Geschrieben am 03.11.2019 2019-11-03| Aktualisiert am
03.11.2019
Besucht am 28.03.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 196 EUR
Nach gutem Beginn (Alte Meister) und sehr guter Fortsetzung (Altes Zollhaus) war ich gespannt, ob der dritte Schlemmer-Abend in Folge noch eine Steigerung bringen würde.
Nach der Papierform standen die Chancen gut, denn das Horvàrth gehört mit zwei Michelin-Sternen seit 2016, 18 Punkten und weiteren Hoch- und Höchstauszeichnungen zur Spitzengruppe der Hauptstadt.
Chef Sebastian Frank, der das Restaurant inzwischen mit seiner Lebensgefährtin Jeannine Keßler auch betreibt, ist gebürtiger Österreicher und diese Wurzeln darf man der Küche durchaus auch anmerken.
Die elektronische Reservierung war unproblematisch und die telefonische Nachfrage sympathisch. Also machte ich mich gut gelaunt nach Kreuzberg auf. Das Paul-Lincke-Ufer hat sich in den letzten Jahren zu einem Gastro-Hotspot entwickelt. Entlang des Landwehrkanals, aber auch in Hinterhöfen findet man nicht nur höchst unterschiedliche Küchen, sondern auch noch verschiedene Preisniveaus.
Im Horvàrth hat man sich dem aktuellen, eher kühlen Gastrodesign mit ausgefeilten Lichtkonzepten überwiegend verweigert. Stattdessen erinnert viel helles Eichenholz besonders im vorderen Teil des recht tiefen Raumes an eine zünftige Gastwirtschaft.
Aber ohne Geweih, soweit ich sehen konnte. Für Behaglichkeit sorgen eine kleine Blumendeko und eine brennende Kerze auf jedem Tisch. Hell abgetönte Wände und Lichtspots sind aber schon von hinreichend Modernität. Dass hier das feine Dinieren „casual“ zugehen soll, bezeugen die recht übersichtlich eingedeckten Tische.
Das Besteck harrte in einem Kistchen auf dem Tisch der Selbstbedienung. Etwas aus dem sonstigen Rahmen die cremefarbenen Hochlehner, in den ich mal wieder (gefühlt) bis auf Tischkanten-Niveau versank. Natürlich bekam ich auf Nachfrage ein Kissen. „Natürlich“ deshalb, weil schon die Begrüßung durch meine Gastgeberin so freundlich, herzlich und offen ausfiel, dass ich mich vom ersten Moment an als gern gesehener Gast gefühlt habe. Der weitere Kollege im Service war vom gleichen Schlage, auch wenn er mein Lob mit einem Hinweis, er könne nicht anders, er sei eben Italiener abwehrte. Da hab ich aber schon andere Italiener erlebt...
Auch der Wechsel vom vorgesehenen Tisch an einen Fensterplatz und damit ins schnell schwindende Tageslicht für ein paar Fotos war kein Problem. Später wurde es bei Kerzenschein und überwiegend indirektem Licht recht schummrig; man merkt es den Bildern der letzten Gänge leider an.
Hier im vorderen Teil wurden bei leicht melancholischer Musik dann auch die anderen Gäste des Abends platziert, 5 Paare und ein weiterer einzelner Herr. Ob diese Ballung trotz des ansonsten leeren Lokals den kurzen Wegen fürs Personal geschuldet war oder die Kommunikation zwischen den Speisenden ankurbeln sollte, blieb offen.
Unangenehm war das nicht, die Gespräche an den Nebentischen waren nicht störend. Zumal etwas Konzentration auf das Essen den Genuss desselben erhöhte.
Seine Küche wird von Sebastian Frank als „emanzipatorisch“ bezeichnet. Das könnte hier wohl das Gegenteil von elitär sein, stellt aber vor allem heraus, dass alle Komponenten gleichberechtigt sind, es also keine Beilagen im üblichen Sinne gibt. Dadurch bekommen Gemüse eine höhere Bedeutung, auch wenn das Horvàth kein rein vegetarisches Restaurant ist.
Franks Philosophie führt zu visuell unspektakulären Tellern und Näpfen, bei denen nicht einzelne Produkte im Mittelpunkt stehen, sondern das geschmackliche Gesamtbild.
Es wurden ausschließlich zwei Menüs angeboten, 6 oder 8 Gänge (120/140€). In der aktuellen Karte sind die Gänge um jeweils einen reduziert, die Preise im Verhältnis leicht angehoben. Ich entschied mich für die kleine Auswahl und bat der Fastenzeit wegen um Verzicht auf Fleisch. Der Service bedauerte mich sogleich, denn so entging mir der Genuss des Blunzenbrotes. Typisch für die Gastfreundschaft hier wurde mir aber angeboten, das Brot mitzunehmen und für die Zeit ab Ostern einzufrieren! Auch Alkohol war noch ein No-Go. Aber natürlich wird im Horvàth eine überzeugende promillefreie Begleitung angeboten, die 10€ pro Glas kostete. Kein finanzieller Unterschied zur Weinreise übrigens, was mit der arbeitsintensiven Herstellung der meisten Getränke im eigenen Hause erklärt wurde.
