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Da man den Raum nicht größer machen kann, als er ist, und da man wohl auch eine Mindestzahl an Gästen bewirten muss, um wirtschaftlich zu arbeiten – im Sternebereich ist das ja gar nicht so einfach, wie angesichts der Preise viele glauben – wäre das Management gut beraten, von seinen Gästen etwas mehr Rücksicht einzufordern. Die lustigen Damen vom Nebentisch sahen eigentlich nicht so aus und waren auch nicht so besoffen, dass sie das nicht verstanden hätten, sie wussten es wohl einfach nicht besser.
Zum Schallpegel beigetragen haben übrigens auch die hübschen Teller mit ihrer leicht aufgerauten Glasur, die einen Höllenlärm veranstalten, wenn man beim Aufnehmen der Reste mit Gabel oder Löffel nicht äußerst vorsichtig zu Werke geht. (Die Sphärenmusik, mit der das Restaurant (vorsichtig!) beschallt wird, stand zu all dem in eigenartigem Kontrast.) Vielleicht sollte man mal einen Akustiker zurate ziehen; der hat sicher auch ein paar Tipps, was man mit glatten Wänden alles machen kann. Die etwas kalte Atmosphäre, die bei den TA-Bewertungen schon öfter zur Sprache kam, liegt ja auch nicht jedem.
Ich gehe darauf deshalb so ausführlich ein, weil uns der gestrige Geräuschpegel mindestens ebenso nachhaltig in Erinnerung bleiben wird wie das großartige Menü, das wir vorgesetzt bekamen. Sieben Gänge, die meisten mit einem asiatischen Spin, perfekt zubereitet und ansprechend präsentiert, dazu zwei hervorragende Weinempfehlungen (auf eine komplette Weinbegleitung musste ich dem Führerschein zuliebe leider verzichten) machten deutlich, warum das Sein so schnell seinen Stern bekommen hat (bei den Testbesuchen musste es aber ruhiger zugegangen sein, sonst...). Der einzige Gang, der für mich deutlich abfiel, war der 3-Milch-Camembert (Ziege/Schaf/Kuh), der irgendwie nach nichts geschmeckt hat, und das Arrangement drumherum ebenfalls. Die fermentierte Makrele zu Beginn war so intensiv, dass Leute, die es nicht mögen, wenn Fisch nach Fisch schmeckt, vielleicht die Nase rümpfen. Uns hat’s gefallen, wir sind aber auch philippinischen Trockenfisch gewöhnt.
Es werden zwei Menüs angeboten, ein kleines (5-6 Gänge) und ein großes (5-7). Die einzelnen Gänge kann man auch à la carte bestellen. Man ist allerdings erstaunlich unflexibel, was den Austausch einzelner Gänge zwischen den Menüs angeht; bei uns war das nur deshalb möglich, weil wir bestimmte Abneigungen bei der Reservierung bereits angemeldet hatten. Wenn aber jemand kommt und erst im Restaurant sagt, dass er etwas nicht mag oder verträgt, dann hat er Pech gehabt. Mir ist das ein Rätsel. An der Einkaufsplanung kann es nicht liegen, denn die Entscheidung für das eine oder das andere Menü wird ja erst vor Ort getroffen, auch für die Anzahl der Gänge. Sehr gästeorientiert ist das nicht.
Ansonsten war das Personal freundlich und im Großen und Ganzen aufmerksam. Im Sternebereich erwartet man allerdings, dass der Tisch bei Bedarf gesäubert wird (die Brösel des knusprigen Bockshornkleebrotes lagen bis zum Schluss und deutlich sichtbar auf der dunklen Unterlage), und dass man auch das Nachschenken des Wassers übernimmt, nicht nur den Austausch der leeren Flasche. Apropos Wasser: die bauchigen Gläser sind zwar stylish, aber so groß, dass jemand mit kleineren Händen sie kaum halten kann. Es sah schon seltsam aus, wie meine Frau ihr Glas mit beiden Händen zum Mund führen musste.
In der Weinkarte fehlt eine Markierung der Weine, die es im offenen Ausschank gibt. Ich bin allerdings nicht sicher, dass ich etwas Besseres gefunden hätte als die beiden Empfehlungen. Vor allem der Pinot Noir der neuseeländischen Villa Maria war ein Gedicht und ein Beweis dafür, dass es manchmal doch lohnt, Wein um den halben Erdball zu schippern.
Preislich liegt das Sein absolut im üblichen Rahmen, auch bei den Weinen. Andere TA-Bewerter haben sich über die 8 Euro für 0,1 Liter beklagt; da hier aber keine 5-Euro-Gutsweine zum Ausschank kommen, sondern Weine für 25 bis 30 Euro, ist das auch nur etwa das Dreifache des Ladenpreises. Und das ist die Spanne, von der alle Restaurants leben müssen, vor allem die anspruchsvollen.
Chef Thorsten Bender, der zwischendurch immer wieder durch das kleine Fenster zwischen Küche und Gastraum lugte, schaute schließlich persönlich vorbei, um guten Abend zu sagen und die Rechnung zu überreichen. Das ist ein netter Zug und sollte in der gehobenen Gastronomie eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht.