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"Vorfreude ist doch die schönste Freude!"
Geschrieben am 08.10.2018 2018-10-08 | Aktualisiert am 09.10.2018

"Skandinavisch-asiatisch angehauchte Wohlfühlküche im Mandelblütenmekka"
Geschrieben am 08.04.2017 2017-04-08 | Aktualisiert am 08.04.2017

Sobald ich bei schönem Wetter einen Abend in der Pfalz wäre, würde es auf die Terrasse des Moro gehen! Gesagt - getan: Schon 16 Monate später war es so weit;-)). Vom Hotel in Neustadt-City abgeholt, wurde ich vom nettesten Paar (mindestens) der Südpfalz direkt ins (eingemeindete) Weindorf Gimmeldingen an den Hängen der Haardt chauffiert. Durch die hübsche Hofeinfahrt
ging es bei schönster Abendsonne direkt auf die Terrasse, die wahrlich einen wunderbaren Blick über die Rheinebene bis Mannheim und bei klarer Sicht weiter bis an die Hänge des Odenwaldes erlaubt. Mit Mandelbäumen und Rebstöcken in der Nachbarschaft blieben wir durch die Höhen vor dem Wind geschützt lange (sehr lange, dazu später mehr) hier draußen sitzen. Derweil funkelten die Lichter der BASF aus der Ferne wie Edelsteine und ein roter Mond stieg vor uns am Himmel auf. Ein wunderbarer Ort, wie geschaffen zum Genießen. Zu später Stunde wurden „Grablichter“ entzündet, was die letzten Fotos auch nicht mehr wirklich retten konnte. Sehr gut gefiel mir die Gestaltung des Grundstücks unterhalb der Terrasse mit Rosengarten, Spielmöglichkeiten für Kinder und Loungemöbeln unter einem Pavillon. Wenn es nicht so spät geworden wäre, hätten wir dort unten gern noch einen Kaffee und vielleicht einen Absacker getrunken. Alles sehr gepflegt, bestimmt toll für einen Sektempfang etc. Auch den von marcO beschriebenen Innenbereich fand ich ansprechend; modern und klar, aber seine Herkunft als Weinstube nicht verleugnend.
Der Service konnte zumindest an diesem Abend leider nicht mit dem zauberhaften Ambiente mithalten. Eine junge Dame agierte sehr unpersönlich und absolut humorlos; das erste Lächeln sahen wir nach drei Stunden. Kommuniziert wurde nur sehr knapp und so schaukelte sich die beiderseitig fehlende Sympathie auch auf. Ganz das Gegenteil war der zuvor gelobte Serviceleiter Herr Kuld, dessen Freundlichkeit zumindest mir so aufgesetzt schien, dass ich mir mehr als einmal „verar...“ vorkam. Vielleicht lag es daran, dass der Service auf der weitgehend belegten Terrasse, darunter mehrere größere Gruppen, unterbesetzt war. Oder ich war einfach noch durch eine vorher im Hotel erfahrene, wirklich schlechte Behandlung so genervt, dass ich den Abend mit einem zu kritischen Spruch zur Aperitif-Frage noch vor dem Hinsetzen schlecht eröffnete.
Hoffentlich haben meine gutherzigen Begleitungen den Service positiver in Erinnerung; dann lasse ich mich gern berichtigen.
Gegen schlechte Laune hilft gutes Essen und Trinken!
Aus der angenehm übersichtlichen Karte entschied sich ein Vielfraß für das 6-Gang-Menü für 65€, während der heimische Genießer mit dem Sommer Special „Rundum sorglos“ für 59€ schlemmen wollte. Nur die Dritte im Bunde beschied sich für den Dreiklang aus Salat, Hauptgang und Kaffee für sage und schreibe nur 22€. Alles sehr günstig! Zudem leistete Madame klaglos Fahrdienst, so dass die beiden Herren fleißig die offenen Weine verkosten konnten. Die ausschließlich regionalen Gewächse waren zwischen 4,2€ und 5,6€ je 0,1l-Fingerhut für eine Weingegend doch überraschend stramm bepreist. Der halbe Liter Saftschorle schlug mit 4,2€ zu Buche, 0,75l Fachinger mit 6€.
