Besucht am 19.09.2020Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 42 EUR
Sommer, Sonne, Schnitzel unter freiem Himmel! Davon sind wir derzeit etwa so weit entfernt wie von einer bemannten Marsmission. Aber drehen wir die Zeit um ein paar Monate zurück und blicken auf den in vielerlei Hinsicht herrlichen September. Der Sommer ging locker über den August hinaus und wurde nicht müde, uns seine täglichen Zugaben auch im sogenannten „Herbstmonat“ zu bescheren.
Da gehörte das Radfahren zum Wochenende wie das Weizenbier zum Daueresser oder der Meursault zum Rezensionsliteraten von der Weser. Und so kam es, dass ein guter Kollege, der als Präsident dem wohl berühmtesten Schlemmerclub von ganz Wörth vorsteht, zusammen mit mir eine Radtour nach Speyer unternahm. Es war Samstag, das Wetter traumhaft und mit dem Regio-Express ging es zunächst vom heimischen Steinweiler in nördlicher Richtung nach Maikammer, dem Startpunkt für unserer Unternehmung.
Dank topfebenem Gelände und unterstützt von leichtem Rückenwind ließ sich die geschichtsträchtige Domstadt am Rhein in angenehm leichter Radelei erreichen. Ein kleiner Rundgang im Kaiserdom wurde gleich nach der Ankunft getätigt. Dann ging es über die Flaniermeile in Richtung Altpörtel, wohlwissend, dass sich gerade hier auch das kulinarische Epizentrum der ehemaligen freien Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation befindet.
Über 100 gastronomische Einrichtungen sollen laut einem bekannten Online-Reiseratgeber in dem ca. 50 000 Einwohner zählenden, zu den ältesten Städten Deutschlands gehörenden Mittelzentrum beheimatet sein. Das da was dran ist, merkt man bereits nach ein paar Metern auf der von Touristen, Kaufwütigen und sonstigen Flaneuren reich bevölkerten Maximilianstraße, der legendären „Via Triumphalis“.
Um uns den Slalom durch die Menschenmengen zu ersparen, schlossen wir unsere Räder in der Nähe des Kaiserdoms ab und schlenderten den Rest ganz gemütlich zu Fuß. Mein Kollege hatte das Restaurant „Zur alten Münz“ im Visier, das wir das letzte Mal vor gut drei Jahren mit unserem Wörther Futterverein besucht hatten. Doch dort war der komplette Außenbereich mit Freunden der besserbürgerlichen Hausmannskost besetzt. Und einen Tisch im Inneren wollten wir bei dem schönen Wetter eigentlich nicht in Betracht ziehen. Aber letztlich mussten wir nehmen was kommt, denn wir hatten nicht im Vorfeld reserviert.
Beim Blick hinüber in Richtung St. Georgs-Brunnen trauten ich meinen Adleraugen kaum. Ein Tisch war auf der wesentlich kleineren Terrasse des Goldenen Hirschen gerade frei geworden. Da hieß die Devise: schnell handeln. Kurz darauf – wir konnten unser Glück immer noch nicht so recht fassen – saßen wir am ersten Platz direkt vor der Fassade des historischen Wirtshauses, in dem schon seit 1890 (Sachen gibt’s…) ausgeschenkt und aufgetischt wird.
Mittlerweile haben hier – genau wie in der benachbarten „Alten Münz“ – ungarische Betreiber das Sagen. Diese scheinen einen richtig guten Job zu erledigen, mag man den vielen sehr guten Bewertungen auf Tripadvisor Glauben schenken. Knapp 200 Mal wurde auf diesem Portal das Prädikät „ausgezeichnet“ vergeben. Das hat dem Lokal im Herzen von Speyer die Pole Position eingebracht, noch vor der Weinstube Rabennest und dem Le Cyclo (vietnamesischer Laden, die ich auch schon bei GG rezensiert habe, Anm.).
Auf dem Tisch lag eine vorbildlich laminierte Extrakarte mit den Wochenempfehlungen, die den kulinarischen Herbst einläuteten. Kastaniensaumagen, Herbstsalat (mit gegrillter Entenbrust) und Hirschgulasch mit Kürbiskartoffelpüree – da klang ja ein Teller saisonaler als der andere. Auch eine Weinempfehlung wurde darauf ausgesprochen. Ein trockener Sauvignon Blanc vom Weingut Mussler aus Bissersheim, das mit seiner lauschigen Vinothek im Grünen für entspannte - sorry „gechillte“ muss es ja heißen - Sommerweinerlebnisse sorgt, wurde offen ausgeschenkt.
Direkt neben mir hing eine Schiefertafel mit weiteren Anregungen für den stabilen Esser an der Hauswand. Der klassische Pfalzteller mit dem schweinernen „Trio Rustico“ (Saumagen, Bratwurst und Leberknödel) wurde hier althergebracht mit Riesling-Sauerkraut, Bratkartoffeln und Bratensoße serviert. Auch mit einem Cordon Bleu mit Pfannengemüse, Pommes und Beilagensalat wurde geworben.
Die Servierbrigade hatte zwar auch im Gastraum einiges zu tun – dort ließ es sich eine größere Gesellschaft an einer langen Tafel so richtig feierlich gehen –, war jedoch keineswegs mit dem Andrang auf der komplett besetzten Terrasse überfordert, sondern wirkte sehr präsent und bei all dem Betrieb nicht gehetzt oder genervt.
Schön, wenn Bedienungen trotz der Hektik des Tagesgeschäfts noch Zeit für ein Lächeln oder ein paar nette Worte finden. Das wirkt professionell und nimmt dem Ganzen auch den Anschein jeglicher Abfertigungsgastronomie, wie man sie in touristischen Hotspots leider nur allzu häufig vorfindet. In der Speyerer Maximilianstraße gibt es bestimmt solche Adressen. Der Goldene Hirsch gehört da definitiv nicht dazu.
Zuerst musste der akute Verdurstungsprozess unterbrochen werden. Für einen der Radler gab’s dann auch einen Radler. Und zwar einen wohlgezapften Schoppen für kleinstädtische 4,20 Euro. Für das gleiche Geld ließ sich mein Kollege, der seit ich ihn kenne eine wenig nachvollziehbare Alkoholimmunität vorweist, einen halben Liter Johannisbeerschorle kommen. Die erfrischenden Durstlöscher wurden flott serviert. Mit der Essensentscheidung dauerte es bei uns ein wenig länger.
Schuld daran war das übersichtlich gestaltete, aber dennoch völlig ausreichende Angebot an zumeist fleischlastigen Gerichten gutbürgerlicher Prägung. Für Freunde des argentinischen Rinds wurden ein 300 Gramm schweres Rumpsteak sowie Ochsenfetzen nach Stroganoff-Art offeriert. Schweinefilet-Filous und Schnitzelschergen kamen selbstverständlich auch auf ihre Kosten. Auch waren in der Karte erfreulich viele Salatvariationen gelistet. Die Speyerer Flaneure mögen es halt gerne leicht.
Die offen ausgeschenkten Weine bezieht man hier primär vom bereits erwähnten Weingut Mussler aus Bissersheim. Bei den Weißweinen aus der Flasche darf es dann auch mal ein guter Tropfen von Bassermann-Jordan aus Deidesheim sein. Mit einem Rioja von Ugarte (25 Euro die Flasche) war auch ein preisgünstiger „Exot“ (bezieht sich nur auf die dortige Weinauswahl) vertreten.
Für mich als bekennenden „Wein-Paten“ mit jeder Menge Tinto im Blut natürlich ein Angebot, was ich kaum ablehnen konnte. Aber leider musste. Denn die Heimreise auf dem Drahtesel stand mir ja noch bevor. Naja, vielleicht beim nächsten Besuch, wenn die liebe Gattin den Wagen nach Hause lenkt.