Ausnahme der Aperitif: Alkoholfreier Secco von Lagen(!)-Traubensaft, in diesem Fall sortenreiner Silvaner, der für mich ein absolut typisches Bukett hatte und auch deutliche Säure mitbrachte. Ein Hoch auf das Pfälzer Weingut Möckli aus Nußdorf bei Landau und gleich noch ein zweites Gläschen (summa 16€).
Besteck nimmt man sich selbst aus einem kleinen Holzkästchen, aber für den ersten Küchengruß war der doppelwandige Plexiglasbecher vorgesehen, in den ein dampfend heißer Zwiebelsud mit Noten von Liebstöckel und Selleriesamen eingegossen wurde. 4 Stunden gezogen, offenbarte sich auf der Zunge ein ungemein tiefes Spiel von Süße und Würzigkeit, das noch lange am Gaumen präsent blieb. Auch, wenn ich nur ein knappes Stündchen Fußmarsch durch Kreuzberg hinter mir hatte, wurde sofort das Bild einer wärmenden Brühe auf der Hütte nach langer Wanderung durch die Kälte lebendig.
Mit dem Amuse kam auch das erste der inzwischen häufiger anzutreffenden Kärtchen, die für die detailverliebten unter uns Chronisten so überaus hilfreich sind.
Es folgte eine Brotauswahl, leider ja ohne die kräftige Blutwurst-Variante.
Das Roggensauerteigbrot mit Kümmel war ein guter Vertreter, aber verfallen war ich ab dem ersten Bissen den knusprig-fluffigen Langos, die mit feinem Knoblauch-Salz bedeckt waren. Ich konnte nicht anders, später am Abend musste ich erfolgreich um weitere Exemplare bitten, die die Küche natürlich frisch ausbuk.
Salzbutter mit alpenländischer Edelweißprägung und ein Kartoffelstampf mit Paprika waren rustikale Begleiter, aber eben auf ganz hohem geschmacklichen Niveau.
Als weiteres Amuse bouche wurden Chips von Linda-Kartoffeln mit einer süffigen Knoblauch-Crème serviert.
Darüber Raspel von in der Salzkruste intensiv gedörrtem Sellerie.
Das war einerseits zupackend salzig, ohne jemals ins Bittere abzukippen. Andererseits blitzte immer wieder die unfassbar prägnante Kartoffel im Wechsel mit dem erdig-süßen Selleriearoma auf. Ich hab ja nun wahrlich kein Problem mit Luxusprodukten, aber diese vermeintlichen Allerweltszutaten versetzten mich ins Verzücken.
Der erste Gang begann mit einem österreichischen Butterstriezl!
Dieser, gedacht für alle Gäste, wurde an meinem Tisch für den Abend angeschnitten und bescherte mir so eine himmlisch duftende, noch warme Scheibe, die statt einer Brioche die schmelzende, aus Kräuterseitlingen gewonnene Faux gras begleitete. Für Kontrast sorgte Apfelbalsam-Reduktion von David Gölles. Ich war noch so von meinem Brot und der dazu gereichten Marillenkernöl-Butter begeistert, dass ich doch tatsächlich ein Foto dieser „Pilzleber“ vergaß...
Im Glas erdiger gelbe Bete Saft mit etwas Kürbiskernöl.
Der nächste Gang hieß mit allem Understatement nur Gemischter Salat.
Brutal frische rohe Gemüse - Mairübchen, Radieschen, grüner Spargel - feine Streifen von Blattsalaten und Kräuter in einem angegossenen Gemüsesud mit Erdbeerkern-Öl, von dem ein verführerischer fruchtiger Frühlingsduft ausging. Zitronenzesten setzten frische Akzente, während Röstgewürze und die Basis der Räucherfisch-Crème zurückhaltend blieben. Super ausgewogene Variante und schwer beeindruckend, denn die knackig frische Textur blieb auch noch beim vierzigsten Kauen erhalten.
Das alkoholfreie Pairing, es dürfte die Petersilienwurzelmilch gewesen sein, war sehr dickflüssig, fast wie ein Dressing. Mir Schien das Getränk zu süß und auch zu mächtig zu dem Frische-Turbo auf dem Teller.
Nach diesem Wimmelbild stand der nächste Teller für fast schon puristische Reduktion.
Eine ausgezeichnet gegrillte Tranche Lachsforelle, die in der Nase wie am Gaumen gleichermaßen beeindruckte. Ein großes Stück Rhabarber als „salziges Kompott“ angekündigt und eine Nocke Haselnuss-Anchovis-Paste mit ganz authentischem Fischgeschmack (im positivsten Sinne!) verloren sich ein klein wenig auf dem Teller. Erst, als eine Mole nach Art des Hauses, nämlich Röstgemüsereduktion mit dunkler Schokolade angegossen wurde, ergab sich zunächst optisch ein harmonischeres Bild. Geschmacklich war hier mit wenigen Mitspielern einiges los, denn die fruchtige Säure des Rhabarbers konterte die erdige Süße der Mole. Der zarte, mittelfeste Fisch band diese Gegenspieler immer wieder ein.
Wahres Highlight war indes der begleitende Radicchiosaft mit Mandel-Zitronenöl, der von außen an Grapefruit erinnerte, aber am Gaumen viel mehr konnte: Säure, Bitternoten, Süße, Komplexität, die ich einem Gemüsesaft zuvor kaum zugesprochen hätte.
Und gleichzeitig Grund für eine überraschende Kritik. So phantastisch die Begleitung war, machte sie gleichzeitig den Rhabarber auf dem Teller völlig überflüssig!
