Geschrieben am 11.09.2019 2019-09-11| Aktualisiert am
14.09.2019
Besucht am 07.09.2019Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 729 EUR
„Von Zeit zu Zeit seh ich die Alten gern
und hüte mich, mit ihn‘ zu brechen.
Es ist gar hübsch von diesen hohen Herrn,
mir soviel Apanage zu blechen!“
Ging unserem Sohn das Goethe-Wort durch den Kopf, als er auf der Rückreise vom leider verregneten Norderney-Urlaub mitsamt Freundin Station bei „den Alten“ machte? Wir wissen es nicht. Haben uns aber über den Besuch sehr gefreut. Da das einzige Highlight des Insel-Trips der Besuch im besternten Seesteg gewesen war, ließen wir uns nicht lumpen und luden am zweiten Abend ins Kleine Lokal, mit 16 Punkten im Gault&Millau bekanntlich an der kulinarischen Spitze der Hansestadt.
Chef Stefan Ladenberger begrüßte und nahm uns gleich die Garderobe ab, als wir pünktlich um 19.00 Uhr als erste Gäste ins Souterrain hinab stiegen. Ein paar Stunden zuvor hatte sich ein junger Mann telefonisch gemeldet, um einen no-show möglichst auszuschließen. Das hatte offenbar bei allen Gästen geklappt, denn das gemütliche Restaurant - über dessen unverändertes Ambiente schon ausführlich berichtet wurde - war ausgebucht. Einschließlich einer größeren Gruppe, die angesichts der recht niedrigen Decke natürlich für eine sehr laute Geräuschkulisse sorgte. Nicht zu vermeiden. Mit steigendem Pegel hielten wir oder wohl genauer der Chronist ordentlich dagegen. Auch, weil Chef Ladenberger den Abend über im Service mithalf und sich so nicht nur über die neue Weinkarte längere Gespräche entwickelten. Irgendwann war’s meinen drei Begleitungen zu viel und der zarte Hinweis kam, dass man nicht jede Komponente jeden Tellers einzeln diskutieren müsse. Mea culpa, ich bin zerknirscht.
Wiederholt zu loben ist die gefühlt nochmals gesteigerte Auswahl halber Flaschen in rot und weiß, die auch für Pärchen oder Alleinesser mehrere Bouteillen am Abend ermöglicht.
Wir orderten bei der Gastgeberin Frau Ladenberger die Aperitife mit selbst gemachten Mus vom weißen Pfirsich, aufgefüllt mit prickelndem Blanc de Blanc für 13€, in der alkoholfreien Version schmale 5,5€. Auch der Martini Vermouth günstige 5€. Lecker, zurück lehnen, passt.
Es werden zwei unterschiedlich große Menüs angeboten, dabei geht es preislich bis 107€ für 7 Gänge. À la carte ist möglich. Bei den Weinen dürfte der Faktor 2,5 bis 3 angesetzt worden sein. Im Verhältnis zu Qualität, Küchenleistung und Menge sind mir das beim PLV 4,5 Sterne wert.
Schon bei der problemlosen Reservierung über die Homepage hatte meine Frau um einen fleischfreien Hauptgang gebeten. Das wurde - außerhalb der Karte - mit Seeteufel und einer wirklich riesigen Garnele perfekt erfüllt. Die spontane Bitte um einen vegetarischen Teller musste leider abgelehnt werden. Völlig nachvollziehbar für alle am Tisch, aber fragen kostet ja nichts.
Aus der Küche kamen zunächst zwei Aperos. Die Pfifferlingsterrine mit roter Zwiebel und Molkeschaum war ein netter herbstlicher Gruß. Die Pumpernickel-Scheibe nur mit Merrettichschaum kam mir allerdings arg rustikal vor. Fast argwöhnte ich, eine Fleisch- oder Fischkomponente sei der Frage nach vegetarischen Gängen geopfert worden; war aber nicht so. Hm.
Als zweiten Gruß gab es eine kleine Lauchquiche mit Texturen der Kichererbse, Kürbiskernöl und Kirschgel. Das funktionierte gut, auch wenn der Lauch unauffällig blieb.
Die inzwischen gereichten verschiedenen Brotscheiben hatte ich schon im letzten Bericht gelobt, besonders das Senfbrot stieß auf viel Zustimmung. Die Zitronen-Paprika-Butter war für 4 hungrige Genießer sehr sparsam portioniert. Etwas unaufmerksam, hier nicht gleich mehr als für die Zweiertische zu schicken. Nachschub war aber kein Problem.
Im großen Menü ging es mit Avocadotörtchen und gar nicht so wenig Räucheraal los. Der Fisch war als größeres Stück angenehm fest und nicht zu fettig und konnte deshalb auch die cremig gearbeitete Avocado vertragen. Auch als Gelee und Espuma durchaus erkennbar, auch wenn das für meinen Geschmack eher technische Spielereien waren.
Die Tomatencrème konnte sich dagegen gut behaupten und brachte mit dem Wildkräutersalat frischere Aromen ins Spiel.
Im folgenden Gang sorgte ein fleischiger, fester und saftiger Nordsee-Steinbutt für zufriedene Gesichter auf allen Plätzen. Auch die Pfifferlinge konnten restlos überzeugen. Beim Spinat dann geteilte Meinungen zwischen intensiv und schon etwas zu bitter. Letzteres betraf insbesondere das Gelee. Clou des Tellers war aber Kalbskopf, der ausgelöst und kleingeschnitten sanft angezogen worden war. Fett und Collagen umschmeichelten den Fisch. Ich sach nur: Lecker.
Mit dem nächsten Teller ging es in Richtung Mittelmeer: Schwarze Bandnudeln mit Garnelenbolognese und Pimientos. Letztere ganz klassisch gebraten und mit Meersalz versehen, wie man sie kennt. Vielleicht etwas zu kräftig gegen das Ragout, bei dem man sowohl die Gemüse, als auch die Krustentiere erstaunlicherweise gut herausschmeckte. Die Nudeln ohne Fehl und Tadel. Etwas unauffälliger als erwartet, aber ein solider Wohlfühlgang - Nudel geht immer. Einziger Nachteil: Die Pasta kam bei mir kaum mehr als lauwarm an den Tisch und kühlte dann recht schnell aus.
Der breite Pinselstrich dürfte Paprika gewesen sein; war eine Zeitlang schwer in Mode, denn das Auge isst ja bekanntlich mit...
Bis hierhin begleitete uns Chardonnay, zunächst aus Niederösterreich, danach klassisch aus dem Burgund.
Jetzt zum lustigsten Teil des Abends. Ich bat um eine Erfrischung vor dem Fleisch, denn ich hatte beim Dessert Eis entdeckt. Eigentlich meinte ich erst den Hauptgang, aber schon vor dem zweiten Zwischengericht - Lamm - servierte die Küche eine Kugel feinstes Heidelbeersorbet, aufgegossen mit Champagner. Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass sich auch meine Kompagnons sehr wohlwollend zu diesem kleinen Gaumenweckruf äußerten. Denn als ich dies Herrn Ladenberger mitteilte, meinte er etwas gequält lächelnd: „Schön. Für mich ist das ein Relikt der 70er und 80er Jahre! Von allein würde ich das niemals anbieten.“ Autsch, Wirkungstreffer! Weiß ich doch, dass auch hier einige Modernisten über meine ältliche Sorbet-Leidenschaft nur müde lächeln. Ich musste jedenfalls sehr lachen! Und außerdem „...muss auch einstecken können!“, um die Überschrift zu vervollständigen. Mit meiner eigenen Meinung halte ich bekanntlich auch nur selten hinter dem Berg. 7€ pro Nase war das in mehrfacher Hinsicht erfrischende Zwischenspiel ohne Frage wert!
Und sehr nötig, denn neben dem schön knusprigen, innen weichen Bries wurde nun ein sehr würziges Lamm-Knipp gereicht, zur Seiten noch Schweinespeck-Schaum: Ein Cholesterin-Senker war dieser Teller schon mal nicht! Dazu Bohnen in mehreren Ausfertigungen, unerwartet leicht das Mus von schwarzen Exemplaren und sehr gut die grünen Exemplare mit sehr eindeutigem Geschmack, à point gegart. By the way: Anrichten in einer halbierten Birne - ist das nicht sehr 70er? Aber komm, der Dalai Lama tritt nicht nach... Geschmacklich gut und passend zum Lamm sicherlich, leider noch recht hart.
Inzwischen war ein reinrassiger südafrikanischer Shiraz vom Weingut Luddite im Glas. Ich hätte mich ja lieber zu einem Spätburgunder breitschlagen lassen, nachdem man meinen schüchternen Vorschlag Châteauneuf-du-Pape geradezu niedergeschrieen hatte!
Die Étouffée-Taube im Hauptgang überzeugte auf ganzer Linie. Saftiges, typisch schmeckendes Fleisch mit angenehmen Biss. Sûpreme und Keule dabei kräftig gebraten, schön geröstete Haut. (Leider bei mir erneut nicht heiß.) Ebenso der feine, mit Taubenfarce gefüllte Raviolo. Mit den Beilagen Wirsing, Salzzitrone(!) und Zwetschge (Warum denn nicht Châteauneuf? Menno!) bediente die Küche gekonnt die Geschmackserwartungen. Kein sonderlich kreativer Gang, aber erneut ein sehr gut gemachter.
Bevor es am Tisch um die übliche Frage Käse, Dessert oder gar beides ging (alles war schließlich vertreten), sicherten wir uns noch ein Fläschchen Sauternes vom Château Rieussec 2004, dessen Rest wir noch sicher in den Heimathafen entführten. Im Kleinen Lokal begleitete er vier Käse, nicht von bekannten Affineuren - die hält Herr Ladenberger für überbewertet - sondern von einem ansässigen Händler französischer Herkunft. Die Auswahl selten angebotener Sorten überzeugte jedenfalls ebenso, wie die unveränderten Beilagen einschließlich der Trester-Traube, die ich schon in meinem ersten Bericht loben konnte.
Für mich war hier Schluss; die Damen vernaschten noch ihre Desserts, die erst unspektakulär schienen, aber doch ein immer breiteres Lächeln hervorzauberten. „Hingucker“ zum und auch vom Teller war ein Schoko-Relief, das sich als Gesicht heraus stellte. An Fotos war schon länger nicht mehr zu denken. Immerhin gelang es uns, den Heimweg würdevoll zu gestalten. Etwa 5 Meter weit, bis wir unversehens zwei ehemaligen Mitschülern meines Sohnes in die Arme liefen - wortwörtlich. Es soll zu Verbrüderungs-Szenen gekommen sein, wie man mir noch peinlich berührt am nächsten Morgen vorhielt.
