Geschrieben am 25.10.2015 2015-10-25| Aktualisiert am
11.12.2015
Besucht am 21.10.2015
Das Restaurant Kikillus gehört zur Elite der Dortmunder Gastronomie. Feine kreative Küche detailverliebt und mit überraschenden geschmacklichen Erlebnissen in großer Perfektion.
Nach einem Jahr ein aktuelles Update von mir mit Licht und Schatten.
Anfahrt
Über die B1/A40 Abfahrt Hauptfriedhof in 2 Minuten erreichbar. Hauseigene Parkplätze sind vor und neben dem Gebäude reichlich vorhanden.
Ambiente
Wir betreten das ebenerdige Restaurant, das sich in einem eingeschossigen Flachdachanbau hinter dem Hotelkomplex befindet. Die WC sind über einige Stufen im Hotel erreichbar.
Hinter dem Restaurant wartet an lauen Sommertagen eine lauschige Terrasse auf die Gäste.
Die Einrichtung ist kreativ modern. Dunkles Stabparkett, überwiegend helle Wände, an denen moderne Kunst hängt. Die hohen Decken sind teilweise loftartig offen angelegt, man sieht dicke silberne Lüftungsrohre. Dazwischen hängen jede Menge großformatige helle Lampenschirme. Alles umrandet von einem grünen Lichtband. An einer der Wände hängen unter den Fenstern golden lackierte alte Heizkörper. Golden ist auch die Farbe der schweren Vorhänge vor den ebenerdigen Fenstern.
Die Bestuhlung ist unkonventionell bunt gemixt, mal gepolstert, mal ungepolstert.
Die Tische von unterschiedlichen Formaten sind teilweise mit graubeigen Tischdecken eingedeckt, teilweise sitzt man an blanken Holztischen. Alle Tische sind eingedeckt mit Besteck, Wein- und Wassergläsern, blitzweißen gestärkten Stoffservietten sowie Blumenvasen und Windlichtern.
Wir sitzen an einem der Tische mit blanker Holztischplatte und schwarzen Filzsets.
Service
Ein für uns neuer Mann im Service, Filippo P. begrüßt uns höflich und freundlich, bietet uns einen Tisch zur freien Auswahl an und verweist auf einige Tische, jedoch nicht den von uns favorisierten. Ich bin irritiert! Ich hatte einige Tage vorher telefonisch den Tisch links am Anfang des Raumes reserviert (wegen der Beleuchtung für die Fotos). Hatte man meinen Reservierungswunsch nicht notiert? Jedenfalls bekommen wir dann doch ohne Probleme den gewünschten Tisch.
Herr P. bietet uns einen Aperitif an. Ich frage nach einem Cremant. Nein, habe man nicht, nur Champagner. Wir verzichten auf Champagner. Als er das georderte Mineralwasser bringt, frage ich nach einem offenen deutschen Winzersekt. Nach einer Pause des Überlegens stammelt er was von Menger Krug. Ja, den haben wir hier doch schon getrunken! Und auf meine Nachfrage ist auch der Rosé von Menger Krug wie immer vorrätig. Also zwei Gläser Menger Krug für uns, die nach dem sichtbaren Öffnen der Flasche und dem Plopp des Korkens gut gekühlt serviert werden.
Wieder alleine am Tisch, stellen wir uns beide etwas verärgert die Frage, was das sollte. Wollte er uns sofort den teuren Champagner aufschwatzen oder kannte er als versierter Kellner in einem der besten Restaurants in Dortmund den Fachbegriff Cremant für französische Schaumweine nach Champagnermethode nicht, die qualitativ mit guten deutschen Winzersekten vergleichbar sind?
Obwohl in der Karte die offenen Weine explizit mit 0,1 l ausgewiesen sind, goss er uns ungefragt gleich 0,2 l pro Glas ein. Getränkeumsatz ankurbeln nennt man das. Das sind wir im Kikillus bisher so nicht gewohnt.
Zum Dessert wünschen wir einen Dessertwein. Kein Angebot von ihm. Ganz zum Schluss fällt ihm nur Vin Santo ein, der nicht vorrätig ist. Wir haben dann nach einem Gewürztraminer gefragt und einen aus dem Elsass vom Weingut Moritz glasweise bekommen.
Obwohl wir während unserer Anwesenheit die einzigen Gäste sind, deckt er das Besteck für den zweiten Gang falsch ein. Mein Mann bekommt meinen Suppenlöffel und ich seine Gabel und sein Messer. Anstatt ihn darauf hinzuweisen – nett wie wir sind – hätten wir das mal aussitzen sollen. Wäre viel interessanter gewesen, wann und ob er das gemerkt hätte. Vielleicht beim nächsten Mal....
Speisenkarte
Die schmale schlichte Karte präsentiert am 21.10.2015 insgesamt neun Gerichte von Vorspeisen (21-23 €) über Fisch (29 €), Fleisch (31-32 €) und Desserts (11-12 €).
Aus diesem Sortiment kann man fünf, sechs oder sieben Gänge zu einem Festpreis selber zusammenstellen. Wir wählen fünf Gänge zu 67 € pro Person.
Und die ganz Verfressenen genießen ein komplettes Neun-Gänge-Menü zu 94 €.
Im Barbereich des angrenzenden Hotels kann man neuerdings von einer kleinen separaten Karte auch einzelne abweichend von der Restaurantkarte zusammen gestellte Speisen wählen.
Das Essen
Noch vor der Bestellung der Speisen werden Amuse gereicht. Heute eine Misosuppe und parallel drei kalte Naschereien. Sehr schön. Hilft entscheidend vor dem Verhungern!
Die leicht milchige warme Misosuppe enthält Algenblätter und winzige Würfel von Tofu mit interessanten asiatischen Aromen, serviert in einer tassengroßen Schale.
Esstechnisch ist das schlecht umgesetzt, da der Service zu der Schale keinen kleinen Löffel eingedeckt hat, mit dem man die Reste von Tofu und Algen, die beim Austrinken automatisch am Boden hängen bleiben, hätte auslöffeln können. Da Herr P. nicht in Sicht ist, dient uns behelfsmäßig das kleine Brotmesser. So geht das nicht! Die Asiaten benutzen übrigens zum Herausschaufeln der festen Bestandteile Stäbchen.
Die drei kalten Naschereien entpuppen sich als Sushi mit Avocado Knusprige Cannelloni mit Tatar, Creme Fraîche und Kaviar Label Rouge Lachs auf einem Reis-Chip mit Avocado
Ich probiere nur den Lachs-Chip, die anderen Häppchen überlasse ich meinem gierigen Gegenüber.
Weiter geht es mit drei kräftig schmeckenden Brotsorten, aufgeschlagener gut temperierter Butter, gutes Olivenöl und grobem Maldon Meersalz. Ein gut und schmackhaft zusammengestellter Auftakt.
Kühlschrankkalte feine Gänselebermousse kreisrund geformt auf einem Bett von gehackten crunchigen Nüssen. Auf der Leber eine gelierte dünne Schicht Himbeermark. Als Topp Deko-Elemente von trichterförmig gerollten feinen Scheiben von rohem Kürbis, Schwämmen vom Kürbis, Tupfern von Sanddorngelee und mittig cremiges Kürbiseis.
Eine optisch und geschmacklich feine Kreation. Nur die Süße der Himbeermasse war mir etwas zu dominant lieblich.
Zweiter Gang
Meine Begleitung wählt
Hamachi | Yuzu | Soja | Rettich
Rohe kalte Stücke von Hamachi (Gelbflossenmakrele) schwimmen in einer aromatischen Marinade aus sauer-fruchtigem Yuzusaft und salziger Sojasauce. Darauf asiatisch passend feine rohe Rettich- und Möhrenstreifen.
Eine kalter Zwischengang, der mein Gegenüber verzückte.
Ich bevorzuge
Hummer-Bisque
Unspektakulär ohne Deko, nur mit dicker Schaumhaube, kommt der orange-braune, warme Hummersud daher. Kräftig im Geschmack von angerösteten Hummerkarkassen, mit Sahne und Cognac verfeinert. Ganz bescheiden versteckt sich unter dem Schaum ein Stück köstliches, noch leicht glasiges Hummerfleisch. Bitte mehr davon!
Dritter Gang
Für meinen Mann die oben beschriebene Hummer-Bisque, die auch ihm ausgezeichnet schmeckt.
Auf der linken Seite des leicht tiefen Tellers liegt eine Tranche von saftig glasig gegartem Steinbuttfilet. Da der Steinbutt sehr festfleischig ist, benutze ich statt des beigelegten Fischmessers ein normales Messer zum Zerteilen.
Krümmelig schmiegt sich Nussbutter an den Butt. Jawohl, krümmelige Nussbutter, aber garantiert ohne Nüsse.
Einer der Köche hat uns mal die Herstellung verraten: Butter wird solange aufgeschäumt, bis sich etwas brauner Schaum bildet, der leicht nussig schmeckt. Die sogenannte Nussbutter. Diese wird dann aufgefüllt mit Milchpulver und so lange eingetrocknet, bis sich dieses intensiv nussig schmeckende Gekrümmel gebildet hat. Ja die Tricks der innovativen Köche!
Rechts daneben hat der Koch einen dicken Klecks Broccolipüree zu einem breiten Streifen ausgezogen und mit kleinen Broccoliröschen und dunklen Kresseblättchen dekoriert. Eine gelungene Komposition.
Die Bressetaube ist außen auf der Haut relativ kross und im Anschnitt medium rare saftig. Ein Prachtexemplar an Qualität und Gartechnik.
Drum herum flankiert von Variationen von Kohlrabi, Apfel und Walnuss von roh bis cremig.
Doch wo ist Boudin Noir? Das ist eine Blutwurst vom Schwein, die hier früher üppig zur Taube gereicht wurde.
Wir haben es kaum ausgesprochen, da flitzt ein Mitarbeiter an unseren Tisch mit einem Schälchen der pürierten Blutwurstmasse. Nööö! Teller bitte wieder ab in die Küche und Blutwurst dekorativ auf diesem platzieren!
Das geschieht dann ganz unspektakulär durch wenige Tupfer derselben.
Bis auf diese kleine Panne ein ausgezeichnetes Gericht.
Das Schwein präsentiert sich als butterzart zerfallendes, geschmortes Bäckchen und als zarter, saftiger Würfel vom Bauchfleisch – umschmeichelt von einer kräftigen dunklen Demi Glace.
Begleitet wird das Fleisch von Kartoffeln in Variationen, gehäuteten grünen Bohnenkernen, kleinen halbierten auf der Schnittfläche angerösteten Zwiebeln, einem würzigen Zwiebelchutney und kleinen Buchenpilzen. Ein vom Grundsatz her deftiges Gericht fein interpretiert. Nur einen kleinen Knorpel im Bauchfleisch hatte der Koch nicht sorgfältig entfernt.
Mein Mann beschreibt das so: Weiße Schokolade als Schwamm und Espuma. Dazwischen Gurkensaft, Kiwiwürfel, Limoneneis, Grünteeeis und Kokosperlen. Ein feines erfrischendes Aromenspiel.
Gewürzbanane | Ananas | Chinaeis | Koriander
Früher auf einem großen Teller serviert, wird heute ein von den Maßen kleinerer Teller gereicht, der mich zunächst irritierte. Die einzelnen Dessertelemente sind optisch weiter auseinander gezogen als früher. Soll das mehr Fülle suggerieren?
Statt darüber zu grübeln, genieße ich jetzt lieber ein kurzes Stück marinierter Banane mit dezentem Curryaroma, schmelziges Chinaeis mit Korianderaroma, feste Geleewürfel und Püree von Ananas, weiße Kokosgeleetürmchen, giftgrüne crunchige Kräuterschwämmchen und hellbraune Nusscrumble.
Dazu gehört separat gereicht ein Glas von dem, was auf dem Teller ist, in flüssiger Form.
Dieses Dessert ist in der Komposition ungewöhnlich, aber ungewöhnlich köstlich. Ein genussvolles Finale.
Zum Schluss werden uns je zwei köstliche Pralinen serviert, die ich gönnerisch meinem „süßen“ Mann überlasse.
Getränke
Menger Krug Deutscher Winzersekt brut rosé mit feiner Perlage, 0,1 l zu € 6,50
Grauburgunder trocken von Heger, Baden, 0,1 l zu € 4,00
Riesling trocken von Tesch, Nahe, 0,1 l zu € 4,20
Spätburgunder trocken, 0,1 l € 3,50
Mineralwasser 0,75 l zu 7,40
VIO Mineralwasser 0,25 l zu € 2,40
Fazit
Obwohl David Kikillus heute nicht im Hause ist, funktioniert seine Küchenbrigade. Die kleinen Mängel halte ich bei der Vielzahl der gelungenen Gänge für verzeihbar.
Anders sieht es nach meiner Meinung heute im Service aus. Kompetenz und das Umsorgen zum Wohle des Gastes fehlen. Das hat unsere Gesamtstimmung empfindlich gestört.
David Kikillus ist ein ausgezeichneter Koch, der den Ritterschlag des Michelin-Sternes konsequent anstrebt. Wir wünschen ihm von Herzen, dass es bald klappt. Der Michelin behauptet, dass nur das Essen auf dem Teller für die Beurteilungen maßgebend ist.
Wenn er wieder einen kompetenten, souveränen, erfahrenen Restaurantleiter und Sommelier findet, stimmt sicher wieder sein Gesamtpaket zum Wohle der Gäste.
NACHTRAG am 13.11.2015:
Am 12.11.2015 wurde das Restaurant vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet.
Das Restaurant Kikillus gehört zur Elite der Dortmunder Gastronomie. Feine kreative Küche detailverliebt und mit überraschenden geschmacklichen Erlebnissen in großer Perfektion.
Nach einem Jahr ein aktuelles Update von mir mit Licht und Schatten.
Anfahrt
Über die B1/A40 Abfahrt Hauptfriedhof in 2 Minuten erreichbar. Hauseigene Parkplätze sind vor und neben dem Gebäude reichlich vorhanden.
Ambiente
Wir betreten das ebenerdige Restaurant, das sich in einem eingeschossigen Flachdachanbau hinter dem Hotelkomplex befindet. Die WC sind über einige Stufen im Hotel erreichbar.
Hinter dem Restaurant wartet an lauen... mehr lesen
3.5 stars -
"David Kikillus – quo vadis? Essen top – Service flop!" SiebeckoDas Restaurant Kikillus gehört zur Elite der Dortmunder Gastronomie. Feine kreative Küche detailverliebt und mit überraschenden geschmacklichen Erlebnissen in großer Perfektion.
Nach einem Jahr ein aktuelles Update von mir mit Licht und Schatten.
Anfahrt
Über die B1/A40 Abfahrt Hauptfriedhof in 2 Minuten erreichbar. Hauseigene Parkplätze sind vor und neben dem Gebäude reichlich vorhanden.
Ambiente
Wir betreten das ebenerdige Restaurant, das sich in einem eingeschossigen Flachdachanbau hinter dem Hotelkomplex befindet. Die WC sind über einige Stufen im Hotel erreichbar.
Hinter dem Restaurant wartet an lauen
Geschrieben am 08.11.2015 2015-11-08| Aktualisiert am
09.11.2015
Besucht am 25.08.2015
Die fast klassische Hochküche von David Kikillus, die auf Produktvielfalt (ohne Übertreibungen) und kunstvolle Präsentation setzt, steht im Widerspruch zur gewollten Ungezwungenheit von Service und Ambiente.
Letzteres ist bereits fachkundig und detailliert beschrieben worden, ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen.
Positiv auf jeden Fall, dass trotz der teilweise offenen Decke mit Blick auf die Lüftungsrohre auch dort absolute Sauberkeit herrschte. Keine Einblicke in staubige Ecken oder gar Spinnweben. So muss es sein. Die Toiletten, die sich im Hoteltrakt befinden, waren in jeder Hinsicht ansprechend und dieser Klasse angemessen.
Witzig und sinnvoll fand ich die an den Seiten offenen, nach oben jedoch geschlossenen "Waben", die Séparée-Atmosphäre vermitteln und mittels Rollen je nach Belegung im Raum positioniert werden können. Angenehme leise, entspannte Musik.
Der Übergang zum Hotel ist für meinen Geschmack sehr offen gestaltet. Das Licht mag dort gut sein, wie die brillanten Fotos von Siebecko beweisen, aber die dortigen Tische wären mir jedenfalls gefühlt zu zugig. Fast zwangsläufig, dass dem Einzelgast (mit Reservierung und bei zu maximal einem Drittel gefüllten Restaurant) genau dort der erste Tisch vorgeschlagen wird. Fernab von Fenstern, dafür direkt am Laufweg von Kellnern und Gästen. Vermutlich habe ich hier eine kleine Paranoia entwickelt, aber da es keinen Grund gibt, diesen Tisch anzubieten, sollen die besser platzierten offensichtlich Gruppen vorbehalten sein. Was Unsinn ist, denn wenn überhaupt für jemanden, dann ist doch für gut gelaunte Gruppen die Umgebung weniger bedeutsam, erst recht im Laufe eines Abends. Der Einzelesser lässt dagegen zwischen den Gängen mangels Gegenüber die Blicke schweifen und verfällt in Schwermütigkeit.
Wovor ihn ein aufmerksamer, zugewandter Service bewahren kann. Die im Kikillus gepflegte Lässigkeit bietet dafür durchaus eine Grundlage, sie muss nur stets mit Freundlichkeit und Respekt dem Gast gegenüber verbunden sein. Wie schon bei anderen Gästen, gab es dazu auch bei meinem Besuch teilweise noch Verbesserungsbedarf. Allerdings darf man diesen auch nicht überbetonen. Die zwei jungen Fachkräfte agierten fachlich bis auf einen Fauxpas auf angenehmen Niveau, einsetzen, nachschenken, ansagewn, alles ganz prima. Beeindruckend die Produktsicherheit des junges, im dunklen Dreiteiler gewandeten Herrn, der von den wohl fast 100 Zutaten des Menues alle, auch die nicht in der Karte verzeichneten beschreiben konnte. Bei einer einzigen bedurfte es eines Blickes in die Karte zu den Bestandteilen eines anderen Tellers. Beeindruckend. Angenehm auch seine Höflichkeit und die durchaus nicht unangenehme Beflissenheit. Auf Wunsch wird ein Kissen gebracht.
Beides fehlte leider seiner Kollegin, die mich schon beim Eintreffen mit der beliebten Gastro-Begrüßung "Wie ist der Name?" willkommen hieß. Ich antworte dann immer etwas verschüchtert mit dem Wunsch eines guten Abends, aber da hatte sich die junge Frau in Freizeitkleidung schon dem Reservierungsbuch zugewandt. Die Modernität des Auftritts wurde durch Jeans und Schlabberoberteil unterstrichen, das den Blick auf die Tätowierungen nicht behinderte. Aber geschenkt, ich gehe schließlich nicht zur Modenschau. Wenn der Service fachlich gut und mit dem Willen agiert, den Gast auch als solchen zu behandeln, kann er oder sie (fast) alles am, über oder im Körper tragen. Ich erinnere mich gern an die Belle de nuit im Hannoveraner 11A. Dementsprechend gibt es bei der Dame ansonsten nichts auszusetzen. Dass ihr eine Tomatenträne vom Amuse-Löffel plumpste, kann mal passieren (mit Julia Roberts: Schlüpfrige kleine Scheißerchen!).
Der einzige wirklich unangenehme Umstand war ein angetrocknetes Insekt an einem Besteckteil, das beim Einsetzen übersehen wurde. Das sollte nicht passieren. Und es MUSS eine Entschuldigung geben und nicht langatmige Erklärungen wie und warum es passiert ist.
Trotzdem, in den wesentlichen Punkten ein überdurchschnittlicher Service, den ich nur wg. der beschriebenen Mängel bei 3,5 Sternen sehe.
Überwiegend erfreulicher die Küchenleistung:
Ich wählte (als "ganz Verfressener", stimmt schon...) das große Degustationsmenue, das gegenüber der Karte im Internet um 2 auf 94€ angehoben worden war. Auch die Varianten mit 5 und 6 "Erlebnissen" waren teurer geworden, 4 Gänge standen nicht mehr als Menue zur Wahl.
Die inkl. Amuses 10 angekündigten Gänge werden für den vergesslichen Gast auf einem hohen, schmalen Faltblatt ausgedruckt präsentiert. Schön, man kann sich schon freuen und außerdem ersetzt es den (elektronischen) Notizblock. Schön wäre noch eine schnelle Personalisierung gewesen, durch die Reservierung war der Name ja bekannt. Aber das sind i-Tüpfelchen, deren Fehlen nicht stört, deren Auftreten nichts desto weniger gefreut hätte.
Die Menüfolge:
Auf die Hand...
Ungestopfte Gänseleber
Hamachi
Steinbutt
Tea Time
Etouffee-Taube (für Milchkalb eingetauscht)
Gewürzbanane
Schokolade
Rohmilchkäse von Affineur Eric Lefebvre
Süßes Finale
Den ersten Heißhunger - immerhin ging es von der Stadtbahn noch fast 15 Minuten zu Fuß am Friedhof entlang - stillten zwei schön krosse, dunkle Brotsorten, die mit toskanischen Olivenöl, Maldonsalz und geschmacklich flacher, aufgeschlagener französischer Butter zwar nicht begeisterten, aber doch gefielen.
Los ging es dann mit einem vierteiligen, farbenfrohen Gruß aus der Küche. Enttäuschend allein die Lachspraline auf Avocado, eigentlich eine sichere Bank, die hier aber muffig schmeckte. Gazpacho im Reagenzglas, mehr süß-fruchtig, als würzig-scharf. Gut. Ein knuspriger Cannellono, gefüllt mit Rindstartar und Frischkäse, knusprig außen, saftig innen, feiner Geschmack. Sehr gut. Und schließlich die molekulare Bloody-Mary, eine Sphäre aus Tomatengelee, gefüllt mit (reinem?) Wodka. Wumms hatte das Kunstwerk auf jeden Fall. Hab mich ja schon als Fan des Dekonstruierten geoutet.
