Einsunternull
ist vermutlich
seit Oktober 2022 dauerhaft geschlossen.
Grund: Info des Betriebs auf der FB-Seite: https://www.facebook.com/einsunternull/
Besucht am 19.12.2016Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 431 EUR
Marketing ist schon mal die halbe Miete. Die Website des Restaurants spart nicht mit markanten Ansagen, vom "Anspruch der Rückbesinnung auf Ursprünglichkeit", "kulinarischem Pioniergeist", "handwerklich geprägter Schöpfermentalität" und "nachhaltig orientiertem Wertebewusstsein".
Normalerweise würden mich solche dick aufgetragenen und verkopft wirkenden Aussagen eher abschrecken. Aber ich bin ja neugierig, kulinarisch einigermaßen aufgeschlossen und wenn man aus mehreren Ecken hört, wie begeistert alle über diesen seit November 2015 existierenden Laden in Berlin Mitte sind, muss wohl was dran sein. Dass auch der Michelin bereits nach einem Jahr den ersten Stern zückt, wird ebenfalls seinen Grund haben.
Die Macher Ivo Ebert als Gastgeber und Andreas Rieger, der Küchenchef, sind aus dem "reinstoff" bekannt und auch wenn man es auf der Website nicht so deutlich propagiert, wird schnell klar, dass wir es auch hier mit einem Konzept starker Regionalität und extrem gemüsebetonter Küche zu tun bekommen werden. All das wissen wir und ignorieren die ideologische Keule einfach mal, als wir mit dem Aufzug in das Kellergeschoss, also auf -1 fahren und im schlicht, eleganten Ambiente von ebenso eleganten, jungen Damen sehr freundlich begrüßt und an einem der großzügig gestellten Tische platziert werden. Immerhin, denke ich, wenn schon Gemüse, dann wenigstens chic und hip.
Im einsunternull gibt es nur ein Menü, das bei 10 Gängen 117 € kostet und auf Minimum 6 Gänge, dann 77 Euro, reduziert werden kann. Wir wählen das volle Programm und entscheiden uns nicht für die Getränkebegleitung, denn so groß ist meine Experimentierlust heute doch nicht. Die Weinkarte listet viel Unbekanntes, darunter viele Naturweine und da ich mich mit Orange Wine für gewöhnlich etwas schwer tue, lassen wir uns von Benjamin Becker, der wort- und kenntnisreich jeden Wein beschreiben kann, eine Flasche Weißen Burgunder empfehlen, ein Großes Gewächs vom mir bis dato völlig unbekannten Weingut Störrlein Krenig aus Franken. Der ist ausgezeichnet und entspricht sehr meinem Geschmack. Danach sollte es eine Flasche Matassa rouge aus dem Roussillon sein, der leider ausverkauft war. Alternativ wird es der empfohlene Espadeiro vom Weingut Attis aus dem Rias Baixas. Die Beschreibung der autochthonen Rebsorte klang spannend, im Glas ist es eine interessante Erfahrung und durchaus schmackhaft, aber ich hätte mir etwas kräftigeres und kantigeres gewünscht. Der Wein hier ist eher von mittlerem Körper und kühlem Charakter. Erst später sehen wir, dass er auch nur 11 Vol.-% hatte. Das erklärt dann einiges.
Kommen wir zum Essen: Ein erster Gruß sind getrocknete Kohlblätter, die von einer etwas undefinierbaren Creme zusammengehalten werden. Das hinterlässt einen leicht bitteren Geschmack, aber ansonsten keinen besonderen Eindruck.
Parallel dazu gibt es in zwei Schälchen Karotte in flüssiger Form mit einem überwiegend süßen und eher eindimensionalen Charakter. Besser hingegen die in unterschiedlicher Größe und Farben geschichteten Karotten auf einer leichten Creme. Man kann hier, wenn man sich sehr anstrengt, sicherlich Nuancen herausschmecken. Mir gefallen die unterschiedlichen Konsistenzen, eine größere Tiefgründigkeit kann ich hingegen nicht erkennen.
Über das fabelhafte Brot und die sehr gute Butter wurde verschiedentlich bereits berichtet. Auch ich bin ebenso angetan.
Das Menü beginnt mit Rettich, Herz und Kresse. Das Rinderherz wurde wie Beef Jerkey getrocknet und dann über den Rettich gehobelt. Das wirkt mehr als Würzmittel, als dass es tatsächlich einen fleischigen Charakter beisteuert. Der Rettich war, wenn ich mich recht erinnere, sowohl fermentiert als auch roh mariniert, also durchaus geschmacklich changierend. Dazu etwas Wildkresse und ein Chip für etwas mehr Textur. Das ist optisch schön anzuschauen, im Mund auch nicht unharmonisch. Aber bereits hier beginne ich zu merken, dass ich eher nachdenke, ob es mir einfach nur schmecken darf oder ich mir mehr Gedanken machen muss zu dem, was ich zu mir nehme.
Der folgende Gang ist eine bereits mehrfach durchs Netz gegangene Tellerschönheit. Unter den akkurat geschichteten Champignonscheiben verbirgt sich eine Brotcreme. Die Scheiben sind von etwas Leinöl beträufelt und mit einigen Blüten von einem nicht mehr erinnerten Zwiebelgewächs versehen. Das sieht minimalistisch aus und bietet einen relativ klaren,erdigen, aber eben auch nicht besonders tiefen Geschmack.
Als nächstes folgt der einzig wirkliche Fleischgang, die Dünnung vom Lamm, ein Stück aus der Flanke mit einem Anteil Bauchlappen, der hier zu einer ansehnlichen Rolle geformt ist. Das Fleisch sehr saftig geschmort, die Haut sehr knusprig - ausgezeichnet! Daneben wieder akkurat geschichtete Kartoffelscheiben auf einer säuerlichen Creme, mit etwas Kamille bestäubt. Das ist für mich bis dahin - und bis zum Schluss - der überzeugendste Gang. Nicht, weil es ein geschmacksstarkes Stück Fleisch enthält, sondern weil er am abwechslungsreichsten ist und mich auch von der Präsentation begeistert. Warum dieser starke Gang bereits an dieser Stelle des Menüs kommt, erschließt sich mir zwar nicht, aber der typischen Menüdramaturgie scheint man hier eh bewusst nicht folgen zu wollen.
