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Es ist ja so eine Sache mit seinen alten Kritiken, manche sind in Würde gealtert, andere wiederum würde man aus heutiger Sicht nur allzu gerne aus der kollektiven Erinnerung löschen.
Aber als ich heute in meinem untypisch ordentlich gepflegtem Archiv über meine Kritik zum Landhasthaus zur Post aus dem Dezember 2013 stolperte, war ich fast schon ein wenig stolz auf mich, bis auf einige wenige Formulierungen hätte das damalige Pamphlet auch heute noch meinen Segen bekommen.
So übte ich mich in einem schon damals – dank des seit 2010 immer zahlreicher werdenden, freundlichen Feedbacks – gerne satirisch ausufernden, seinerzeit jedoch noch nicht separierten Intro, zeigte mich in jenem automobil selbstironisch und kalauerte im weiteren Verlauf verlässlich über Rentner in Jogginghosen vor dudelnden Spielautomaten, die meinen Aufenthalt optisch und akustisch veredelten.
Seitdem war ich hier nicht mehr zu Gast gewesen und in heutigen Zeiten wünschte ich mir beim Lesen der alten Bewertung, ein Essen vor Ort wäre wieder möglich, auch wenn mir dabei ganze Horden von Pensionären in Uncle Sam Couture an grotesk bimmelnden Pachinko-Automaten Gesellschaft leisteten.
Apropos Gesellschaft: Das ein soziales Netzwerk in der Größenordnung von Facebook immer auch ein Spiegelbild einer solchen darstellt liegt auf der Hand und da dieses online nur allzu oft von Hass und Pöbeleien bestimmt ist, verirre ich mich eher selten dorthin.
Aber als ich vergangenes Wochenende zufällig über eine große Facebook Gruppe stolperte, deren Zweck es ist, Solinger Geschäfte und Gastronomie in der Corona-Zeit zu unterstützen, wurde ich aufmerksam da sich dort viel tat, der Ton solidarisch und nett war und die Admins einen rührigen Eindruck machten.
Aus einer Laune heraus postete ich dort ein paar Zeilen zum in meinem letzten Beitrag bewerteten Lieferservice des Fasil mit einigen Fotos und verlinkte meine hiesige Kritik; ohne jede Erwartung.
Ich war auf ein paar Likes für die Speisen gefasst, Kommentare erwartete ich keine und wenn dann schwarzmalerisch eher Dinge wie „für so Romane habsch kein Zeit du Otto!“, der niveauvolle Facebook Diskurs eben.
Das Gegenteil sollte zu meiner Überraschung der Fall sein, der kleine Post erhielt fast 100 Likes und sehr nette Kommentare, die Betreiber des Fasil meldeten sich dankend und eine Dame fragte, wie sie über künftige Beiträge informiert werden könne und meldete sich nach meiner Antwort gar hier an, was mich besonders freute.
Ich alleine schon weiß aus persönlichem Feedback, dass mehrere Familien aufgrund dieses Facebook Posts in der Folge beim Fasil bestellt haben und die Aufrufe der Bewertung kletterten quasi über Nacht von ca. 250 auf knapp 600.
Das hat motiviert, es gab seit langer Zeit wieder einmal dieses Gefühl aus den Zeiten von restaurant-kritik.de, dessen Reichweitenstärke dafür sorgte, dass man sicher sein konnte, dass seine Empfehlungen auch gelesen werden und etwas bewirken, auch wenn ich mich für hiesige Verhältnisse sicher nicht beschweren kann und auch das Feedback aus der Gastronomie bspw. per PN zunimmt.
So war ich aber fest entschlossen, auch am Freitag nochmals einen Solinger Lieferdienst zu testen und in der Facebookgruppe stolperte ich über einen Beitrag des Landgasthaus zur Post und sein diesbezügliches Angebot: Balkan Grillfreuden wie anno dazumal, lange nicht gehabt, warum nicht, back to the roots, Veganer bitte wegschauen, Karnivoren anschnallen, los geht’s….
Kritik
„Ich weiß nicht genau was genau passiert ist aber plötzlich war mir nach jugoslawischen Oldschool-Grillfreuden mit pampigen Djuvec-Reis, muss am miesem Wetter liegen oder aber an vorweihnachtlichen nostalgischen Anwandlungen.“ schrieb ich fast auf den Tag genau vor sieben Jahren im Vorwort meiner damaligen Kritik des Landgasthaus zur Post in Solingen Aufderhöhe.
Zeitlose Worte zu einer Gastronomie, die sich in den letzten 40 Jahren in meiner Wahrnehmung nie geändert hat, was sie mit der landläufigen griechischen solchen gemein hat: der Fleischberg an Pommes und wir Deutschen scheinen seit jeher eine fruchtbare Beziehung zu pflegen.
Und ja, guilty pleasure hin oder her, ab und an freue ich mich auch an solchen Lokalen, für mich als Kind der Siebziger sind auch – wie für viele meiner Generation – viele Kindheitserinnerungen mit diesem Gastro-Genre verbunden. Erinnerungen aus Zeiten, in denen es bspw. mit den Großeltern regelmäßig in den Solinger „Löwenbräu Keller“ in der damaligen Karstadt Passage ging, wo mein Opa stets sein geliebtes Wiener Schnitzel verspeiste.