Die folgende Gänseleber, die mit einem tadellosen, warmen Brioche serviert wurde, ist in den Kommentaren zu Siebeckos Bericht sehr kontrovers diskutiert worden. Ich gestehe, dass ich auch mit einem zwiespältigen Eindruck zurückblieb. Einerseits ein optisch, sensorisch und geschmacklich sehr harmonisches Potpourri mit feiner Himbeerschicht und -Tropfen, knusprigem(!) Kürbisschwamm, Perlen und "Blüten" aus Sanddorngelee sowie einer perfekten, cremigen Nocke Pistazieneis. Unter dem Eis eine sehr weiche, aber gerade noch schnittfeste Leber, aber eben nur unter dem Eis. Dort, wo diese Kühlung nicht wirkte, rutschte für meinen Geschmack die Konsistenz ins Schmierige ab, leider. Ich denke, an diesem Punkt wird Gänseleber vollends zur Einstellungsfrage. Ich würde das Produkt trotz der zuvor beschriebenen Vorzüge nicht wieder wählen.
Klar dagegen der folgende, asiatische Gang, in Bewertung - sehr gut - wie in Produkt. Zwei Scheiben roher Hamachi, Gelbflossenmakrele, schön ins rosa spielendes, fettfreies Fleisch mit dieser herrlich knirschenden Textur. In der Menüfolge war die dazu gereichte bekannte thailändische Tom Kha Gai erwartbar, bis ich auf dem Teller die entsprechende Eisnocke fand! Sehr kokosmilch-samtig und mit dem bekannten exotischen Geschmack der Suppe, u. a. Galgant tippe ich. Platziert auf einem Mandelcrumble. Während der Couscous etwas blass blieb, setzten Paprikagel-Tropfen und grüne Mango farbliche und fruchtige Akzente. Letztere nicht nur als Relish, sondern auch in kleinen Smileys. Witzige Idee, noch nicht gesehen.
Der eigentliche Fischgang folgte mit einem sensationell intensiven, saftigen Filet vom Steinbutt. Als Topping getrocknete Nussbutter, die den Fisch genauso fein ergänzte, wie der schön ausgestrichene Brokkoli. Perfekt wär's gewesen, aber es sollte noch eine Zitrusfrüchte-beurre-blanc säuerliche Noten beisteuern. Leider hatte die Küche wohl zweimal zu Yuzu, Limone oder was auch immer gegriffen. Mit der ersten Berührung der Säurerezeptoren zogen sich die Gesichtsmuskeln zusammen. Viel zu sauer. So vollständig, wie es nur ging, befreite ich den Fisch. Die Rückmeldung an die Küche, so sie denn angekommen ist, wurde von dort nicht kommentiert. Immerhin hatte Siebecko bei diesem Gericht keine Zitrusfrüchte mehr. Da hab ich mich gern geopfert... ;-))
Erfrischt wurde nun mit Röllchen und Relish von der Gartengurke, dazu passende Dillblüten. Der Namens gebende grüne Tee als Essenz und Staub. Schließlich Limonensorbet, um den Gaumen aufwecken. Als Clou wurde jedoch am Tisch aus der Stickstoffkartusche Espuma von Monkey47-Gin in die Schale gegeben. Eventuell etwas mehr als vorgesehen, wurde das Sorbet doch fast verdeckt, wer genau hinschaut, entdeckt die gleichfarbige Nocke in der Bildmitte. Erfreulich, dass der Schaum schön fest blieb. Der herbe Geschmack nicht zu stark. Molekular, ick liebe dir!
Anstelle des vorgesehenen Milchkalbs hatte ich als Hauptgericht die Taube. Auch bei mir zwei sehr saftige Tranchen der Brust, saignant. Krosse Haut gab's leider nicht, aber Salzflocken, die den kräftigen Geschmack hoben und eine tadellose Rotweinjus. Perfekt. Beilagen wurden für den Bremer Fußballfan überwiegend in grün-weiß gehalten: Miso-Schaum, grüner Spargel, Buchenpilze, Erbsen als Mousse und "im Ganzen".
Mit der Gewürzbanane ging es in die Zielkurve. Siebecko hat den sehr schönen, sehr individuellen Gang erschöpfend beschrieben. Unterschiedlich nur die Behandlung der Banane, hier sous vide und dann (etwas zu wenig) überflämmt. Dadurch leichte Röstnoten. Petersilie schien mir der Aromaträger des Schwämmchens zu sein. Den Inhalt des dazu gereichte Gläschens darf man sich als Smoothie vorstellen.
Zum Dessert gegen meine übliche Wahl Schokolade mit Früchten, Erdbeere, Rhabarber, Yuzu und Minze. Ein Feuerwerk der Texturen: Creme-Eis, Sorbet, Mousse, Luftschoko, Gel, Crumble, Schaum, Saft, Likör und schließlich Papier. Sehr kreativ, sehr gelungen.
Dagegen wurden die das Menü offiziell beschließende 6 Käse mit Gurkenrelish, Maldonsalz und Haselnuss-Früchtebrot recht einfallslos präsentiert. Geschmacklich gut, aber nicht überragend. Das Brot dagegen sehr reichhaltig.
Zum Finale wurden diverse süße Leckerlis gereicht, alle mehr oder minder nett, es gilt das zum Käse Gesagte. Präsentiert in zwei Holzkistchen auf bzw. überwiegend in Kaffeebohnen. Was für den klebrigen Marshmallow nicht zu Ende gedacht war.
So endete das Menü, wie es begonnen hatte, mit Schönheitsfehlern.
Bei den Getränken habe ich mich zurück gehalten, stand doch am nächsten Tag eine anstrengende Veranstaltung an.
Als Aperitif einen sommerlichen Cocktail verschiedener Spirituosen und Zitrusfrüchte, der den Namen des Chefs trug (naja).
