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und hüte mich, mit ihn‘ zu brechen.
Es ist gar hübsch von diesen hohen Herrn,
mir soviel Apanage zu blechen!“
Ging unserem Sohn das Goethe-Wort durch den Kopf, als er auf der Rückreise vom leider verregneten Norderney-Urlaub mitsamt Freundin Station bei „den Alten“ machte? Wir wissen es nicht. Haben uns aber über den Besuch sehr gefreut. Da das einzige Highlight des Insel-Trips der Besuch im besternten Seesteg gewesen war, ließen wir uns nicht lumpen und luden am zweiten Abend ins Kleine Lokal, mit 16 Punkten im Gault&Millau bekanntlich an der kulinarischen Spitze der Hansestadt.
Chef Stefan Ladenberger begrüßte und nahm uns gleich die Garderobe ab, als wir pünktlich um 19.00 Uhr als erste Gäste ins Souterrain hinab stiegen. Ein paar Stunden zuvor hatte sich ein junger Mann telefonisch gemeldet, um einen no-show möglichst auszuschließen. Das hatte offenbar bei allen Gästen geklappt, denn das gemütliche Restaurant - über dessen unverändertes Ambiente schon ausführlich berichtet wurde - war ausgebucht. Einschließlich einer größeren Gruppe, die angesichts der recht niedrigen Decke natürlich für eine sehr laute Geräuschkulisse sorgte. Nicht zu vermeiden. Mit steigendem Pegel hielten wir oder wohl genauer der Chronist ordentlich dagegen. Auch, weil Chef Ladenberger den Abend über im Service mithalf und sich so nicht nur über die neue Weinkarte längere Gespräche entwickelten. Irgendwann war’s meinen drei Begleitungen zu viel und der zarte Hinweis kam, dass man nicht jede Komponente jeden Tellers einzeln diskutieren müsse. Mea culpa, ich bin zerknirscht.
Wiederholt zu loben ist die gefühlt nochmals gesteigerte Auswahl halber Flaschen in rot und weiß, die auch für Pärchen oder Alleinesser mehrere Bouteillen am Abend ermöglicht.
Wir orderten bei der Gastgeberin Frau Ladenberger die Aperitife mit selbst gemachten Mus vom weißen Pfirsich, aufgefüllt mit prickelndem Blanc de Blanc für 13€, in der alkoholfreien Version schmale 5,5€. Auch der Martini Vermouth günstige 5€. Lecker, zurück lehnen, passt.
Es werden zwei unterschiedlich große Menüs angeboten, dabei geht es preislich bis 107€ für 7 Gänge. À la carte ist möglich. Bei den Weinen dürfte der Faktor 2,5 bis 3 angesetzt worden sein. Im Verhältnis zu Qualität, Küchenleistung und Menge sind mir das beim PLV 4,5 Sterne wert.
Schon bei der problemlosen Reservierung über die Homepage hatte meine Frau um einen fleischfreien Hauptgang gebeten. Das wurde - außerhalb der Karte - mit Seeteufel und einer wirklich riesigen Garnele perfekt erfüllt. Die spontane Bitte um einen vegetarischen Teller musste leider abgelehnt werden. Völlig nachvollziehbar für alle am Tisch, aber fragen kostet ja nichts.
Aus der Küche kamen zunächst zwei Aperos. Die Pfifferlingsterrine mit roter Zwiebel und Molkeschaum war ein netter herbstlicher Gruß. Die Pumpernickel-Scheibe nur mit Merrettichschaum kam mir allerdings arg rustikal vor. Fast argwöhnte ich, eine Fleisch- oder Fischkomponente sei der Frage nach vegetarischen Gängen geopfert worden; war aber nicht so. Hm.
Als zweiten Gruß gab es eine kleine Lauchquiche mit Texturen der Kichererbse, Kürbiskernöl und Kirschgel. Das funktionierte gut, auch wenn der Lauch unauffällig blieb.
Die inzwischen gereichten verschiedenen Brotscheiben hatte ich schon im letzten Bericht gelobt, besonders das Senfbrot stieß auf viel Zustimmung. Die Zitronen-Paprika-Butter war für 4 hungrige Genießer sehr sparsam portioniert. Etwas unaufmerksam, hier nicht gleich mehr als für die Zweiertische zu schicken. Nachschub war aber kein Problem.
Im großen Menü ging es mit Avocadotörtchen und gar nicht so wenig Räucheraal los. Der Fisch war als größeres Stück angenehm fest und nicht zu fettig und konnte deshalb auch die cremig gearbeitete Avocado vertragen. Auch als Gelee und Espuma durchaus erkennbar, auch wenn das für meinen Geschmack eher technische Spielereien waren.
Die Tomatencrème konnte sich dagegen gut behaupten und brachte mit dem Wildkräutersalat frischere Aromen ins Spiel.
Im folgenden Gang sorgte ein fleischiger, fester und saftiger Nordsee-Steinbutt für zufriedene Gesichter auf allen Plätzen. Auch die Pfifferlinge konnten restlos überzeugen. Beim Spinat dann geteilte Meinungen zwischen intensiv und schon etwas zu bitter. Letzteres betraf insbesondere das Gelee. Clou des Tellers war aber Kalbskopf, der ausgelöst und kleingeschnitten sanft angezogen worden war. Fett und Collagen umschmeichelten den Fisch. Ich sach nur: Lecker.
Mit dem nächsten Teller ging es in Richtung Mittelmeer: Schwarze Bandnudeln mit Garnelenbolognese und Pimientos. Letztere ganz klassisch gebraten und mit Meersalz versehen, wie man sie kennt. Vielleicht etwas zu kräftig gegen das Ragout, bei dem man sowohl die Gemüse, als auch die Krustentiere erstaunlicherweise gut herausschmeckte. Die Nudeln ohne Fehl und Tadel. Etwas unauffälliger als erwartet, aber ein solider Wohlfühlgang - Nudel geht immer. Einziger Nachteil: Die Pasta kam bei mir kaum mehr als lauwarm an den Tisch und kühlte dann recht schnell aus.
Der breite Pinselstrich dürfte Paprika gewesen sein; war eine Zeitlang schwer in Mode, denn das Auge isst ja bekanntlich mit...
Bis hierhin begleitete uns Chardonnay, zunächst aus Niederösterreich, danach klassisch aus dem Burgund.
Jetzt zum lustigsten Teil des Abends. Ich bat um eine Erfrischung vor dem Fleisch, denn ich hatte beim Dessert Eis entdeckt. Eigentlich meinte ich erst den Hauptgang, aber schon vor dem zweiten Zwischengericht - Lamm - servierte die Küche eine Kugel feinstes Heidelbeersorbet, aufgegossen mit Champagner. Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass sich auch meine Kompagnons sehr wohlwollend zu diesem kleinen Gaumenweckruf äußerten. Denn als ich dies Herrn Ladenberger mitteilte, meinte er etwas gequält lächelnd: „Schön. Für mich ist das ein Relikt der 70er und 80er Jahre! Von allein würde ich das niemals anbieten.“ Autsch, Wirkungstreffer! Weiß ich doch, dass auch hier einige Modernisten über meine ältliche Sorbet-Leidenschaft nur müde lächeln. Ich musste jedenfalls sehr lachen! Und außerdem „...muss auch einstecken können!“, um die Überschrift zu vervollständigen. Mit meiner eigenen Meinung halte ich bekanntlich auch nur selten hinter dem Berg. 7€ pro Nase war das in mehrfacher Hinsicht erfrischende Zwischenspiel ohne Frage wert!
Und sehr nötig, denn neben dem schön knusprigen, innen weichen Bries wurde nun ein sehr würziges Lamm-Knipp gereicht, zur Seiten noch Schweinespeck-Schaum: Ein Cholesterin-Senker war dieser Teller schon mal nicht! Dazu Bohnen in mehreren Ausfertigungen, unerwartet leicht das Mus von schwarzen Exemplaren und sehr gut die grünen Exemplare mit sehr eindeutigem Geschmack, à point gegart. By the way: Anrichten in einer halbierten Birne - ist das nicht sehr 70er? Aber komm, der Dalai Lama tritt nicht nach... Geschmacklich gut und passend zum Lamm sicherlich, leider noch recht hart.
Inzwischen war ein reinrassiger südafrikanischer Shiraz vom Weingut Luddite im Glas. Ich hätte mich ja lieber zu einem Spätburgunder breitschlagen lassen, nachdem man meinen schüchternen Vorschlag Châteauneuf-du-Pape geradezu niedergeschrieen hatte!
Die Étouffée-Taube im Hauptgang überzeugte auf ganzer Linie. Saftiges, typisch schmeckendes Fleisch mit angenehmen Biss. Sûpreme und Keule dabei kräftig gebraten, schön geröstete Haut. (Leider bei mir erneut nicht heiß.) Ebenso der feine, mit Taubenfarce gefüllte Raviolo. Mit den Beilagen Wirsing, Salzzitrone(!) und Zwetschge (Warum denn nicht Châteauneuf? Menno!) bediente die Küche gekonnt die Geschmackserwartungen. Kein sonderlich kreativer Gang, aber erneut ein sehr gut gemachter.
Bevor es am Tisch um die übliche Frage Käse, Dessert oder gar beides ging (alles war schließlich vertreten), sicherten wir uns noch ein Fläschchen Sauternes vom Château Rieussec 2004, dessen Rest wir noch sicher in den Heimathafen entführten. Im Kleinen Lokal begleitete er vier Käse, nicht von bekannten Affineuren - die hält Herr Ladenberger für überbewertet - sondern von einem ansässigen Händler französischer Herkunft. Die Auswahl selten angebotener Sorten überzeugte jedenfalls ebenso, wie die unveränderten Beilagen einschließlich der Trester-Traube, die ich schon in meinem ersten Bericht loben konnte.
Für mich war hier Schluss; die Damen vernaschten noch ihre Desserts, die erst unspektakulär schienen, aber doch ein immer breiteres Lächeln hervorzauberten. „Hingucker“ zum und auch vom Teller war ein Schoko-Relief, das sich als Gesicht heraus stellte. An Fotos war schon länger nicht mehr zu denken. Immerhin gelang es uns, den Heimweg würdevoll zu gestalten. Etwa 5 Meter weit, bis wir unversehens zwei ehemaligen Mitschülern meines Sohnes in die Arme liefen - wortwörtlich. Es soll zu Verbrüderungs-Szenen gekommen sein, wie man mir noch peinlich berührt am nächsten Morgen vorhielt.
Überhaupt nicht peinlich war dagegen die Leistung der Crew im Kleinen Lokal an diesem Abend - die war die beste, die ich in der Besselstraße bis dato genießen durfte - Chapeau!
P.S.: Danke an die Co-Fotografin!