Ach ja, gegessen haben wir dort natürlich auch. Beide entschieden wir uns für fleischliches Bratwerk fritteuser Prägung. Mein Kollege orderte frohgemut das Cordon Bleu von der Schiefertafel (15,90 Euro), das laut Speisenkarte aus Hähnchenbrustfilet zubereitet wurde. Auf der Tafel stand davon nichts geschrieben und das Kleingedruckte aus der vorschriftsmäßig laminierten Speisefibel hatte er wohl überlesen. Um es gleich vorweg zu nehmen: es blieb das einzige kleine kulinarische Manko unseres Mittagsmahls.
Ich hatte mich für das Schnitzel „Wiener Art“ (14,80 Euro) erwärmt, welches mit einer Champignonrahmsauce, einer überschaubaren Menge an Pommes frites sowie einem frischen Beilagensalat aus der Küche getragen wurde. Beim Kollegen kamen noch Pfannengemüse und ein Knoblauch-Dip hinzu. Pommes und Salat waren auch bei seinem Hähnchen-Cordon-Bleu im Preis inkludiert.
Das knackige, mit ordentlich Rohkost verfeinerte Blattgrün machte wie üblich den Anfang. Dem Hausdressing fehlte es nicht an zupackender Essigsäure, was mir bei einem Salatteller eigentlich immer gut gefällt. „Da machste nix falsch!“, würde ein dalai-lamaesker Genussgeselle aus Bremen an dieser Stelle anmerken. Genauso sah ich das auch.
Nach der üblichen, einem durch das Hungergefühl immer etwas länger vorkommenden Wartezeit, wurden uns die stattlichen Prachtexemplare serviert. Mein Schweineschnitzel gefiel mir in seiner Panaderolle ausgesprochen gut. Sein zart geklopftes Inneres war von einer knusprigen Brösel-Hülle eingefasst. Zwischen der leicht soufflierten „Wiener-Haut“ wartete ein gut gewürztes, ehrliches Folklorestück, das von seiner Größe her schon eher an den guten Esser adressiert war. Kalorien, die ich für den heimwärts führenden Rheinradweg gut gebrauchen konnte.
Die auffallend helle Champignonsauce hatte sichtlich viel Rahm abbekommen, was sie jedoch nicht per se unter den Verdacht des „Totsahnens“ stellte. Scheinbar entstammte die Basis einer kräftigen Jus, bei der zumindest keine offensichtlichen Hilfspülverchen zum Einsatz kamen. Sie war harmonisch abgeschmeckt – der etwas abgedroschene Ausdruck „rund“ trifft es wohl am Ehesten – und allein schon wegen ihres Sahnegehalts ein handfester Beiguss. Ins kulinarische Langzeitgedächtnis brannte er sich dennoch nicht ein.
Mein Tischkumpan lobte das auf Biss gebratene, mediterrane Pfannengemüse. Sein Knobi-Dip kam aus dem Spritzbeutel und zierte in generöser Portionierung ein Chicorée-Blatt. Den Hähnchen-Fauxpas bemerkte er erst beim Anschnitt. Nun gut, wenigstens die saftige Schinken-Käse-Füllung rettete ihm die gutbürgerliche Laune. Die Pommes waren guter Standard und kamen mit ausreichender Salzwürze auf den Teller.
Summa summarum waren das zwei ordentliche Hausmannsgerichte, die unserem Hunger deftig die Stirn boten. Keine lieblose Husch-Husch-Küche, wie man sie in so mancher Touri-Klause gerne vorgesetzt bekommt, sondern eine schnörkellos gekochte, äußerst sättigende Herdleistung der liebenswerteren Art.
Das gutgelaunte Speyerer Bürgertum hat den Goldenen Hirsch auf den ersten Platz „getripadvisort“, sicher nicht ahnend, dass ihre Domstadt noch ganz andere gastronomische Schätze versteckt hält. Aber „Clyne“, „AvantGarthe“ oder der „Alte Engel“ sind eben auch keine Restaurants auf der touristischen Prachtmeile, sondern etwas abseits des Mainstreams beheimatete Genusstempel, die den ambitionierteren Kostgänger ansprechen wollen.