Zu Banane und Ananas ein restsüßer Riesling aus der Pfalz, mehr blieb nicht in Erinnerung; für 0,1l wurden 4,2€ gebongt.
Zur Schokolade sollte es ein Portwein sein. Eine etwas schwere Geburt, bis an der Bar ein (einfacher) Sandeman gefunden war. Entweder der Port oder der Cocktail wurden unter "diverse" mit 5,5€ in Rechnung gestellt, das andere Getränk ging ohne Erwähnung (gewollt oder übersehen) auf's Haus.
Das Wasser mit 7,4€ gewohnt überteuert. Besonders ärgerlich war aber, dass aus den verschiedenen Angeboten ohne Nachfrage Evian serviert wurde, immerhin 1,5€ teurer, als das preiswerteste Apollinaris. Das gehört sich einfach nicht, ich wiederhole das (un)gern. Auf Nachfrage wurde etwas von "Hausmarke" gemurmelt, was für ein Unsinn bei diesem Massenprodukt. "Deckungsbeitrag" wäre wohl zutreffend gewesen. Was wohl auch bewusst passiert, denn hier muss mit den Getränken Geld verdient werden. Die Frage nach dem Aperitif kam jedenfalls schon, bevor ich mich ganz gesetzt hatte.
Das Team des Kikillus hat bei meinem Besuch nicht vollends überzeugt.
Als Gesamteindruck - der Küche - bleiben die hohe Kreativität, die schönen Präsentationen, die tadellosen Produkte.
Was für meine Fotos leider überhaupt nicht gilt, und ich nicht auf das schwindende Licht schieben will. Angesichts der brillanten Bilder von Siebecko habe ich mich daher auf eine Auswahl beschränkt.
Die fast klassische Hochküche von David Kikillus, die auf Produktvielfalt (ohne Übertreibungen) und kunstvolle Präsentation setzt, steht im Widerspruch zur gewollten Ungezwungenheit von Service und Ambiente.
Letzteres ist bereits fachkundig und detailliert beschrieben worden, ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen.
Positiv auf jeden Fall, dass trotz der teilweise offenen Decke mit Blick auf die Lüftungsrohre auch dort absolute Sauberkeit herrschte. Keine Einblicke in staubige Ecken oder gar Spinnweben. So muss es sein. Die Toiletten, die sich im Hoteltrakt befinden,... mehr lesen
4.0 stars -
"Zu lässig auf dem Drahtseil" DerBorgfelderDie fast klassische Hochküche von David Kikillus, die auf Produktvielfalt (ohne Übertreibungen) und kunstvolle Präsentation setzt, steht im Widerspruch zur gewollten Ungezwungenheit von Service und Ambiente.
Letzteres ist bereits fachkundig und detailliert beschrieben worden, ich beschränke mich daher auf einige Bemerkungen.
Positiv auf jeden Fall, dass trotz der teilweise offenen Decke mit Blick auf die Lüftungsrohre auch dort absolute Sauberkeit herrschte. Keine Einblicke in staubige Ecken oder gar Spinnweben. So muss es sein. Die Toiletten, die sich im Hoteltrakt befinden,
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Anfahrt
Über die B1/A40 Abfahrt Hauptfriedhof in 2 Minuten erreichbar. Hauseigene Parkplätze sind vor und neben dem Gebäude reichlich vorhanden.
Ambiente
Wir betreten das ebenerdige Restaurant, das sich in einem eingeschossigen Flachdachanbau hinter dem Hotelkomplex befindet. Die WC sind über einige Stufen im Hotel erreichbar.
Hinter dem Restaurant wartet an lauen Sommertagen eine lauschige Terrasse auf die Gäste.
Die Einrichtung ist kreativ modern. Dunkles Stabparkett, überwiegend helle Wände, an denen moderne Kunst hängt. Die hohen Decken sind teilweise loftartig offen angelegt, man sieht dicke silberne Lüftungsrohre. Dazwischen hängen jede Menge großformatige helle Lampenschirme. Alles umrandet von einem grünen Lichtband. An einer der Wände hängen unter den Fenstern golden lackierte alte Heizkörper. Golden ist auch die Farbe der schweren Vorhänge vor den ebenerdigen Fenstern.
Die Bestuhlung ist unkonventionell bunt gemixt, mal gepolstert, mal ungepolstert.
Die Tische von unterschiedlichen Formaten sind teilweise mit graubeigen Tischdecken eingedeckt, teilweise sitzt man an blanken Holztischen. Alle Tische sind eingedeckt mit Besteck, Wein- und Wassergläsern, blitzweißen gestärkten Stoffservietten sowie Blumenvasen und Windlichtern.
Wir sitzen an einem der Tische mit blanker Holztischplatte und schwarzen Filzsets.
Service
Ein für uns neuer Mann im Service, Filippo P. begrüßt uns höflich und freundlich, bietet uns einen Tisch zur freien Auswahl an und verweist auf einige Tische, jedoch nicht den von uns favorisierten. Ich bin irritiert! Ich hatte einige Tage vorher telefonisch den Tisch links am Anfang des Raumes reserviert (wegen der Beleuchtung für die Fotos). Hatte man meinen Reservierungswunsch nicht notiert? Jedenfalls bekommen wir dann doch ohne Probleme den gewünschten Tisch.
Herr P. bietet uns einen Aperitif an. Ich frage nach einem Cremant. Nein, habe man nicht, nur Champagner. Wir verzichten auf Champagner. Als er das georderte Mineralwasser bringt, frage ich nach einem offenen deutschen Winzersekt. Nach einer Pause des Überlegens stammelt er was von Menger Krug. Ja, den haben wir hier doch schon getrunken! Und auf meine Nachfrage ist auch der Rosé von Menger Krug wie immer vorrätig. Also zwei Gläser Menger Krug für uns, die nach dem sichtbaren Öffnen der Flasche und dem Plopp des Korkens gut gekühlt serviert werden.
