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Denn dass es voll werden würde in Garmisch, wo im letzten Jahr ein vergleichsweise geringes Gästeaufkommen spontane Entscheidungen hinsichtlich des abendlichen Restaurants der Wahl fast überall möglich machte, war durchaus abzusehen.
Aber ich bin andererseits auch kein Freund von großen, generalstabsmäßigen „Urlaubs-Vorabplanungen“, Spontanität ist mir ein hohes Gut in der schönsten Zeit des Jahres und meinem Gaumen erst recht: was weiß ich zwei Wochen vorher, ob ich an einem Mittwochabend eher Lust auf bayerisch oder italienisch habe, da gebe ich mich am liebsten völlig dem Moment hin.
Am Samstag, an dem wir in diesem Jahr anreisten, hatte GastroGuide Freundin Obacht! im „Colosseo“ – hier im letzten Jahr rezensiert – reserviert, am Sonntag ging es nach Mittenwald ins fabelhafte „Bellini“ – ebenfalls vor einigen Wochen gewürdigt – und am Montag hatten wir rückblickend einfach großes Glück, im hier ebenso bereits lobend besungenen „Alpenhof“ noch einen schönen Tisch ergattert zu haben.
Am Dienstag schien das gastronomische Spontanitäts-Glück jedoch zunächst ein jähes Ende gefunden zu haben, vor den beliebten Lokalen bildeten sich zum Teil gar veritable Warteschlangen und selbst kleine, versteckte Läden in Seitenstraßen der Fußgängerzone platzten aus allen Nähten und nach dem fünften vergeblichen Anlauf sah ich mich schon schwarzmalend in einem Fastfood Tempel sitzen.
Aber noch war nicht aller Tage Abend, nachdem wir zur Kenntnis genommen hatten, dass selbst das Café-Restaurant „Pavillon“ am Kurpark mit seiner großen Außengastronomie völlig überlaufen war, trotteten wir am Ende der Fußgängerzone beim Weltbild-Laden ums Eck auf die Olympiastraße, in der leisen Hoffnung, etwas abseits der Garmischer „High Street“ könnte es einen Hauch ruhiger sein.
Diese Hoffnung sollte sich zwar nicht wirklich erfüllen, aber das Schicksal sollte es trotzdem gut mit uns meinen. Als ich zunächst feststellte, dass im Außenbereich vor und neben dem „Hofbräustüberl“ auch nichts mehr frei war, machte sich ein älteres Ehepaar gerade aus dem Staub und ich war als American Football Veteran kurz versucht, mich aus zwei Meter Entfernung mit einem beherzten Hechtsprung quer über den Tisch zu werfen und mich an ihn zu klammern wie an einen gegnerischen Offense-Spieler mit dem Ball unter dem Arm.
Das hätte sicher Fragen am Nebentisch aufgeworfen, allerdings war ich nach fast einer Stunde Klinkenputzen wirklich leicht gefrustet und spürbar unterzuckert.
Daher verzichtete ich ausnahmsweise auf Erregung öffentlichen Ärgernisses und deutete einem gerade servierenden Kellner an, dass wir uns gerne an den soeben frei gewordenen Zweiertisch auf der linken Seite vor dem Haus setzen würden, was trotz des Trubels freundlich mit „gerne, ich muss nur kurz abräumen und sauber machen.“ beantwortet wurde.
Ich postierte mich in gebührendem Abstand – ich hätte mich natürlich am liebsten direkt gesetzt um den „kostbaren“ Tisch nicht zu riskieren, wollte ihn aber natürlich zunächst seinen Job machen lassen – neben einem vor dem Haus stehenden Pflanzenkübel, wachte mit Argusaugen über das wertvolle Beutegut und hätten sich vorwitzige Mitbewerber dort in diesem Moment unvorsichtiger Weise platziert, hätte man sicher am nächsten Tag zumindest in der Lokalpresse von mir hören können und ich säße vermutlich noch heute in U-Haft.
Nach dieser unverhofften Odyssee war ich selten so froh darüber einen Tisch in einer durch und durch alltäglichen Lokalität bekommen zu haben, die ich zudem ansonsten wohl eher gemieden hätte.
Denn das Hofbräustüberl ist mitnichten ein weißer Fleck auf meiner gastronomischen „Carta Garmisch“, vor drei Jahren waren wir hier bereits zu Gast und an jenem Abend war ich eher unzufrieden und weiland auch nicht motiviert, darüber zu berichten, da gab es seinerzeit bedeutend schönere Anlässe.
Wie beim örtlichen Mitbewerber „Loisachstuben“ besteht die Karte aus einer Mischung aus mainstreamiger Balkan-, Schnitzel- und Steakküche sowie einer gehörigen Portion Oberbayern, die ebenfalls keine großen Experimente macht. Erwähnenswert noch die saisonalen Ergänzungen, so wird es auch Stammgästen nicht so schnell langweilig, was bei dieser Ausrichtung ansonsten sicher eine Gefahr ist, auch wenn die „Redundanzesserquote“ in der Zielgruppe bestimmt nicht klein ist.
So rustikal die Karte, so das Ambiente, im Inneren gepflegte, holzlastige Biederkeit mit alpinem Einschlag, draußen stehen Besteck und Servietten in Maßkrügen bereit, das Haus macht in der Außenansicht einen properen Eindruck der sich gut in die Umgebung einfügt, hier kann man sich durchaus wohlfühlen.
Der „genretypisch“ in klassisches Kellner Schwarz-Weiß gekleidete Herr im Service war eher wortkarg unterwegs aber nicht unfreundlich. Es scheint aus meiner Erfahrung ein tendenzielles Wesensmerkmal des „Balkan-Service“ zu sein und dabei ist es sicher Geschmackssache, ob man das mag oder eher auf gesteigert kommunikative Extrovertiertheit des Service aus ist.
Aber in solch einem gastronomischen Kontext an solch einem hektischen Abend erwarte ich auch ganz sicher keine empathieheuchelnden Operettenauftritte beim Servieren von Cecapcici und Schweinebraten, das passte völlig ins durchaus positive Bild.
Schon bald stand ein gut gekühltes Franziskaner Weizen vor mir, Zeit zum Durchatmen und um den hopfigen Fotogruß von GastroGuide Kollege AndiHa zu erwidern, den er just in diesem Moment vom Bodensee schickte.
Trotz des vollen Hauses sollte die Küche eine beeindruckende Schlagzahl an den Tag legen, was sich bei der nur wenige Minuten nach der Bestellung servierten Vorsuppe ankündigen sollte.
| Vorspeise |
Pfannkuchensuppe
Diese von mir geliebte Suppe hatte ich auch beim Erstbesuch und sie war damals Teil meiner Unzufriedenheit, wässrig, belanglos, klein und mit wenig Einlage. „Mal schauen ob damals Tagesform oder Grundsatzproblem…“ dachte ich mir, denn das Lokal ist auch bei Einheimischen beliebt, Touristen-Nepp wird hier definitiv nicht betrieben.
Die 2021er Version der Suppe war zwar auch keine Offenbarung aber immerhin eine deutliche Steigerung verglichen mit dem ersten Versuch.
Die Brühe war spürbar intensiver, wenngleich ich es noch deutlich kräftiger schätze, die Menge an Pfannkuchenstreifen ergab nun viel mehr Sinn, der Teig hatte einen schönen Schmelz, ohne das sich im Mundgefühl der Eindruck glibbriger, übergarter Pasta ergab, etwas Schnittlauch sorgte für etwas Grün auf dem Teller.
Eine solide Drei im mir bekannten Pfannkuchensuppen-Universum, würde ich in dieser Tagesform durchaus wieder bestellen.
Derweil bot sich auf der Sichtachse der Olympiastraße ein herrliches Schauspiel, postkartentaugliches Alpenglühen, ein Hauch vom Ayers Rock. Ich ging ein paar Meter die Straße hinunter um eine bessere Perspektive zu haben und mir gelang dieses Erinnerungsfoto, ein schöner Moment:
Kaum hatte man meinen Suppenteller abgeräumt und routiniert die Zufriedenheit erfragt, standen abermals nur wenige Minuten später unsere Hauptgerichte und Beilagensalate vor uns, was angesichts des vollen Hauses für die Routine der Küche spricht. Auch wenn es sich hier natürlich um eine Karte und Kulinarik handelt, die ein gut eingespieltes Team auch an solchen Abenden quantitativ aus dem Effeff beherrschen kann, ohne das die Gerichte allzu sehr leiden müssen.
| Hauptgerichte |
Pola Pola + Krautsalat
Schweinebraten + gemischter Beilagensalat
Ich hatte keine Lust auf Experimente oder auf Gerichte, die in erster Linie auf gelungene Saucen setzen, zu tief saßen noch die Vorbehalte, die sich aus unserem ersten Besuch ergaben. Der anspruchsvolle Solinger Kulinarik-Feingeist brillierte wieder mal mit gesteigerter Verlässlichkeit in Sachen infantiler Triebbefriedigung: FLEEIISCH, VOM GRILL (an dieser Stelle bitte an kindische Urmensch-Grunzlaute denken)!
Raznjici, Cevapcici, Pommes, Ajvar – das fühlte sich irgendwie falsch an, dafür fahre ich doch keine 770 Kilometer und ich wollte doch Perlen sammeln für meine Berichte und keine Kieselsteine.
Aber an diesem Abend war mir das egal und da die Betreiber eben vom Balkan stammen wählte ich eben das, was man gemeinhin in solchen Lokalen am besten beherrscht.
Das Gericht duftete sehr appetitlich und auch wenn ich schon besser aussehende Pommes erleben durfte sah das mit der kleinen Physalis / Petersilien Garnitur (kongeniale Kombi in dieser Form :-) insgesamt doch recht brauchbar aus.
Ich verbrannte mir wie immer kurz die Finger am Metallspieß und startete mit einem Stück von gut durchwachsenen, gottlob aber zarten Schweinenacken mit etwas Ajvar, das Fleisch wurde dezent mariniert, etwas Zitrone haftete ihm an, das Ajvar wie üblich eher mild und dabei schmackhaft.
Die Cevapcici hatten eine schöne Textur, noch etwas krümelig und nicht so fest-homogen, wie sie vor allem Convenience TK Ware besitzt. In der Aromatik neben Grillnoten natürlich Knoblauch tonangebend, Fans der Fleischröllchen vom Balkan dürften sicher in den meisten Fällen zufrieden sein.
Der obligatorische Djuvec Reis, den ich unter ihnen freilegen musste, war für einen solchen bemerkenswert „schlotzig“, ich hatte schon diverse Risotti, die trockener daher kamen. Noten von Aubergine, Paprika, Tomate, der Reis weich aber nicht verkocht: lecker, nur etwas salzarm, was sich natürlich beheben ließ.
Den dicken Klecks Sour Cream neben dem Fleisch habe ich nicht ganz verstanden, er war von guter Qualität und schmeckte, blieb aber größtenteils liegen, weil ich mir Sour Cream am ehesten in der (Tex-)Mex Küche als kühlen Counterpart in einem feurigen Taco o.ä. vorstellen kann, vielleicht bin auch einfach zu fantasielos.
Die Portion war üppig, ich schaffte die Beilagen nicht komplett und alles in allem hat das wirklich gut geschmeckt, ab und zu mag ich solche Retro-Ausflüge bekanntlich zugegeben auch.
Den Krautsalat habe ich extra dazu bestellt, die Menge hätte locker für mindestens zwei normale Esser als Beilagensalat gereicht, eine Riesenportion. Er machte einen hausgemachten Eindruck, hätte vielleicht noch etwas mehr durchziehen können, überzeugte aber mit Frische und angenehmer Säure, ich half etwas mit Pfeffer und Salz nach und war sehr glücklich mit dem Ergebnis.
Frau Shaneymac liebt den bayerischen Klassiker Schweinebraten sehr, für Rotkohl war es ihr zu sommerlich, somit konnte problemlos ein kleiner gemischter Salat an seine Stelle treten.
Eine generöse Portion, der Kartoffel-Kloß wurde sogar heute noch gelobt und auch hier hatte man an eine kleine Garnitur gedacht, das kann doch schlechter aussehen wie ich finde.
Auch Fleisch und Soße gefielen und beim Braten ist Madame immer mäkelig, wenn es um Fett und Sehnen geht, auch wenn sich dies natürlich nie ganz vermeiden lässt, was ihr natürlich bewusst ist.
Ich habe nicht probiert aber die Soße schmeckte Convenience-frei hörte ich, auch ihr hat es gut geschmeckt und das schließt ihren ebenfalls großzügig bemessenen Beilagensalat aus gemischten Blattsalaten, Krautsalat und feinen, eher rohkostigen Karottenstreifen ausdrücklich mit ein.
Puh, ich hatte zwar vorab noch Palatschinken als Dessert erwogen aber nach Suppe und meiner Balkan-Platte ging wirklich nichts mehr und mein Appetit streckte die Waffen.
Wir plauderten noch etwas mit einem sympathischen jungen Pärchen am Nebentisch, die zum ersten Mal in Garmisch Urlaub machten, gaben ein paar Tipps für lohnende Restaurants im Ort und ich bat um die Rechnung.
Obwohl ich beim ersten Mal mit Karte zahlen konnte, war dies heute nicht möglich. Damals musste ich mit zur Theke kommen, vielleicht war es deshalb so und man wollte Zeit sparen, man weiß es nicht.
Bevor ich schauen konnte, ob ich genügend Bargeld dabei habe – ich bin notorisch bargeldlos – zahlte meine Begleitung und alles ging so fix, dass ich vergaß nach dem Bon zu fragen, was auch der Grund dafür ist, dass ich heute keine Preisangaben machen konnte und eine Karte habe ich online leider nicht finden können.
Wir sind bei knapp über 50 Euro gelandet, die Hauptgerichte bewegten sich bei ca. 12 -14 Euro, der Krautsalat bei 5 Euro wenn ich mich recht erinnere. Sehr ziviles Niveau also insbesondere vor dem Hintergrund des touristischen Settings, da geht man anderorts doch forscher zur Sache.
Auch wenn nicht gerade mit dem Gefühl schillernder kulinarischer Bereicherung aber trotzdem angesichts der Umstände alles andere als unzufrieden ging es gemächlich zurück zum Hotel. Madame gönnte sich noch zwei Kugeln im Becher bei einer nahen, sehr brauchbaren Eisdiele und war happy; das hätte doch wesentlich schlechter enden können!
Fazit
Die Küche hat mit Produkten und Handwerk eine gute Leistung abgeliefert, scheint aber auch mit Blick auf die Vorkritik von Obacht! und unseren Erstbesuch in 2018 zu spürbaren Tagesformen zu neigen. Die diesjährige war eine gute solche: vier Sterne für eine sehr anständige wenn auch keine herausragende Vorstellung, wie immer bezogen auf preislich und im Angebot vergleichbare Mitbewerber.
Der Service ebenso gut für das, was man in solch einem Lokal erwarten kann. Flink, fehlerfrei, präsent und ansprechbar aber eben auch sehr zweckorientiert, was auch angesichts des starken Andrangs wohl diesmal auch sehr nachvollziehbar war: ebenfalls vier Sterne.
Das Ambiente bekommt dank des Alpenglühen-Panoramas – das man aber auch nur von den Plätzen vor dem Haus wahrnehmen konnte – einen halben Extra-Stern und landet ebenfalls bei vier, im Inneren wäre ich wahrscheinlich bei dreien gelandet.
Die Sauberkeit kann ich bezogen auf heute nur sehr bedingt beurteilen, aber auch beim ersten Besuch fiel nichts negativ auf, im Gegenteil sogar, daher fünf Sterne.
Beim Preis-Leistungs-Verhältnis sehe ich auch eine überzeugte Schulnote zwei und komme auch hier auf vier Sterne.
Somit wird es wenig überraschen, dass ich für die heutige Momentaufnahme ebenfalls auf vier Sterne in der Gesamtwertung komme.
Ich würde hier sicher wieder hingehen wenn es sich ergibt, aber zugegeben suche ich im Urlaub auch immer neue Entdeckungen und sieht man von den bayerischen Einfärbungen der Karte ab, bekomme ich dies alles auch in meiner Ecke und für das Thema Bayern gibt es im Ort noch mehrere Häuser, die immer noch auf meiner To-Do-Liste stehen.
Daher bleibt es für mich wohl eher eine Notlösung, „aber als solche gibt es sicher schlechtere“ sinnierte ich auf dem Rückweg, als ich daran dachte, dass wir im schlimmsten Fall erst zu sehr später Stunde hätten essen können oder mit irgendetwas unsäglichem aus der Abteilung Fast Food geendet wären – dann doch lieber ein paar gelungene Cevapcici…