Durch einen Facebook Post des Restaurants (dass man zu "posten" versteht überrascht sicher nicht…) in der Gruppe „Solinger Geschäfte in Corona-Zeiten unterstützen“ wurde ich auf das Aufderhöher Lieferangebot aufmerksam und da ich das Anliegen der Gruppe gerne weiterhin unterstützen möchte habe ich den Bringdienst gerne in Anspruch genommen, die Genre-typische Karte findet man momentan unter:
http://www.landgasthaus-zur-post.de/wp-content/uploads/2020/05/speisekarte2020.pdf
Ich bestellte telefonisch vor und möchte hier aufgrund des vielfachen Feedbacks der Restaurants mal einen kleinen Tipp geben, der es uns Bestellern und den Lokalen leichter macht: Meidet die Kernzeit von 19 Uhr!
Um diese Zeit scheinen 90% der Kunden essen zu wollen, eine pünktliche Lieferung ist somit unwahrscheinlich und die Restaurants kommen an ihre Grenzen, in der Küche als auch in Sachen Lieferpersonal.
So war man auch in diesem Fall hoch erfreut über meine Wunschzeit von 21 Uhr, der freundliche Herr mit sympathischem Balkan-Akzent bat jedoch um Verständnis dafür, wenn es nicht ganz auf die Minute pünktlich sein werde; das erwartet auch niemand, in jedem Falle ein sehr angenehmes Gespräch.
Der positive Eindruck sollte sich fortsetzen, denn kurz nach neun sollte es klingeln, wie schon im Falle meiner Fasil Kritik warteten vorgewärmte Teller im Ofen, der sympathische Fahrer entschuldigte sich fast schon herzzerreißend für die lächerlich kleine Verspätung, die Speisen waren bestens verpackt und tadellos warm bei der Anlieferung – leider auch hier wieder viel Plastikmüll mit im Spiel, umweltfreundliche Verpackungen wären mir sehr viel lieber.
Nettes Detail die kleinen Tüten für die Brötchen mit Dekordruck einer englischen Zeitung, erinnerte an Fish ‘n Chips Buden und zumindest bei meiner Grillplatte waren Reis und Pommes separat verpackt.
| Hauptgerichte |
Schafskäse überbacken – 7,90€
Landsalat – 10,70 €
Grillplatte – 15,90€
Ich finde es grundsätzlich für die Bewertung eines Lieferdienstes relevant, wie die Gerichte angeliefert werden, daher auch hier zunächst wieder Bilder im „Ur-Zustand“:
Der überbackene Schafskäse links unten in obigem Bild war in erster Linie als Beigabe zum Landsalat von Madame gedacht und rein optisch war ich durch die „Röstaromen“ erst einmal wenig begeistert weil es schlicht angebrannt aussah.
Ich hörte jedoch Gegenteiliges, probierte und musste feststellen, dass er tatsächlich in keiner Weise verbrannt oder bitter schmeckte, der in obszönen Mengen verwendete Knoblauch verband sich mit einer gewissen Süße und dezenten Salzigkeit des Käses, mag sein das hier etwas sehr kräftig karamellisiert hat ohne bitter geworden zu sein.
Mir in der Textur aber zu sehr in Richtung Halloumi driftend, bei abnehmender Temperatur ein wenig zu viel Gummi und eher weniger die Cremigkeit, die man bspw. bei einem guten Saganaki gemeinhin so schätzt – trotzdem wurde er grundsätzlich gelobt, wenn auch Madame die Optik etwas verbesserungswürdig befand.
Leider, und das ist der größte Kritikpunkt am heutigen Essen, wurden die begleitenden Brötchen zwar nett verpackt, entpuppten sich aber als absolut schlimme Aufbackware, die einen selbst an der Tankstellte enttäuscht hätte. Sehr schade, ein gutes Brot macht viel aus, hier bitte dringend nachbessern liebes Landgasthaus zur Post.
Ihr Landsalat hatte die Bezeichnung Salat wohl eher als kleines Alibi im Namen, die Kombination mit Schweinemedaillons und Bratkartoffeln machte in den Proportionen eher den Eindruck eines Fleischgerichtes mit XXL-Salatgarnitur.
Nicht so schön die Tatsache, dass man den Salat nicht getrennt von Fleisch und Kartoffeln lieferte wie im Falle meiner Grillplatte. Durch die kurze Anfahrt hielt sich der Schaden in Grenzen, bei längeren Wegen aber ein klares No-Go!
Da das Gericht auch im Restaurant auf einem Teller serviert wird baute sich meine Mitbewohnerin ein entsprechendes Gebilde und zeigte sich sehr zufrieden, das Fleisch war zart, die Bratkartoffeln gut gebraten auch wenn sie etwas gelitten hatten unter dem kurzen Aufenthalt im Plastikcontainer.
Dazu gab es wie auch im Falle meines Beilagensalates ein sehr mildes Joghurtdressing, dessen leicht wässrige Konsistenz von hausgemachter Emulgatorenbefreitheit kündete.
Meine Grillplatte hatte ihren Namen wirklich verdient, ein gefühltes Pfund Fleisch wartete auf einen hungrigen Abnehmer.
Für einen Balkan-Mixgrill empfand ich die Kombination aus Hühnerfilet, Hacksteak, einem Schnitzel, Bauchspeck und Nackensteak einen Hauch ungewöhnlich, am liebsten ist mir die Kombi aus Ražnji?i, Cevapcici, einem kleinen Rumpsteak und gegrilltem Bachspeck.
Trotzdem sollte das Ganze sehr gut schmecken, jede Fleischsorte war auf den Punkt saftig gegart worden, das recht dicke, schmale Schnitzel wurde überraschend gut souffliert, die Panierung kann man sicher als gültigen Versuch bezeichnen.
Das Hacksteak mir vielleicht etwas zu fein in der Konsistenz, das hatte fast schon etwas von einem Leberkäse, auch hier sparte man nicht mit Knoblauch, sehr schön mit dem milden Ajvar.
Das Hühnerfleisch war durch Marinieren fast schon irreal zart zu nennen, Nackensteak mag ich jedoch immer noch am liebsten tiefbraun vom Schwenkgrill, da bin ich unverbesserlich.
Sehr schön der Djuvec Reis, kräftige Tomaten-Paprika Note auf einer soliden Basis ohne schlimmen „Gekörnte Brühe“-Unterbau, den er leider allzu oft hat. Dazu Pommes aus frischem Fett, tadelloser gutbürgerlicher Gastro-Standard.
„Fett“ ist natürlich nicht von der Hand zu weisen bei so einer Fleisch-Orgie, selten war eine pikante Peperoni ein sinnvollerer Begleiter, hätte ich gerne mehrere von gehabt und sorgte für Nachschub aus dem heimischen Kühlschrank.
Der Beilagensalat unspektakulär aber mit frischer Ware, etwas Rucola neben Eisberg, die Tomate leider genauso neutral wie das Dressing, dennoch erfüllte er seinen Zweck und schmeckte.
Puh…. danach war erst einmal eine kleine Pause angesagt, ich rollte zur Couch während das Dessert stressfrei im Ofen warmgehalten wurde.
| Dessert |
Palatschinke mit Schokosoße und Konfitüre – je 3,50€
Auch wenn ich kein großer Dessertfan bin, für Mehlspeisen habe ich eine Schwäche, die Palatschinke mussten also sein.
Noch etwas Puderzucker für das Auge, die Wartezeit im Ofen hat ihnen kaum geschadet, die hauchdünnen Pfannkuchen wurden traditionell auf das „Viertelkreis-Format“ gefaltet und dufteten sehr verlockend.
Mein Exemplar wurde dünn mit Erdbeer-Konfitüre bestrichen, die Version von Madame mit Schokoladensoße und auch wenn wir etwas kämpfen mussten freuten wir uns über den überaus gelungenen süßen Abschluss.
Es gibt selten Momente außerhalb des Urlaubes, in denen ich an so etwas wie einen „Absacker“ überhaupt denke, diesmal allerdings hätte ich einen „šljivovica“ sehr gut gebrauchen können, soviel zum Thema Sättigungsgrad.
In leichtem, knoblauchseligem Wachkoma nahm der Abend seinen weiteren Verlauf, abermals nahm ich enttäuscht zur Kenntnis, dass Jan Böhmermann und seine Redaktion während der kreativen Pause vor dem Wechsel in das ZDF-Hauptprogramm anscheinend den Großteil ihres Talentes verloren haben – aber was ist das schon im Vergleich zu einem gemütlichen Abend daheim mit nostalgischen Tellerfreuden…
Fazit
Solide Balkanküche der alten Schule. Sehr empfohlen bei akuten Retro-Gelüsten in dieser Hinsicht. Leichte Abzüge in der B-Note (u.a. Käse und die wirklich schlimmen Brötchen) lassen mich auf immer noch sehr gute, sonnige vier Sterne für die Küche kommen.
Auch ein Liefergeschäft hat Service-Aspekte. Auftreten am Telefon und Vor-Ort sowie die Pünktlichkeit tadellos. Einen Punkt Abzug für den nicht separat verpackten Salat, das möchte ich nicht der Küchenleistung als solches anlasten, ebenfalls vier Sterne.
Auch beim PLV bin ich bei vier Sternen was man mit einer Schulnoten zwei übersetzen kann wenn man möchte.
Und damit auch in der Gesamtnote bei Corona-freundlichen vier Sternen, ich möchte empfehlen ohne zu beschönigen, meine Kritik habe ich angesprochen und somit kann sich jeder sein eigenes Bild machen.
Ich für meinen Teil würde hier durchaus nochmal bestellen, vielleicht dann eine der vielen Schnitzel Varianten die man anbietet, der kleine, wohlpanierte Vorgeschmack auf meinem Grillteller machte jedenfalls Lust darauf…