Überhaupt nicht peinlich war dagegen die Leistung der Crew im Kleinen Lokal an diesem Abend - die war die beste, die ich in der Besselstraße bis dato genießen durfte - Chapeau!
P.S.: Danke an die Co-Fotografin!
„Von Zeit zu Zeit seh ich die Alten gern
und hüte mich, mit ihn‘ zu brechen.
Es ist gar hübsch von diesen hohen Herrn,
mir soviel Apanage zu blechen!“
Ging unserem Sohn das Goethe-Wort durch den Kopf, als er auf der Rückreise vom leider verregneten Norderney-Urlaub mitsamt Freundin Station bei „den Alten“ machte? Wir wissen es nicht. Haben uns aber über den Besuch sehr gefreut. Da das einzige Highlight des Insel-Trips der Besuch im besternten Seesteg gewesen war, ließen wir uns nicht lumpen und... mehr lesen
Das Kleine Lokal
Das Kleine Lokal€-€€€Restaurant04217949084Besselstraße 40, 28203 Bremen
4.0 stars -
"Wer austeilt..." DerBorgfelder„Von Zeit zu Zeit seh ich die Alten gern
und hüte mich, mit ihn‘ zu brechen.
Es ist gar hübsch von diesen hohen Herrn,
mir soviel Apanage zu blechen!“
Ging unserem Sohn das Goethe-Wort durch den Kopf, als er auf der Rückreise vom leider verregneten Norderney-Urlaub mitsamt Freundin Station bei „den Alten“ machte? Wir wissen es nicht. Haben uns aber über den Besuch sehr gefreut. Da das einzige Highlight des Insel-Trips der Besuch im besternten Seesteg gewesen war, ließen wir uns nicht lumpen und
Geschrieben am 04.02.2018 2018-02-04| Aktualisiert am
04.02.2018
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Das Kleine Lokal
Besucht am 15.11.2017Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 176 EUR
Die Gastro-Führer sind sich weitgehend einig: In Deutschlands zehntgrößter Gemeinde hat man den Anschluss an die kulinarischen Entwicklungen verloren. Seit vier Jahren kein Michelin-Stern mehr in der Stadt. Ein einziger Bib-Gourmand nur im noch strukturschwächeren Bremerhaven. Der Gault Millau wertet aktuell gleich 4 von 6 gelisteten Restaurants ab. Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll, also sind wir auf dem richtigen Weg“
Selbstkritik sieht anders aus. Aber vielleicht liegt es ja tatsächlich nur an den abgehobenen Ansprüchen.
Schaun mer mal, wie die üblichen Verdächtigen sich so schlagen...
II. Der Kreative
Fragt man in der heimischen Gastronomie herum, wer am ehesten für Sterneweihen geeignet wäre, fällt sofort der Name Stefan Ladenberger, der mit seinem - nomen est omen - kleinen Lokal im Souterrain einer großbürgerlichen Wohnstraße erneut 15 Punkte im G&M erkocht hat. Nach der Abwertung von Grashoffs Bistro ist das der gemeinsame Spitzenwert in der Stadt, der ja immerhin für einen hohen Grad an Kochkunst steht. Dementsprechend bescheinigt die Kollegenschaft Kreativität und Akribie.
Bei meiner gleichtägigen telefonischen Reservierung beschied mir eine freundliche weibliche Stimme, dass man das hinbekommen werde. Tatsächlich füllte sich an diesem Dienstag (dem ersten Öffnungstag der Woche) der überschaubare Raum nach und nach, so dass schließlich die meisten Tische, aber höchstens die Hälfte der vielleicht 30 Plätzen belegt waren. Das Publikum bestand überwiegend aus Pärchen, Freundinnen, Kollegen. Man sitzt zwar nicht in drangvoller Enge, aber doch so, dass die Gespräche an den näheren Tischen nicht überhört werden können. Unschön natürlich, wenn ein ganz wichtiger Mansplainer nicht nur seiner Frau, sondern damit auch gleich dem ganzen Restaurant die Welt erklärt.
Die Plüschigkeit der früheren Jahre ist etwas gewichen, aber noch immer vermitteln die roten Samtbezüge der Stühle und Bänke eine gewisse Wohnzimmer-Atmosphäre. Davon sind die kleinen dunklen Holztische auf dem dunklen Laminatfußboden entfernt, auf deren lackierten Oberflächen schnöde Papiersets mit Logo liegen. Mir ist das zu Bistro. Aber über Geschmack lässt sich nicht streiten. Eher schon darüber, dass die Dinger bei der kleinsten Berührung auf dem Tisch herum rutschen. Da geht die Einsparung für zu waschende Tischdecken oder wenigstens reelle Unterlagen zu Lasten des praktischen Nutzens. Ansonsten findet sich auf dem Tisch noch ein Teelicht-Halter in Konservendosen-Design und schon ein Karte mit den zwei Menüs, aus deren Gängen zugleich das à-la-Carte-Angebot besteht.
