Geschrieben am 05.04.2017 2017-04-05| Aktualisiert am
05.04.2017
Besucht am 30.03.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 560 EUR
Warnung vorweg: Langes Menü - langer Text...
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Thomas Bühners Küche zu erleben. Die Abfolge umfasst zum einen das vollständige große Menü mit dem Untertitel „innovation / avantgarde“ sowie einige Gerichte aus dem kleinen Menü, das unter dem Namen „Tradition & Qualité“ einen vermeintlich klassischeren Ansatz verfolgt.
Viel hat sich seit unserem letzten Besuch verändert. Nadja Siebert hat die Restaurantleitung von Thayarni Garthoff übernommen und Christian Scholz ist seit dem Weggang von Sven Oetzel der neue Sommelier. Nachdem René Frank sich mit der CODA Dessert Bar (s. hierzu auch separaten Bericht) in Berlin selbständig gemacht hat, war auch die Position des Chef-Pâtissiers vakant und wurde mit Roman Aster besetzt. Nicht nur personell hat sich also einiges grundlegendes getan, auch stilistisch haben wir in den Gerichten eine deutliche Veränderung erlebt. Doch dazu später mehr.
Der Abend startet mit einigen Kleinigkeiten, einem fragilen Mohntartelette mit Gänseleber, einem erfrischenden und nicht dominierenden Koriandergranitée sowie einer intensiven Schinkenbrühe. Zwar nur eine Petitesse, aber dafür eine, die es in sich hat, ist der abschließende Gruß in Form eines kleinen Stückchens Anchovi, das sich unter einer Ziegenmilchhaut verbirgt und mit dem dazugehörigen sehr cremigen Käse erstaunlich gut verbindet.
Angesichts des vor uns liegenden Programms bin ich dankbar, dass diese Grüße auch mengenmäßig wirklich nur die Papillen reizen. Am besten gefallen hat mir hierbei eindeutig die Anchovi aufgrund der gewagten, aber schlüssigen Kombination.
Beim sehr guten Brot halte ich mich ebenfalls zurück, was sich noch als vorteilhaft herausstellen wird.
Im ersten offiziellen Gang des Menüs schickt die Küche marinierte Makrele, die begleitet ist von Edamame, Fromage Blanc, schwarzem Rettich, einem Ingwergranité und Miso. Der schön dekorierte Teller erlaubt ein vielfältiges Kombinieren, bei dem alle Elemente gleichwertig wirken können und sich in Summe ein schönes, leicht asiatisches Geschmacksbild ergibt. Guter Auftakt!
Mit dem nächsten Gericht erleben wir bereits den ersten Höhepunkt. In einem Mantel aus dünn geschnittenem und bestenfalls leicht erwärmtem Wagyu-Rind befindet sich ein perfekt gegartes Stück Kabeljau. Texturell passen diese beiden Komponenten schon sehr gut zusammen, wenngleich das Fleisch geschmacklich eher im Hintergrund bleibt. Etwas knackiges Grünzeug sorgt für Frische, aber der eigentliche Burner ist für mich die Safran-Consommé. Safran kann bei Überdosierung leicht sehr dominant und penetrant wirken. In dieser Kabeljau-Brühe entfaltet er sich aber ganz fein und dennoch mundfüllend wie ein guter Wein mit einem langen Finish. Bei diesem oder dem vorherigen Gang wurde noch ein vorzügliches Zitronen-Focaccia serviert. Das ist ausgezeichnet geeignet, keinen Tropfen übrig zu lassen.
Ähnlich reduziert, und auch mengenmäßig eher wie ein Zwischengruß, präsentiert sich die Red Gamba mit einer Mandarinen-Sojabutter. Die Sauce ist vorzüglich und passt sich gut der leichten Süße der Gamba an.
Ein weiteres Highlight folgt mit dem Oktopus, der derzeit nach meinem Empfinden eine große Renaissance in der gehobenen Küche erfährt. Und das völlig zu Recht. Richtig zubereitet ist er geschmacksintensiv, zart und lässt sich vielfältig kombinieren. Bei Thomas Bühner werden die Stücke des Pulpo mit einer intensiven Wildschwein-Emulsion und einer fruchtigeren und nur dezent scharfen Kimchi-Creme kombiniert. Die Rosenkohlblätter übernehmen eher dekorative Wirkung für mich, aber alles übrige funktioniert ausgezeichnet, wirkt überraschend und neu.
Es folgt eine weitere ungewöhnliche Komposition, bei der der eigentliche Hauptdarsteller gar nicht eindeutig auszumachen ist. Flusskrebse in einer kräftigen Jus sind großzügig von Trüffel bedeckt, daneben einige knackige Scheiben Yam-Wurzel, in die kunstvoll knusprige, hauchdünne Scheiben Bellota-Schinken eingearbeitet sind. Auch wenn der Trüffel den vordergründigsten Geschmack liefert, ist dies erneut ein Gericht, das ein spannendes Geschmacksbild abgibt, zumal mit der Yam-Wurzel auch ein Element auf dem Teller ist, das nicht allzu häufig in der Sternegastronomie zu finden ist. An anderer Stelle wurde dem Gericht etwas durchaus intellektuelles bescheinigt, was ich zwar nachvollziehen kann, aber für mein Empfinden nicht unbedingt zutrifft. Dafür überwog der insgesamt süffige und leicht verständliche Grundton doch zu sehr. Auch dies sehr überzeugend.
Und um den Faden der geschmacklichen neuen Erfahrungen nicht abreißen zu lassen, serviert die Küche als nächstes Segmente von der Oka-Schote mit Kaviar und einem Sud aus Melone und Kefir. Ich muss das googeln und erfahre, dass es sich um den sogenannten Knolligen Sauerklee handelt. In Konsistenz und Geschmack durchaus ähnlich der Yamwurzel, aber ein wenig säuerlicher. Da der Kaviar selbst auch nicht übermäßig salzig ist, überwiegt hier eindeutig ein harmonischer, frischer Eindruck.