Einen solchen traf ich übrigens ein paar Wochen später im besagten „Alten Engel“. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…vielleicht erzähl‘ ich sie euch mal ;-)
Sommer, Sonne, Schnitzel unter freiem Himmel! Davon sind wir derzeit etwa so weit entfernt wie von einer bemannten Marsmission. Aber drehen wir die Zeit um ein paar Monate zurück und blicken auf den in vielerlei Hinsicht herrlichen September. Der Sommer ging locker über den August hinaus und wurde nicht müde, uns seine täglichen Zugaben auch im sogenannten „Herbstmonat“ zu bescheren.
Da gehörte das Radfahren zum Wochenende wie das Weizenbier zum Daueresser oder der Meursault zum Rezensionsliteraten von der Weser. Und so... mehr lesen
Die erste Etappe führt nach Speyer. Die Großen und Mächtigen des MA gaben sich hier zu verschiedenen Anlässen ein Stelldichein - und sei es auch nur, um in der Krypta des Domes in ehrwürdiger kaiserlicher Umgebung zur ewigen Ruhe gebettet zu werden.
Der alte Stadtkern von Speyer ist von Kirchen umstellt. Eine ganze Heerschar himmlischer Hilfsgeister verpflichtete man sich, angefangen mit dem imposanten Dom und fortgesetzt in vielen anderen Kirchbauten, die gemessen an der Zahl der Seelen, wie man in Kirchenkreisen sagt, eine erstaunliche Größe aufweisen.
Im Sinne mittelalterlichen Denkens war man so gut aufgestellt um der Kraft des Bösen zu trotzen und den erforderlichen Beistand des Himmels zu erwirken.
Nichts desto trotz schaffte es der Mammon stets, die Sphäre des himmlischen Beistandes in seine Dienste zu spannen. Da, wo viele beteten, witterte er auch gute Kundschaft. Das gilt nicht nur in seiner speziellen Ausformung für Montmartre. Auch in Speyer blüht zwischen dem Stadttor „Altpörtel und dem Dom das Geschäftsleben, natürlich ohne die pikante Note von Paris.
In den engen Straßen der Altstadt drängeln die Autos wie eine Invasion von Marienkäfern an schwülen Frühlingstagen an Wänden und Scheiben. Ich muss mich an beides erst gewöhnen: an die Enge und an die motorisierte Hektik, die einen fundamentalen Kontrast zur Beschaulichkeit des alten Stadtbildes darstellt.
Wir wohnen fünf Minuten zu Fuß vom Dom entfernt, also mitten in Enge und Trubel. Das ist eine bewusste Entscheidung. Wir wollen die Stadt erleben. Und so konzentrieren wir uns auf das, was wir fußläufig erreichen können. Und dazu gehört natürlich auch der Besuch eines Restaurants. Zählt man diese Seite des Lebens zu den Formen der innerweltlichen Erlösung, dann entsprach unsere Restaurantsuche nicht nur einer Odyssee, sondern einer Wanderung durch Vorformen des Fegefeuers. Der Vergleich mit der Odyssee hinkt allerdings, da ja der Held der Handlung schließlich bei Penelope landet und alles wieder gut ist. Das Bild vom Fegefeuer stimmt auch nicht ganz, denn nach dieser schmerzlichen Reinigung gelangt man an den Ort der Erlösung, in unserem Fall war es doch eher der Irrtum vom Ort der Erlösung.
Die Gassen rauf und runter wälzte sich der pfälzische Saumagen zu unserm Unbehagen durch die Speisekarten im Gefolge wenig lockender anderer Gerichte, sodass wir zwar begeistert waren von schönen Gebäuden, anmutenden Plätzen und idyllischen Straßenzeilen, entnervt jedoch von der Eintönigkeit der Speisekarten schließlich wieder auf der Maximilianstraße ankamen, also der Verbindung zwischen Altpörtel und Dom. Leider sättigt die Begeisterung für steinerne Meisterwerke nicht.