Leider muss ein kritisches Wort zur Sauberkeit fallen. Im Gastraum alles picobello, aber die Toiletten tendierten zu Kellerniveau. Spinnweben sogar im Türausschnitt und eine leichte Staubschicht auf den Spiegel zeigten, dass jedenfalls eine gründliche Reinigung schon länger nicht mehr stattgefunden hatte. So offenkundige Hinweise sollten doch auch den Betreibern auffallen und sind - allemal in dieser Klasse - ein no-go.
Die freundliche Stimme am Telefon gehört zur Auszubildenden, die an diesem Abend den ausgebildeten Kollegen im Service unterstützte. Alle Mitglieder des kleinen Teams werden übrigens auf der Homepage vorgestellt, sympathisch. Die Gastgeberin Frau Ladenberger war nicht im Haus, was aber vermutlich gut getan hätte. Die beiden jungen Leute bemühten sich nach Kräften, waren freundlich bis hin zu einer etwas irritierenden Beflissenheit, aber in einigen Situationen schlicht überfordert. Souveränität hätte sicherlich zu einer entspannteren Atmosphäre beigetragen. Vom Chef kam leider auch keine Unterstützung. Als Herr Ladenberger für die Besprechung einer Firmenfeier aus der Küche kam, wurden nur zwei offenbar bekannte Gäste begrüßt, von allen anderen keine Notiz genommen. Tut ein freundliches Guten Abend! eigentlich weh?
Bei einem Gin Tonic folgte ich weitgehend dem Menüvorschlag:
- Filet von Dorade Royal mit geschmortem Römersalat und Haselnusspolenta
- Wachtelbrust und gebratene Foie gras mit Sanddorn und schwarzen Trompetenpilzen
- Ochsenschwanz und Pulpo, Avocado, Tomate (zusätzlich gewählt)
- Seeteufel und angemachte Blutwurst mit Kürbis
- Bäckchen vom Ibericoschwein, Fregola sarda, Pancetta, Salzzitrone
- Reh im Baumkuchenmantel mit Pistazien, kurzgebratene Keule, Steinpilze, Rosenkohl
- Käseauswahl
Das waren für den Gast klare Ansagen ohne sprachliche oder gar grammatikalische Clownerien. Gut so!
Vor der Auswahl hatte die Küche schon einen Appetithappen in Form einer Quiche mit Blumenkohl und Frühlingszwiebel geschickt, gekrönt von einem Wachtelei. Dazu ein leicht pikantes Kürbis-Püree. Ein schön komponierter herbstlicher Gruß, der nicht weh tat. Wollte aber niemand von mir wissen.
So gestärkt nahm ich es mit der Weinkarte auf, die auch eine Reihe von besonderen Flaschen durch deren eingeklebte Etiketten anpreist. Nette Idee, wenn auch inzwischen in die Jahre gekommen. Immer noch bzw. besonders auf der Höhe der Zeit die Auswahl halber Flaschen, sowohl rot als auch weiße, darunter Ansprechendes von der Loire und aus dem Burgund. Das freut den Einzelgast. Aufgrund der durchweg ansprechenden Qualitäten fiel die Auswahl nicht leicht, aber passend bis vor das Reh schien mir der 2013er Chassagne-Montrachet zu sein. Erst ein paar Minuten nach der Bestellung erhielt ich die traurige Nachricht, dass die letzte Bouteille schon ausgetrunken sei. Könnte man ja auch in der Karte vermerken... Etwas enttäuscht und vorschnell stieg ich auf einen jungen frischen Pouilly Fumé um, der gegen die recht kräftigen Aromen auf den Tellern arg zu kämpfen hatte.
Drei Brotsorten mit gesalzener französischer Butter waren durchweg gut. Mir schmeckte besonders die süße Variante mit Honig und Senfsaat.
Auch das zweite Amuse war erfreulich: Eine Scheibe nicht zu fette geräucherte Gänsebrust wurde von einem schmackigen Senfkartoffelpüree begleitet. Geschmacksspitzen setzten Salat und Gelee von Sauerkraut. Das hatte nicht die Raffinesse z. B. eines Sauerkraut-Macarons mit Forelle und Meerrettich von Benjamin Peifer, war aber erneut gut überlegt. Etwas überholt die Tupfen-Optik. Indes: Ich war guter Dinge.
Der Menü-Einstieg geriet dann auch geradlinig. Die gebratene Dorade war auf der Haut zwar nur einen Hauch knusprig, aber saftig. Auch die Polenta war locker geraten und schmeckte nach der verwendeten Haselnuss. Heimlicher Star des Tellers war der auf den Punkt geschmorte Römersalat, der zudem mit Röstaromen punkten konnte. Hier zeigte sich Stefan Ladenbergers Handschrift, sehr harmonische Kombinationen zu finden. Gut, gut. Ich meinte jedoch am Fisch einen Hauch Muffigkeit zu bemerken und bat über den Service bei der Küche um Überprüfung. Die Antwort kam erst auf nochmalige Nachfrage und lautete „Das KANN gar nicht sein!“ Ach so. Culina locuta, causa finita.
Weiter ging’s mit Geflügel.