Wieder alleine am Tisch, stellen wir uns beide etwas verärgert die Frage, was das sollte. Wollte er uns sofort den teuren Champagner aufschwatzen oder kannte er als versierter Kellner in einem der besten Restaurants in Dortmund den Fachbegriff Cremant für französische Schaumweine nach Champagnermethode nicht, die qualitativ mit guten deutschen Winzersekten vergleichbar sind?
Obwohl in der Karte die offenen Weine explizit mit 0,1 l ausgewiesen sind, goss er uns ungefragt gleich 0,2 l pro Glas ein. Getränkeumsatz ankurbeln nennt man das. Das sind wir im Kikillus bisher so nicht gewohnt.
Zum Dessert wünschen wir einen Dessertwein. Kein Angebot von ihm. Ganz zum Schluss fällt ihm nur Vin Santo ein, der nicht vorrätig ist. Wir haben dann nach einem Gewürztraminer gefragt und einen aus dem Elsass vom Weingut Moritz glasweise bekommen.
Obwohl wir während unserer Anwesenheit die einzigen Gäste sind, deckt er das Besteck für den zweiten Gang falsch ein. Mein Mann bekommt meinen Suppenlöffel und ich seine Gabel und sein Messer. Anstatt ihn darauf hinzuweisen – nett wie wir sind – hätten wir das mal aussitzen sollen. Wäre viel interessanter gewesen, wann und ob er das gemerkt hätte. Vielleicht beim nächsten Mal....
Speisenkarte
Die schmale schlichte Karte präsentiert am 21.10.2015 insgesamt neun Gerichte von Vorspeisen (21-23 €) über Fisch (29 €), Fleisch (31-32 €) und Desserts (11-12 €).
Aus diesem Sortiment kann man fünf, sechs oder sieben Gänge zu einem Festpreis selber zusammenstellen. Wir wählen fünf Gänge zu 67 € pro Person.
Und die ganz Verfressenen genießen ein komplettes Neun-Gänge-Menü zu 94 €.
Im Barbereich des angrenzenden Hotels kann man neuerdings von einer kleinen separaten Karte auch einzelne abweichend von der Restaurantkarte zusammen gestellte Speisen wählen.
Das Essen
Noch vor der Bestellung der Speisen werden Amuse gereicht. Heute eine Misosuppe und parallel drei kalte Naschereien. Sehr schön. Hilft entscheidend vor dem Verhungern!
Die leicht milchige warme Misosuppe enthält Algenblätter und winzige Würfel von Tofu mit interessanten asiatischen Aromen, serviert in einer tassengroßen Schale.
Esstechnisch ist das schlecht umgesetzt, da der Service zu der Schale keinen kleinen Löffel eingedeckt hat, mit dem man die Reste von Tofu und Algen, die beim Austrinken automatisch am Boden hängen bleiben, hätte auslöffeln können. Da Herr P. nicht in Sicht ist, dient uns behelfsmäßig das kleine Brotmesser. So geht das nicht! Die Asiaten benutzen übrigens zum Herausschaufeln der festen Bestandteile Stäbchen.
Die drei kalten Naschereien entpuppen sich als
Sushi mit Avocado
Knusprige Cannelloni mit Tatar, Creme Fraîche und Kaviar
Label Rouge Lachs auf einem Reis-Chip mit Avocado
Ich probiere nur den Lachs-Chip, die anderen Häppchen überlasse ich meinem gierigen Gegenüber.
Weiter geht es mit drei kräftig schmeckenden Brotsorten, aufgeschlagener gut temperierter Butter, gutes Olivenöl und grobem Maldon Meersalz. Ein gut und schmackhaft zusammengestellter Auftakt.
Unsere gewählten Speisen
Erster Gang für beide
Ungestopfte Gänseleber | Kürbis | Sanddorn | Pistazie | Himbeere
Kühlschrankkalte feine Gänselebermousse kreisrund geformt auf einem Bett von gehackten crunchigen Nüssen. Auf der Leber eine gelierte dünne Schicht Himbeermark. Als Topp Deko-Elemente von trichterförmig gerollten feinen Scheiben von rohem Kürbis, Schwämmen vom Kürbis, Tupfern von Sanddorngelee und mittig cremiges Kürbiseis.
Eine optisch und geschmacklich feine Kreation. Nur die Süße der Himbeermasse war mir etwas zu dominant lieblich.
Zweiter Gang
Meine Begleitung wählt
Hamachi | Yuzu | Soja | Rettich
Rohe kalte Stücke von Hamachi (Gelbflossenmakrele) schwimmen in einer aromatischen Marinade aus sauer-fruchtigem Yuzusaft und salziger Sojasauce. Darauf asiatisch passend feine rohe Rettich- und Möhrenstreifen.
Eine kalter Zwischengang, der mein Gegenüber verzückte.
Ich bevorzuge
Hummer-Bisque
Unspektakulär ohne Deko, nur mit dicker Schaumhaube, kommt der orange-braune, warme Hummersud daher. Kräftig im Geschmack von angerösteten Hummerkarkassen, mit Sahne und Cognac verfeinert. Ganz bescheiden versteckt sich unter dem Schaum ein Stück köstliches, noch leicht glasiges Hummerfleisch. Bitte mehr davon!
Dritter Gang
Für meinen Mann die oben beschriebene Hummer-Bisque, die auch ihm ausgezeichnet schmeckt.
