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GastroGuide-User: Oparazzo
Oparazzo hat Wangji in 76133 Karlsruhe bewertet.
vor 2 Jahren
"Authentisch ist nicht immer gut"
Verifiziert

Geschrieben am 21.11.2021 | Aktualisiert am 21.11.2021
Besucht am 19.11.2021 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 57 EUR
Für die Mehrzahl der chinesischen Restaurants in Deutschland gilt: Kennst du eins, kennst du alle. Drei oder so Soßen und eine begrenzte Zahl immergleicher Zutaten, die so lange durchpermutiert werden, bis eine dreistellige Anzahl von Gerichten zusammenkommt. Umso mehr freut sich dann der Gast, wenn er auf Ausnahmen trifft. Eine davon ist das Karlsruher Yangda, das es sogar in dreifacher Ausfertigung gibt und über das ich hier schon so oft berichtet habe, dass sich bereits vorsichtige Stimmen des Protests erhoben haben. 
 
Deswegen hatte ich mich sehr gefreut, als Spachtelbuddy und Bruder im Weingeiste MarcO74 mir vor ein paar Wochen von einer Entdeckung erzählte, die der Internetform nach Optimismus weckte, das Wangji am Mühlburger Tor. Das gibt es zwar schon seit März letzten Jahres, liegt allerdings im toten Winkel, wenn wir aus Herrenalb in die große Stadt fahren, deshalb hatten wir es bisher glatt übersehen. Auch die Wangji-Karte ist voller Körperteile, die zu einer nose-to-tail-Küche gehören, wenn sie ihren Namen tatsächlich verdient, und die für Chinesen und die härter Gesottenen unter uns Nichtchinesen den Reiz ausmachen. 
 

Hühnerherzen, Entenblut und Schweinefüße (etwas irreführend übersetzt mit Traber, wegen pigs’ trotters; ich frage mich jedes Mal, warum die Betreiber nicht einen Muttersprachler zu Rate ziehen, wenn sie die Speisekarte aufsetzen, aber vielleicht gehört das ja zur Folklore wie die roten Lampions) waren allerdings nicht der Grund, weswegen wir beiden uns aus entgegengesetzten Richtungen aufmachten, die schöne, wenn auch noch junge Tradition unserer Freitagmittagsdates fortzusetzen. Das war nur deshalb möglich, weil der junge Vater kurzfristig von seinen jungväterlichen Pflichten entbunden worden war. Herzlichen Dank dafür an seine liebreizende Gattin!
 

Das Restaurant ist eine kuriose deutsch-chinesische Mischung. Bis 2015 befand sich hier Prasses Kaiserplatzl, eine dank jeder Menge Holz, Schmiedeeisen und Butzenscheiben immer noch durchscheinende badische Weinstube. Danach dann die Casa Rustica, die aber keinen erkennbaren Stiefelabdruck hinterlassen hat. Seit März 2020 kann man nun sehen, wie sich mit überschaubarem Aufwand und etwas chinesischem Krimskrams fernöstliche Atmosphäre erzeugen lässt. Der Osten ist rot, das weiß man schon seit Mao. Dieses Vorgehen ist in diesen unsicheren Zeiten sicher vernünftiger als sich schon fürchterlich zu verschulden, bevor es überhaupt losgeht. Umso mehr, als das Wangji bereits eine Woche nach Eröffnung gleich wieder coronabedingt schließen musste.
 
Dass die Zeiten nach wie vor unsicher sind, scheint man allerdings schon verdrängt zu haben. Impfnachweis und Kontaktdaten? Wollte keiner von uns haben. Das lässt sich auch dadurch nicht entschuldigen, dass, wie wir später hörten, die dafür zuständige Dame heute nicht vor Ort war und wir deshalb vom Koch empfangen wurden. Ein Glück fürs Wangji, dass wir beiden nicht vom Ordnungsamt waren, sondern nur von einem renommierten Bewertungsportal. So leidet eben die Bewertung der Sauberkeit und nicht das Betriebsergebnis.
 
Die Speisekarte bekamen wir ebenfalls noch vom Koch präsentiert; die Bestellung übernahm dann eine Servicedame, die mittlerweile ihren Dienst angetreten hatte. (Nicht die, die für Coronavorschriften zuständig war, die hatte ja frei.) Bei der Bestellung waren auch drei Gerichte, die ich später für daheim mitnehmen wollte.
 