Zum einen gebratene Wachtelbrust als Suprême erneut mit nur wenig knuspriger Haut, zum anderen als Roulade gefüllt mit einer intensiv grünen Kräuterfarce. Beide auf einem Sanddornbrot drapiert. Die Gargrade differierten: Bruststück noch von Okay bis Naja, das Backwerk schon trocken, der Rollbraten trotz Füllung Marke „Extra dry“. Da konnte das Sanddorn-Gel in nun schon bekannter Tupfergarnitur wenig helfen. Sehr schade, denn die Kombi überzeugte mich wieder, wie auch die angeröstete, leichte Foie gras. Die Pilze sahen mir sehr bekannt aus, sind das nicht Shitake? Doch, doch, beschied mich der junge Mann, von den angekündigten Trompetenpilzen habe man keine gute Qualität bekommen. Das ist kein Beinbruch, eher löblich. Aber dem Gast verraten sollte man das doch spätestens bei der Bestellung, wenn schon nicht mit den Karten. So umfangreich ist das Angebot hier ja nicht. Kann doch sein, dass man einen Gang gerade wegen einer bestimmten Zutat wählt oder den Ersatz partout nicht mag. Nun gut, man war zerknirscht oder gab sich so. Natürlich musste der Teller nicht getauscht werden. Möge es halt beim nächsten Mal rechtzeitiger angekündigt werden, bat ich. Ach so, murmelte der junge Mann daraufhin, die Steinpilze zum Reh werde es auch nicht geben. Da verwende die Küche ersatzweise Kräuterseitlinge. Habe er auch vergessen mitzuteilen... Puh! Das war ein enttäuschender Teller, in mehr als nur einer Hinsicht.
Die nächste Kombi klang wieder spannend.
Ochsenschwanz und Pulpo(arm) als Surf ˋnˋ turf, vielleicht auch wegen der entfernten Ähnlichkeit der ursprünglichen Form?
Der Tintenfisch kam angenehm heiß an den Tisch, war kräftig gebräunt und sehr zart. Tadelloses Handwerk, für meinen Geschmack nur etwas zu salzig. Das Rhindterteil feingezupft, zu einer großen quadratischen Praline geformt und gebacken. Das war geschmacklich eine überzeugende Darbietung. Nur die oberste Schicht war im Ofen ausgetrocknet und daher etwas hart geworden, was ja auch wenig überrascht. Vergessen abzudecken? Oder steckte ein Sinn dahinter? Für eine knusprige Kruste reichte es jedenfalls bei Weitem nicht.
Das blieb allerdings der einzige Kritikpunkt. Die verschiedenen Texturen von Tomate konnten rundum überzeugen. Die scheinbar rohe Datterino im Zentrum war in Wirklichkeit süß-sauer eingelegt und dann erhitzt worden. Dazu Schaum von weißer Essenz, verschiedene Trocknungen und eingedicktes Mark, alles vorzüglich. Auch Avocado als Mus und (ganz en vogue) als Schnitzerei passte gut.
Auch der folgende, zusätzlich georderte Gang versprach eine eine mare-e-monti-Variante:
Seeteufel-Medaillons ganz klassisch und eine Crême von Blutwurst. Dazu als Verbinder Kürbis à la texture. Also in beiden Menüs ganz ähnlich aufgebaut. Die Ausführung erinnerte dann leider etwas an den Geflügel-Gang. War dort die Wachtel trocken, traf es hier den Fisch. Geschmacklich gutes Mittelfeld, war er (leicht) übergart.
Ist das der Stil des Hauses? Mögen die Gäste nur well-done? Keine Ahnung, denn auf die mehrfache und (hoffentlich) sachliche Rückmeldung zu mehreren Tellern kam nie eine Reaktion aus der Küche. Auch auf Frage, ob am Ende des Abends ein kurzes Gespräch möglich wäre, kam nicht einmal eine Antwort. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, einen professionellen Eindruck machte das jedenfalls nicht. Man könnte ja auch höflich ablehnen.
Zurück zum Teller: Die verschiedenen Kürbis-Ausführungen - eingelegt, angebraten mit Schalotten, Mus mit Speck - gefielen mir wieder rundum gut.
Auch die Blutwurst war interessant im positiven Sinne, sowohl die cremige Konsistenz, als auch die kräftige Kräuterbeimengung, namentlich Liebstöckel. Wieder recht salzig, was erneut nur im Bereich des persönlichen Geschmacks blieb.
Nach diesem weiteren Zwischengericht sollte es nun gänzlich in die rustikale Abteilung gehen. Eine Erfrischung war nicht vorgesehen, auch nicht auf Nachfrage möglich. Mir schien inzwischen, dass auch die Küche nicht vollständig besetzt war (auf der Homepage wird eine Patissiere erwähnt).
Ich entschied mich daher für ein Gläschen Haus-Champagner. Ein Blanc de Blancs, wie nach einigem Hin und Her ein Blick aufˋs Etikett ergab, also durchaus belebend.
Und ab zur Fleischeslust: Am heißen, zarten Bäckchen gab es nichts zu meckern. Wie beim Ibericoschwein zu erwarten, mit vollem, leicht nussigen Geschmack. Die Gewürzmischung war passend und geheimnisvoll, keine Ahnung. Die Assoziation war Orient oder Maghreb, worauf auch die Salzzitrone hindeutete, die den korrekt gegarten Fregola sarda einen kleinen Kick gab. Das tat auch gut, denn mit dem gerupften Pancetta in der Teigware war das ein sehr vollmundiger Teller.
Rundum zum Lippenlecken.