In dem Bemühen uns rational und wohl überlegt zu entscheiden werfen wir noch einen Blick in den Ratskeller. Doch nein! Die Karte macht zwar keinen ganz schlechten Eindruck, aber die Sonne scheint noch und dann in so einen dunklen Keller zum Essen gehen?
Da lockt das Gasthaus „Zum goldenen Hirsch“! Wir sitzen draußen, haben einen vorzüglichen Blick auf den Dom und andere stattliche Gebäude und ... na ja, der gebratene Zander mit Gemüsesahneragout und Pfifferlingen, der könnte brauchbar sein.
Der Chef des Hauses begrüßt uns freundlich, die ihn unterstützende Dame nicht minder. Wir bestellen den Zander mit einem kleinen Salat, dazu Wasser, ein Glas Sekt und ein Glas St. Laurent. Meine Rückfrage bei der Dame, ob im Salat Gurken enthalten sind, wird verneint.
Sekt und Rotwein schmecken gut. Zerberuz lobt das prickelnde Getränk, ich finde den Wein gehaltvoll. Der Salat wird aufgetischt, eine schlichte Zusammenstellung von grünem Salat mit Paprika und ganz viel klein geschnipselter Gurke. Die junge Dame lächelt verlegen, als ich ihr das zeige. „Ach, Gurke. Gurke!“ Ihr Deutsch taugt nicht für die elementare Verständigung mit dem Gast. Aber nett ist sie schon.
Ich sortiere die Gurkenschnipsel heraus. Was auf dem Teller liegt, macht einen frischen Eindruck. Das Dressing tendiert nach meinem Geschmack viel zu sehr in Richtung Essig. Hier ist mittlere Hausmannskost noch gelungen.
Die sinkende Sonne beleuchtet den Dom in phantastischer Weise. Aber auch die anderen Gebäude putzt das Licht bemerkenswert heraus. Dem Auge eröffnet sich ein imposantes Ambiente. Wie kommt es nur, dass an so schönen Plätzen der Gaumen der Banalität des Mittelmaßes ausgeliefert ist? Haben die Schutzheiligen Speyer im Stich gelassen?
Der Zander wird serviert. Sein Erscheinungsbild sei jedem Hausmann und jeder Hausfrau zugestanden, aber als Produkt eines Gasthauses, das sich „Ein Stück Pfalz“ nennt? Optik und Zierde sind offensichtlich nicht die Stärke des ‘Godenen Hirschs‘.
Der Fisch ist brauchbar gegart. Das Gemüse steht dem nicht nach. Alles zusammen auf dem Teller gewinnt seinen Geschmack in Verbindung mit der Sahne-Käse-Sauce. Zugegeben, das ist ein schlichtes Gericht, das jedem Hobbykoch durchaus auch besser gelingen könnte, andererseits, es kostet nur 15,90 €.
Nachdem ich gezahlt habe, der ‘Goldene Hirsch‘ bereits von Blitz und Donner und Regen heimgesucht wird, ich selbst nach den Tröstungen aus dem Vorrat meines mitgebrachten Rotweines mir eine hinreichende Bettschwere erkämpft habe, da meldet sich mein Magen. Ein die Nacht füllender Disput beginnt, in dem dieses sensible Organ sehr detailliert erläutert, dass die Sahne-Käse-Sauce wohl nicht aus frischen Zutaten hervorgegangen ist. Fazit: Alles in allem komme ich für das Essen nur auf 2 Stern. Dem Service gebe ich als Mischnote 3 Sterne, das Ambiente verdient wohl fünf Sterne, aber insgesamt geht es nicht aus einer Leistung des Gastronomen hervor. In der Mischkalkulation einige ich mich auf 4 Sterne für diesen Bereich. An der Sauberkeit ist mir nichts negativ aufgefallen, ich war aber auch nicht im Gebäude. Auch hier einige ich mich auf 4 Sterne.
Sommer - Ferien - Reisezeit
Die erste Etappe führt nach Speyer. Die Großen und Mächtigen des MA gaben sich hier zu verschiedenen Anlässen ein Stelldichein - und sei es auch nur, um in der Krypta des Domes in ehrwürdiger kaiserlicher Umgebung zur ewigen Ruhe gebettet zu werden.