Nach der Bestellung bekamen wir reichlich Zeit zum Quatschen und Aussicht bewundern. Irgendwann forschte ich im Inneren nach einem Menschen, um meinen Wunsch nach einem Gläschen Winzersekt kund zu tun. Neben einer genervten Antwort bekam ich einen mustergültig gekühlten Riesing serviert, der mit 6,5€ auf der Rechnung erschien.
Nach einer halben Stunde Wartezeit gab’s dann auch die erste feste Kost in Form von vier Scheiben labberigem (= lätschigem) Weißbrot. Als wir später am Abend um etwas Nachschub baten, wurden wir immerhin mit knusprig aufgebackener Ware
belohnt. Kurz nach dem Brot kamen dann auch Küchengrüße in Form eines pikanten Dips à la Frankfurter Sauce sowie eines dagegen recht flach geratenen Gurkensüppchens
Mein Menü startete nach 45 Minuten mit einer kaum pikanten Gazpacho, die vor allem süß war. Mir fehlten am Gaumen deutlich Tomatenfrucht und grüne Paprika. Dazu ein gewohnt bukettreicher Sauvignon Blanc von Oliver Zeter.
Weiter ging’s dann mit wunderbar saftigem, gezupftem Teryaki-Lachs auf Gurken-Ingwer-Salat
von dem ich mir etwas mehr Schärfe versprochen hatte. Dafür waren die geflämmten Apfelwürfel und die Punkte sehr salziger Sojasauce gute Mitspieler, die ich nach eigenem Gusto portionieren konnte. Eine gelungene Anleihe aus Fernost, die für die Küchen der Moro-Gruppe typisch ist. Nur schade, dass bei dem ansonsten seit März 2017 unverändert gebliebenen Teller das Segel aus Nori-Alge fehlte, wie der Gedächtniskünstler aus Steinweiler sogleich konstatierte.
Die Cuvée aus zwei Burgundertrauben und Scheurebe schmeckte mir dazu allerdings sehr gut, obwohl der Pälza Buu neben mir vom Weingut der drei Schwestern Weegmüller nicht so ganz überzeugt schien. Überhaupt hatte ich mit der wohl überlegten, bodenständigen Weinauswahl überhaupt keine Probleme.
Es folgte ein rustikales SurfˋnˋTurf
Eine wirklich wunderbar würzige, saftige, knusprig gebratene Scheibe Blutwurst auf einem dicken Apfelring. Dazu in einem kräftigen Muschelschaum kleine Kamm-Muscheln (die Bezeichnung Baby-Jakobsmuscheln scheint mir nach ausgiebiger Recherche im Netz sehr nah am, sorry, Beschiss zu liegen. Ponys sind auch keine Baby-Pferde...). Auch diese Kombination gab es schon Anfang 2017, wenn auch als Suppengang, und der Kollege war nicht recht überzeugt. Ging mir genauso. Die kräftige Wurst hätte zunächst mal einen ebensolchen Apfel verdient, der verwendete blieb dagegen schwach. Die reichlichen verwendeten Muscheln waren zwar schön angebraten, blieben aber geschmacklich um Längen hinter echten Jakobsmuscheln zurück. Zusätzlich waren sie durch die hohe Temperatur recht fest geworden, an (nicht: über) der Grenze zu einer gummi-artigen Konsistenz. Hier wurde wohl eine gute Idee dem Wareneinsatz geopfert, um den Teller preislich interessant anbieten zu können. Aber Abstriche bei den Produkten für niedrigere Preise haben mich noch nie überzeugen können.
Mit einem schönen Riesling von Alten Reben vom Weingut Ohler aus dem Gimmeldinger Mandelgarten wurde die Regionalität auch im Glas sehr hoch gehalten.