Optisch sehr reduziert - und erneut sauber geschichtet - der nächste Gang, in dem weiße Bete mit gleich großen Stücken eingeweckten Spargels und Haselnussmilch präsentiert werden. Weiß mit weiß auf weiß - diese monochrome Darstellung hat ihren Reiz, im Mund schmeckt man halt beide Gemüse, wobei der Spargel naturgemäß beim Einwecken an typischem Geschmack verloren hat, aber zumindest noch klaren Biss hat.
Der folgende Schmorzwiebelsud mit Zwiebelstücken und Fichtennadeln sieht erst mal schön aus. Der Sud ist kräftig, wenngleich ich die Fichtenkomponente länger suche als mein Mann. Die Fichtennadeln sind zwar weich geschmort, hinterlassen bei mir trotzdem ein unangenehmes Mundgefühl. Für mich einer der schwächeren Gänge, bei meinem Mann in den TOP 3 des Abends - so unterschiedlich ist die Wahrnehmung.
Mit kaum mehr als zwei Elementen kommt auch der nächste Teller aus, ein Streifen saftigen Saiblings, der von Lauchasche bedeckt ist und dadurch einen kräftigen Rauchgeschmack erhält. Die dazu gegebene stark einreduzierte Karottenemulsion ist mir definitiv zu süß, nahezu klebrig, und lässt kaum noch die Grundsubstanz erkennen. Im Kontrast zu dem gut gegarten Fisch interessant, aber nicht zwingend erforderlich.
Weil es für die Optik als Stilmittel einfach gut taugt, wird auch auf dem nächsten Teller wieder geschichtet. Was sich unter der akkuraten Karottenpräsentation befand, ist bereits wieder aus meiner Erinnerung verschwunden. Die Karte erwähnt Anis und Walnuss und ganz zart dämmert es noch, aber eben nicht deutlich genug. Nächster Akt.
Der ist für mich in den TOP 3 des Abends. Unter einer Schicht kräftigen Pilzgelees, die von einer hauchdünnen Scheibe Lardo bedeckt ist, finden sich säuerlich eingeweckte Pilze und schwarze Johannisbeeren als Geleetupfen. Das gibt interessante Kombinationen, je nachdem, wie stark man alles miteinander kombiniert. Gefällt mir ausgesprochen gut. Was aber auch daran liegen könnte, dass ich Pilze generell sehr gerne mag.
Der Übergang in den Dessertbereich ist abrupt, aber auch das scheint hier zum Konzept zu gehören. Unter einer hauchdünnen Platte befindet sich geeiste Milch und Heidelbeerkompott. Das ist kühl erfrischend und noch am nächsten an dem, was man klassischerweise mit Nachtisch assoziieren würde. Hat mir sehr gut geschmeckt.
Das abschließende Dessert wird von einem der Köche an den Tisch gebracht und etwas wortkarg vollendet. Drei Tage gekochte Bete, die dadurch dick, cremig und an Rübensirup erinnernd als Creme an die Schüsselwand drapiert wurde, wird mit einem Granité von Aroniabeere und Rose versehen. Das gibt interessante Kontraste und sicher ist es ein schöner Lerneffekt zu erfahren, was aus Rote Bete nach so langer Garung wird. In Summe war mir das aber erneut zu süß und mit dem ersten Dessert war ich glücklicher.
So geht nach dem Horváth ein zweiter Abend mit überwiegend gemüsigen Gängen zuende. Anders allerdings als im Horváth wirkt hier die Performance deutlich verkopfter. Die sehr reduzierte, minimalistische und fast schon artifizielle Präsentation hat durchaus ihren Reiz. Gleichzeitig schafft sie aber auch durch den ideologischen Grundton eine gewisse Distanz. Um nicht falsch verstanden zu werden: ich habe mich an dem Abend durchaus wohl gefühlt. Das Ambiente ist edel, sehr geschmackvoll und teuer ausgewählt. Der Service war freundlich, zugewandt und kompetent. Das Essen hat geschmeckt, es gab einige sehr starke Gänge wie das Lamm, die Pilze und das erste Dessert. Die Gerichte haben, ähnlich wie im Horváth oft ein cremiges Element, das die Zutaten verbindet.
Aber dennoch wird die Geschmackstiefe meistens nicht erreicht, die sich mitunter erst einstellen kann, wenn man mehr als zwei Elemente miteinander kombinieren kann. Auch über die nicht wirklich erkennbare Menü-Dramaturgie, wenn es die denn tatsächlich geben sollte, könnte man lange diskutieren. Ich fand manche Reihenfolge nicht schlüssig, aber das mag auch mit meiner über Jahre und Jahrzehnte konditionierten Restauranterfahrung zusammenhängen.
Noch zwei Tage später überlege ich, wie ich das einsunternull-Erlebnis einsortieren soll. Und vielleicht ist auch gerade das bereits Ausdruck dessen, was es mir sagen soll. Eine Henze-Oper kann spannend sein, ist aber unterm Strich eher anstrengend, zwingt zum Nachdenken und ist mutmaßlich nichts für alle Tage. La Traviata macht mir, wenn ich denn schon mal in die Oper gehe, in moderner Form meistens von Anfang an Spaß. Heute war mehr Henze.
Marketing ist schon mal die halbe Miete. Die Website des Restaurants spart nicht mit markanten Ansagen, vom "Anspruch der Rückbesinnung auf Ursprünglichkeit", "kulinarischem Pioniergeist", "handwerklich geprägter Schöpfermentalität" und "nachhaltig orientiertem Wertebewusstsein".