Kurz darauf präsentierte uns die Kellnerin noch eine zweite, fast ebenso umfangreiche Karte „mit Spezialgerichten“, anscheinend zur Lektüre für den Fall, dass wir uns langweilen würden. (Wir! Haha...) Was anderes kommt kaum in Frage, denn als ich nach ein paar Minuten noch eines der Takeout-Gerichte austauschen wollte, wurde ich beschieden, dass es dafür jetzt zu spät sei. Soso, da war der Aufwand wohl doch zu groß, die Bestellung zu stornieren und durch eine andere zu ersetzen. Ich wollte nicht insistieren, dazu waren die beiden Gerichte dann doch zu ähnlich, aber so sammelt der Service keine Punkte.
 

Auf dem Tisch war übrigens noch ein Aufsteller, mit dem man sich über einen QR-Code die Speisekarte aufs Handy ziehen kann. Wie man sieht, ist das Resultat ist gar nicht so übel, vor allem wegen der bunten Bildchen (die gedruckte Karte ist schwarz-weiß  bzw. grau-weiß), leider kam ich da erst zu spät drauf. Jetzt bin ich initiiert und werde von nun an auch an vorderster Technologiefront speisen.
 
Wir starteten mit ein paar Dimsums. Erfreulicherweise bietet das Wangji hier eine beachtliche Auswahl an Siumais, Jiaozis, Buns und Wantans. Das Yangda führt leider nur eine Sorte Siumai, die zugekauft und nicht zu empfehlen ist. (Für kurze Zeit gab es in Karlsruhe noch den Monkey King, bei dem es richtig gute Dimsums gab, aber der ist ja leider an Corona gestorben und hat dabei meine allererste GG-Bewertung mit sich in den Tod gerissen.) 
 

Jetzt musste nur noch die Qualität stimmen, und das tat sie zumindest teilweise. Die gebratenen Jiaozi hatten Charakter, auch die Siumai mit Garnelen (das sind die oben offenen) hinterließen bei mir einen properen Eindruck, die Garnelen-Jiaozi kamen mir aber eher wie Fertigware vor. Der chinesische Essig, der aussah wie Balsamico, aber kräftiger schmeckte, konnte das teilweise wieder gutmachen (insgesamt 13,70 Euro).
 

Die Hauptgerichte teilten wir uns natürlich auch; jeder durfte eins aussuchen. Ich plädierte für das Lamm mit Kreuzkümmel (14,90 Euro), weil es im Yangda mein Lieblingsessen ist und sich deshalb für einen direkten Vergleich anbot. (Mapo Tofu wollte ich meinem Gegenüber nicht mehr zumuten; der Grund ist in den letzten Yangda-Bewertungen nachzulesen.) Der Punkt ging diesmal nicht ans Wangji: Das Fleisch war ok und weitgehend sehnenfrei, auch das Lamm schmeckte durch, doch war es für meinen Geschmack viel zu sparsam gewürzt. Das gilt für den Kreuzkümmel und auch für die Chilis. Die grob geschnittenen Zwiebeln waren irgendwo auf halbem Weg von roh nach gar stecken geblieben, so war ich ganz froh, dass ich auf dem Rückweg allein im Auto saß.
 
Der Reis zu beiden Gerichten war eines asiatischen Restaurants unwürdig: Ein Matsch ohne Biss, zu Tode gekocht und frei von jedem Aroma. Sowas Trauriges habe ich mein Lebtag noch nirgends serviert bekommen, nicht mal beim Nullachtfuffzehn-Chinesen oder im 5-Euro-Imbiss. 
 

Mein Freund und Mitesser entschied sich, nach dem oben gesagten durchaus überraschend, für den gebratenen Schweinebauch mit Chili (12,90). Schweinebauch ist ja immer eine sichere Bank, auch wenn er mir dicker geschnitten und dafür schärfer gebraten lieber ist. Auch hier wurde Chili, obwohl als einzige Zutat und auch als Icon präsentiert, nur in homöopathischer Dosierung verwendet (außer wenn mit Chili die ganze grüne Paprika gemeint war). Später erfuhren wir, dass man sich da bei deutschen Gästen lieber zurückhält. Es ist gut möglich, dass man das übliche Feedback leid war („Ich kann das nicht essen, da schmeckt man ja vor lauter Schärfe gar nichts mehr!!1!“), doch könnte man eigentlich auch vorher fragen, ob es die deutschen Gäste nicht vielleicht doch gerne à la chinoise hätten. Wo Chili dick draufsteht, soll schließlich auch Chili drin sein.
 