Mit dem folgenden Reh aus Fischerhuder, d.h. regionaler Jagd kam auch ein (offener) Roter ins Glas. Spätburgunder von Pfaffmann, keine Experimente.
Die kurzgebratene Rehkeule war toll: Zart, saftig, rehig. Rosenkohl kurz pochiert und auch glasiert, die „angekündigten“ gebratenen Kräuterseitlinge ordentlich. Mächtig gespannt war ich indes auf das Reh im Baumkuchen-Mantel. Und von der Saftigkeit (sowie optisch) konnte das kleine Kunstwerk mit einer Füllung aus kleinen Fleischstücken, Trockenobst und Pistazien punkten. Nur sehr süß war es geraten, aber das ist ja zu Wild eher ein Klassiker. Sehr guter Teller. Kleiner Makel: Die kleinen extra Baumkuchen-Quader sahen hübsch aus, waren aber leider - Was wohl? - trocken.
Der abschließende Käse war wieder tadellos.
Ein Florette Ziegenkäse mit Edelschimmel, ein Schweizer Roter Teufel aus Kuhmilch und als Blauschimmel wie so häufig Fourme d´Ambert waren versammelt. Die Beilagen hausgemacht und sehr zu loben: Apfel-Rosmarin-Mus, Rote Zwiebel-Ingwer-Chutney und schließlich eine eingelegte Trester-Traube. Sehr passend; Idee und saubere Ausführung sorgten für einen Genuss, ebenso wie das hausgemachte, lockere Früchtebrot. Optisch blieb die Küche bis zuletzt den Tupfen treu, das Gesamtbild erinnerte etwas an den Geometrie-Unterricht.
Auch der Service konnte endlich punkten und bot ungefragt einen LBV 2012 der Quinta do Maria an, der harmonischer war, als das zuletzt im Werneckhof probierte Konkurrenzerzeugnis.
Als Rausschmeißer dann einen bekannten P.X. Lustau San Emilio.
Petit fours Fehlanzeige. Das hatte ich aber schon zuvor gehört, soll die Kalkulation nicht hergeben.
Womit wir beim Preis wären.
Aperitif und Sherry wurden zusammen mit 9€ berechnet. Seltsam, aber günstig. Der Port stand mit in diesem Ambiente normalen 7,5€, das kleine Gläschen Rotwein mit 4€ auf der Rechnung und der Champagner kostete 13,5€. Die halbe Flasche des schönen Loire-Sauvignon mit 42€ schon eine Ansage.
Die sieben Gänge schließlich schlugen glatt mit 100€ zu Buche.
Von Wertigkeit der Zutaten, Küchenleistung und Menge nur ein durchschnittliches PLV.
Fazit:
Ein durchwachsener Besuch. Die Küche von Herrn Ladenberger ist leicht zugänglich und erfreut mit saisonalen wie regionalen Zutaten und harmonischen Kombinationen.
Aber die in der Tat vorhandene Kreativität ist nicht alles. Erstklassige Produkte und tadelloses Handwerk sollte in dieser Klasse und erst recht bei den Preisen auch selbstverständlich sein. Gleich mehrere Nachlässigkeiten kannte ich von früheren Besuchen in der Besselstraße nicht. Bleibt die Frage, ob sich nach 15 Jahren und als eine der wenigen Küchen in der Stadt mit hohem Anspruch eine gewisse behäbige Routine eingestellt hat, die nicht mehr nach der bestmöglichen Leistung strebt. Oder, ob ich ganz einfach einen schlechteren, eventuell unterbesetzten Tag erwischt habe.
Hm. Schreit also nach einer Überprüfung - dann aber am Besten in der Begleitung eines unvoreingenommenen auswärtigen Feinschmeckers aus der Community.
Sollte es etwa gelingen, den berühmten Bentheimer Bruder nach Bremen zu locken, den Grafschafter Gourmet, der einen Gegenbesuch von der Ems an die Weser mit Gattin angekündigt hat? Es wird weiter berichtet.
Die Gastro-Führer sind sich weitgehend einig: In Deutschlands zehntgrößter Gemeinde hat man den Anschluss an die kulinarischen Entwicklungen verloren. Seit vier Jahren kein Michelin-Stern mehr in der Stadt. Ein einziger Bib-Gourmand nur im noch strukturschwächeren Bremerhaven. Der Gault Millau wertet aktuell gleich 4 von 6 gelisteten Restaurants ab. Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll,... mehr lesen
Das Kleine Lokal
Das Kleine Lokal€-€€€Restaurant04217949084Besselstraße 40, 28203 Bremen
3.5 stars -
"2. Heimspiel - Mein Streifzug durch die Bremer Top-Gastronomie" DerBorgfelderDie Gastro-Führer sind sich weitgehend einig: In Deutschlands zehntgrößter Gemeinde hat man den Anschluss an die kulinarischen Entwicklungen verloren. Seit vier Jahren kein Michelin-Stern mehr in der Stadt. Ein einziger Bib-Gourmand nur im noch strukturschwächeren Bremerhaven. Der Gault Millau wertet aktuell gleich 4 von 6 gelisteten Restaurants ab. Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll,
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Es ist gar hübsch von diesen hohen Herrn,
mir soviel Apanage zu blechen!“
Ging unserem Sohn das Goethe-Wort durch den Kopf, als er auf der Rückreise vom leider verregneten Norderney-Urlaub mitsamt Freundin Station bei „den Alten“ machte? Wir wissen es nicht. Haben uns aber über den Besuch sehr gefreut. Da das einzige Highlight des Insel-Trips der Besuch im besternten Seesteg gewesen war, ließen wir uns nicht lumpen und luden am zweiten Abend ins Kleine Lokal, mit 16 Punkten im Gault&Millau bekanntlich an der kulinarischen Spitze der Hansestadt.