Normalerweise würden mich solche dick aufgetragenen und verkopft wirkenden Aussagen eher abschrecken. Aber ich bin ja neugierig, kulinarisch einigermaßen aufgeschlossen und wenn man aus mehreren Ecken hört, wie begeistert alle über diesen seit November 2015 existierenden Laden in Berlin Mitte sind, muss wohl was dran sein. Dass auch der Michelin... mehr lesen
Einsunternull
Einsunternull€-€€€Sternerestaurant03027577810Hannoversche Str. 1, 10115 Berlin
4.0 stars -
"Gemüse-Avantgarde in Berlin-Mitte" tischnotizenMarketing ist schon mal die halbe Miete. Die Website des Restaurants spart nicht mit markanten Ansagen, vom "Anspruch der Rückbesinnung auf Ursprünglichkeit", "kulinarischem Pioniergeist", "handwerklich geprägter Schöpfermentalität" und "nachhaltig orientiertem Wertebewusstsein".
Normalerweise würden mich solche dick aufgetragenen und verkopft wirkenden Aussagen eher abschrecken. Aber ich bin ja neugierig, kulinarisch einigermaßen aufgeschlossen und wenn man aus mehreren Ecken hört, wie begeistert alle über diesen seit November 2015 existierenden Laden in Berlin Mitte sind, muss wohl was dran sein. Dass auch der Michelin
Geschrieben am 10.05.2016 2016-05-10| Aktualisiert am
10.05.2016
Besucht am 18.04.2016Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 146 EUR
OMG! Wo bin ich denn hier gelandet?
Die Fahrstuhltür öffnet sich bei der (namensgebenden) -1 und vor mir liegt ein enger, etwas abschüssiger Gang. Weitgehend dunkel, nur "Leuchtstreifen auf dem Boden zeigen Ihnen den Weg". Immerhin winkt eine junge Dame schon einladend. Im Kellergewölbe bestechen optisch die nachträglich eingebauten Blech-Lüftungsschächte durch ihren ehrlichen Purismus. Dazu säuseln aus Lautsprechern Synthesizer-Sphärenklänge, gefolgt von - und ich schwöre! - gregorianischem Gesang.
Hier wird nicht profan genossen, hier wird ein Konzept gelebt! Um nichts Geringes kann es gehen, oh nein: "Wenn sich neu und klassisch begegnen, entsteht Unerwartetes: der einzigartig volle Geschmack des wahren Lebens."
Und bestimmt nicht nur schnöde Begeisterung für gutes Essen: "Wir wollen damit eine Waage zwischen der virtuellen Welt und der Wirklichkeit schaffen." Ja, die virtuelle Welt im Restaurant, wer kennt sie nicht? Vermutlich dieser unwirkliche Moment, wenn man sich fragt, ob das alles wahr sein kann...
Auch im einsunternull, das seit Oktober von ehemaligen reinstoff-Leuten um Ivo Ebert auf zwei Etagen (mittags oben, abends unten) in der Hannoverschen Straße betrieben wird, steht radikale Regionalität auf dem Programm. Nun, das steht ja schnellen höheren Weihen nicht entgegen, wie das Nobelhart&Schmutzig beweisen konnte. Auch hier also z. B. kein Pfeffer, keine Schokolade und für eines der sehr speziellen Getränke aus der Nicht-Wein-Begleitung entschuldigte sich der vollbärtige, autodidaktische Sommelier Benjamin Becker ausdrücklich, da es mangels näher gelegener Qualitätsanbieter aus Österreich bezogen werde.
Also musste eine Entscheidung getroffen werden: Schnell zwei, drei Gänge und dann ab zum Chicago Williams BBQ nebenan zum Sattwerden? Oder lasse ich mich auf die Herausforderung ein? Letztlich siegte die Neugier und ich machte mich für das wahre Leben bereit, zumindest für intensive Geschmackserlebnisse.
Intensiv war übrigens schon im Vorfeld die Betreuung durch das Team nach der problemlosen Reservierung über Open Table gewesen. Nicht nur die Erinnerungsmail erhielt ich, sondern auch die gleichtägige persönliche telefonische Bestätigung, dass alles für mich gerichtet sei. Die No-Shows müssen offenbar ein zunehmendes Problem sein... Eine Sorge, die letztlich auch nachvollziehbar war. Bis die achtköpfige Familien(?)-Gruppe erschien, herrschte ein 1:1-Verhältnis zwischen dem Service und vier Gästen. Bei ca. 35 Plätzen wäre das wohl schon als ungemütlich zu bezeichnen.
Was man vom Ambiente nicht unbedingt sagen kann. Man kann es allerdings auch nicht unbedingt nicht sagen.
Der abschüssige Gang vom Fahrstuhl (bzw. von der Treppe, die ich erst auf dem Rückweg entdeckte und die zugegeben den etwas dramatischen Effekt gemindert hätte) ist nötig geworden, da der Boden des Kellergewölbes ausgekoffert wurde oder was auch immer eine "Fundamentunterfahrung" sonst bedeutet. Jedenfalls gibt es keine bedrückend niedrige Decke, was auch daran liegt, dass diese in leichte Tonnen gelegt und mit kleinen Originalfliesen verkleidet ist, die ich zeitlich auf Mitte des vorletzten Jahrhunderts schätze. Zwei Wände sind ebenfalls damit verkleidet, wobei die Gebrauchspuren der Jahrzehnte für ein etwas herunter gekommenes, aber authentisches Aussehen sorgen. Ein Durchgang zum jetzt als Damentoilette dienenden Nebenraum ist aus nachvollziehbaren Gründen verschlossen worden. Dann jedoch mit Zementputz versehen, ein Gegensatz zu den Fliesen, den man spannend, hässlich oder, wie ich, irritierend empfinden kann. Auch die weitere Wände sind nackt, aber mit Spiegeln versehen oder von großen Glasflächen durchbrochen, die den Blick auf einen kleinen Innenhof mit großen Pflanztrögen in Kieselsteinen freigeben. Das schafft in der Tat Licht und etwas Raum für den Blick. Der Zementputz und die schon erwähnte Lüftung in ihrem Raw-Design werden wiederum durch die Farbgebung gemildert, die auf ein ganz pastellnes Oliv setzt. Wände, Stuhlbezüge, Blümchen(!) in grün oder braun farblich abgestimmt. Unter den Tischen schaffen große Teppiche Abwechslung zum hellen Parkett. Darüber unterschiedliche Designerlampen mit gedämpften Licht. Kleine Strahler ermöglichen gleichwohl, die Speisen gut zu erkennen und für die Community leidlich im Bild festzuhalten. Die bequemen Stühle klassische Moderne, für den breithüftigen Herrn wie geschaffen. Insgesamt eher skandinavisch, ist hier das Konzept von neu und klassisch konsequent umgesetzt. Ob die Liaison immer glückt, ist wohl Geschmacksache. Unwohl habe ich mich nicht gefühlt.
Alles ganz neu, alles pieksauber. Die Toiletten reduziert, Betonwände, Waschtisch Eisen, aber eben auch Frotteehandtücher und Bonbons für den frische Atem. Eben gebrochen, wie alles hier.
Der Service wurde von drei dunkel, aber nicht uniform gekleideten Damen hochprofessionell und freundlich-distanziert versehen. Das begann mit der freundlichen Begrüßung und dem Garderobenservice, nachdem ich an der Vollholztür geklingelt hatte. Und endete damit, dass der Sommelier die Treppe hoch stürzte, um mir noch einen Gruß hinterher zu rufen. Dazwischen merkte man dem Team die ausgezeichnete Schulung an. Bei der sehr intellektuellen Küche musste viel erklärt werden, da wirkte jetzt am Anfang noch vieles auswendig hergesagt.
Erwähnenswert: Nach dem Ausheben des Brotes erfolgte ein (sehr notwendiger...) "Krümelservice" mit dieser faszinierenden Schiene.
Und auch, wenn man es als manieriert ansehen kann: Ich hätte halt gerne eine neue Serviette, wenn ich zu den Toiletten gehe und das Tuch dort liegen lasse, wo sonst der Hosenboden sitzt...
Von eigener Art und Güte der vollbärtige (hip, hip...) Herr Becker, der die exotischen Getränke ungemein ausführlich beschreibt, dies allerdings stets in der Hocke an die Tischkante gelehnt. Ist das jetzt reale Augenhöhe mit den Gästen oder auch konsequent einsunternull? Zweimal war es wohl selbst den Kollegen zu viel und die Gänge wurden in die Erläuterungen hinein serviert.
Die Menükarte wurde mir mit zwei Hinweisen überreicht:
Die Portionen seien so bemessen, dass man auch alle 10 Gänge schaffen würde. Und es gebe keine klassischen Vor- und Hauptgerichte, jeder Gang stünde für sich. Die Einzelteller ("Gerichte" wäre im Nachhinein teilweise zu weitgehend) liegen zwischen 10 und 19 Euro, ab 6 Gängen als Menü für 77€, danach geht es in 10€-Schritten aufwärts.
Wie stets ließ ich Herrn Schmalhans nicht mal in die Nähe der Küche und wählte nur Champignonköpfe mit Haselnuss und Karotte, Anis mit Walnuss ab. Es erwarteten mich daher "nur" noch:
Gesäuerter Kohlrabi, Birne und Hanfemulsion
Spannrippe vom Rind und Knollensellerie
Buchweizen und Kürbis
Schmorzwiebel, Brühe und Fichte
Saibling, Asche und Rapsöl
Kräuterseitling, grüner Speck und Sonnenblumenkerne
Schwarzwurzel, Joghurt und Waldmeister
Milch, Molke, Mohn und Löwenzahnblüten vom letzten Jahr
Für den Abschluss war zudem "Gesüßtes" angekündigt, zum Auftakt "Gebackenes" sowie "Gemüse, still und fließend".
Die Weinkarte in schönes Leder gebunden, mit allerlei weisen Sprüchlein verziert und natürlich auch nicht schnöden Regionen folgend, sondern drei "Themen": Spaß, Region und Rares. Also leichte, einfache Gewächse, Terroirweine und eben Großartiges. Ich prüfte und fand mich nicht bereit. So wich ich neugierig auf die als "speziell" angekündigte nichtalkoholische Begleitung aus. Dieses Avis wurde erfüllt. Sehr zu loben ist allerdings die große Auswahl an Schaumweinen wie auch an Bieren!
Zunächst galt es jedoch, jenem Individualisten in mir nachzugeben, an den sich das einsunternull laut Homepage besonders wendet: Angesichts des versprochenen Geschmack des Lebens durfte kein frivoler Champagner den Abend eröffnen oder gar ein die Sinne vernebelnder Hochprozentiger. Hier musste tief geschürft werden: Als solid ground to stand on bot sich allein ein Imperial Stout der Traunsteiner Brauerei Schönramer an, schwarz wie die Nacht und süffig wie ein Malzbonbon. Es soll Damen geben, die damit allein ihr Nachtmahl hätten bestreiten können. Ich immerhin war mir für sehr faire 5€ sicher, dass mich das Straßenniveau nun nicht allzu hungrig wiedersehen würde, komme, was da wolle oder auch nicht.
Die Amuses wurden nach sehr angenehmer Wartezeit serviert, wie später auch die Gänge. Und wie bei den Gängen war von begeisternd über interessant bis enttäuschend alles dabei.
Schon die Präsentation machte neugierig. In dem einen Töpfchen wurden verschieden Gemüse serviert, in einem anderem eine Karottenessenz. Auf einem zerknülltem Metallgewebe lag etwas, das wie ein Zweigabschnitt aussah. Und zuletzt brachte die junge Dame eine Serviette, deren hochgenommenen Ecken mit einer Klammer befestigt waren, so dass sich ein Beutel ergab. Auf dem Tisch wurde die Klammer gelöst. Das Tuch entfaltete sich und wie eine Blüte fiel ein kleines Brot in sechs perfekte Abschnitte auseinander. Zugegeben nur ein kleiner Showeffekt, aber ich mag es halt. Und es war schlicht das beste (Misch)Brot, das ich in einem Restaurant je gegessen habe. Hier machte es Sinn, sich mit allen Sinnen einzulassen. Das warme Backwerk verströmte einen betörenden Duft, es war locker, doch nicht mit zu großen Lufteinschlüssen. Leicht schmeckte der Sauerteig noch durch. Aber die Kruste! Knusprig ist viel zu wenig gesagt, nicht in großen Stücken löste sie sich, sondern knisternd in unendlich viele kleine Knusperstücke. Fasziniert nahm ich das Brot immer wieder an das Ohr und brach Stück um Stück ab. Der Service nahm meine Begeisterung zufrieden zur Kenntnis, zwei Wochen habe man daran getüftelt. Mit dem kleinen, komplett aus einem Holzstück gefertigten Messer etwas Butter mit Steinsalz dazu - ein Genuss.