Gewarnt vom Suppenkaspar der Südpfalz hatte ich tunlichst vermieden, den signature-dish abzuwählen. Wie erwartet wurde das Onsen-Ei im Einmachglas in reichlich Buchenholzrauch
serviert und schmeckte wie stets süffig. Statt den aus Neustadt bekannten Haferflocken gab es in Gimmeldingen als Unterbau wohl mit Koriander gefärbte grüne Glasnudeln
die außer ihrer Farbe aber nur wenig beisteuern konnten.
Zudem etwas schwierig aus dem kleinen Weckglas zu löffeln. (Für den Daueresser und alle anderen 80er-Jahre-Filmjunkies: Wie sagte Julia Roberts so richtig - „Schlüpfrige kleine Schei...chen!“) Das ganze mit einem Orangenfond stark in die säuerliche Richtung verschoben. Pochiertes Ei und Säure sind für mich keine Traum-Kombi. Vielleicht hätten ja erdige Pfifferlinge hier eine Verbindung herstellen können. Taten sie leider nicht, die kleinen Exemplare waren geschmacksarm und sogar etwas wässrig. Ein enttäuschender Gang.
Auch hier konnte mich der Rosé von Philipp Kuhn trösten, eine fruchtige Mischung aus Merlot, Cabernet franc und Cabernet dorsa. Bei der letzten Traubensorte musste ich als Flachlandtiroler mehrmals nachfragen, war dem Rotwein-Aficionado natürlich peinlich vor seinen Pfälzer Kumpels!;-))
Dann war mal wieder Warten angesagt. Die Sonne verschwand, die Kerzen wurden entzündet, der Mond ging auf. Nach vielleicht weiteren 30 Minuten kam schließlich der Hauptgang. Der mich doch etwas versöhnte.
Die Perlhuhnbrust aus der Bresse war wunderbar saftig und aromatisch, zudem mit knuspriger Haut. „Er mag die Haut nur wenn sie kross ist, wenn sie zwischen den Zähnen kracht! Dann vergisst er, dass er voll ist. Ohohohoho!“ (Von Grönemeyer völlig zu Recht verworfener Text...)
Beilagen auch gelungen, rote Linsen und der an anderer Stelle unlängst arg gescholtene geschälte Weizen der Firma Egly - noch mit Biss. Der milde Curryschaum passte geschmacklich gut zum Geflügel und farblich zu ein paar Blättchen, vielleicht Spinat?
Das Fleisch war große Klasse und Graupen, Grieß, Haferflocken und sonstige Stärke abgebende Getreidespielarten mag ich eh ganz gerne.
Der begleitende Kalkmergel Spätburgunder von Pfaffmann wäre nicht meine erste Idee zum Perlhuhn gewesen, aber wenn es denn etwas Rotes sein soll, schon recht.
Den Abschluss bildeten für mich Camembert, Emmentaler und Blue dˋAuvergne mit verschiedenen Chutneys
Wie immer war der süße rote Sweetheart von Oliver Zeter (aus der Magnum ausgeschenkt!) ganz nach meiner Mütze.
Die Frage nach einem Kaffee verneinte das starke Geschlecht unisono; es war spät geworden. Dass wir damit offenbar auch gleich den fest zum Menü unserer Fahrerin gehörenden kleinen Schwarzen gecancelt hatten, fiel uns erst bei der Heimfahrt auf. Nach fast vier Stunden erinnert man sich halt nicht mehr so ganz an die Bestellung. Der Service wohl auch nicht. Passte irgendwie ins Bild.
Fazit:
Hatten wir einen schlechten Tag erwischt? Fakt ist, dass immer mal wieder das Können der Küche aufblitzte. Insgesamt aber waren es doch viel zu viele kleine Ungereimtheiten, die ich hier nicht erwartet hätte. Manchmal ist die Vorfreude eben doch die schönste Freude.
Nur gut, dass der phänomenale Ausblick und besonders die liebsten GG-Freunde alles Ungemach mehr als aufwogen.