Der alte Stadtkern von Speyer ist von Kirchen umstellt. Eine ganze Heerschar himmlischer Hilfsgeister verpflichtete man sich, angefangen mit dem imposanten Dom und fortgesetzt in vielen anderen Kirchbauten, die gemessen an der Zahl der Seelen,... mehr lesen
Da gehörte das Radfahren zum Wochenende wie das Weizenbier zum Daueresser oder der Meursault zum Rezensionsliteraten von der Weser. Und so kam es, dass ein guter Kollege, der als Präsident dem wohl berühmtesten Schlemmerclub von ganz Wörth vorsteht, zusammen mit mir eine Radtour nach Speyer unternahm. Es war Samstag, das Wetter traumhaft und mit dem Regio-Express ging es zunächst vom heimischen Steinweiler in nördlicher Richtung nach Maikammer, dem Startpunkt für unserer Unternehmung.
Dank topfebenem Gelände und unterstützt von leichtem Rückenwind ließ sich die geschichtsträchtige Domstadt am Rhein in angenehm leichter Radelei erreichen. Ein kleiner Rundgang im Kaiserdom wurde gleich nach der Ankunft getätigt. Dann ging es über die Flaniermeile in Richtung Altpörtel, wohlwissend, dass sich gerade hier auch das kulinarische Epizentrum der ehemaligen freien Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation befindet.
Über 100 gastronomische Einrichtungen sollen laut einem bekannten Online-Reiseratgeber in dem ca. 50 000 Einwohner zählenden, zu den ältesten Städten Deutschlands gehörenden Mittelzentrum beheimatet sein. Das da was dran ist, merkt man bereits nach ein paar Metern auf der von Touristen, Kaufwütigen und sonstigen Flaneuren reich bevölkerten Maximilianstraße, der legendären „Via Triumphalis“.
Um uns den Slalom durch die Menschenmengen zu ersparen, schlossen wir unsere Räder in der Nähe des Kaiserdoms ab und schlenderten den Rest ganz gemütlich zu Fuß. Mein Kollege hatte das Restaurant „Zur alten Münz“ im Visier, das wir das letzte Mal vor gut drei Jahren mit unserem Wörther Futterverein besucht hatten. Doch dort war der komplette Außenbereich mit Freunden der besserbürgerlichen Hausmannskost besetzt. Und einen Tisch im Inneren wollten wir bei dem schönen Wetter eigentlich nicht in Betracht ziehen. Aber letztlich mussten wir nehmen was kommt, denn wir hatten nicht im Vorfeld reserviert.
Beim Blick hinüber in Richtung St. Georgs-Brunnen trauten ich meinen Adleraugen kaum. Ein Tisch war auf der wesentlich kleineren Terrasse des Goldenen Hirschen gerade frei geworden. Da hieß die Devise: schnell handeln. Kurz darauf – wir konnten unser Glück immer noch nicht so recht fassen – saßen wir am ersten Platz direkt vor der Fassade des historischen Wirtshauses, in dem schon seit 1890 (Sachen gibt’s…) ausgeschenkt und aufgetischt wird.
Mittlerweile haben hier – genau wie in der benachbarten „Alten Münz“ – ungarische Betreiber das Sagen. Diese scheinen einen richtig guten Job zu erledigen, mag man den vielen sehr guten Bewertungen auf Tripadvisor Glauben schenken. Knapp 200 Mal wurde auf diesem Portal das Prädikät „ausgezeichnet“ vergeben. Das hat dem Lokal im Herzen von Speyer die Pole Position eingebracht, noch vor der Weinstube Rabennest und dem Le Cyclo (vietnamesischer Laden, die ich auch schon bei GG rezensiert habe, Anm.).
