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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Gasthaus Forelle in 06502 Thale bewertet.
vor 4 Jahren
"In Thale grüßt die Müllerin"

Geschrieben am 24.02.2020 | Aktualisiert am 01.03.2021
Besucht am 29.12.2019 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 37 EUR
„Harz aber herzlich!“ – so unser Motto, als wir zum Jahresausklang ein paar Tage in Quedlinburg verbrachten. Bodetal, Hexentanzplatz, Teufelsmauer, Selketal und natürlich Sachsen-Anhalts Berg der Berge, der Brocken, waren in Reichweite und wollten von uns erkundet werden. Kurz vor unserem Ziel machten wir in der Kleinstadt Thale halt, einem staatlich anerkannten Erholungsort, der bekannt ist für seine beeindruckenden Naturdenkmäler.
 
Der Hunger und die strategisch günstige Randlage des Gasthauses Forelle – wir mussten nicht erst in den Ort hineinfahren – nahmen uns die Entscheidung bezüglich der Einnahme unseres Mittagessens ab.
Außenansicht 1
Gutbürgerlich sollte es hier zugehen und die Gerichte rund um die namensgebende Forelle wären auch nicht zu verachten, war gleich mehreren TA-Bewertungen zu entnehmen. Die Webseite des Lokals versprach gediegene Hausmannskost in rustikalem Ambiente.
Außenansicht 2
Also wurde kurzerhand das Gefährt auf dem hauseigenen Parkplatz abgestellt und zielgerichtet die Eingangstür anvisiert. Drinnen war einiges los. Wir hatten Glück in dem herrlich anachronistisch wirkenden Gastraum noch einen freien Tisch zu bekommen. Der helle Linoleum-Boden und der etwas erhöhte, mit dunklem Holz verkleidete Tresen versprühten noch ehrliche „Ostalgie“.
Innenansicht 1
Das archaisch anmutende Flair früherer HO-Gaststätten suchte man jedoch vergeblich. Zwei ältere Damen führten auf freundliche Art und Weise das Servierregiment und statteten uns zeitnah mit der opulent bebilderten Speisenkarte aus.
 
Das Frische-Credo des Küchenchefs Frank Teller zierte dann auch gleich die erste Seite seines Köchelverzeichnisses. Kein Geringerer als die französische Kochlegende schlechthin, Paul Bocuse, wurde da zitiert. Für ein Gasthaus, das sich komplett den Deftigkeiten gutbürgerlicher, deutscher Hausmannskost verschrieben hatte, klang das zwar ein wenig unpassend, aber nun gut. Wir saßen ja bereits und gönnten uns mittlerweile einen halben Liter Selters für erträgliche 3,50 Euro. So schlimm wird das schon nicht werden, sagte mir mein Bauchgefühl.
 
Und es hatte recht. Das süffig-pikante Würzfleisch (5,50 Euro), welches wir uns als Vorspeise teilten, wurde klassisch in einer staubtrockenen Blätterteigpastete geliefert. Die schmackhafte Sauce hatte nicht nur ordentlich Bumms, sondern war auch von einer angenehmen, für dieses nostalgische Ostgericht typischen Säure geprägt. Ein Schelm, der „Worcester“ dabei denkt.
Würzfleisch, das Ragout fin des Ostens
Wahrscheinlich hatte man der ostdeutschen Abwandlung des Ragout fin mit etwas Cayenne-Pfeffer auf die Sprünge äh Schärfe geholfen. Das kleingewürfelte, vermutlich aus der Schulter stammende Schweinefleisch war schön mürbe gegart und fiel erfreulicherweise nicht zu trocken aus. Aus kulinarischer Sicht war das ein durchaus gelungener, da authentischer Einstieg in den Urlaub im Ostharz.    
 
Die Tatsache, dass man im Gasthaus Forelle kein überbordendes Speiseprogramm fährt, war mir von Anfang an sympathisch. Lediglich vier Vorspeisen (Tomaten-Paprika-Süppchen, Möhren-Kokos-Suppe, Würzfleisch und ein kleiner gemischter Salat) standen zur Wahl. Und auch bei den Hauptgerichten aus Topf und Pfanne zählte ich lediglich sechs Positionen. Harzer Rostbrätel, Schweinesteak „au four“ (mit Würzfleisch und Käse überbacken) und Hirschrückensteak an Kartoffelrösti (mit knapp 23 Euro das teuerste Gericht auf der Karte) standen für Fleischgesinnte gelistet.
 
Zu den drei gebratenen Forellen-Variationen, die sich nur marginal in ihrer Garnitur unterschieden und mit den Beinamen „Müllerin“, „Feinschmecker“ und „Gärtnerin“ das Bilderbuch zierten, gesellten sich noch Fisch-Curry, gebratenes Zanderfilet sowie eine „Troika“ aus Fluss und Meer, bei der sich Forelle, Zander und Lachs zusammen auf dem Teller versammelten. So weit, so fleisch- bzw. fischlastig. Kein Veggie-Gericht fand sich auf dem Speisezettel wieder. In der heutigen Zeit in so mancher Hinsicht bemerkenswert.
 
Für meine Frau war das nicht weiter tragisch, denn sie war ja schon aufgrund des Namens der Lokalität auf Schuppentierverzehr programmiert. Da kam ihr die „Müllerin“ (14,50 Euro) gerade recht. Meinereiner entpuppte sich ganz überraschend als gutbürgerlicher Redundanzesser und wählte das panierte Schweineschnitzel mit „frischen“ Rahmchampignons und Bratkartoffeln. So stand das jedenfalls für 13,90 Euro in der Speisefibel.
 
Die kulinarische Wirklichkeit sah dann auf meinem Teller etwas anders aus. Die Pilze waren aus dem Glas, was die Sauce nicht besser machte. Dann kann man sich auch den Frische-Vermerk auf der Karte sparen. Außerdem lagen anstelle der erhofften Bratkartoffeln vier frisch frittierte TK-Röstitaler neben dem schweinernen Panierstück, das wohl etwas zu lange den Kontakt zum Pfannenboden genossen hatte. Knusprig hin oder her, es „escalopierte“ an den Rändern doch stark in Richtung Trockenverzehr. Von gleichmäßig gebräunter Ummantelung keine Spur – das also war des Schnitzels (heller) Kern!
Der Schnitzelteller
Schnitzel im Detail
Insgesamt war das sicher keine Bravourleistung deutscher Hausmannskost, denn auch der Sauce fehlte es an Substanz. Von geschmacklicher Tiefe ganz zu schweigen. Neidisch musste ich anerkennen, dass Frau Müllerin, die mit Zitrone im Maul, Salzkartoffeln und Meerrettichcreme serviert wurde, deutlich mehr hermachte. Das Filetieren ging meiner Frau flott von der Hand und sie zeigte sich begeistert vom perfekten Gargrad ihres Fangs. Der von zerlassener Butter benetzten Forelle mangelte es auch nicht an Würze. Vielleicht hätten die Kartoffeln etwas mehr Biss haben können, aber der etwas älteren Klientel des Hauses dürfte die etwas weichere Konsistenz wohl eher zusagen.
Die gebratene Müllerin
So durften wir zwar gut gesättigt, aber nur teilweise zufrieden das Gasthaus zu Thale verlassen und die letzten Kilometer in Richtung Quedlinburg zurücklegen. Erfreulicherweise konnten wir uns dort noch am selben Abend kulinarisch etwas rehabilitieren. Dass dies ausgerechnet beim Spanier passierte, war dann eher Zufall. Fortsetzung folgt…
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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