Chef Stefan Ladenberger begrüßte und nahm uns gleich die Garderobe ab, als wir pünktlich um 19.00 Uhr als erste Gäste ins Souterrain hinab stiegen. Ein paar Stunden zuvor hatte sich ein junger Mann telefonisch gemeldet, um einen no-show möglichst auszuschließen. Das hatte offenbar bei allen Gästen geklappt, denn das gemütliche Restaurant - über dessen unverändertes Ambiente schon ausführlich berichtet wurde - war ausgebucht. Einschließlich einer größeren Gruppe, die angesichts der recht niedrigen Decke natürlich für eine sehr laute Geräuschkulisse sorgte. Nicht zu vermeiden. Mit steigendem Pegel hielten wir oder wohl genauer der Chronist ordentlich dagegen. Auch, weil Chef Ladenberger den Abend über im Service mithalf und sich so nicht nur über die neue Weinkarte längere Gespräche entwickelten. Irgendwann war’s meinen drei Begleitungen zu viel und der zarte Hinweis kam, dass man nicht jede Komponente jeden Tellers einzeln diskutieren müsse. Mea culpa, ich bin zerknirscht.
Wiederholt zu loben ist die gefühlt nochmals gesteigerte Auswahl halber Flaschen in rot und weiß, die auch für Pärchen oder Alleinesser mehrere Bouteillen am Abend ermöglicht.
Wir orderten bei der Gastgeberin Frau Ladenberger die Aperitife mit selbst gemachten Mus vom weißen Pfirsich, aufgefüllt mit prickelndem Blanc de Blanc für 13€, in der alkoholfreien Version schmale 5,5€. Auch der Martini Vermouth günstige 5€. Lecker, zurück lehnen, passt.
Es werden zwei unterschiedlich große Menüs angeboten, dabei geht es preislich bis 107€ für 7 Gänge. À la carte ist möglich. Bei den Weinen dürfte der Faktor 2,5 bis 3 angesetzt worden sein. Im Verhältnis zu Qualität, Küchenleistung und Menge sind mir das beim PLV 4,5 Sterne wert.
Schon bei der problemlosen Reservierung über die Homepage hatte meine Frau um einen fleischfreien Hauptgang gebeten. Das wurde - außerhalb der Karte - mit Seeteufel und einer wirklich riesigen Garnele perfekt erfüllt. Die spontane Bitte um einen vegetarischen Teller musste leider abgelehnt werden. Völlig nachvollziehbar für alle am Tisch, aber fragen kostet ja nichts.
Aus der Küche kamen zunächst zwei Aperos. Die Pfifferlingsterrine mit roter Zwiebel und Molkeschaum war ein netter herbstlicher Gruß. Die Pumpernickel-Scheibe nur mit Merrettichschaum kam mir allerdings arg rustikal vor. Fast argwöhnte ich, eine Fleisch- oder Fischkomponente sei der Frage nach vegetarischen Gängen geopfert worden; war aber nicht so. Hm.
Als zweiten Gruß gab es eine kleine Lauchquiche mit Texturen der Kichererbse, Kürbiskernöl und Kirschgel. Das funktionierte gut, auch wenn der Lauch unauffällig blieb.
Die inzwischen gereichten verschiedenen Brotscheiben hatte ich schon im letzten Bericht gelobt, besonders das Senfbrot stieß auf viel Zustimmung. Die Zitronen-Paprika-Butter war für 4 hungrige Genießer sehr sparsam portioniert. Etwas unaufmerksam, hier nicht gleich mehr als für die Zweiertische zu schicken. Nachschub war aber kein Problem.
Im großen Menü ging es mit Avocadotörtchen und gar nicht so wenig Räucheraal los. Der Fisch war als größeres Stück angenehm fest und nicht zu fettig und konnte deshalb auch die cremig gearbeitete Avocado vertragen. Auch als Gelee und Espuma durchaus erkennbar, auch wenn das für meinen Geschmack eher technische Spielereien waren.
Die Tomatencrème konnte sich dagegen gut behaupten und brachte mit dem Wildkräutersalat frischere Aromen ins Spiel.
Im folgenden Gang sorgte ein fleischiger, fester und saftiger Nordsee-Steinbutt für zufriedene Gesichter auf allen Plätzen. Auch die Pfifferlinge konnten restlos überzeugen. Beim Spinat dann geteilte Meinungen zwischen intensiv und schon etwas zu bitter. Letzteres betraf insbesondere das Gelee. Clou des Tellers war aber Kalbskopf, der ausgelöst und kleingeschnitten sanft angezogen worden war. Fett und Collagen umschmeichelten den Fisch. Ich sach nur: Lecker.