Wenn auf einen Gang in diesem Menü das Attribut intellektuell zutrifft, dann vielleicht am ehesten auf die Kombination aus Gillardeau-Auster, Kalbsbries und Portulak. Das wirkt ein wenig forciert für mich, und abgesehen davon, dass es für mich auch geschmacklich nicht wirklich aufgeht, hätte ich mir zumindest das Bries etwas röscher gewünscht. Darüber hinaus leidet die Optik des Gerichtes etwas unter der arg hochviskosen dunklen Sauce.
Vor den Hauptgängen folgt eine Hummersuppe, die mit Vadouvan abgeschmeckt ist. Schon der Duft ist betörend, der Geschmack löst das auch ein. Durch die indische Gewürzmischung wird der Geschmack ganz leicht ins exotische geschoben, ohne aber dem Hummer trotzdem immer den Vortritt zu lassen. Sehr klar, sehr heiß, sehr gut.
Als erster Fleischgang folgt Etouffée-Taube, im Walcholderrauch gegart und mit einem karamellisierten Kürbissaft serviert. Einige Blättchen Löwenzahn – fertig. Eine derart minimalistische Präsentation hätte ich hier im Leben nicht erwartet. Bei unserem letzten Besuch hatte ich Taube als Extragang eingeschoben und seinerzeit war das ebenfalls sehr gute Exemplar von einer Maisvariation sowie zwei Tellern à part begleitet. Aber die Präsentation dieses Mal überrascht mich - bis ich den ersten Bissen nehme. Und dann verstehe ich. Die Taube ist von sensationeller Qualität. Der Rauchgeschmack ist präsent, in der Nase, wie im Mund, aber dennoch elegant. Die Sauce ist nicht so süß wie befürchtet und schmiegt sich perfekt an die Rauchnote und das kräftige Fleisch. Ich erwähnte wohl das ein oder andere Mal bereits, dass Taube mein Lieblingsfleisch ist. Hier ist sie perfekt in Szene gesetzt. So pur, so mutig, so großartig. Alleine für diesen Gang hat sich bereits das ganze Menü gelohnt.
Das folgende Bisonfilet aus dem “Tradition & Qualité”-Menü steht dem in Punkto Qualität nicht nach, ist aber in der Präsentation in der Tat deutlich klassischer angelegt.Mit Morcheln und Boudin Noir ist dieser Gang eindeutig etwas deftiger geprägt und bekommt durch die Sauce Foyot, eine Ableitung der Béarnaise, und die Jus füllige und recht opulente Partner. Aber auch dieser Hauptgang gefällt mir außerordentlich durch die sehr gute Fleischqualität und die exzellente Zubereitung.
Im “la vie” wird im Gegensatz zu den meisten anderen Restaurants noch ein zubereiteter Käsegang angeboten, was ich sehr schätze, denn ich bin der festen Überzeugung, dass das kreative Potential beim Arbeiten mit Käse zu wenig ausgeschöpft wird. Thomas Bühner beweist das Gegenteil. Der Le Phébus ist sehr cremig und würzig und kommt gemeinsam mit Pinienkerneis, kleinen Scheibchen von der Kaki sowie etwas Shimousa, einer im Zedernholzfass gereiften Sojasauce.
Als erstes Dessert wird “Neues Gold aus Kalkriese” serviert, das sich, wie bereits verschiedentlich beschrieben, auf den Fund historischer Goldmünzen bezieht. Die nachgebildete Münze ist vor allem relativ karamellig und dominiert damit die übrigen Komponenten. Hübsch anzuschauen, aber noch nicht wirklich überzeugend.
Das wird es dafür mit dem abschließenden Dessert. Tonkabohne, geeißter Edelweiß, grüner Apfel und Selleriemilch bieten eine bunte Spielwiese unterschiedlichster Konsistenzen und setzen einen frischen und kaum beschwerenden Schlusspunkt unter ein umfangreiches Menü.
In der Weinbegleitung fanden sich bei den Weißweinen überwiegend relativ junge Weine. Neben einem Sauvignon Blanc von der Loire gab es einen Riesling vom Weingut Odinstal aus der Pfalz, zu Trüffel und Kaviar einen Silvaner Sekt von May aus Franken und ein nicht näher notierter Portugiese. Ich hätte mir hier durchaus an der ein oder anderen Stelle etwas kräftigeres und cremigeres vorstellen können.
Der Lemberg “Hades” vom Weingut Weinsberg aus Württemberg hingegen war angenehm füllig, ohne die Fleischgänge zu überdecken. Ausgezeichnet auch der 2012 Riesling Kabinett “Schlossberg” vom Kesseler aus dem Rheingau und die Sauvignon Beerenauslese von Frey aus der Pfalz.
Christian Scholz und der andere junge Herr im Service dürften die Weine durchaus offensiver präsentieren. Mitunter waren die Ansagen sehr leise, so dass man nachfragen musste. Auch hätte ich mir mehr Erklärung gewünscht, warum der entsprechende Wein zum Essen gewählt wurde.
Der Service unter Nadja Siebert agiert formvollendet und professionell, könnte aber durchaus auch noch etwas an Lockerheit zulegen. Eine Mitarbeiterin, deren Namen wir uns leider nicht gemerkt haben, hat uns in dieser Beziehung ausgesprochen gut gefallen. Sie “kann nur Kaffee” - und wird damit wissen, dass sie gemeint ist. Gut gemacht!
Im Laufe des Abends haben wir Gelegenheit, wie alle Gäste, Thomas Bühner in der Küche zu treffen. Zu einem kleinen Whiskey Sour Shot, der dort von ihm zubereitet wird, sprechen wir mit ihm über die augenfällige Veränderung in der Stilistik seiner Küche. Hat man ihn in der Vergangenheit oft mit sehr detailverliebten und komponentenreichen Gerichten in Verbindung gebracht, wirkten die Gänge an diesem Abend erstaunlich reduziert, mitunter fast minimalistisch wie bei der Taube. Dort, wo noch mehrere Komponenten auf dem Teller waren, war die Anrichteweise durchweg kompakter.
