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Der Eingang vor den Stufen
Barrierefreiheit ist hier nicht gegeben. Schon der Eingang weist sieben hohe Stufen zum Gastraum auf. Und auch hier gibt es zwei Ebenen. Ich kam gerade aus einer Sitzung eines Arbeitskreises für Barrierefreiheit. Da hat man noch das schallende Gelächter der Rollstuhlfahrer in den Ohren, das sie anstimmen, wenn ein Restaurant sagt, man trage sie schon herein. Ohne den Rollstuhl fühlen sich Schwerstbehinderte nackt, und so ein Teil wiegt ca. 150 kg.
Die Reservierung hatte ich online gemacht, und es klappte ausgezeichnet. 19:15 Uhr trafen wir per Taxi ein. Wenn man die Treppe erklommen hat, steuert man direkt ein Stehpult mit einer hauptamtlichen Begrüßerin an, ganz nach Art gehobener Gastronomie. Die junge Blonde in schwarzer Bluse mit semitransparenten Ärmeln und langer Bistroschürze begrüßte uns nett und zeigte uns zwei kleine Tische zur Auswahl. Das Servicepersonal ist einheitlich schwarz mit langer Schürze gekleidet.
Christian Becker kocht hier seit Anfang 2016. Früher wirkte er lange in einem unserer Sylt-Favoriten, dem Fährhaus Munkmarsch, und zum Schluss bei Norbert Schu in der Insel am Maschsee. Zuvor waren die Räumlichkeiten 15 Jahre Kaffeehaus, Weinbar, Bistro, das Reizz. Da ich hier aufgewachsen bin, meine ich mich zu erinnern, dass hier in grauer Vorzeit eine normal Bierkneipe war. Die Spuren einer solchen Einrichtung sind unverkennbar.
Wir nahmen also auf Holzstühlen mit runder Rückenlehne und hinreichend dickem Sitzpolster Platz. Die dunklen Holzimitattischplatten waren nackt, und Besteck lag in einer zur Tasche gefalteten hochwertigen Stoffserviette am Platz. Eine Kerze in einem farbigen Glas brannte, eine Dreier-Platte mit Fleur de Sel, gutem Olivenöl und einer Kräuter-Gewürz-Mischung und Teller für den Küchengruß komplettierten das Gedeck. Die recht unhandlichen Speisekarten kamen schnell und aufgeschlagen. Insgesamt finden hier ca. 130 Menschen Platz.
Amuse-Zubehör und Nachwürzung
Unser nahezu obligatorischer Champagner war hier ein Feuillate (mögen wir gern), der in sehr hohen abgeeckten Gläsern und perfekt temperiert kam. Der Preis von 9,90 / 0,1 l ist sehr günstig. Unser Gerolsteiner medium wurde mit 6,50 Euro berechnet.
Ein großer Brotkorb wurde uns gebracht und schnell wieder entfernt und durch einen kleinen ersetzt. Darin waren vier Scheiben Gaues-Brot im Baguetteformat und zwei halbe Scheiben eines hinreichend frischen Korbgerster.
Den Küchengruß muss man sich also selbst basteln aus den drei oben erwähnten Glasnäpfen und dem Brot. Meine Frau vermisste etwas Frisches wie Quarkcreme o.ä.
Meine Frau wählte die geräucherte Forelle mit Saiblingskaviar (12.-) ohne Kaviar im Weckglas (blöde Sitte), ich das 130-Gramm-Tatar vom US-Beef (23.-). Als Hauptgericht wollten wir beide etwas von der BBQ-Karte, meine Frau das australische 180-Gramm-Rinderfilet (35.- nackt) mit Möhren (4.-) und Steakthouse-Fries (3,50), ich das 300-Gramm-Entrecote (39.- nackt) mit Caesars Salad (4.-) und Fries (3,50). Kurz nach dem Aufgeben der Bestellung kam die Nachricht, die Forelle sei aufgegessen. In Ermangelung einer genehmen Auswahl fragte meine Frau, ob sie einen einfachen Blattsalat ohne Tomaten, Pilze oder Paprika bekommen könne. Sie konnte. Wenige Minuten später wurde uns aber mitgeteilt, die von meiner Frau bestellte Forelle sei die letzte Portion gewesen, also doch lieferbar.
Die Weinkarte, die ich bei Rückgabe der Speisekarten erbeten hatte, musste ich anmahnen. Der Inhalt war dann allerdings sehr erfreulich. Mit Rücksicht auf die Tanninabneigung meiner Frau nahmen wir den Ursprung von Markus Schneider für schmale 29.- Euro. Ein stattlicher Servicemann mit im Nacken gebündelten Haaren brachte ihn mit ca. 16 Grad gut temperiert, öffnete ihn routiniert und berichtete von seinen positiven Erlebnissen beim Besuch des Weingutes vor einiger Zeit.
Unser Rotwein
Die Forelle meiner Frau hatte grenzwertig viel Salz bekommen, war aber ansonsten harmonisch mit Dill, Kartoffelstroh, Kartoffelschaum und wohlschmeckend. Mein Tatar war perfekt. Übersehen hatte ich im Kleingedruckten, dass es mit Steakhouse-Fries serviert wird. Leider hatte ich mein MCP vergessen (damit kann man ca. 10% mehr essen, ohne dass es aus der Nase kommt). Denn die offenkundig hausgeschnitzten Pommes frites waren toll, knusprig außen und innen mit der Weichheit einer guten vorwiegend mehlig kochenden Kartoffel und zurückhaltend gesalzen. Aufgrund der hoch erhitzen Schale und ihrer beachtlichen Größe blieben sie bis auf den Boden heiß. Das Tatar war geschnitten, nicht gewolft, hatte die richtige Menge Fett, war gut in Form gepresst und nur mild gesalzen. Mittig auf dem Teller wurde es eingerahmt von sechs Häufchen mit Tuning-Zubehör. Schnittlauchröllchen, Zwiebelwürfelchen und Knoblauchraspeln verwendete ich gern. Das auf dem Hochplateau thronende Wachtelei war wachsweich im Inneren und steigerte das cremige Mundgefühl. Noch besser wäre hier freilich – wie bei Stern – das pasteurisierte Hühner-Roheigelb mit Haut gewesen. Meine Frau half beim Vertilgen der Fries, weil sie damit das Salz an ihrer Forelle etwas abmildern konnte. Der zweite Verdünner war der Rotwein, den meine Frau sich selbst nachschenkte. Einmalig an diesem Abend nahm ihr aber eine junge Servicedame die Flasche aus der Hand und schenkte bei mir nach.
Tatar, Steakhouse-Fries
Beim Abräumen unserer leeren Teller wurden wir gefragt, ab wir eine Pause einlegen wollten. Wollten wir – wie immer – nicht. Der Lärmpegel war insgesamt recht hoch. Gerüche oder charakteristische Geräusche aus der Küche nahm ich nicht wahr.
Unsere Steaks erreichten uns sous vide erhitzt und über Holzkohle aufgeknuspert mit bei uns beiden erwünschtem Garungsgrad. Unsere Bestecke waren um je eine spitze Gabel und ein Laguiole-Steakmesser ergänzt worden. Die unbenutzen Suppenlöffel blieb bis zum Schluss auf dem Tisch. Bei meinem Steak musste ich tüchtig säbeln. Einem Vergleich mit den extrem scharfen Sabatiere bei Stern hielten die Laguiolemesser nicht stand. Es war auch keine der großen Schmieden zu erkennen. Mein kleiner Caesars Salad war exzellent klassisch abgeschmeckt. Am Parmesan war nicht gespart worden, so dass bei der Soße ein leicht mehliges Mundgefühl entstand. Die fettarmen Croutons blieben bis zum Schluss knusprig, das Sardellenaroma war nicht zu aufdringlich. Problematisch war die aufgrund meiner Unaufmerksamkeit bei der Tatarbestellung erneute große Portion der Steakhaus Fries. Ich
bewältigte sie nicht ganz, obwohl ich Steak und Fries mit etwas Fleur de Sel angereichert hatte.
Entecote
Da das Beckers als Dessert auch Macarons von Lenôtre Paris für je 2,50 anbietet, nahmen wir die zur Verfügung stehende Auswahl aus sechs Sorten. Sie erreichten uns ganz puristisch im Kreis gelegt und schmeckten, wie sie schmecken sollen. Auf jeden Fall war dies ein Dessert, das unsere Mägen nicht überforderte, und eine originelle Besonderheit sind Original-Macarons immer. Meine Frau bestellte sich wieder ein weiteres Glas Champagner dazu.
Die Rechnung kam schnell und konnte problemlos am Tisch mit der EC-Karte beglichen werden. Als Trinkgeld legte ich 22 Euro dazu.
Die Lenôtre-Macarons
Unser hoch gewachsener Servicemann verabschiedete sich mit Handschlag und äußerte den Wunsch, uns bald wieder zu sehen.