Völlig anders der Extrakt von der Mohrrübe. Schon der Geruch unangenehm konzentriert, war der Geschmack von penetranter Süße. Mit jedem Schlückchen mehr wie intensivster Babybrei ohne jede Nuance, so dass bei mir tatsächlich ein Würgereiz (Entschuldigung!) aufkam. Musste ich stehen lassen.
Die Gemüse waren von interessantem Biss und jeweils geschmacklich eindeutig. Am präsentesten die confierte Rote Beete, süß und erdig. Aber nach dem Karotteninferno war alles relativ flach. Die Bedienung hatte noch darum gebeten, Suppe und Gemüse getrennt zu probieren. Ein Hinweis auf die Reihenfolge wäre zwingend notwendig gewesen.
Blieb das "Holzstück", das ich etwas unschlüssig drehte. Tatsächlich Topinambur, das Innere ausgehöhlt, püriert und wieder in die Schale gefüllt, mit Butterschaum gekrönt und dann gebacken. Ergebnis: Ganz großes Kino. Eindeutiger Wurzelgeschmack, süßlich und leicht seifig, mit ganz kräftigen Röstnoten bis hin zu einer leichten Bitterkeit, die hervorragend mit den Erdtönen harmonierte. Die Schale wunderbar knusprig, das Innere saftig. Ein Meisterwerk. So könnte es weitergehen.
Ging es aber nicht.
Erster Gang: Jeweils drei fein gehobelte Blätter von Kohlrabi gesäuert (in Apfelessig?) und Birne überzogen mit einer Hanfemulsion. Letztere blieb ebenso wie die Bärlauchblüten weitgehend geschmacklos. Egal, das ganze Gericht war nur salzig, total unausgewogen, die Birne stand auf verlorenem Posten. Erst, als ich beim letzten Schnitt Frucht und Gemüse im Verhältnis 3:1 kostete, stellte sich ein einigermaßen angenehmes Mundgefühl ein. Der Rest des Kohlrabis ging zurück.
Leider passte sich die Getränkebegleitung "perfekt" ein. Es gab eine kleine Flasche Brottrunk, recht nett auf Eiswürfeln platziert und mit der Empfehlung, es in zwei Schlucken vor und nach dem Essen herunter zu kippen. Ein guter Rat. Die angekündigten geschmacklichen Nuancen des auf Hefe vergorenen Sauerteigs waren zwar in der Tat vorhanden, aber hier dominierte neben Salz die viel zu starke Säure. Grässlich. Schick allein das zum Eisbehälter degradierte Glas, so dünn, leicht und von geriffelter Struktur, dass ich erst verwundert einen Plastikbecher befürchtete.
Aber die Achterbahnfahrt ging weiter mit einem perfekt geschmorten Stück Rindfleisch aus der Spannrippe. So saftig, so schmackig, so zart! Umami! Rauch! Salz! Mit auf dem sehr heißen Teller eine stark reduzierte Jus vom Fleisch - dachte ich. Doch was da so unglaublich intensive malzig-erdige Süße auf die Zunge zauberte, war nichts als eine Sellerie und Wasser! Und 2-3 Tage, in der sie im Ofen vor sich hin reduzierte. Reinste Melasse, aber eben doch nicht nur aus einer Zuckerrübe gewonnen. Dazu im Extraschälchen Scheiben von Knollensellerie, den ich nur widerwillig probierte. Und ebenfalls auf schönste überrascht wurde. Erst geräuchert, dann in Waldhimbeerenessig mariniert eine erfrischend fruchtige Säure getragen von den eigentlich nicht geschätzten Sellerienoten. Perfekt eingepasst zwischen das fette Fleisch und den süßen Extrakt.
Bravo! Mit wenigsten Zutaten grandiose Geschmackserlebnisse geschaffen, hier wird das Versprechen eingelöst.
Auch die Saftbegleitung war hier passend. 85% Äpfel wild gesammelt von Streuobstwiesen wurden mit 15% Roter Beete unfiltriert verschnitten und konnten so süß-saure wie erdige Nuancen beisteuern.
Warum dieses Meisterwerk in der Reihenfolge der "gleichberechtigten" Gänge als zweites serviert wird, bleibt das Geheimnis der Küche. Aber Irritation ist hier Programm, also weiter.
Es wurde ein flacher runder Pudding von Buchweizen gereicht, darauf in seinem Tee eingelegte Streifen von Butternutkürbis, gekrönt von Buchweizenkrokant. Rhapsody in brown und Textur vor Geschmack, aber alles in allem schmackig.
Gelungen dazu die Cuvée aus 75% Apfelsaft vom Sämling und Topinambur, der Kohlensäure zugesetzt wird: Voilà, ein alkoholfreier Prisecco.
Etwas enttäuschend der nächste Gang. Von den Schmorzwiebeln in Brühe mit Fichte hatte ich mir mehr Süße versprochen. Sie waren noch recht fest und eher fad. Auch die wohl ausgekochten Fichtennadeln hatten an den leicht bitteren, etwas öligen Fonds keinen für mich bemerkbaren typischen Geschmack abgegeben.
Spannender da die hausgemachte Limonade auf Sanddorn und Zucker, der Kefir beigegeben war. Dadurch eine laktische Trübung und leicht moussierend. Schmeckte besser, als es aussah.
Wie das Fleisch zuvor, hat mich der dann folgende Fischteller überzeugt. Ein puristischer Streifen Saibling (sicherlich in der eigenen Badewanne gezüchtet, höchstens aus dem nächstem regionalen Gewässer gezogen), vermutlich sous vide, mit Asche (vom Lauch - ich frage nach so etwas, was sagt das bloß über mich?), Moos und einigen Salzflocken. Dazu das deutlich schmeckbare Rapsöl mit etwas Karotte. Hier harmonierte der recht fette Lachsfisch mit der Bitterkeit der Asche, der beim Amuse noch so abgelehnten Süße der Karotte (die Dosis macht das Gift...) und dem typischen Ölgeschmack.