Für mich
Bretonischer Steinbutt | Broccoli | Nussbutter | Zitrusfrüchte
Auf der linken Seite des leicht tiefen Tellers liegt eine Tranche von saftig glasig gegartem Steinbuttfilet. Da der Steinbutt sehr festfleischig ist, benutze ich statt des beigelegten Fischmessers ein normales Messer zum Zerteilen.
Krümmelig schmiegt sich Nussbutter an den Butt. Jawohl, krümmelige Nussbutter, aber garantiert ohne Nüsse.
Einer der Köche hat uns mal die Herstellung verraten: Butter wird solange aufgeschäumt, bis sich etwas brauner Schaum bildet, der leicht nussig schmeckt. Die sogenannte Nussbutter. Diese wird dann aufgefüllt mit Milchpulver und so lange eingetrocknet, bis sich dieses intensiv nussig schmeckende Gekrümmel gebildet hat. Ja die Tricks der innovativen Köche!
Rechts daneben hat der Koch einen dicken Klecks Broccolipüree zu einem breiten Streifen ausgezogen und mit kleinen Broccoliröschen und dunklen Kresseblättchen dekoriert. Eine gelungene Komposition.
Vierter Gang
Mein Mann entscheidet sich für
Etouffee Taube | Kohlrabi | Boudin Noir | Schwarze Walnuss | Apfel
Die Bressetaube ist außen auf der Haut relativ kross und im Anschnitt medium rare saftig. Ein Prachtexemplar an Qualität und Gartechnik.
Drum herum flankiert von Variationen von Kohlrabi, Apfel und Walnuss von roh bis cremig.
Doch wo ist Boudin Noir? Das ist eine Blutwurst vom Schwein, die hier früher üppig zur Taube gereicht wurde.
Wir haben es kaum ausgesprochen, da flitzt ein Mitarbeiter an unseren Tisch mit einem Schälchen der pürierten Blutwurstmasse. Nööö! Teller bitte wieder ab in die Küche und Blutwurst dekorativ auf diesem platzieren!
Das geschieht dann ganz unspektakulär durch wenige Tupfer derselben.
Bis auf diese kleine Panne ein ausgezeichnetes Gericht.
Ich wähle
Iberico Schwein | Bohne | geräucherte Kartoffel | Zwiebel | Senfkörner
Das Schwein präsentiert sich als butterzart zerfallendes, geschmortes Bäckchen und als zarter, saftiger Würfel vom Bauchfleisch – umschmeichelt von einer kräftigen dunklen Demi Glace.
Begleitet wird das Fleisch von Kartoffeln in Variationen, gehäuteten grünen Bohnenkernen, kleinen halbierten auf der Schnittfläche angerösteten Zwiebeln, einem würzigen Zwiebelchutney und kleinen Buchenpilzen. Ein vom Grundsatz her deftiges Gericht fein interpretiert. Nur einen kleinen Knorpel im Bauchfleisch hatte der Koch nicht sorgfältig entfernt.
Fünfter Gang
Schokolade | Gurke | Kiwi | Kokos | Limone | Grüner Tee
Mein Mann beschreibt das so: Weiße Schokolade als Schwamm und Espuma. Dazwischen Gurkensaft, Kiwiwürfel, Limoneneis, Grünteeeis und Kokosperlen. Ein feines erfrischendes Aromenspiel.
Gewürzbanane | Ananas | Chinaeis | Koriander
Früher auf einem großen Teller serviert, wird heute ein von den Maßen kleinerer Teller gereicht, der mich zunächst irritierte. Die einzelnen Dessertelemente sind optisch weiter auseinander gezogen als früher. Soll das mehr Fülle suggerieren?
Statt darüber zu grübeln, genieße ich jetzt lieber ein kurzes Stück marinierter Banane mit dezentem Curryaroma, schmelziges Chinaeis mit Korianderaroma, feste Geleewürfel und Püree von Ananas, weiße Kokosgeleetürmchen, giftgrüne crunchige Kräuterschwämmchen und hellbraune Nusscrumble.
Dazu gehört separat gereicht ein Glas von dem, was auf dem Teller ist, in flüssiger Form.
Dieses Dessert ist in der Komposition ungewöhnlich, aber ungewöhnlich köstlich. Ein genussvolles Finale.
Zum Schluss werden uns je zwei köstliche Pralinen serviert, die ich gönnerisch meinem „süßen“ Mann überlasse.
Getränke
Menger Krug Deutscher Winzersekt brut rosé mit feiner Perlage, 0,1 l zu € 6,50
Grauburgunder trocken von Heger, Baden, 0,1 l zu € 4,00
Riesling trocken von Tesch, Nahe, 0,1 l zu € 4,20
Spätburgunder trocken, 0,1 l € 3,50
Mineralwasser 0,75 l zu 7,40
VIO Mineralwasser 0,25 l zu € 2,40
Fazit
Obwohl David Kikillus heute nicht im Hause ist, funktioniert seine Küchenbrigade. Die kleinen Mängel halte ich bei der Vielzahl der gelungenen Gänge für verzeihbar.
Anders sieht es nach meiner Meinung heute im Service aus. Kompetenz und das Umsorgen zum Wohle des Gastes fehlen. Das hat unsere Gesamtstimmung empfindlich gestört.
David Kikillus ist ein ausgezeichneter Koch, der den Ritterschlag des Michelin-Sternes konsequent anstrebt. Wir wünschen ihm von Herzen, dass es bald klappt. Der Michelin behauptet, dass nur das Essen auf dem Teller für die Beurteilungen maßgebend ist.
Wenn er wieder einen kompetenten, souveränen, erfahrenen Restaurantleiter und Sommelier findet, stimmt sicher wieder sein Gesamtpaket zum Wohle der Gäste.
NACHTRAG am 13.11.2015:
Am 12.11.2015 wurde das Restaurant vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet.