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GastroGuide-User: Shaneymac
Shaneymac hat Portugiesischer Verein Solingen (Associação Portuguesa de Solingen) in 42651 Solingen bewertet.
vor 2 Jahren
"Ein Ort mit Seele, verbunden mit vielen Erinnerungen"

Geschrieben am 28.11.2022 | Aktualisiert am 29.11.2022
In Zeiten der Unwägbarkeiten sind vertraute Konstanten hin und wieder einfach wichtig für`s Gemüt, und wenn es nur die geliebte Pizza beim seit Urzeiten besuchten italienischen Lieblingsrestaurant der Familie ist.
 
Eine solche Konstante dürfte für viele Solinger auch die zu Recht überaus beliebte Gastronomie des portugiesischen Vereines Associação Portuguesa de Solingen e. V. sein, der bereits 1974 gegründet wurde und nun schon seit 12 Jahren am neuen Standort am Südpark zu finden ist.
 
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es seit dem Umzug von der urigen Kultadresse im Obergeschoß der alten Fabrik an der Klauberger Straße noch nicht wieder dorthin geschafft habe, obwohl ich theoretisch von Höhscheid aus - zumindest im Sommer - entspannt zu Fuß gehen könnte.
 
In einem seltenen Moment der Geistesgegenwärtigkeit ergriff ich die Chance, die kleine portugiesische Soul Food Oase vorzuschlagen, als es um ein kleines Treffen mit vier Schulfreunden aus meinem Abi-Jahrgang ging, was zu meiner Freude umgehend auf Gegenliebe traf.
 
So sollte es also ein doppeltes Wiedersehen werden: eines mit den einst so vertrauten Gesichtern aus den 90er Jahren, die ich fast allesamt seitdem nicht mehr gesehen habe, sowie eines mit den ebenfalls seit so langer Zeit bekannten Gerichten, die die kulinarische Fahne der bodenständigen, rustikalen portugiesischen Küche in der Klingenstadt so stolz empor halten.

Karte (Hochformat, bitte anklicken)
 
Und ja, es sollte die erhoffte ausgelassene Aioli-Orgie werden, mit viel eiskaltem Sagres, nicht minder gut temperiertem Vinho Verde, skandalöser Völlerei, viel Gelächter, längst vergessenen Erinnerungen und in meinem Fall einem bemitleidenswerten Taxifahrer, der zunächst sicher gut lüften musste, um eine gewisse Knoblauchwolke aus seinem Wagen zu befördern.

Vinho Verde gab es satt...
 
Als notorischer Nostalgiker empfand ich die Atmosphäre am alten Standort auf den ersten Blick zwar auf ihre Art spürbar authentischer, ich empfand dort immer einen Hauch von „Griechischer Wein“-Gastarbeiter-Romantik, die Chanson-Barde Udo Jürgens einst so Pathos-beladen besang.

Der Gastraum liegt im zweiten Stock
 
Aber auf den zweiten Blick hatte man auch hier im Gastraum - im Obergeschoss des Gebäudes der Solinger Lebenshilfe im Südpark - für das Fußball-affine Flair gesorgt, dass diesen Laden schon immer ausmachte, nur eben in den modernen, hellen Räumen der Kantine der Lebenshilfe, ohne die Patina der alten Räumlichkeiten.



 
Und natürlich ist auch die große Terrasse ein großer Pluspunkt im Südpark; alleine der Gedanke daran, hier einen lauen Sommerabend mit gut gekühltem Weißwein und Leckereien aus der Küche des Vereines verbringen zu können, lässt jede Wehmut sicher schnell verfliegen. 
 
Die Speisen werden übrigens an der Theke bestellt (man gibt einfach einen Zettel ab) und vom stets freundlichen Service – wir hatten eine nette junge Dame – am Tisch serviert, wobei die Reihenfolge manchmal einer Lotterie gleicht, was man aber nicht anders kennt und seine Bestellungen strategisch darauf ausrichtet, Getränke holt man sich an der Bar ab, auch das ist Tradition seit Jahrzehnten.
 
Viele der Gerichte auf der Karte besitzen fast den gleichen Kult-Status wie das Lokal selbst, allem voran sicher die legendären Rippchen (8,00€), die mal erfrischender Weise nicht mit einer mainstreamigen BBQ-Pampe amerikanischer Machart aus dem Großmarkt erschlagen werden, sondern das Fleisch auf den Thron heben

Rippchen mit lokalem Kultstatus
 
Die angenehm feste Aioli (1,00€) könnte zwar für meinen Geschmack noch etwas mehr Knoblauchschärfe vertragen, aber verglichen mit den vielen Placebo-Zazikis die man leider meist in der hiesigen griechischen Gastronomie antrifft, war das in dieser Hinsicht schon sehr ordentlich und machte zusammen mit dem üblichen Weißbrot nach wie vor viel Freude.

Aioli & Pommes


 
Für den kleinen gemischten Salat (2,50€) könnte man mich nachts wecken, ich liebe diesen ruppigen, einfachen Weißwein-Essig sehr und wenn der Kopfsalat so frisch ist und leicht süßlich schmeckt, hat man mich eh schon gewonnen, das mag ich nämlich sehr.

kleiner gemischter Salat
 
Der obligatorische kleine Teller mit Serrano und mildem Manchego (5,00€) durfte als Starter natürlich auch nicht fehlen, der wagemutige Herr Medizinalrat des Tisches freute sich indes vorab über seine Premiere mit den warmen Stockfischpasteten (4,50€).

Serrano und milder Manchego

Stockfischpasteten
 
Chorizo (5,50€) vom Grill? Immer her mit dem fettigen Vergnügen! Es ist einfach alles herrlich puristisch, hier zählt der Geschmack und das Zusammensein in netter Runde, wer hier aus optischen Gründen am Essen rummäkelt hat die Idee dieses Ortes einfach nicht verstanden.

Chorizo
 
Ein kleiner ernst gemeinter Servicehinweis für jene, die nicht die Karte auswendig runterbeten können: die Sardinen (6,00€) sind hier nicht die kleinen, beim Spanier als Boquerones fritos, beim Griechen als Gavros bekannten, kleinen frittierten Sardellen, die man komplett isst, mit Zitronensaft beträufelt und gerne mit Aioli vertilgt.

Sardinen vom Grill
 
Es sind größere, nicht ausgenommene Exemplare vom Grill, man muss schon sehr aufpassen und ein gutes Geschick haben, um die kleinen tückischen Gräten zu vermeiden, was nicht jedem liegt.
 
Das sollte dem guten Geschmack aber keinen Abbruch tun, man sollte es nur wissen.
 
Gerne wüssten wir auch, wie man hier die Pommes (2.00€) derart köstlich auf den Teller bringt, ich vermute sie werden in Olivenöl frittiert, wir hatten an diesem Abend fünf oder sechs Portionen, einfach großartig.
 
Was ich hier noch nicht hatte war das Hähnchenbein (3,00€), das mit seinen drei Euro ebenso unglaublich fair bspw. günstig angeboten wird, wie die restlichen Offerten der wohltuend übersichtlichen Karte. Hierzu muss man aber auch wissen, dass der gemeinnützige Verein keine nennenswerten Gewinne erwirtschaften darf.

Piri Piri Hähnchen
 
Serviert wurde traditionelles Piri Piri Hähnchen, pikant mariniert mit knuspriger Haut und so unglaublich saftig, dass es eine wahre Freude war.
 
Wir probierten gerne noch die neuseeländischen Grünschalmuscheln (5,50€), deren aromatischer Sud etwas polarisierte, ein zart besaiteter Tischgenosse empfand ihn als sehr scharf, andere nicht, einig waren wir uns jedoch in der Hinsicht, dass auch jene gesteigert köstlich waren.

Grünschalmuscheln
 
Eigentlich ging jetzt gar nichts mehr, aber für ein Dessert hat man ja bekanntlich immer noch stille Reserven, also her mit den ikonischen Pastéis de Nata (1,50€ / Stück), den berühmten „Blätterteig-Puddingtörtchen“ mit ihrer cremigen Vanille-Füllung und der typischen, mal mehr oder weniger präsenten, dunklen Karamellisierung.

Pastéis de Nata

 
Jetzt schien die Zeit endgültig gekommen für eine Runde Hochprozentiges, bevor wir gegen 23 Uhr bemerkten, dass unser Abi nun doch schon einige Jahre her ist und wir alle nicht mehr die zwanzig Lenze zählten – obwohl wir natürlich alle top in Form und von athletischer Erscheinung sind, räusper.
 
Was für ein schöner Abend, kulinarisch wie menschlich, viel früher schon hätte ich hier wieder hin gehen und mit seit fast 30 Jahren nicht mehr erlebten Schulfreunden eine gute Zeit haben sollen.
 
Aber wie sagt auch der portugiesische Volksmund: „Mais vale tarde que nunca“ – „Besser spät als nie!“
 
In diesem Sinne hoffe ich auf  eine baldige Wiederholung an der Alexander-Coppel-Straße, es war mir ein großes Fest.
 


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