Fehlte noch Säure. Interessanterweise durch Verjus als Getränk präsentiert, dem Saft unreifer Trauben, der laut Wiki im Altertum als gesundheitsfördernder Begleiter fetter Speisen galt. Passt ja. Eine deutliche, aber feine Säure, nicht so fruchtig wie Zitrone, nicht so beißend wie Essig. In der Nase eher an einen grünen Apfel erinnernd, als an Weintrauben.
Gebratene Kräuterseitlinge schlossen die warmen Gerichte ab. Von feinem Geschmack dazu die dünnen im Mund schmelzenden Streifen des italienischen Lardo. Drittes Element waren Sonnenblumenkerne, als weiche nussige Crème und crunchig geröstet. Lecker, aber kein großes Kino.
Als Begleiter Kombucha auf Zitronenmelisse, dessen Hefigkeit ganz gut passte, die säuerlichen und sogar leicht pikanten Noten für mich weniger.
Das erste Dessert hat mich dann wieder begeistert, ich wähle ja gar nicht so oft süße Nachspeisen. Im einsunternull alternativlos, da man nach Aussage des Service keine von der Temperatur passende Lagermöglichkeit für Käse habe. Hm.
Aus dem ausgeschabten Fruchtfleisch der Schwarzwurzel wurde ein Eis hergestellt. Eis aus Gemüse finde ich wegen des geschmackliche Aha-Effektes meist toll. Dazu (zu)wenig Waldmeisterreduktion und die entleerte Wurzelschale knusprig ausgebacken. Die Joghurtkomponente als Chip und als Staub, da lacht das verkümmerte Molekularherz. Der Fingerabdruck im Staub stammt nicht vom Service, sondern sollte der besseren Erkennbarkeit dienen. Einzige Kritik die Wahl von weißem Porzellan; die auf dem Rückzug aus der gehobenen Gastronomie befindliche Schieferplatte wäre hier optisch sehr wirkungsvoll gewesen.
Im Gegenteil traf Herr Becker mit einem erneuten Kombucha auf Berberitze voll ins Schwarze bzw. Pinke. Die Hefenote harmonierte schön mit der Schwarzwurzel, die Frucht ergänzte erstklassig den Joghurt. Yummie!
Der Vorwurf der etwas verschenkten Präsentation trifft auch für den Schlussakkord zu: Weiß auf weiß mit weiß. Nunja, Milch und Molke halt. Hauptakteur erneut Gefrorenes, diesmal Mohneis, bedeckt von einem schönem Milchschaumchip. Ich wurde aufgefordert diesen mutig zu durchstoßen (To boldly go where no man has gone before!) und tat, wie mir geheißen. Das Eis war mit Mohnsamen gefüllt. Geschmacklich durchaus gelungen, der durch das Eis abgemildert bittere Mohn trat in eine sehr erfreuliche Beziehung mit dem milchsüßen Cracker. Nur die Löwenzahnblüten(blätter!) vom letzten Jahr wären wohl besser im schon damals verspeist worden. Ich konnte keinen Beitrag auf der Zunge erkennen. Trotzdem ein gelungener Abschluss.
Den der Individualist in mir wie am Beginn doch mit etwas Alkoholischem krönen wollte. Da kam der mir bis dato unbekannte, intensive Likörwein aus gespritetem Tannat d'Aydie, der am Nebentisch ausgeschenkt wurde, wie gerufen. Nun, keine echte Konkurrenz zu einem Banyuls, aber doch eine erfreuliche Erfahrung gerade zum Mohn.
Trotz dieses Upgrades schlug die Getränkebegleitung nur mit 44€ zu Buche, was ich angesichts der in der Tat speziellen Gebräue als fast lächerlich billig empfinde.
Den angebotenen Kaffee lehnte ich kurz nach 23:00 Uhr ab. Trotzdem wurde ich mit einer kleinen Überraschung verabschiedet, zwei Buttercreme-Nocken, die nur scheinbar in Kakao gewälzt waren. Aber das hätte nicht dem selbst gewählten Regionalitätsprinzip entsprochen. Tatsächlich war es geröstetetes Weizenmehl. Der Geschmack war erstaunlich ähnlich, auch leicht süßlich, nur ohne die kakaotypische Bitternote.
So endete der Abend wie vieles zuvor mit einer - wohlschmeckenden - Irritation.
Der Vorhang zu und alle (zumindest viele) Fragen offen. Zum Beispiel diese:
Frage: Würden Sie das einsunternull empfehlen?
Radio Borgiwan antwortet: Ja, aber..
... nicht für Connaisseure und Genießerinnen, die in romantischer Zweisamkeit tafeln wollen, nicht für die gesellige große Runde, nicht für Geschäftsmenschen zum Arbeitsessen. Alle diese würden sich fragen "War's das schon?" oder gar "Was war das denn?".
Wer indes bereit für sehr reduzierte, intensive Geschmackserlebnisse ist, sein Essen verstehen, erleben, entdecken will, für den bietet sich an der Hannoverschen Straße eine eigene Welt. Nicht puristisch, nicht dekonstruiert, sondern authentisch und teilweise schon schmerzhaft intensiv. Muss man nicht mögen. Aber so ist das volle Leben halt.
Fin.
Für meinen Sohn Christian, der heute 24 Jahre alt geworden wäre. Danke.
OMG! Wo bin ich denn hier gelandet?
Die Fahrstuhltür öffnet sich bei der (namensgebenden) -1 und vor mir liegt ein enger, etwas abschüssiger Gang. Weitgehend dunkel, nur "Leuchtstreifen auf dem Boden zeigen Ihnen den Weg". Immerhin winkt eine junge Dame schon einladend. Im Kellergewölbe bestechen optisch die nachträglich eingebauten Blech-Lüftungsschächte durch ihren ehrlichen Purismus. Dazu säuseln aus Lautsprechern Synthesizer-Sphärenklänge, gefolgt von - und ich schwöre! - gregorianischem Gesang.