Der Geschmack und die Aromenkombinationen sind weiterhin enorm vielschichtig. Die Kreativitätsmaschine läuft nach wie vor auf Hochtouren und auch anhand des Personaleinsatzes in der Küche und beim Beobachten des Anrichtens ist kein reduzierter Aufwand zu erkennen. Dennoch, bestätigt Bühner, war es eine bewusste Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Offenbar fühlten sich andere Gäste mitunter überfordert, bei zu vielen Komponenten auf dem Teller noch alle Nuancen herauszuschmecken. Ob das tatsächlich so ist, kann ich nicht beurteilen. Andere Köche werden schließlich auch genau dafür gefeiert, aber Thomas Bühner geht nun diesen Weg und er ist sich dessen bewusst, dass das auch ein Risiko darstellt.
Für mich hat sich dieses Risiko ausgezahlt. Ich hatte in diesem Menü mehrere begeisternde Momente, mit der Taube, dem bei weitem reduziertesten Gang, als persönlichen Höhepunkt. Und mir sind Köche lieber, die sich weiter entwickeln und was trauen, als jahre- oder gar jahrzehntelang das selbe Programm abzuspulen. So bleibt Thomas Bühner unter den deutschen Dreisterneköchen auch weiterhin derjenige, der die Avantgarde und Moderne am konsequentesten bedient. La vie est belle.
Warnung vorweg: Langes Menü - langer Text...
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den... mehr lesen
La Vie
La Vie€-€€€Sternerestaurant0541331150Krahnstraße 1-2, 49074 Osnabrück
4.5 stars -
"Avantgarde und Evolution" tischnotizenWarnung vorweg: Langes Menü - langer Text...
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den
Besucht am 10.02.2017Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 518 EUR
Thomas Bühner zählt schon mehr als 20 Jahren zur Gruppe der deutschen Spitzenköche.
1962 in Riesenbeck geboren, hat er seine ersten Erfahrungen in der Gastronomie im großelterlichen Betrieb gemacht.
Aber trotzdem war sein Berufswunsch lange unklar. Beim Arbeitsamt wurde ihn eine Lehre als Koch, Bäcker oder Landwirt angeboten. Und dann war sein Motto: Wenn ich schon Koch werde, dann aber auch ein guter.
Seine Ausbildung absolvierte Bühner im Schweizer Haus in Paderborn. Es folgten Stationen bei Günter Scherrer im Düsseldorfer Hilton, im Landhaus Scherrer in Hamburg sowie im Restaurant Grand Cru in Lippstadt und dem Restaurant Jörg Müller in Westerland auf Sylt.
1989 kam Bühner schließlich auch zu Harald Wohlfahrt in die Schwarzwaldstube nach Baiersbronn. Diese Zeit hat ihn besonders geprägt und er war bereit auch die Leitung eines Hauses zu übernehmen.
1991 war es so weit. Er wurde Küchenchef im Restaurant La Table in Dortmund.
Fünf Jahre später erhielt er dort seinen ersten Michelin Stern.
1998 folgte der zweite Stern.
Der Gault Millau ehrte Bühner 2001 mit dem Titel „Aufsteiger des Jahres“ und fünf Jahre später folgte die Auszeichnung „Koch des Jahres“.
Ab 2006 ist er Küchenchef in Osnabrück im la vie.
Das Restaursant befindet sich im Haus Tenge – ein unter Denkmalschutz stehendes, klassizistisches Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das inmitten der historischen Altstadt von Osnabrück, gegenüber dem Rathaus des Westfälischen Friedens, zu finden ist. Ernst Friedrich Tenge (1759–1824) baute in den Jahren 1813 und 1814 in der Krahnstraße sein Wohn- und Geschäftshaus. Im Laufe der Jahre wechselten die Besitzer und die Nutzung des Gebäudes.
Zuletzt kaufte es der Stahlmanager und spätere RWE-Chef Jürgen Großmann. Sein Vermögen betrug laut Manager Magazin im Jahr 2008 rund 1,35 Milliarden Euro. Damit konnte er sich schon einige kostspielige Hobbys leisten. Er hatte unter anderem Interesse an Spitzenküche, an der es nach seiner Meinung in Osnabrück mangelte. Daher übernahm er das Restaurant „la vie“, das gegenüber dem Heger Friedhof lag und verlegte es in das Haus Tenge. Er stattete den Bankettsaal mit Werken des Malers Markus Lüpertz aus und holte den Koch Hans-Peter Engels ins Haus. Der erste Michelin-Stern und 17 Gault-Millau-Punkte waren das Ergebnis.
Nach einem weiteren Umbau im Jahr 2006 wechselte Großmann das Küchenteam komplett aus. Er holte sich Thomas Bühner aus dem „La Table“ im Casino Hohensyburg ins Haus.
Schon 2007 erhielt das Restaurant „la vie“ (wohl darauf hin) den zweiten Stern. Aber der weitere Weg zum dritten Stern war steinig. Manche Kritiker glaubten sogar, dass das nichts mehr wird.
Doch die Ausgabe 2010 des Guide Michelin machte Bühner endlich zum Hoffnungsträger für den dritten Stern und Anfang November 2011 war es dann perfekt.
Das „La Vie“ befindet sich nicht weit vom Bahnhof entfernt in Osnabrücks Altstadt.
Die Weine des Hauses befinden sich allerdings nicht im Keller, sondern liegt im Dachgeschoss.
Das alte Gemäuer des Tenge Haus, mit seinen dicken Wänden, lässt die Weinlagerung – es herrschen das ganze Jahr über fast konstante Temperaturen – sogar dort gut zu.
Ambiente
Das Herrenhaus, das durch seine verwinkelte Bauweise und Nutzung in nahezu jedem Raum etwas Neues bietet, haben wir natürlich nicht kennen gelernt. Wir gingen durch die Türe geradeaus und wurden direkt freundlich begrüßt.
Am Pult vorbei wurden wir sofort zu unserem Platz geführt. Es war ein großer runder Tisch. Klassisch weiß eingedeckt.
Die riesigen Servietten fielen sofort ins Auge. Die Sitzmöbel waren äußerst bequem.