Auf dem Tisch lag eine vorbildlich laminierte Extrakarte mit den Wochenempfehlungen, die den kulinarischen Herbst einläuteten. Kastaniensaumagen, Herbstsalat (mit gegrillter Entenbrust) und Hirschgulasch mit Kürbiskartoffelpüree – da klang ja ein Teller saisonaler als der andere. Auch eine Weinempfehlung wurde darauf ausgesprochen. Ein trockener Sauvignon Blanc vom Weingut Mussler aus Bissersheim, das mit seiner lauschigen Vinothek im Grünen für entspannte - sorry „gechillte“ muss es ja heißen - Sommerweinerlebnisse sorgt, wurde offen ausgeschenkt.
Direkt neben mir hing eine Schiefertafel mit weiteren Anregungen für den stabilen Esser an der Hauswand. Der klassische Pfalzteller mit dem schweinernen „Trio Rustico“ (Saumagen, Bratwurst und Leberknödel) wurde hier althergebracht mit Riesling-Sauerkraut, Bratkartoffeln und Bratensoße serviert. Auch mit einem Cordon Bleu mit Pfannengemüse, Pommes und Beilagensalat wurde geworben.
Die Servierbrigade hatte zwar auch im Gastraum einiges zu tun – dort ließ es sich eine größere Gesellschaft an einer langen Tafel so richtig feierlich gehen –, war jedoch keineswegs mit dem Andrang auf der komplett besetzten Terrasse überfordert, sondern wirkte sehr präsent und bei all dem Betrieb nicht gehetzt oder genervt.
Schön, wenn Bedienungen trotz der Hektik des Tagesgeschäfts noch Zeit für ein Lächeln oder ein paar nette Worte finden. Das wirkt professionell und nimmt dem Ganzen auch den Anschein jeglicher Abfertigungsgastronomie, wie man sie in touristischen Hotspots leider nur allzu häufig vorfindet. In der Speyerer Maximilianstraße gibt es bestimmt solche Adressen. Der Goldene Hirsch gehört da definitiv nicht dazu.
Zuerst musste der akute Verdurstungsprozess unterbrochen werden. Für einen der Radler gab’s dann auch einen Radler. Und zwar einen wohlgezapften Schoppen für kleinstädtische 4,20 Euro. Für das gleiche Geld ließ sich mein Kollege, der seit ich ihn kenne eine wenig nachvollziehbare Alkoholimmunität vorweist, einen halben Liter Johannisbeerschorle kommen. Die erfrischenden Durstlöscher wurden flott serviert. Mit der Essensentscheidung dauerte es bei uns ein wenig länger.
Schuld daran war das übersichtlich gestaltete, aber dennoch völlig ausreichende Angebot an zumeist fleischlastigen Gerichten gutbürgerlicher Prägung. Für Freunde des argentinischen Rinds wurden ein 300 Gramm schweres Rumpsteak sowie Ochsenfetzen nach Stroganoff-Art offeriert. Schweinefilet-Filous und Schnitzelschergen kamen selbstverständlich auch auf ihre Kosten. Auch waren in der Karte erfreulich viele Salatvariationen gelistet. Die Speyerer Flaneure mögen es halt gerne leicht.
Die offen ausgeschenkten Weine bezieht man hier primär vom bereits erwähnten Weingut Mussler aus Bissersheim. Bei den Weißweinen aus der Flasche darf es dann auch mal ein guter Tropfen von Bassermann-Jordan aus Deidesheim sein. Mit einem Rioja von Ugarte (25 Euro die Flasche) war auch ein preisgünstiger „Exot“ (bezieht sich nur auf die dortige Weinauswahl) vertreten.
Für mich als bekennenden „Wein-Paten“ mit jeder Menge Tinto im Blut natürlich ein Angebot, was ich kaum ablehnen konnte. Aber leider musste. Denn die Heimreise auf dem Drahtesel stand mir ja noch bevor. Naja, vielleicht beim nächsten Besuch, wenn die liebe Gattin den Wagen nach Hause lenkt.
Ach ja, gegessen haben wir dort natürlich auch. Beide entschieden wir uns für fleischliches Bratwerk fritteuser Prägung. Mein Kollege orderte frohgemut das Cordon Bleu von der Schiefertafel (15,90 Euro), das laut Speisenkarte aus Hähnchenbrustfilet zubereitet wurde. Auf der Tafel stand davon nichts geschrieben und das Kleingedruckte aus der vorschriftsmäßig laminierten Speisefibel hatte er wohl überlesen. Um es gleich vorweg zu nehmen: es blieb das einzige kleine kulinarische Manko unseres Mittagsmahls.
Ich hatte mich für das Schnitzel „Wiener Art“ (14,80 Euro) erwärmt, welches mit einer Champignonrahmsauce, einer überschaubaren Menge an Pommes frites sowie einem frischen Beilagensalat aus der Küche getragen wurde. Beim Kollegen kamen noch Pfannengemüse und ein Knoblauch-Dip hinzu. Pommes und Salat waren auch bei seinem Hähnchen-Cordon-Bleu im Preis inkludiert.
Das knackige, mit ordentlich Rohkost verfeinerte Blattgrün machte wie üblich den Anfang. Dem Hausdressing fehlte es nicht an zupackender Essigsäure, was mir bei einem Salatteller eigentlich immer gut gefällt. „Da machste nix falsch!“, würde ein dalai-lamaesker Genussgeselle aus Bremen an dieser Stelle anmerken. Genauso sah ich das auch.
Nach der üblichen, einem durch das Hungergefühl immer etwas länger vorkommenden Wartezeit, wurden uns die stattlichen Prachtexemplare serviert. Mein Schweineschnitzel gefiel mir in seiner Panaderolle ausgesprochen gut. Sein zart geklopftes Inneres war von einer knusprigen Brösel-Hülle eingefasst. Zwischen der leicht soufflierten „Wiener-Haut“ wartete ein gut gewürztes, ehrliches Folklorestück, das von seiner Größe her schon eher an den guten Esser adressiert war. Kalorien, die ich für den heimwärts führenden Rheinradweg gut gebrauchen konnte.
Die auffallend helle Champignonsauce hatte sichtlich viel Rahm abbekommen, was sie jedoch nicht per se unter den Verdacht des „Totsahnens“ stellte. Scheinbar entstammte die Basis einer kräftigen Jus, bei der zumindest keine offensichtlichen Hilfspülverchen zum Einsatz kamen. Sie war harmonisch abgeschmeckt – der etwas abgedroschene Ausdruck „rund“ trifft es wohl am Ehesten – und allein schon wegen ihres Sahnegehalts ein handfester Beiguss. Ins kulinarische Langzeitgedächtnis brannte er sich dennoch nicht ein.
Mein Tischkumpan lobte das auf Biss gebratene, mediterrane Pfannengemüse. Sein Knobi-Dip kam aus dem Spritzbeutel und zierte in generöser Portionierung ein Chicorée-Blatt. Den Hähnchen-Fauxpas bemerkte er erst beim Anschnitt. Nun gut, wenigstens die saftige Schinken-Käse-Füllung rettete ihm die gutbürgerliche Laune. Die Pommes waren guter Standard und kamen mit ausreichender Salzwürze auf den Teller.
Summa summarum waren das zwei ordentliche Hausmannsgerichte, die unserem Hunger deftig die Stirn boten. Keine lieblose Husch-Husch-Küche, wie man sie in so mancher Touri-Klause gerne vorgesetzt bekommt, sondern eine schnörkellos gekochte, äußerst sättigende Herdleistung der liebenswerteren Art.
Das gutgelaunte Speyerer Bürgertum hat den Goldenen Hirsch auf den ersten Platz „getripadvisort“, sicher nicht ahnend, dass ihre Domstadt noch ganz andere gastronomische Schätze versteckt hält. Aber „Clyne“, „AvantGarthe“ oder der „Alte Engel“ sind eben auch keine Restaurants auf der touristischen Prachtmeile, sondern etwas abseits des Mainstreams beheimatete Genusstempel, die den ambitionierteren Kostgänger ansprechen wollen.
Einen solchen traf ich übrigens ein paar Wochen später im besagten „Alten Engel“. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…vielleicht erzähl‘ ich sie euch mal ;-)