Hier wird nicht profan genossen, hier wird ein Konzept gelebt! Um nichts... mehr lesen
Einsunternull
Einsunternull€-€€€Sternerestaurant03027577810Hannoversche Str. 1, 10115 Berlin
4.0 stars -
"Berliner Trilogie II: Wagnis" DerBorgfelderOMG! Wo bin ich denn hier gelandet?
Die Fahrstuhltür öffnet sich bei der (namensgebenden) -1 und vor mir liegt ein enger, etwas abschüssiger Gang. Weitgehend dunkel, nur "Leuchtstreifen auf dem Boden zeigen Ihnen den Weg". Immerhin winkt eine junge Dame schon einladend. Im Kellergewölbe bestechen optisch die nachträglich eingebauten Blech-Lüftungsschächte durch ihren ehrlichen Purismus. Dazu säuseln aus Lautsprechern Synthesizer-Sphärenklänge, gefolgt von - und ich schwöre! - gregorianischem Gesang.
Hier wird nicht profan genossen, hier wird ein Konzept gelebt! Um nichts
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Normalerweise würden mich solche dick aufgetragenen und verkopft wirkenden Aussagen eher abschrecken. Aber ich bin ja neugierig, kulinarisch einigermaßen aufgeschlossen und wenn man aus mehreren Ecken hört, wie begeistert alle über diesen seit November 2015 existierenden Laden in Berlin Mitte sind, muss wohl was dran sein. Dass auch der Michelin bereits nach einem Jahr den ersten Stern zückt, wird ebenfalls seinen Grund haben.
Die Macher Ivo Ebert als Gastgeber und Andreas Rieger, der Küchenchef, sind aus dem "reinstoff" bekannt und auch wenn man es auf der Website nicht so deutlich propagiert, wird schnell klar, dass wir es auch hier mit einem Konzept starker Regionalität und extrem gemüsebetonter Küche zu tun bekommen werden. All das wissen wir und ignorieren die ideologische Keule einfach mal, als wir mit dem Aufzug in das Kellergeschoss, also auf -1 fahren und im schlicht, eleganten Ambiente von ebenso eleganten, jungen Damen sehr freundlich begrüßt und an einem der großzügig gestellten Tische platziert werden. Immerhin, denke ich, wenn schon Gemüse, dann wenigstens chic und hip.
Im einsunternull gibt es nur ein Menü, das bei 10 Gängen 117 € kostet und auf Minimum 6 Gänge, dann 77 Euro, reduziert werden kann. Wir wählen das volle Programm und entscheiden uns nicht für die Getränkebegleitung, denn so groß ist meine Experimentierlust heute doch nicht. Die Weinkarte listet viel Unbekanntes, darunter viele Naturweine und da ich mich mit Orange Wine für gewöhnlich etwas schwer tue, lassen wir uns von Benjamin Becker, der wort- und kenntnisreich jeden Wein beschreiben kann, eine Flasche Weißen Burgunder empfehlen, ein Großes Gewächs vom mir bis dato völlig unbekannten Weingut Störrlein Krenig aus Franken. Der ist ausgezeichnet und entspricht sehr meinem Geschmack. Danach sollte es eine Flasche Matassa rouge aus dem Roussillon sein, der leider ausverkauft war. Alternativ wird es der empfohlene Espadeiro vom Weingut Attis aus dem Rias Baixas. Die Beschreibung der autochthonen Rebsorte klang spannend, im Glas ist es eine interessante Erfahrung und durchaus schmackhaft, aber ich hätte mir etwas kräftigeres und kantigeres gewünscht. Der Wein hier ist eher von mittlerem Körper und kühlem Charakter. Erst später sehen wir, dass er auch nur 11 Vol.-% hatte. Das erklärt dann einiges.
Kommen wir zum Essen: Ein erster Gruß sind getrocknete Kohlblätter, die von einer etwas undefinierbaren Creme zusammengehalten werden. Das hinterlässt einen leicht bitteren Geschmack, aber ansonsten keinen besonderen Eindruck.
Parallel dazu gibt es in zwei Schälchen Karotte in flüssiger Form mit einem überwiegend süßen und eher eindimensionalen Charakter. Besser hingegen die in unterschiedlicher Größe und Farben geschichteten Karotten auf einer leichten Creme. Man kann hier, wenn man sich sehr anstrengt, sicherlich Nuancen herausschmecken. Mir gefallen die unterschiedlichen Konsistenzen, eine größere Tiefgründigkeit kann ich hingegen nicht erkennen.
Über das fabelhafte Brot und die sehr gute Butter wurde verschiedentlich bereits berichtet. Auch ich bin ebenso angetan.
Das Menü beginnt mit Rettich, Herz und Kresse. Das Rinderherz wurde wie Beef Jerkey getrocknet und dann über den Rettich gehobelt. Das wirkt mehr als Würzmittel, als dass es tatsächlich einen fleischigen Charakter beisteuert. Der Rettich war, wenn ich mich recht erinnere, sowohl fermentiert als auch roh mariniert, also durchaus geschmacklich changierend. Dazu etwas Wildkresse und ein Chip für etwas mehr Textur. Das ist optisch schön anzuschauen, im Mund auch nicht unharmonisch. Aber bereits hier beginne ich zu merken, dass ich eher nachdenke, ob es mir einfach nur schmecken darf oder ich mir mehr Gedanken machen muss zu dem, was ich zu mir nehme.
Der folgende Gang ist eine bereits mehrfach durchs Netz gegangene Tellerschönheit. Unter den akkurat geschichteten Champignonscheiben verbirgt sich eine Brotcreme. Die Scheiben sind von etwas Leinöl beträufelt und mit einigen Blüten von einem nicht mehr erinnerten Zwiebelgewächs versehen. Das sieht minimalistisch aus und bietet einen relativ klaren,erdigen, aber eben auch nicht besonders tiefen Geschmack.
Als nächstes folgt der einzig wirkliche Fleischgang, die Dünnung vom Lamm, ein Stück aus der Flanke mit einem Anteil Bauchlappen, der hier zu einer ansehnlichen Rolle geformt ist. Das Fleisch sehr saftig geschmort, die Haut sehr knusprig - ausgezeichnet! Daneben wieder akkurat geschichtete Kartoffelscheiben auf einer säuerlichen Creme, mit etwas Kamille bestäubt. Das ist für mich bis dahin - und bis zum Schluss - der überzeugendste Gang. Nicht, weil es ein geschmacksstarkes Stück Fleisch enthält, sondern weil er am abwechslungsreichsten ist und mich auch von der Präsentation begeistert. Warum dieser starke Gang bereits an dieser Stelle des Menüs kommt, erschließt sich mir zwar nicht, aber der typischen Menüdramaturgie scheint man hier eh bewusst nicht folgen zu wollen.
Optisch sehr reduziert - und erneut sauber geschichtet - der nächste Gang, in dem weiße Bete mit gleich großen Stücken eingeweckten Spargels und Haselnussmilch präsentiert werden. Weiß mit weiß auf weiß - diese monochrome Darstellung hat ihren Reiz, im Mund schmeckt man halt beide Gemüse, wobei der Spargel naturgemäß beim Einwecken an typischem Geschmack verloren hat, aber zumindest noch klaren Biss hat.
Der folgende Schmorzwiebelsud mit Zwiebelstücken und Fichtennadeln sieht erst mal schön aus. Der Sud ist kräftig, wenngleich ich die Fichtenkomponente länger suche als mein Mann. Die Fichtennadeln sind zwar weich geschmort, hinterlassen bei mir trotzdem ein unangenehmes Mundgefühl. Für mich einer der schwächeren Gänge, bei meinem Mann in den TOP 3 des Abends - so unterschiedlich ist die Wahrnehmung.
Mit kaum mehr als zwei Elementen kommt auch der nächste Teller aus, ein Streifen saftigen Saiblings, der von Lauchasche bedeckt ist und dadurch einen kräftigen Rauchgeschmack erhält. Die dazu gegebene stark einreduzierte Karottenemulsion ist mir definitiv zu süß, nahezu klebrig, und lässt kaum noch die Grundsubstanz erkennen. Im Kontrast zu dem gut gegarten Fisch interessant, aber nicht zwingend erforderlich.
Weil es für die Optik als Stilmittel einfach gut taugt, wird auch auf dem nächsten Teller wieder geschichtet. Was sich unter der akkuraten Karottenpräsentation befand, ist bereits wieder aus meiner Erinnerung verschwunden. Die Karte erwähnt Anis und Walnuss und ganz zart dämmert es noch, aber eben nicht deutlich genug. Nächster Akt.
Der ist für mich in den TOP 3 des Abends. Unter einer Schicht kräftigen Pilzgelees, die von einer hauchdünnen Scheibe Lardo bedeckt ist, finden sich säuerlich eingeweckte Pilze und schwarze Johannisbeeren als Geleetupfen. Das gibt interessante Kombinationen, je nachdem, wie stark man alles miteinander kombiniert. Gefällt mir ausgesprochen gut. Was aber auch daran liegen könnte, dass ich Pilze generell sehr gerne mag.
Der Übergang in den Dessertbereich ist abrupt, aber auch das scheint hier zum Konzept zu gehören. Unter einer hauchdünnen Platte befindet sich geeiste Milch und Heidelbeerkompott. Das ist kühl erfrischend und noch am nächsten an dem, was man klassischerweise mit Nachtisch assoziieren würde. Hat mir sehr gut geschmeckt.
Das abschließende Dessert wird von einem der Köche an den Tisch gebracht und etwas wortkarg vollendet. Drei Tage gekochte Bete, die dadurch dick, cremig und an Rübensirup erinnernd als Creme an die Schüsselwand drapiert wurde, wird mit einem Granité von Aroniabeere und Rose versehen. Das gibt interessante Kontraste und sicher ist es ein schöner Lerneffekt zu erfahren, was aus Rote Bete nach so langer Garung wird. In Summe war mir das aber erneut zu süß und mit dem ersten Dessert war ich glücklicher.
Zum Kaffee dann noch zwei Buttercremepralinen in geröstetem Mehl, die lecker waren.
So geht nach dem Horváth ein zweiter Abend mit überwiegend gemüsigen Gängen zuende. Anders allerdings als im Horváth wirkt hier die Performance deutlich verkopfter. Die sehr reduzierte, minimalistische und fast schon artifizielle Präsentation hat durchaus ihren Reiz. Gleichzeitig schafft sie aber auch durch den ideologischen Grundton eine gewisse Distanz. Um nicht falsch verstanden zu werden: ich habe mich an dem Abend durchaus wohl gefühlt. Das Ambiente ist edel, sehr geschmackvoll und teuer ausgewählt. Der Service war freundlich, zugewandt und kompetent. Das Essen hat geschmeckt, es gab einige sehr starke Gänge wie das Lamm, die Pilze und das erste Dessert. Die Gerichte haben, ähnlich wie im Horváth oft ein cremiges Element, das die Zutaten verbindet.
Aber dennoch wird die Geschmackstiefe meistens nicht erreicht, die sich mitunter erst einstellen kann, wenn man mehr als zwei Elemente miteinander kombinieren kann. Auch über die nicht wirklich erkennbare Menü-Dramaturgie, wenn es die denn tatsächlich geben sollte, könnte man lange diskutieren. Ich fand manche Reihenfolge nicht schlüssig, aber das mag auch mit meiner über Jahre und Jahrzehnte konditionierten Restauranterfahrung zusammenhängen.
Noch zwei Tage später überlege ich, wie ich das einsunternull-Erlebnis einsortieren soll. Und vielleicht ist auch gerade das bereits Ausdruck dessen, was es mir sagen soll. Eine Henze-Oper kann spannend sein, ist aber unterm Strich eher anstrengend, zwingt zum Nachdenken und ist mutmaßlich nichts für alle Tage. La Traviata macht mir, wenn ich denn schon mal in die Oper gehe, in moderner Form meistens von Anfang an Spaß. Heute war mehr Henze.