Überhaupt, deutsche Gäste. Wir waren die einzigen, alle anderen waren Chinesen, die meisten davon im Studentenalter. Nur einmal kam jemand Langnasiges herein, um eine Bestellung abzuholen. Eigentlich ist das kein schlechtes Zeichen, im Gegenteil. Ich glaube allerdings nicht, dass das, was wir gegessen hatten, die ganzen Landsleute angelockt hat. Vielleicht waren es ja Sachen aus der speziellen Speisekarte, die wir leider zu spät einsehen durften. Es ist zu befürchten, das möchte ich vorwegnehmen, dass wir das nie herausfinden werden.
 
Das Pfälzer Süßmaul bestellte sich übrigens noch einen ungewöhnlichen Nachtisch, von dem er selber erzählen soll. Ich kann ihm ja nicht alles wegschreiben, auch frühe Vögel müssen ein paar Würmer übriglassen. 

Die Gesamtrechnung enthält auch etwas Bier und wurde wie immer nach Art des Hl. Martin geteilt.
 
Als besagter Kollege später auf dem Rückweg von der (sauberen) Toilette heftig fotografierend durch den Gastraum schritt, verriet er der Dame vom Service, dass er im Dienste eines führenden deutschen Gastroportals unterwegs sei. Es war überraschend, wie gesprächiger und verbindlicher man danach wurde; ich bin mir einigermaßen sicher, dass unter diesen Umständen sogar ein Wechsel beim Take-out möglich gewesen wäre. Zu spät, zu spät, lass fahren dahin...
 

Apropos Take-out und der Vollständigkeit halber: Dazu gehörte dann doch das schon oben erwähnte Mapo Tofu. Auch dieses Gericht, das per Definition zumindest vorhöllisch scharf sein sollte, schmeckte ein bisschen wie eigschloofne Fieß, wie mein innerer Pfälzer sagen würde. Auch dieser Punkt geht ganz klar ans Yangda.
 
Meiner Frau und ihrer Schwester sollte ich je eine Ente mit gebratenen Nudeln mitbringen. Da diese auf der zweiten, „zu spät“ überreichten Karte standen, hatte ich von der ersten zwei andere Enten ausgesucht und den Reis für einen Aufpreis von 2 Euro gegen Nudeln ausgetauscht.
 

Die „Entenbrust gebacken mit Mango und Currysoße“ ähnelte etwas der Ente mit der gelben Kanistersoße, die es in fast jedem Asia-Imbiss gibt und für die ich eine dieser befremdlichen Schwächen habe, über die man in Gourmetkreisen nicht gerne spricht, ein schwer zuzuordnender Geschmack aus dem kulinarischen sino-indischen Niemandsland. Die Ente war fleischig und zart und für mich mit Abstand das Beste an der ganzen Wangji-Unternehmung. Knusprig konnte sie am nächsten Tag natürlich nicht mehr sein, aber das war nicht schlimm. Mit 15,90 + 2,00 Euro war sie aber auch fürstlich, ach was, geradezu xijinpinglich bezahlt.
 

Ähnlich die „knusprige gebratene Ente“, auch hier das Fleisch das Highlight. Das dazu gereichte Gemüse in der braunen dicken Soße schmeckte allerdings so wie es aussah. 16,50 + 2,00 Euro waren auch hierfür schlichtweg zu teuer.
 
Wo wir schon bei den Preisen sind: Ganz dringend gehört die Website aktualisiert, inzwischen wurden nämlich fast überall 2 Euro draufgeschlagen. Und da alle vergleichbaren Gerichte auch deutlich teurer sind als im Yangda (das Kreuzkümmel-Lamm zum Beispiel 3 Euro), brauche ich nicht weiter auszuführen, wohin es uns ziehen wird, wenn uns wieder mal die Lust auf original chinesische Küche packt.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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