Auf dem nächsten Teller variierte die Küche gekonnt Sellerie.
Gebacken, sich erst süßlich, dann salzig entfaltend, als Saat, mariniert mit Leindotteröl und mit Apfel zu einer frischen Sauce verarbeitet. Das korrespondierte mit einer nicht nur optisch, sondern auch vom nussigen Mundgefühl an Nutella erinnernden Crème, die sich als Kürbiskernöl-Vanille-Paste entpuppte. Das war schon herausfordernd, zumal die marinierten Scheiben noch arg fest zu kauen und mir daher zu grobschlächtig waren.
Der Selleriegang und die Pilzleber des Menüauftaktes werden in der Karte übrigens als „Siganture-Gerichte“ (Originalschreibweise) von Sebastian Frank heraus gehoben...
Das folgende Gericht kam ohne die kleine Gedächtnisstütze daher. Vielleicht, weil das Juvenilferkel durch eine buttrig braun gebratene Scheibe ersetzt wurde, die in der Konsistenz zwischen Toast und Polenta angesiedelt war und geschmacklich recht brav blieb.
Lauchgemüse und Pilzwürfel bekamen durch die etwas repetitive Röstgemüse-Reduktion Kraft. Großartig dagegen der auf einem Probierlöffel separat angebotene geeiste Pusztasalat von grünen Tomaten und Chili. Beides hätte sicher besser zum Schwein gepasst, die rein vegetarische Variante überzeugte nicht vollends.
Phänomenal erneut die alkoholfreie Begleitung. Molke mit Kren, Honig und Leindotteröl passte zu den kräftigen und scharfen Aromen großartig.
Der letzte Gang schloss den Bogen zur Kartoffel des Amuse.
Hier jedoch gekochte Bamberger Hörnchen mit geräuchertem Essig-Kohlrabi, der für den Biss sorgte und eine angenehme Säure mitbrachte. Für harmonisierende Einbindung sorgte eine Sauce aus saurem Rahm und Kümmel, zu Kartoffeln beides Klassiker. Das Pulver von getrockneten Steinpilzen für meinen Geschmack indes zu schwach.
Auch hier überzeugte das Pairing. Saft von Granny Smith und von Gala, geklärt auf 80 Grad wurde mit einem Nussholzhydrolat bestäubt, das den Geruch alter Holzmöbel verbreitete, aber doch verblüffend gut in die Aromenwelt des Tellers passte und mich in eine Holzhütte am See versetzte.
Der Verzicht auf Dessert fällt mir beim Fasten stets am leichtesten. Aber beim kleinen Rausschmeißer war es mit der Selbstdisziplin vorbei, zumal es natürlich auch hier nicht nur süß zu ging: Weiße Schokolade mit Petersilien-Öl und kandierten Kürbiskernen in einer essbaren Gaze beeindruckte mit kräuterigen Nuancen und feinem Crunch.
Ein kulinarisch nicht ganz einfacher Abend, der sicherlich kein alpenländisches Soulfood im landläufigen Sinne brachte. Hier wurde eine konzentrierte Rückbesinnung auf Produkte der bäuerlichen Küche geboten, die mehrfach einen Aha-Effekt auslösten: Ja, so MUSS das also schmecken! Dabei nicht plump oder anstrengend, sondern immer harmonisch.
Spannend und im besten Sinne zum Nach-Denken. Und für die Seelenwärme ist der super Service zuständig.
Nach gutem Beginn (Alte Meister) und sehr guter Fortsetzung (Altes Zollhaus) war ich gespannt, ob der dritte Schlemmer-Abend in Folge noch eine Steigerung bringen würde.
Nach der Papierform standen die Chancen gut, denn das Horvàrth gehört mit zwei Michelin-Sternen seit 2016, 18 Punkten und weiteren Hoch- und Höchstauszeichnungen zur Spitzengruppe der Hauptstadt.
Chef Sebastian Frank, der das Restaurant inzwischen mit seiner Lebensgefährtin Jeannine Keßler auch betreibt, ist gebürtiger Österreicher und diese Wurzeln darf man der Küche durchaus auch anmerken.
Die elektronische Reservierung... mehr lesen
Restaurant Horváth | Emanzipierte Gemüseküche
Restaurant Horváth | Emanzipierte Gemüseküche €-€€€Sternerestaurant, Gourmet03061289992Paul-Lincke-Ufer 44a, 10999 Berlin
4.5 stars -
"Konzentration auf das vermeintlich Einfache" DerBorgfelderNach gutem Beginn (Alte Meister) und sehr guter Fortsetzung (Altes Zollhaus) war ich gespannt, ob der dritte Schlemmer-Abend in Folge noch eine Steigerung bringen würde.
Nach der Papierform standen die Chancen gut, denn das Horvàrth gehört mit zwei Michelin-Sternen seit 2016, 18 Punkten und weiteren Hoch- und Höchstauszeichnungen zur Spitzengruppe der Hauptstadt.
Chef Sebastian Frank, der das Restaurant inzwischen mit seiner Lebensgefährtin Jeannine Keßler auch betreibt, ist gebürtiger Österreicher und diese Wurzeln darf man der Küche durchaus auch anmerken.
