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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat The Ratskeller in 70173 Stuttgart bewertet.
vor 2 Jahren
"s´Leba isch koin Schlotzer"
Verifiziert

Geschrieben am 08.04.2022
Besucht am 07.04.2022 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 37 EUR
Wer nach langer Pause endlich mal wieder nach downtown Stuttgart zurückkehrt, wird sich verwundert die Augen reiben: der Marktplatz ist nun mit hellem Granitstein geplättelt, viele Traditionsgeschäfte haben dicht gemacht und der ehemalige Ratskeller erwacht vollkommen runderneuert als „the ratskeller“. Dass diese Neuschöpfung zeitlich gerade mit der verunglückten „The Länd“-Werbekampagne zusammenfiel, hat für reichlich Spott und für viele humoristische Glossen in der Presse gesorgt. Auch nicht besonders beliebt war die Idee, den Markplatz mit einer Ratskeller-Aussengastronomie in Form eines Almdorfes zu bespielen. Schliesslich liegt Stuttgart ja noch nicht im Voralpengebiet, wo man in Lederhosen und Dirndln rumspringt.

Jetzt aber zum Ratskeller. Wer es nicht glaubt, wird hier ein weiteres Mal staunen: das Rathaus ist komplett durchgehend unterkellert und bietet riesige unterirdische Speisesäle, gegen die ein bayrisches Brauhaus oder die Kantine der IBM Hauptverwaltung ein Klacks sind. Vom eher unspektakulären Entree aus kann man – etwas geblendet – die Showtreppe in die heiligen Hallen hinabsteigen oder sich mit einem Treppenlift befördern lassen. Beeindruckt von so viel freier Platzwahl nehmen wir gleich ein gepolstertes Separee unter einem der wenigen Fenster des Lokals (hier kann man immerhin die Beine der vorüberspazierenden Passanten bewundern).

Ein wuseliger und aufgeweckter Ober ist rasch zur Stelle und präsentiert die Speisekarte (überschrieben mit: Middagsdisch). Während die Hauptkarte auch etwas höherpreisige Speisen wie Saibling in Kümmel-Majoran-Öl (22,50 Euro) oder Filet vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein (23,70 Euro) präsentiert, bietet die abgespeckte Mittagskarte Beliebtes und Eingängiges zu günstigen Preisen: Flädlesuppe, Maultaschen, Linsen mit Spätzle, Wurstsalat mit Schwarzwurst. Die „Gebratene Scheibe vom Leberkäse mit Kartoffelsalat, Bratensauce und Spiegel-Ei“ (9,50 Euro) ist eine gute Wahl. Leberkäse und Spiegelei sind schön resch gebraten, die fein ziselierten Zwiebelstreifen darüber wunderbar kross und knackig. Doch der Kartoffelsalat ist schlichtweg der Hit: schön schlonzig (wie ich es mag), jedoch mit einem überraschend fruchtigen Essig angemacht, der für ganz ungeahnt frische Geschmacksnoten sorgt. Davon könnte ich mehr haben. Zum Leberkäse passt hervorragend das helle Wulle-Bier (4,00 Euro für das Fläschchen), das jedoch auch etwas sediert. Um das Haupt nicht auf das einladende Polster unseres Separees zu senken, braucht es also noch einen Kaffee (2,80 Euro). „Hochland“ steht auf der Tasse – ob auch welcher drin war, kann ich nicht beurteilen.

Auch wenn die riesigen unterirdischen Hallen grandios ausgeleuchtet sind, kann keine rechte Gemütlichkeit aufkommen. Dazu ist das Interieur etwas zu altbacken, steif und steril (aber selbstredend auch sehr proper und megasauber). Ganze Raumfluchten wirken eher wie ein Showroom auf der Intergastra oder wie Ausstellungsvitrinen des nahen Haushaltswarengeschäftes Tritschler. Die überall eingestreuten schwäbischen Sprüche („s´Leba isch koin Schlotzer“ / „Hoch dr Kolba, nei der Zenga!“) mögen vor allem bei Reingeschmeckten für Erheiterung und Erhellung sorgen, den Eingeborenen entlockt es höchstens eine müde Zustimmung. Größere, gemischte Gruppen scheinen sich hier jedoch wohl zu fühlen. Wir entdecken mehrere umfangreiche Freundes- und Kollegenkreise recht ausgelassen beim Mittagstisch. Wochentags öffnet der Ratskeller übrigens bereits um 9 Uhr die Tore, vermutlich um für den einen oder anderen Rentner bereits einen Frühschoppen zu bieten. Selbstredend empfiehlt es sich, hier mitten in Stuttgart zu Fuß oder mit Öffis unterwegs zu sein. Mehrere U-Bahn-Linien bedienen die Haltestelle Rathaus, auch zur S-Bahn-Haltestelle Stadtmitte ist es nicht weit.

 Wieso sich die Ratskeller-Homepage in Babyrosa, Himmelblau und Pastellgelb präsentiert, bleibt ein Rätsel. Genauso wie manche Beiträge auf Instagram, zum Beispiel „Mei Länd, mei Love, mei Tescht-Ergebnis“. Oje, da sag ich nur: Adele!
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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