlich aber immerhin mit leichter Schärfe im Abgang.
Diese Sauce war wie ein Fremdkörper an diesem spanischen Tapas-Abend, wie ein Big Mac als Zwischengang in einem Sushi Menü, für sich genommen und betrachtet allerdings durchaus gelungen, das Fleisch war zart und konnte sogar recht mühelos mit der Gabel vom Knochen getrennt werden, ich hatte ausnahmsweise keine Lust, mir Gesicht und Hände zu versauen.
Auch ist die Bezeichung „Iberico Ribs“ auf der Karte nicht nachvollziehbar, die recht mageren Schälrippen waren eher das, was der Amerikaner als Baby Back Ribs kennt, im klassischen BBQ also eher eine Vorspeise, was aber natürlich völlig ok ist im Kontext eines Tapas Angebotes.
Aber ich glaube trotzdem nicht, dass es sich hier um echtes Iberico Fleisch handelte, ich hatte schon des Öfteren das Vergnügen echter Iberico Ribs und ich kann nur sagen, was sich dort tut, braucht keine BBQ Tunke und man ist nach einem halben Strang satt, soviel Geschmack und gesundes Fett findet man dann an den Knochen.
Sehr ambivalentes Gericht, als Appetizer im unweiten Lokal New Orleans würde es mehr Sinn machen, bei einer Tapas Variante hätte ich mir jedoch Spanien auf der Zunge gewünscht und nicht Oklahoma aber nochmals: das konnte für sich genommen guten Gewissens mit Appetit verspeist werden!
Das wurde auch die zweite Portion Brot mit Aioli, die Madame sich gönnte, erwähnte ich, dass ich die kleinen Löwentopf-Terrinen nett fand, kleine Cazuelas aber dann doch etwas passender und "dipfreundlicher" fände?
| Dessert |
Crema catalana caramelizada – 5,90 €
Cheesecake con banana y manzana caramelizada – 6,50 €
Die Dessert-Bestellung platzierte ich geistesgegenwärtig bereits beim Abräumen der letzten Tapas Überbleibsel, einen weiteren Gang zur Theke wollte ich mir ersparen.
Die katalanische Schwester der Crème brûlée kam bei meiner Begleitung sehr gut an, die Kruste bestand den Löffel-Klopftest mit Bravour, optisch erinnerte mich die Creme zwar an ein Convenience Produkt aber mein Gegenüber bestritt dies.
Unstrittig dagegen: wer Sprühsahne verwendet muss damit keine halbe Schieferplatte vollsprühen, auch wenn ich das mit den krönenden frischen Blaubeeren recht nett fand.
Ich bin ja kein Dessert-Freund aber wollte kein Spielverderber sein, der Käsekuchen mit Bananen und karamellisierten Äpfeln klang dann doch ganz nett.
Zur in Sachen Konsistenz ätherischen Sahne kann man hier sicher das gleiche sagen, aber das Auge isst ja schließlich mit, fernab jeglicher Convenience dann dieser grandiose Kuchen.
Das war pure, beglückende Sünde, eine relative feste Masse mit Bananenstücken und auch schmeckbar karamellisierten Stücken eines relativ säurearmen aber sehr aromatischen Apfels. Dazu obenauf noch etwas Karamellsoße, herrlich auch der buttrig-vorschmeckende Boden, der weder ein krümeliges trockenes Elend, noch durchgesiffte Matsche darstellte.
Für 6,50 € sicher kein günstiges Stück Kuchen, das Foto täuscht allerdings sehr, das war ein absoluter Trumm von Portion das man sicher auch gut teilen könnte, ich hatte große Mühen, das Ganze noch in meinem Dessert-Magen zu verstauen.
Ein durchaus versöhnlicher vorläufiger Schlusspunkt hinter einem Abend, der trotz aller angesprochenen kleineren oder größeren Kritikpunkte auch kulinarisch kein Reinfall war. Nach einer freundlichen Verabschiedung und der wie erwähnt sehr interessierten Nachfrage, ob ich mit dem Erlebten zufrieden gewesen sein, ging es zurück nach Höhscheid und meine Madame erwähnte mehrfach, wie gut es ihr grundsätzlich gefallen habe und wie nett alle gewesen seien.
Schenke Frau ein Lächeln und stopfe sie mit Crema Catalana voll, das Geheimnis gut gehender Gastronomie, muss ich mir merken für mein zweites Berufsleben…. :-))
Fazit
Blendet man Preis-Leistung mal aus, gab es bei allem Licht und Schatten trotz allem leicht positive Eindrücke, die sich - nicht nur aber doch spürbar - durch die trotz BBQ Fauxpas grundsätzlich gelungenen Fleisch-Tapas erklären, das Entrecote war eine Klasse für sich. Trotz meiner Angewohnheit, die Küche auch immer am Preis-Niveau zu messen, heute mit Welpenbonus denkbar knappe 3,3 - ergo auf 3,5 aufzurundende Sterne.
Ohne mein gelungenes Dessert wäre ich auf drei gelandet, ohne das Entrecote vielleicht noch etwas darunter.
Das aber auch nur, weil es keine schwerwiegenden handwerklichen Mängel gab, zu Themen wie Spühsahne, Croquetas mit Convenience Verdacht und anderen Dingen ist mit dieser Bewertung sicher genug gesagt für den Moment.
Der Service rettet sich mit seiner Freundlichkeit trotz der chaotischen hektischen Abläufe und dem Erlebten auf haarscharfe drei Sterne. Es ist ein junges Restaurant, hier muss sich noch viel einspielen, das kann man berücksichtigen, auch, dass Interesse an Feedback da war. „Egal“ war man hier nicht, wir wurden aber dann doch viel zu oft und lange vergessen, dass möchte ich weder unter- noch überbewerten und bin mir sicher, dass man sich hier noch wesentlich verbessert.
Das Ambiente sehe ich heute bei entsprechend aufzurundenden 2,7 – mit ein wenig mehr Gemütlichkeit in der Lichtstimmung und etwas dezenter Musik kann der Keller wesentlich ansprechender wirken, aufgrund des guten Außenauftritts und weiterer Details aber überzeugte 3 Sterne.
Die Sauberkeit wie so oft makellos, der gesamte Gastraum war staubfrei, die Tische sauber und gepflegt, Corona nahm man sehr ernst, 5 Sterne.
Bei Preis-Leistung sehe ich ein ambivalentes Bild, es gibt Dinge, wie den Wein oder die Pimientos oder die Croquetas, die würde ich gerne mit 1,5 Sternen bewerten, andere kratzen an der vier Sterne Marke, in Summe komme ich aber trotzdem nur auf 2,5 Sterne. Für etwas über 95 Euro für zwei Personen habe ich doch in meinem Leben schon zu oft wesentlich mehr erhalten, und damit meine ich ganz sicher nicht die Mengen auf dem Teller…
Somit komme ich auch in der Gesamtnote nur auf drei Sterne, was allerdings keinesfalls einen Verriss darstellt sondern den Querschnitt dessen, was ich ins Kalkül gezogen habe, und das ist nie wenig.
Meta-Fazit: Für Solinger Tapas Freunde sicher einen Blick wert!
….und wenn ich ehrlich bin, sieht es insbesondere bei Preis-Leistung beim Solingen-Gräfrather Platzhirsch in Sachen Spanien auch nicht viel besser aus, ein dortiges Geschäftsessen mit einem meiner damaligen Teammitglieder habe ich weiland gar „aus Gründen“ komplett verschwiegen, wir haben es leider nicht leicht mit iberischer Kulinarik in der Klingenstadt….