Die elektronische Reservierung
Geschrieben am 19.12.2016 2016-12-19| Aktualisiert am
21.12.2016
Besucht am 18.12.2016Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 440 EUR
Warm und einladend strahlt das gemütliche Licht des Gasthauses am Paul-Lincke-Ufer den Gast an und drinnen setzt sich dieser Eindruck mit viel braunem Holz fort. Noch bevor der Apéritifwunsch abgefragt oder die Karten serviert werden, hat Jakob Petritsch, der den Service mit erfrischendem österreichischem Charme leitet, zur Begrüßung den ersten Gruß aus der Küche zur Hand, ein flüssiges Aspik, also eine stark konzentrierte Fleischbrühe. Das ist ungewohnt, aber passend, weil wärmend und sehr intensiv. Zur Abmilderung der doch recht salzig schmeckenden Brühe gibt es ein Minifläschchen gut gekühlten Alpenquellwassers. Ein einfacher, aber spannender Auftakt, der auch angesichts der kalten Außemperaturen mehr als willkommen ist.
Dem folgt eine kleine, aber gut gewählte Brotauswahl, bei dem vor allem die noch heißen Knoblauch-Langos, ein fluffig in Fett ausgebackener Hefeteig, und ein Blunzen-Muffin (also Blutwurst) begeistern. Von unserem letzten Besuch, der allerdings schon fast drei Jahre zurück liegt, hatte ich recht übersichtliche Portionen in Erinnerung. Nicht, dass ich hungrig geblieben wäre, aber das volle Programm brauchte es seinerzeit schon, um angenehme Sättigung zu erreichen. Heute habe ich richtig Appetit mitgebracht und bin daher auch dankbar für den üppigen Kartoffelstampf, der mit nicht mehr als Salz und brauner Butter einen wohltuenden Seelentröster gibt.
Vorweg genommen: auch diesmal wählen wir das volle Programm und haben uns spätestens zur Halbzeit schon keine Gedanken mehr darüber machen müssen, nicht satt zu werden.
Der abschließende Gruß aus der Küche ist gegrillte Rote Bete, die mit gerösteten Bete Schalen auf einem Sauren Rahm mit Kümmel serviert werden. Säurespitzen liefern kleine Punkte gelierten Herbsttrompetenessigs. Bereits dieser Gruß skizziert ein wichtiges Charakteristikum von Sebastian Franks Küche. Gemüse spielt darin die Hauptrolle, wird in vielfältiger Form durchdekliniert und bekommt häufig ein cremiges und damit verbindendes Element. Der Gruß schmeckt übrigens ausgezeichnet und changiert zwischen leicht säuerlich und würzig herzhaft.
Im ersten Gang bekommt Sellerie seinen großen Auftritt, als "reif" und "jung" beschrieben. Die junge Version findet sich in Form von gedämpften, gerollten Scheiben, die von einer leicht gebundenen Hühnerbouillon bedeckt sind und geröstete Selleriesaat enthält. Als Würze wird am Tisch von 12 Monate im Salzteig gereiften Sellerie gerieben. Die kleine schrumpelige Knolle verströmt bereits pur ein so intensives Aroma, dass es tatsächlich nur als Puder zum Würzen verwendet wird. In der Präsentation erinnert mich das Gericht ein wenig an einen Selleriegang, den ich vor einem Jahr im Tian in Wien gegessen habe, auch dort als Röllchen nebeneinander und von einer Sauce (dort ein Schaum bedeckt). Im Horváth allerdings liefert die cremige Bouillon eine größere geschmackliche Tiefe. Sehr gut.
Im Menü geht es regulär weiter mit Blumenkohl, als Ragout und mit einer Emulsion aus Suppenfett und geröstetem Kalbshirn, dazu ein mit Petersilienöl verfeinertes, gestocktes Eiweiß. Ich probiere davon und finde es gut und erstaunlich abwechslungsreich, zumal Sebastian Franks Küche sonst eher reduziert auf den Teller kommt.
Ich wähle alternativ das schlicht als "Röstgemüse" betitelte Gericht. Dies sind drei Karotten, bei denen der Schmorgrad bis über die Grenzen ausgereizt wurde und die nahezu verbrannt wirken, es aber nicht sind. Begleitet von einer Röstcrème aus Wurzelgemüse, einer Rauchzwiebelmarmelade sowie marinierten Petersilienwurzelherzen bietet das ein ungewohntes Karottenerlebnis, das natürlich die Süße des Gemüses herausarbeitet, aber geschickt mit Gewürzen variiert.
Der folgende Gang "Wintergemüse" überzeugt mich nicht wirklich. Wirsing und Rosenkohlblätter sind kombiniert mit einer Kümmel-Honig-Paste und einer Emulsion aus Champignons und Mandelöl. Zu sehr in den Vordergrund spielt sich für meinen Geschmack ein Kürbistrester mit Limette, der sich auch nicht recht harmonisch einfügen will. Dazu kommt, dass das ganze Gericht lauwarm ist und das entspricht einfach nicht meiner Assoziation von Kohl, den ich mir wärmer erwarte. Der grüne, eiskalte Slushy vom rohen Kohl als Kontrast ist eine nette Spielerei, aber reißt es für mich nicht raus. Der Gang ist gut, findet auch bei meinem Mann deutlich mehr Begeisterung, aber ich fand die bisherigen Gänge stärker.
Die Begeisterung setzt aber umgehend wieder ein, als der Seesaibling an den Tisch kommt, gebeizt und scharf angebraten, aber sehr saftig, flankiert von etwas gedörrtem Endividiensalat, Holunderblütenöl und Minibackerbsen. Die Kräuterbutter auf dem Fisch liefert das letzte intensive I-Pünktchen. Toller Gang, der nicht nur optisch überzeugt.
Der Titel des nächsten Ganges ist eigentlich eher irreführend, denn "Schwammer'l" lässt einen typischen Pilzgang erwarten. Tatsächlich aber finden sich die Pilze wieder nur in verfremdeter, aber sehr intensiver Form wieder. Kleine, knusprige Waldpilze, kleine Stücke gedämpfter Seitlinge sowie als Pulver auf einem dekonstruierten Butterbrot sind sie nur Beigaben zum eigentlichen Hauptdarsteller, einer veritabel großen Knolle Topinambur. Das cremige Element ist in diesem Fall ein Haselnuss-Zitronenrahm. Hier verbinden sich erneut sehr runde, erdige Aromen zu einem stimmigen Ganzen. Lediglich die Portionierung der Topinambur hätte ich mir etwas kleiner gewünscht. So ist dieser Gang doch insgesamt relativ mächtig.
Als hätte die Küche mein inneres Seufzen gehört, folgt als Erfrischung eine Variation vom Kürbis mit einem geeisten Schmorkürbis als Hauptelement. Dazu etwas süß-saurer Butternusskürbis und - cremiges Element! - eine frische Dill-Béchamel. Abwechslungsreich und sehr gut an dieser Stelle.
Fleisch war bis zu diesem Punkt nur marginal vertreten, wie es im Horváth die Regel ist und wirklich vermisst habe ich bis hierhin nichts. Trotzdem freue ich mich auf das Medaillon von der Brandenburger Rehkeule, an dessen Seite noch Rehtatar kurz angebraten beigegeben ist. Gemüsebegleitung ist diesmal die Schwarzwurzel, roh, geschmort und in den Butterbröseln verarbeitet. Fruchtige Noten kommen von einer gelierten Marillenkerncrème und einer Quitten-Essenz mit vierjährigem Rumtopf. Am Tisch angegossen dann noch eine mit Butter aufmontierte klassische Schmorsauce. Das ist eine aufwändige Variation eines klassischen Themas, Wild und Frucht, und bedient alle harmonischen Elemente eines solchen Herbst-/Wintergerichts perfekt. Trotzdem ist es so überraschend vielschichtig und anders als erwartet. Fabelhaft!
Im ersten Dessert findet sich auf einem Löffel etwas kalte Bratapfelcreme, separat dazu eine Pastinaken-Birnencreme mit gerösteter Senfsaat. Am Tisch wird ein warmer Sud von Zimt, Apfel und Muskatkürbis angegossen, der die Creme im Löffel schnell viel geschmeidiger werden lässt. In der Nase und im Mund machen sich erste weihnachtliche Gefühle breit.
Beim abschließenden Nachtisch allerdings lässt die Küche noch einmal in sommerlichen Erinnerungen schwelgen. Und es wird noch mal richtig - cremig! In dem wunderschönen Arrangement aus abgehangenem Quark, süßer Sahne und gebackenem Plunderteig finden sich neben diversen Blüten auch Tropfen ungemein intensiven Erdbeerkernöls. Dieses Öl scheint den Geschmack der Erdbeeren so stark konzentriert in sich gespeichert zu haben, dass man beim Schließen der Augen tatsächlich ganze Edbeerfelder zu sehen meint. In all seiner vermeintlichen Einfachheit ist dies eines der besten Desserts des Jahres für mich.
Was bestenfalls noch für Horváth-Neulinge eine Mutprobe ist, folgt als Petit Fours zum Kaffee: die Praline aus Schweineblut und weißer Schokolade ist längst ein Klassiker und schmeckt einfach nur angenehm süß und nach allem, aber nicht vordergründig nach Blut.
So geht das Menü mit ganz vielen Höhepunkten und nur einem nicht ganz so überzeugenden Gang für mich zuende und beweist erneut, dass Sebastian Frank mit seiner Gemüseküche eine deutlich wiedererkennbare Handschrift entwickelt hat. Fern von regional verbrämt, verkopfter Ideologie spielt Gemüse hier einfach eine größere Rolle als anderswo und darf sich in zahlreichen Zubereitungsformen von seiner besten Seite zeigen. Niemand wird hier etwas vermissen, denn die Gerichte sind geschmackstief und vielschichtig.
Hatte Frank bei unserem letzten Besuch gerade eine Phase, bei der Räucher- und Röstnoten eine dominierende Rolle spielten (was ich seinerzeit ausgesprochen mochte), war dieses Menü insgesamt eleganter und noch ausgeklügelter. Die zwei Sterne, die mittlerweile über dem Horváth leuchten, habe ich durchweg auch auf dem Teller erlebt.
Die Weinkarte listet neben überwiegend österreichischen und deutschen Gewächsen verstärkt auch Weine aus noch unbekannteren osteuropäischen Ländern wie Serbien, Kroatien und Slowenien. Die Weinreise zum Menü bietet denn auch einen interessanten Querschnitt durch diese Regionen. Wir haben eine Flasche Chardonnay Lores vom Johanneshof Reinisch aus der Thermenregion gewählt, der uns ob seiner Eleganz sehr begeistert. Danach sind wir mit dem Opus Eximium vom Weingut Gesellmann aus dem Jahr 2013 zufrieden, wenngleich der Wein eigentlich noch zu jung ist und ihm die Frische anzumerken ist.
Das Horváth hat auch in diesem Jahr einen starken Auftritt hingelegt, die Atmosphäre im Restaurant ist ausgelassen, die Sprachen um uns herum vielfältig, es ist schlicht gemütlich, so dass wir nur ungern die Wärme gegen die kalte Abendluft der Großstadt tauschen wollen. Muss aber sein. Leider.
Warm und einladend strahlt das gemütliche Licht des Gasthauses am Paul-Lincke-Ufer den Gast an und drinnen setzt sich dieser Eindruck mit viel braunem Holz fort. Noch bevor der Apéritifwunsch abgefragt oder die Karten serviert werden, hat Jakob Petritsch, der den Service mit erfrischendem österreichischem Charme leitet, zur Begrüßung den ersten Gruß aus der Küche zur Hand, ein flüssiges Aspik, also eine stark konzentrierte Fleischbrühe. Das ist ungewohnt, aber passend, weil wärmend und sehr intensiv. Zur Abmilderung der doch recht salzig... mehr lesen
Restaurant Horváth | Emanzipierte Gemüseküche
Restaurant Horváth | Emanzipierte Gemüseküche €-€€€Sternerestaurant, Gourmet03061289992Paul-Lincke-Ufer 44a, 10999 Berlin
4.5 stars -
"Vielschichtige Gemüseküche auf Sterneniveau" tischnotizenWarm und einladend strahlt das gemütliche Licht des Gasthauses am Paul-Lincke-Ufer den Gast an und drinnen setzt sich dieser Eindruck mit viel braunem Holz fort. Noch bevor der Apéritifwunsch abgefragt oder die Karten serviert werden, hat Jakob Petritsch, der den Service mit erfrischendem österreichischem Charme leitet, zur Begrüßung den ersten Gruß aus der Küche zur Hand, ein flüssiges Aspik, also eine stark konzentrierte Fleischbrühe. Das ist ungewohnt, aber passend, weil wärmend und sehr intensiv. Zur Abmilderung der doch recht salzig
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Nach der Papierform standen die Chancen gut, denn das Horvàrth gehört mit zwei Michelin-Sternen seit 2016, 18 Punkten und weiteren Hoch- und Höchstauszeichnungen zur Spitzengruppe der Hauptstadt.
Chef Sebastian Frank, der das Restaurant inzwischen mit seiner Lebensgefährtin Jeannine Keßler auch betreibt, ist gebürtiger Österreicher und diese Wurzeln darf man der Küche durchaus auch anmerken.
Die elektronische Reservierung war unproblematisch und die telefonische Nachfrage sympathisch. Also machte ich mich gut gelaunt nach Kreuzberg auf. Das Paul-Lincke-Ufer hat sich in den letzten Jahren zu einem Gastro-Hotspot entwickelt. Entlang des Landwehrkanals, aber auch in Hinterhöfen findet man nicht nur höchst unterschiedliche Küchen, sondern auch noch verschiedene Preisniveaus.
Im Horvàrth hat man sich dem aktuellen, eher kühlen Gastrodesign mit ausgefeilten Lichtkonzepten überwiegend verweigert. Stattdessen erinnert viel helles Eichenholz besonders im vorderen Teil des recht tiefen Raumes an eine zünftige Gastwirtschaft.
Aber ohne Geweih, soweit ich sehen konnte. Für Behaglichkeit sorgen eine kleine Blumendeko und eine brennende Kerze auf jedem Tisch. Hell abgetönte Wände und Lichtspots sind aber schon von hinreichend Modernität. Dass hier das feine Dinieren „casual“ zugehen soll, bezeugen die recht übersichtlich eingedeckten Tische.
Das Besteck harrte in einem Kistchen auf dem Tisch der Selbstbedienung. Etwas aus dem sonstigen Rahmen die cremefarbenen Hochlehner, in den ich mal wieder (gefühlt) bis auf Tischkanten-Niveau versank. Natürlich bekam ich auf Nachfrage ein Kissen. „Natürlich“ deshalb, weil schon die Begrüßung durch meine Gastgeberin so freundlich, herzlich und offen ausfiel, dass ich mich vom ersten Moment an als gern gesehener Gast gefühlt habe. Der weitere Kollege im Service war vom gleichen Schlage, auch wenn er mein Lob mit einem Hinweis, er könne nicht anders, er sei eben Italiener abwehrte. Da hab ich aber schon andere Italiener erlebt...
Auch der Wechsel vom vorgesehenen Tisch an einen Fensterplatz und damit ins schnell schwindende Tageslicht für ein paar Fotos war kein Problem. Später wurde es bei Kerzenschein und überwiegend indirektem Licht recht schummrig; man merkt es den Bildern der letzten Gänge leider an.
Hier im vorderen Teil wurden bei leicht melancholischer Musik dann auch die anderen Gäste des Abends platziert, 5 Paare und ein weiterer einzelner Herr. Ob diese Ballung trotz des ansonsten leeren Lokals den kurzen Wegen fürs Personal geschuldet war oder die Kommunikation zwischen den Speisenden ankurbeln sollte, blieb offen.