Wir hatten einen freien Blick auf die Spirituosen, auf moderne Kunst an der Wand und die asiatische Kopfplastik.
Die Tische hatten einen perfekten Abstand zueinander. Es herrschte insgesamt eine gediegene, geschmackvolle Eleganz.
Mir hat dieser Raum sehr gut gefallen.
Sauberkeit
Über die perfekte Ordnung brauche ich kein Wort verlieren.
Sanitär
Der Bereich war in einer angenehmen Entfernung zum Essbereich. Die Ausstattung war praktisch und großzügig. Platz war ausreichend vorhanden.
Service
Der Service unter der Restaurantleiterin agierte freundlich, zuvorkommend und diskret; in meinen Augen überhaupt nicht formell, sondern seriös und heiter zugleich.
Das Auftreten des Sommeliers war ebenfalls sympathisch, offenen und angenehm.
Unterstützt wurden die Beiden von einer weiteren Damen und einem Herren.
Ich wüsste keine Stelle, wo es in diesem Bereich etwas zu verbessern gäbe.
Die Karte(n)
Wir haben im Vendome mit dem Lunch beste Erfahrungen gemacht. Und wir lieben ausgiebige Mittagsessen, weil am Abend ein großes Menü uns oft den guten Schlaf später raubt.
Ein Bericht von „Küchenreise“ - allerdings noch aus dem Jahr 2015 – über sein Mittagessen hat uns sehr zugesagt.
Also haben wir auch die Lunch-Zeit im la vie gewählt. Das größere Menü heißt:
LE | GRAND | CHEF
innovation I avantgarde
Gruß/Grüße aus der Küche
oolong | nori | walnuss
Der chinesische Tee wurde aus einer Kanne in die Schale auf die Alge und die Nuss gegossen. Weiche Bittertöne des Getränks verbanden sich mit der leichten Süße und der herben Art der Nuss.
Damit wurde der Mund auf die Speisen vorbereitet.
Ein dünner Chip bedeckte den Ziegenkäse. Dieser hatte einen starken Eigengeschmack und wurde durch die anderen Komponenten etwas abgemildert.
Diese beiden Grüße ließen uns insgesamt etwas ratlos zurück, weil wir ihre Absicht oder die Verbindung zu den Gängen nicht erkennen konnten. Aber wir haben auch nicht nachgefragt; denn wie bei humorvollen Bemerkungen über die ich nicht lachen kann, lasse ich mit in der Regel den Sinn nicht erklären (Witze werden an Tisch drei entschlüsselt).
In anderen Restaurants waren die Grüße oft für mich echte „Knaller“ (Vendome, Sonnora, Schwarzwaldstube, …).
Aber sehr erfreulich waren die Brote, die ebenfalls serviert wurden. Ich liebe Brot. Wenn Brot so schmeckt, ist es für mich sogar ein eigener Gang. Und hier hatte die Pattiserie hervorragendes geleistet.
Das erste Brot war wohl ein Mischbrot. Die Kruste war dunkel und knusprig – so wie ich es liebe. Die Krume war angenehm weich und locker. Das Brot schmeckte pur und auch mit der Salzbutter in Kombination ausgezeichnet.
Ein weiteres Brot war eine Focaccia. Dieses Fladenbrot war ebenfalls großartig. Nicht zu knusprig außen und mit köstlichen Thymian-Noten. Innen locker, luftig und trotzdem nicht zu weich, sondern ideal zum Auftunken von allerlei Produkten auf den Tellern in der Folge. Viel besser als ein Gourmetlöffel.
Aber ich esse Brot auch zwischen den anderen Gängen stückchenweise gerne.
Die verkosteten Speisen
Die Gänge hatten die folgenden Titel (auf der Karte werden alle Worte klein geschrieben):
Optisch hat mir der Teller sehr zugesagt. Das Fleisch war hauchdünn geschnitten und sah wie gemalt aus. Der Eigengeschmack soll sicher voll zum Tragen kommen, weil es für mich nicht spürbar gewürzt war. Darunter befand sich auch noch etwas zarter Fisch. Die Salatblättchen obenauf waren von ausgezeichneter Frische. Die Consommé hatte eine goldene Farbe – auch hier ein Schwerpunkt auf dem Eigengeschmack des Kabeljau.
Tintenfisch- und Schweine-Bauch-Stückchen waren halbkreisförmig angeordnet. Dazuwischen waren Rosenkohlblättchen und etwas Dill. Auf einer weiteren gedachten Linie befanden sich symmetrisch zwei Orangensaucenkreise und in der Mitte eine dunkle Jus (Wildschwein).
Fisch und Fleisch schmeckten mir typisch für ihre Eigen-Art. Ebenso das Gemüse, das wohl fermentiert war. Die Emulsion hat mir ausgesprochen würzig geschmeckt – das hat mich gefreut, denn ich mag eine mutige Stärke. Auch die gelben Kleckse waren kräftig abgeschmeckt.
Der Gourmetlöffel, der fast bei jedem Gang eingedeckt wurde, hatte aber kaum eine Chance auf einen Einsatz; denn der Teller war bei mir stets vorher schon leer. Winzige Rest-Spuren ließen sich auch viel angenehmer mit dem oben erwähnten Brot aufnehmen.
* impérial caviar | süßkartoffel
Bei diesem Gang wurden zwei Gefäße aufgetragen. Der Kaviar hatte einen feinen Meeresgeschmack. In der Schale war eine – im ersten Augenblick – flüssige Creme. Überrascht war ich, dass bei Berührung mit dem Löffel, die Oberfläche sich in feste Stücke verwandelte. Ich weiß nicht, was die orange-gelbe Süßkartoffel-Emulsion zu diesem Wechsel im Aggregatzustand brachte. Mir schmeckten jedoch diese „Schollenstücke“ im „Creme-Kartoffel-Meer“. Meine Frau konnte sich damit nicht anfreunden – weiche Konsistenzen sind ihr meist suspekt; aber sie hat probiert.
Diese Kombination habe ich noch nie probiert. Aber das will ich ja auch in einem Sternerestaurant. Eintönigkeit ist mir ein Gräuel.
Kalbsbries – ich weiß nicht warum – schmeckt mir eigentlich immer; jedoch schätze ich es meist am liebsten leicht gebraten – hier gab es jedoch keine Röstaromen zu erspüren.
Austern (ähnlich wie Trüffel) scheinen nicht grundsätzlich mein Ding zu sein. Immer wieder habe ich sie in verschiedenen Restaurants verkostet – und es hat mir nur selten wirklich zugesagt. Für mich bereitet Helmut Thieltges diese beiden Zutaten unnachahmlich zu. Dieser Eindruck hat sich heute nicht verändert.
Auch hier haben mich die Saucenpunkte voll überzeugt, ich könnte davon auch größere Mengen vertragen (Gourmetlöffel siehe oben).
Ich glaube, dass ich auf meinem Teller die kleine Lauchstange, die es gibt, gefunden habe. Solche Kleinigkeiten können mit immer wieder Freude bereiten.
Weil der Geschmack dieses Gerichts für mich ungewohnt war, habe ich Gefallen an diesem Teller gefunden.
* étouffée taube l wacholderrauch
karamellisierter kürbissaft
Zum Hauptgang wurden uns zwei herrliche unterschiedliche Fleischmesser gereicht. Ich mag solche Essgeräte (ich sammle zum Beispiel Menü-Gabeln mit fünf Zinken).
Doch zum Fleisch: Es waren mehrere verschiedene Teile der Taube auf dem Teller zu finden. Sie waren „wild“ angerichtet, aber trotzdem schön präsentiert. Ich denke, dass die Garmethode sous vide war. Ich stehe dieser Zubereitungsart gespalten gegenüber: manche Teile werden großartig, andere halte ich für missglückt. Grundsätzlich mag ich eben Röstaromen.
Keine Frage für mich: Hier hatte der Koch alles richtig gemacht. So zart, so weich, so köstlich war die Taube.
Auch der eingedickte Kürbissaft passte in meinen Augen sehr vorteilhaft zur Taube. Süße Saucen schmecken mir durchaus nämlich selten zu herzhaften Gerichten.
* neues gold aus kalkriese
Dann war die Patisserie an der Reihe. Und vorweg: diese Arbeiten haben mich voll überzeugt.
Was verbarg sich hinter diesem Titel „Neues Gold aus Kalkriese“? - Es ist wohl eine Anspielung auf die Varus-Schlacht und das entsprechende Museum und deren Funde.
Einen ausführlichen Bericht dazu habe ich gefunden: http://www.pressreader.com/
Mit einem neuen Verfahren wurden die Augustus-Münzen (Grundlage ist wohl ein Karottensaft) nachempfunden. Jedenfalls hat sie mir geschmeckt.
Auch die weiteren Teile auf dem Teller sahen gut aus und schmeckten überraschend: Ein Gebäck, das für mich wie Blutwurst aussah, zum Beispiel. Schokoladenfäden, die wie eine Schnur aussahen. Um nur einige Dinge zu nennen.
* brachfeldfrüchte | ein wenig kokosnuss
karamell brotcrumble
Diverse Zutaten waren zu kleinen Türmen, Kringeln oder langen dünnen Würsten verarbeitet worden. Ein Bild konnte ich erkennen. Egal, es schmeckte. Weiche, harte, warme und kalte Abschnitte fügten sich zusammen.
Eine zungenförmige Bucht in Rot reichte bis zum Tellerrand. Darin erkannte ich Rote Bete, die süß-sauer im Mund die Geschmacksnerven ansprachen. Ein kleiner heller See war wohl von der Kokosnuss geprägt. Linien von geröstetem Getreide glaube ich auch noch erkannt zu haben.
Zum Abschluss bestellten wir noch einen Espresso. Dazu bekamen wir noch eine kleine Zugabe.
Meine Frau bekam essbare Legosteine aus Fruchtsäften (weil sie keine dunkle Schokolade mag). Die Lego-Köche waren aus Plastik und nur eine Erinnerung an die Leute in der Küche.
Ich erhielt eine Dose mit Schokoladenteilen: Blätter, Küchlein, ein Macaron (ohne Mandeln) und eine Praline. Das sah etwas mehr für mich aus.
Aber: dann kam noch der Nussautomat. Nach der Drehung des Rades kamen aus der Öffnung bunte Kügelchen (und ich vertrage Mandeln und Haselnüsse nicht) heraus.
Das passte zum Kaffee.
Wir zahlten und entschwanden in die Innenstadt. Es war recht kalt und daher besuchten wir nur einige Kirchen, die am Wege lagen.
Menü 188,00 €
Getränke
Cocktail la vie (12,50 €)
Sanbitter (7,00 €)
Gerolsteiner medium (10,00 €)
Rust Zwetschge, Bremen (14,00 €)
Zum Abschluss des Lunch ging mein Blick nochmals zu den schönen Flaschen der Digestive. Natürlich fielen mir die Rochelt-Produkte dabei ins Auge. Der Sommelier machte mich im Gespräch auf einige Brände aus Bremen aufmerksam. Daraufhin orderte ich ein Gläschen davon. Und ich muss sagen BIRGITTA RUST PIEKFEINE BRÄNDE werde ich sicher nicht das letzte Mal probiert haben.
Espresso (4,50 €)
Weindegustation 90,00 €
HENRI BOURGEOIS - LE PETIT BOURGEOIS 2015 - Val de Loire - 100% Sauvignon Blanc
Chateau Ste. Michelle - Dr. Loosen Riesling "Eroica" trocken 2014 - Washington State
ÔMINA ROMANA Chardonnay 2013 - IGP Lazio Bianco
Suertes del Marqués La Solana 2013 - Teneriffa - 100% Listán Negro
Da die Weine alle im Fachhandel zu relativ moderaten Preisen nachzukaufen sind, waren sie neben dem Genuss zum Essen eine Bereicherung für den privaten Bereich in der Zukunft. Und bis auf den Eroica waren sie für mich auch neu. Daher gehört ein Dank an den Sommelier an diese Stelle – zumal er beim Nachschenken auch nicht knickerig war.