Mit dem nächsten Teller ging es in Richtung Mittelmeer: Schwarze Bandnudeln mit Garnelenbolognese und Pimientos. Letztere ganz klassisch gebraten und mit Meersalz versehen, wie man sie kennt. Vielleicht etwas zu kräftig gegen das Ragout, bei dem man sowohl die Gemüse, als auch die Krustentiere erstaunlicherweise gut herausschmeckte. Die Nudeln ohne Fehl und Tadel. Etwas unauffälliger als erwartet, aber ein solider Wohlfühlgang - Nudel geht immer. Einziger Nachteil: Die Pasta kam bei mir kaum mehr als lauwarm an den Tisch und kühlte dann recht schnell aus.
Der breite Pinselstrich dürfte Paprika gewesen sein; war eine Zeitlang schwer in Mode, denn das Auge isst ja bekanntlich mit...
Bis hierhin begleitete uns Chardonnay, zunächst aus Niederösterreich, danach klassisch aus dem Burgund.
Jetzt zum lustigsten Teil des Abends. Ich bat um eine Erfrischung vor dem Fleisch, denn ich hatte beim Dessert Eis entdeckt. Eigentlich meinte ich erst den Hauptgang, aber schon vor dem zweiten Zwischengericht - Lamm - servierte die Küche eine Kugel feinstes Heidelbeersorbet, aufgegossen mit Champagner. Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass sich auch meine Kompagnons sehr wohlwollend zu diesem kleinen Gaumenweckruf äußerten. Denn als ich dies Herrn Ladenberger mitteilte, meinte er etwas gequält lächelnd: „Schön. Für mich ist das ein Relikt der 70er und 80er Jahre! Von allein würde ich das niemals anbieten.“ Autsch, Wirkungstreffer! Weiß ich doch, dass auch hier einige Modernisten über meine ältliche Sorbet-Leidenschaft nur müde lächeln. Ich musste jedenfalls sehr lachen! Und außerdem „...muss auch einstecken können!“, um die Überschrift zu vervollständigen. Mit meiner eigenen Meinung halte ich bekanntlich auch nur selten hinter dem Berg. 7€ pro Nase war das in mehrfacher Hinsicht erfrischende Zwischenspiel ohne Frage wert!
Und sehr nötig, denn neben dem schön knusprigen, innen weichen Bries wurde nun ein sehr würziges Lamm-Knipp gereicht, zur Seiten noch Schweinespeck-Schaum: Ein Cholesterin-Senker war dieser Teller schon mal nicht! Dazu Bohnen in mehreren Ausfertigungen, unerwartet leicht das Mus von schwarzen Exemplaren und sehr gut die grünen Exemplare mit sehr eindeutigem Geschmack, à point gegart. By the way: Anrichten in einer halbierten Birne - ist das nicht sehr 70er? Aber komm, der Dalai Lama tritt nicht nach... Geschmacklich gut und passend zum Lamm sicherlich, leider noch recht hart.
Inzwischen war ein reinrassiger südafrikanischer Shiraz vom Weingut Luddite im Glas. Ich hätte mich ja lieber zu einem Spätburgunder breitschlagen lassen, nachdem man meinen schüchternen Vorschlag Châteauneuf-du-Pape geradezu niedergeschrieen hatte!
Die Étouffée-Taube im Hauptgang überzeugte auf ganzer Linie. Saftiges, typisch schmeckendes Fleisch mit angenehmen Biss. Sûpreme und Keule dabei kräftig gebraten, schön geröstete Haut. (Leider bei mir erneut nicht heiß.) Ebenso der feine, mit Taubenfarce gefüllte Raviolo. Mit den Beilagen Wirsing, Salzzitrone(!) und Zwetschge (Warum denn nicht Châteauneuf? Menno!) bediente die Küche gekonnt die Geschmackserwartungen. Kein sonderlich kreativer Gang, aber erneut ein sehr gut gemachter.
Bevor es am Tisch um die übliche Frage Käse, Dessert oder gar beides ging (alles war schließlich vertreten), sicherten wir uns noch ein Fläschchen Sauternes vom Château Rieussec 2004, dessen Rest wir noch sicher in den Heimathafen entführten. Im Kleinen Lokal begleitete er vier Käse, nicht von bekannten Affineuren - die hält Herr Ladenberger für überbewertet - sondern von einem ansässigen Händler französischer Herkunft. Die Auswahl selten angebotener Sorten überzeugte jedenfalls ebenso, wie die unveränderten Beilagen einschließlich der Trester-Traube, die ich schon in meinem ersten Bericht loben konnte.
Für mich war hier Schluss; die Damen vernaschten noch ihre Desserts, die erst unspektakulär schienen, aber doch ein immer breiteres Lächeln hervorzauberten. „Hingucker“ zum und auch vom Teller war ein Schoko-Relief, das sich als Gesicht heraus stellte. An Fotos war schon länger nicht mehr zu denken. Immerhin gelang es uns, den Heimweg würdevoll zu gestalten. Etwa 5 Meter weit, bis wir unversehens zwei ehemaligen Mitschülern meines Sohnes in die Arme liefen - wortwörtlich. Es soll zu Verbrüderungs-Szenen gekommen sein, wie man mir noch peinlich berührt am nächsten Morgen vorhielt.
Überhaupt nicht peinlich war dagegen die Leistung der Crew im Kleinen Lokal an diesem Abend - die war die beste, die ich in der Besselstraße bis dato genießen durfte - Chapeau!
P.S.: Danke an die Co-Fotografin!