Unangenehm war das nicht, die Gespräche an den Nebentischen waren nicht störend. Zumal etwas Konzentration auf das Essen den Genuss desselben erhöhte.
Seine Küche wird von Sebastian Frank als „emanzipatorisch“ bezeichnet. Das könnte hier wohl das Gegenteil von elitär sein, stellt aber vor allem heraus, dass alle Komponenten gleichberechtigt sind, es also keine Beilagen im üblichen Sinne gibt. Dadurch bekommen Gemüse eine höhere Bedeutung, auch wenn das Horvàth kein rein vegetarisches Restaurant ist.
Franks Philosophie führt zu visuell unspektakulären Tellern und Näpfen, bei denen nicht einzelne Produkte im Mittelpunkt stehen, sondern das geschmackliche Gesamtbild.
Es wurden ausschließlich zwei Menüs angeboten, 6 oder 8 Gänge (120/140€). In der aktuellen Karte sind die Gänge um jeweils einen reduziert, die Preise im Verhältnis leicht angehoben. Ich entschied mich für die kleine Auswahl und bat der Fastenzeit wegen um Verzicht auf Fleisch. Der Service bedauerte mich sogleich, denn so entging mir der Genuss des Blunzenbrotes. Typisch für die Gastfreundschaft hier wurde mir aber angeboten, das Brot mitzunehmen und für die Zeit ab Ostern einzufrieren! Auch Alkohol war noch ein No-Go. Aber natürlich wird im Horvàth eine überzeugende promillefreie Begleitung angeboten, die 10€ pro Glas kostete. Kein finanzieller Unterschied zur Weinreise übrigens, was mit der arbeitsintensiven Herstellung der meisten Getränke im eigenen Hause erklärt wurde.
Ausnahme der Aperitif: Alkoholfreier Secco von Lagen(!)-Traubensaft, in diesem Fall sortenreiner Silvaner, der für mich ein absolut typisches Bukett hatte und auch deutliche Säure mitbrachte. Ein Hoch auf das Pfälzer Weingut Möckli aus Nußdorf bei Landau und gleich noch ein zweites Gläschen (summa 16€).
Besteck nimmt man sich selbst aus einem kleinen Holzkästchen, aber für den ersten Küchengruß war der doppelwandige Plexiglasbecher vorgesehen, in den ein dampfend heißer Zwiebelsud mit Noten von Liebstöckel und Selleriesamen eingegossen wurde. 4 Stunden gezogen, offenbarte sich auf der Zunge ein ungemein tiefes Spiel von Süße und Würzigkeit, das noch lange am Gaumen präsent blieb. Auch, wenn ich nur ein knappes Stündchen Fußmarsch durch Kreuzberg hinter mir hatte, wurde sofort das Bild einer wärmenden Brühe auf der Hütte nach langer Wanderung durch die Kälte lebendig.
Mit dem Amuse kam auch das erste der inzwischen häufiger anzutreffenden Kärtchen, die für die detailverliebten unter uns Chronisten so überaus hilfreich sind.
Es folgte eine Brotauswahl, leider ja ohne die kräftige Blutwurst-Variante.
Das Roggensauerteigbrot mit Kümmel war ein guter Vertreter, aber verfallen war ich ab dem ersten Bissen den knusprig-fluffigen Langos, die mit feinem Knoblauch-Salz bedeckt waren. Ich konnte nicht anders, später am Abend musste ich erfolgreich um weitere Exemplare bitten, die die Küche natürlich frisch ausbuk.
Salzbutter mit alpenländischer Edelweißprägung und ein Kartoffelstampf mit Paprika waren rustikale Begleiter, aber eben auf ganz hohem geschmacklichen Niveau.
Als weiteres Amuse bouche wurden Chips von Linda-Kartoffeln mit einer süffigen Knoblauch-Crème serviert.
Darüber Raspel von in der Salzkruste intensiv gedörrtem Sellerie.
Das war einerseits zupackend salzig, ohne jemals ins Bittere abzukippen. Andererseits blitzte immer wieder die unfassbar prägnante Kartoffel im Wechsel mit dem erdig-süßen Selleriearoma auf. Ich hab ja nun wahrlich kein Problem mit Luxusprodukten, aber diese vermeintlichen Allerweltszutaten versetzten mich ins Verzücken.
Der erste Gang begann mit einem österreichischen Butterstriezl!
Dieser, gedacht für alle Gäste, wurde an meinem Tisch für den Abend angeschnitten und bescherte mir so eine himmlisch duftende, noch warme Scheibe, die statt einer Brioche die schmelzende, aus Kräuterseitlingen gewonnene Faux gras begleitete. Für Kontrast sorgte Apfelbalsam-Reduktion von David Gölles. Ich war noch so von meinem Brot und der dazu gereichten Marillenkernöl-Butter begeistert, dass ich doch tatsächlich ein Foto dieser „Pilzleber“ vergaß...
Im Glas erdiger gelbe Bete Saft mit etwas Kürbiskernöl.
Der nächste Gang hieß mit allem Understatement nur Gemischter Salat.
Brutal frische rohe Gemüse - Mairübchen, Radieschen, grüner Spargel - feine Streifen von Blattsalaten und Kräuter in einem angegossenen Gemüsesud mit Erdbeerkern-Öl, von dem ein verführerischer fruchtiger Frühlingsduft ausging. Zitronenzesten setzten frische Akzente, während Röstgewürze und die Basis der Räucherfisch-Crème zurückhaltend blieben. Super ausgewogene Variante und schwer beeindruckend, denn die knackig frische Textur blieb auch noch beim vierzigsten Kauen erhalten.
Das alkoholfreie Pairing, es dürfte die Petersilienwurzelmilch gewesen sein, war sehr dickflüssig, fast wie ein Dressing. Mir Schien das Getränk zu süß und auch zu mächtig zu dem Frische-Turbo auf dem Teller.
Nach diesem Wimmelbild stand der nächste Teller für fast schon puristische Reduktion.
Eine ausgezeichnet gegrillte Tranche Lachsforelle, die in der Nase wie am Gaumen gleichermaßen beeindruckte. Ein großes Stück Rhabarber als „salziges Kompott“ angekündigt und eine Nocke Haselnuss-Anchovis-Paste mit ganz authentischem Fischgeschmack (im positivsten Sinne!) verloren sich ein klein wenig auf dem Teller. Erst, als eine Mole nach Art des Hauses, nämlich Röstgemüsereduktion mit dunkler Schokolade angegossen wurde, ergab sich zunächst optisch ein harmonischeres Bild. Geschmacklich war hier mit wenigen Mitspielern einiges los, denn die fruchtige Säure des Rhabarbers konterte die erdige Süße der Mole. Der zarte, mittelfeste Fisch band diese Gegenspieler immer wieder ein.
Wahres Highlight war indes der begleitende Radicchiosaft mit Mandel-Zitronenöl, der von außen an Grapefruit erinnerte, aber am Gaumen viel mehr konnte: Säure, Bitternoten, Süße, Komplexität, die ich einem Gemüsesaft zuvor kaum zugesprochen hätte.
Und gleichzeitig Grund für eine überraschende Kritik. So phantastisch die Begleitung war, machte sie gleichzeitig den Rhabarber auf dem Teller völlig überflüssig!
Auf dem nächsten Teller variierte die Küche gekonnt Sellerie.
Gebacken, sich erst süßlich, dann salzig entfaltend, als Saat, mariniert mit Leindotteröl und mit Apfel zu einer frischen Sauce verarbeitet. Das korrespondierte mit einer nicht nur optisch, sondern auch vom nussigen Mundgefühl an Nutella erinnernden Crème, die sich als Kürbiskernöl-Vanille-Paste entpuppte. Das war schon herausfordernd, zumal die marinierten Scheiben noch arg fest zu kauen und mir daher zu grobschlächtig waren.
Der Selleriegang und die Pilzleber des Menüauftaktes werden in der Karte übrigens als „Siganture-Gerichte“ (Originalschreibweise) von Sebastian Frank heraus gehoben...
Das folgende Gericht kam ohne die kleine Gedächtnisstütze daher. Vielleicht, weil das Juvenilferkel durch eine buttrig braun gebratene Scheibe ersetzt wurde, die in der Konsistenz zwischen Toast und Polenta angesiedelt war und geschmacklich recht brav blieb.
Lauchgemüse und Pilzwürfel bekamen durch die etwas repetitive Röstgemüse-Reduktion Kraft. Großartig dagegen der auf einem Probierlöffel separat angebotene geeiste Pusztasalat von grünen Tomaten und Chili. Beides hätte sicher besser zum Schwein gepasst, die rein vegetarische Variante überzeugte nicht vollends.
Phänomenal erneut die alkoholfreie Begleitung. Molke mit Kren, Honig und Leindotteröl passte zu den kräftigen und scharfen Aromen großartig.
Der letzte Gang schloss den Bogen zur Kartoffel des Amuse.
Hier jedoch gekochte Bamberger Hörnchen mit geräuchertem Essig-Kohlrabi, der für den Biss sorgte und eine angenehme Säure mitbrachte. Für harmonisierende Einbindung sorgte eine Sauce aus saurem Rahm und Kümmel, zu Kartoffeln beides Klassiker. Das Pulver von getrockneten Steinpilzen für meinen Geschmack indes zu schwach.
Auch hier überzeugte das Pairing. Saft von Granny Smith und von Gala, geklärt auf 80 Grad wurde mit einem Nussholzhydrolat bestäubt, das den Geruch alter Holzmöbel verbreitete, aber doch verblüffend gut in die Aromenwelt des Tellers passte und mich in eine Holzhütte am See versetzte.
Der Verzicht auf Dessert fällt mir beim Fasten stets am leichtesten. Aber beim kleinen Rausschmeißer war es mit der Selbstdisziplin vorbei, zumal es natürlich auch hier nicht nur süß zu ging: Weiße Schokolade mit Petersilien-Öl und kandierten Kürbiskernen in einer essbaren Gaze beeindruckte mit kräuterigen Nuancen und feinem Crunch.
Ein kulinarisch nicht ganz einfacher Abend, der sicherlich kein alpenländisches Soulfood im landläufigen Sinne brachte. Hier wurde eine konzentrierte Rückbesinnung auf Produkte der bäuerlichen Küche geboten, die mehrfach einen Aha-Effekt auslösten: Ja, so MUSS das also schmecken! Dabei nicht plump oder anstrengend, sondern immer harmonisch.
Spannend und im besten Sinne zum Nach-Denken. Und für die Seelenwärme ist der super Service zuständig.