Preis-Leistungs-Verhältnis
Wie so oft kann man über die Getränkepreise und deren Kalkulation diskutieren; bei den Speisen finde ich das aber nicht angebracht.
Fazit 4 – gerne wieder. Es war ein herrlicher Nachmittag mit köstlichen Speisen und Getränken.
Warum keine 5 ? - Vermutlich waren unsere Erwartungen an den Dreisterner teilweise ein wenig überhöht. Dass die wirklich tadellose Küche nicht in vollem Umfang bei jedem Gang unseren Geschmack traf, ist zwar ein kleiner Wermutstropfen aber kein Grund etwas zu beanstanden, sondern die Erkenntnis: So ist die Küche hier wohl und einen weiteren Besuch können wir uns sicher trotzdem vorstellen.
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder – nach „Kuechenreise“) Datum des Besuchs: 10.02.2017 – mittags – zwei Personen
Thomas Bühner zählt schon mehr als 20 Jahren zur Gruppe der deutschen Spitzenköche.
1962 in Riesenbeck geboren, hat er seine ersten Erfahrungen in der Gastronomie im großelterlichen Betrieb gemacht.
Aber trotzdem war sein Berufswunsch lange unklar. Beim Arbeitsamt wurde ihn eine Lehre als Koch, Bäcker oder Landwirt angeboten. Und dann war sein Motto: Wenn ich schon Koch werde, dann aber auch ein guter.
Seine Ausbildung absolvierte Bühner im Schweizer Haus in Paderborn. Es folgten Stationen bei Günter Scherrer im Düsseldorfer Hilton,... mehr lesen
La Vie
La Vie€-€€€Sternerestaurant0541331150Krahnstraße 1-2, 49074 Osnabrück
4.5 stars -
"Ein Haus mit Stil und ausgezeichneten Speisen und Getränken" kgsbusThomas Bühner zählt schon mehr als 20 Jahren zur Gruppe der deutschen Spitzenköche.
1962 in Riesenbeck geboren, hat er seine ersten Erfahrungen in der Gastronomie im großelterlichen Betrieb gemacht.
Aber trotzdem war sein Berufswunsch lange unklar. Beim Arbeitsamt wurde ihn eine Lehre als Koch, Bäcker oder Landwirt angeboten. Und dann war sein Motto: Wenn ich schon Koch werde, dann aber auch ein guter.
Seine Ausbildung absolvierte Bühner im Schweizer Haus in Paderborn. Es folgten Stationen bei Günter Scherrer im Düsseldorfer Hilton,
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Datenschutz-Einstellungen
Hier können Sie festlegen, wie wir Ihre Daten verwenden dürfen. Bitte beachten Sie, dass auf Basis Ihrer Einstellungen womöglich nicht mehr alle Funktionen zur Verfügung stehen.
Unbedingt erforderliche Technologien
Um Sicherheit gewährleisten, Missbrauch verhindern und Inhalte und Anzeigen technisch sowie unsere Services wie von Ihnen gewünscht bereitstellen zu können, sind folgende Technologien erforderlich.
Produkte oder Inhalte technisch bereitstellen
z.B. Session für Warenkorb, Favoriten, letzte Bestellungen ...
Google Maps
z.B. Integration von Google Maps Standorten über iFrame- / Javascript Technologie im internen Bereich an erforderlichen Stellen.
Google Anzeigen
z.B. die kostenlose Nutzung unserer Website ist nur mit Google Adsense Werbeanzeigen möglich.
Performance Cookies
Mithilfe dieser Cookies können wir Besuche und Traffic-Quellen zählen, damit wir die Leistung unserer Website messen und verbessern können. Sie geben uns Aufschluss darüber, welche Seiten beliebt und weniger beliebt sind und wie sich Besucher auf der Website bewegen.
Google Analytics
z.B. Erfassung der Seitenaufrufe, Verweildauer usw.
Google Tag Manager
z.B. Erfassen von Events (Warenkorb, Bestellprozess, Aktionen usw.)
Facebook Pixel
z.B. Erfassen von Events (Warenkorb, Bestellprozess, Aktionen usw.)
Multimediale Cookies
Diese Cookies ermöglichen es uns, die Funktionalität und individuelle Gestaltung zu verbessern, beispielsweise von integrierten Videos und virtuellen 360° Rundgängen. Ohne diese Cookies können einige oder alle dieser Funktionen nicht ordnungsgemäß funktionieren.
Youtube Videos
z.B. Integration von Youtube Videos über iFrame Technologie.
Google Maps
z.B. Integration von Google Maps Standorten über iFrame- / Javascript Technologie.
Google Maps 360° Rundgänge
z.B. Integration von Google Maps 360° Rundgängen per Javascript
Marketing Cookies
Diese Cookies ermöglichen es uns, auf die Benutzerinteressen abgestimmte Werbung einzublenden.
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Thomas Bühners Küche zu erleben. Die Abfolge umfasst zum einen das vollständige große Menü mit dem Untertitel „innovation / avantgarde“ sowie einige Gerichte aus dem kleinen Menü, das unter dem Namen „Tradition & Qualité“ einen vermeintlich klassischeren Ansatz verfolgt.
Viel hat sich seit unserem letzten Besuch verändert. Nadja Siebert hat die Restaurantleitung von Thayarni Garthoff übernommen und Christian Scholz ist seit dem Weggang von Sven Oetzel der neue Sommelier. Nachdem René Frank sich mit der CODA Dessert Bar (s. hierzu auch separaten Bericht) in Berlin selbständig gemacht hat, war auch die Position des Chef-Pâtissiers vakant und wurde mit Roman Aster besetzt. Nicht nur personell hat sich also einiges grundlegendes getan, auch stilistisch haben wir in den Gerichten eine deutliche Veränderung erlebt. Doch dazu später mehr.
Der Abend startet mit einigen Kleinigkeiten, einem fragilen Mohntartelette mit Gänseleber, einem erfrischenden und nicht dominierenden Koriandergranitée sowie einer intensiven Schinkenbrühe. Zwar nur eine Petitesse, aber dafür eine, die es in sich hat, ist der abschließende Gruß in Form eines kleinen Stückchens Anchovi, das sich unter einer Ziegenmilchhaut verbirgt und mit dem dazugehörigen sehr cremigen Käse erstaunlich gut verbindet.
Angesichts des vor uns liegenden Programms bin ich dankbar, dass diese Grüße auch mengenmäßig wirklich nur die Papillen reizen. Am besten gefallen hat mir hierbei eindeutig die Anchovi aufgrund der gewagten, aber schlüssigen Kombination.
Beim sehr guten Brot halte ich mich ebenfalls zurück, was sich noch als vorteilhaft herausstellen wird.
Im ersten offiziellen Gang des Menüs schickt die Küche marinierte Makrele, die begleitet ist von Edamame, Fromage Blanc, schwarzem Rettich, einem Ingwergranité und Miso. Der schön dekorierte Teller erlaubt ein vielfältiges Kombinieren, bei dem alle Elemente gleichwertig wirken können und sich in Summe ein schönes, leicht asiatisches Geschmacksbild ergibt. Guter Auftakt!
Mit dem nächsten Gericht erleben wir bereits den ersten Höhepunkt. In einem Mantel aus dünn geschnittenem und bestenfalls leicht erwärmtem Wagyu-Rind befindet sich ein perfekt gegartes Stück Kabeljau. Texturell passen diese beiden Komponenten schon sehr gut zusammen, wenngleich das Fleisch geschmacklich eher im Hintergrund bleibt. Etwas knackiges Grünzeug sorgt für Frische, aber der eigentliche Burner ist für mich die Safran-Consommé. Safran kann bei Überdosierung leicht sehr dominant und penetrant wirken. In dieser Kabeljau-Brühe entfaltet er sich aber ganz fein und dennoch mundfüllend wie ein guter Wein mit einem langen Finish. Bei diesem oder dem vorherigen Gang wurde noch ein vorzügliches Zitronen-Focaccia serviert. Das ist ausgezeichnet geeignet, keinen Tropfen übrig zu lassen.
Ähnlich reduziert, und auch mengenmäßig eher wie ein Zwischengruß, präsentiert sich die Red Gamba mit einer Mandarinen-Sojabutter. Die Sauce ist vorzüglich und passt sich gut der leichten Süße der Gamba an.
Ein weiteres Highlight folgt mit dem Oktopus, der derzeit nach meinem Empfinden eine große Renaissance in der gehobenen Küche erfährt. Und das völlig zu Recht. Richtig zubereitet ist er geschmacksintensiv, zart und lässt sich vielfältig kombinieren. Bei Thomas Bühner werden die Stücke des Pulpo mit einer intensiven Wildschwein-Emulsion und einer fruchtigeren und nur dezent scharfen Kimchi-Creme kombiniert. Die Rosenkohlblätter übernehmen eher dekorative Wirkung für mich, aber alles übrige funktioniert ausgezeichnet, wirkt überraschend und neu.
Es folgt eine weitere ungewöhnliche Komposition, bei der der eigentliche Hauptdarsteller gar nicht eindeutig auszumachen ist. Flusskrebse in einer kräftigen Jus sind großzügig von Trüffel bedeckt, daneben einige knackige Scheiben Yam-Wurzel, in die kunstvoll knusprige, hauchdünne Scheiben Bellota-Schinken eingearbeitet sind. Auch wenn der Trüffel den vordergründigsten Geschmack liefert, ist dies erneut ein Gericht, das ein spannendes Geschmacksbild abgibt, zumal mit der Yam-Wurzel auch ein Element auf dem Teller ist, das nicht allzu häufig in der Sternegastronomie zu finden ist. An anderer Stelle wurde dem Gericht etwas durchaus intellektuelles bescheinigt, was ich zwar nachvollziehen kann, aber für mein Empfinden nicht unbedingt zutrifft. Dafür überwog der insgesamt süffige und leicht verständliche Grundton doch zu sehr. Auch dies sehr überzeugend.
Und um den Faden der geschmacklichen neuen Erfahrungen nicht abreißen zu lassen, serviert die Küche als nächstes Segmente von der Oka-Schote mit Kaviar und einem Sud aus Melone und Kefir. Ich muss das googeln und erfahre, dass es sich um den sogenannten Knolligen Sauerklee handelt. In Konsistenz und Geschmack durchaus ähnlich der Yamwurzel, aber ein wenig säuerlicher. Da der Kaviar selbst auch nicht übermäßig salzig ist, überwiegt hier eindeutig ein harmonischer, frischer Eindruck.
Wenn auf einen Gang in diesem Menü das Attribut intellektuell zutrifft, dann vielleicht am ehesten auf die Kombination aus Gillardeau-Auster, Kalbsbries und Portulak. Das wirkt ein wenig forciert für mich, und abgesehen davon, dass es für mich auch geschmacklich nicht wirklich aufgeht, hätte ich mir zumindest das Bries etwas röscher gewünscht. Darüber hinaus leidet die Optik des Gerichtes etwas unter der arg hochviskosen dunklen Sauce.
Vor den Hauptgängen folgt eine Hummersuppe, die mit Vadouvan abgeschmeckt ist. Schon der Duft ist betörend, der Geschmack löst das auch ein. Durch die indische Gewürzmischung wird der Geschmack ganz leicht ins exotische geschoben, ohne aber dem Hummer trotzdem immer den Vortritt zu lassen. Sehr klar, sehr heiß, sehr gut.
Als erster Fleischgang folgt Etouffée-Taube, im Walcholderrauch gegart und mit einem karamellisierten Kürbissaft serviert. Einige Blättchen Löwenzahn – fertig. Eine derart minimalistische Präsentation hätte ich hier im Leben nicht erwartet. Bei unserem letzten Besuch hatte ich Taube als Extragang eingeschoben und seinerzeit war das ebenfalls sehr gute Exemplar von einer Maisvariation sowie zwei Tellern à part begleitet. Aber die Präsentation dieses Mal überrascht mich - bis ich den ersten Bissen nehme. Und dann verstehe ich. Die Taube ist von sensationeller Qualität. Der Rauchgeschmack ist präsent, in der Nase, wie im Mund, aber dennoch elegant. Die Sauce ist nicht so süß wie befürchtet und schmiegt sich perfekt an die Rauchnote und das kräftige Fleisch. Ich erwähnte wohl das ein oder andere Mal bereits, dass Taube mein Lieblingsfleisch ist. Hier ist sie perfekt in Szene gesetzt. So pur, so mutig, so großartig. Alleine für diesen Gang hat sich bereits das ganze Menü gelohnt.
Das folgende Bisonfilet aus dem “Tradition & Qualité”-Menü steht dem in Punkto Qualität nicht nach, ist aber in der Präsentation in der Tat deutlich klassischer angelegt.Mit Morcheln und Boudin Noir ist dieser Gang eindeutig etwas deftiger geprägt und bekommt durch die Sauce Foyot, eine Ableitung der Béarnaise, und die Jus füllige und recht opulente Partner. Aber auch dieser Hauptgang gefällt mir außerordentlich durch die sehr gute Fleischqualität und die exzellente Zubereitung.
Im “la vie” wird im Gegensatz zu den meisten anderen Restaurants noch ein zubereiteter Käsegang angeboten, was ich sehr schätze, denn ich bin der festen Überzeugung, dass das kreative Potential beim Arbeiten mit Käse zu wenig ausgeschöpft wird. Thomas Bühner beweist das Gegenteil. Der Le Phébus ist sehr cremig und würzig und kommt gemeinsam mit Pinienkerneis, kleinen Scheibchen von der Kaki sowie etwas Shimousa, einer im Zedernholzfass gereiften Sojasauce.
Als erstes Dessert wird “Neues Gold aus Kalkriese” serviert, das sich, wie bereits verschiedentlich beschrieben, auf den Fund historischer Goldmünzen bezieht. Die nachgebildete Münze ist vor allem relativ karamellig und dominiert damit die übrigen Komponenten. Hübsch anzuschauen, aber noch nicht wirklich überzeugend.
Das wird es dafür mit dem abschließenden Dessert. Tonkabohne, geeißter Edelweiß, grüner Apfel und Selleriemilch bieten eine bunte Spielwiese unterschiedlichster Konsistenzen und setzen einen frischen und kaum beschwerenden Schlusspunkt unter ein umfangreiches Menü.
In der Weinbegleitung fanden sich bei den Weißweinen überwiegend relativ junge Weine. Neben einem Sauvignon Blanc von der Loire gab es einen Riesling vom Weingut Odinstal aus der Pfalz, zu Trüffel und Kaviar einen Silvaner Sekt von May aus Franken und ein nicht näher notierter Portugiese. Ich hätte mir hier durchaus an der ein oder anderen Stelle etwas kräftigeres und cremigeres vorstellen können.
Der Lemberg “Hades” vom Weingut Weinsberg aus Württemberg hingegen war angenehm füllig, ohne die Fleischgänge zu überdecken. Ausgezeichnet auch der 2012 Riesling Kabinett “Schlossberg” vom Kesseler aus dem Rheingau und die Sauvignon Beerenauslese von Frey aus der Pfalz.
Christian Scholz und der andere junge Herr im Service dürften die Weine durchaus offensiver präsentieren. Mitunter waren die Ansagen sehr leise, so dass man nachfragen musste. Auch hätte ich mir mehr Erklärung gewünscht, warum der entsprechende Wein zum Essen gewählt wurde.
Der Service unter Nadja Siebert agiert formvollendet und professionell, könnte aber durchaus auch noch etwas an Lockerheit zulegen. Eine Mitarbeiterin, deren Namen wir uns leider nicht gemerkt haben, hat uns in dieser Beziehung ausgesprochen gut gefallen. Sie “kann nur Kaffee” - und wird damit wissen, dass sie gemeint ist. Gut gemacht!
Im Laufe des Abends haben wir Gelegenheit, wie alle Gäste, Thomas Bühner in der Küche zu treffen. Zu einem kleinen Whiskey Sour Shot, der dort von ihm zubereitet wird, sprechen wir mit ihm über die augenfällige Veränderung in der Stilistik seiner Küche. Hat man ihn in der Vergangenheit oft mit sehr detailverliebten und komponentenreichen Gerichten in Verbindung gebracht, wirkten die Gänge an diesem Abend erstaunlich reduziert, mitunter fast minimalistisch wie bei der Taube. Dort, wo noch mehrere Komponenten auf dem Teller waren, war die Anrichteweise durchweg kompakter.
Der Geschmack und die Aromenkombinationen sind weiterhin enorm vielschichtig. Die Kreativitätsmaschine läuft nach wie vor auf Hochtouren und auch anhand des Personaleinsatzes in der Küche und beim Beobachten des Anrichtens ist kein reduzierter Aufwand zu erkennen. Dennoch, bestätigt Bühner, war es eine bewusste Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Offenbar fühlten sich andere Gäste mitunter überfordert, bei zu vielen Komponenten auf dem Teller noch alle Nuancen herauszuschmecken. Ob das tatsächlich so ist, kann ich nicht beurteilen. Andere Köche werden schließlich auch genau dafür gefeiert, aber Thomas Bühner geht nun diesen Weg und er ist sich dessen bewusst, dass das auch ein Risiko darstellt.
Für mich hat sich dieses Risiko ausgezahlt. Ich hatte in diesem Menü mehrere begeisternde Momente, mit der Taube, dem bei weitem reduziertesten Gang, als persönlichen Höhepunkt. Und mir sind Köche lieber, die sich weiter entwickeln und was trauen, als jahre- oder gar jahrzehntelang das selbe Programm abzuspulen. So bleibt Thomas Bühner unter den deutschen Dreisterneköchen auch weiterhin derjenige, der die Avantgarde und Moderne am konsequentesten bedient. La vie est belle.