Geschrieben am 19.12.2021 2021-12-19| Aktualisiert am
19.12.2021
Besucht am 19.11.2021Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 56 EUR
…fühlt sich der Gast gleich alarmiert!
Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen als Weinstube getarnten Chinarestaurant Wangji zugange. Seit März 2020 gibt es diesen unscheinbaren Chinatempel in der Nähe des Mühlburger Tores, an dem ich bestimmt schon gefühlte zwanzigmal vorbeigefahren bin ohne davon jemals Notiz zu nehmen.
Kaum hatte ich den Shumaischuppen entdeckt, war der Eintrag hier auf GG natürlich oberste Rezensentenpflicht. Herr Oparazzo zeigte sich interessiert an einem erneuten Mittagessen, war es doch ein paar Wochen (oder waren es Monate?) zuvor beim Rüppurrer „Chinaladen mit Y“ ganz erträglich.
Die Zeiten von Zechprellerei, vulgären Tischmanieren und anstößigen Witzen auf Kosten des Servicepersonals bzw. der anderen Gäste gehören ja Gott sei Dank seit ein paar Jahren (oder waren es Monate?) der Vergangenheit an. Gastroguerilla war gestern! Heute nimmt man sich da eher gegenseitig und ohne Anstrengung in Sittenhaft.
Ein Wort noch zu dem freundlichen Verzehrveteran aus dem nördlichen Schwarzwald. Der Oparazzo wirkt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild zu urteilen - wenig großväterlich. Man kann es kaum glauben, dass sich dieser Best-Ager bereits im Rentenalter befindet, so jugendlich schelmisch kommt der sympathische Genusskurstädter daher.
Keine Frage, vom Humor her surfen wir auf der gleichen Welle, was eine angeregte Tischkonversation mit ihm quasi unvermeidlich macht. Ich freute mich deshalb auf unser erneutes Lunchdate, auch wenn mir die überstandene Arbeitswoche ganz schön zugesetzt hatte und ich das ein oder andere Sekundenschläfchen auf der Fahrt von Wörth nach Karlsruhe gerne abgehalten hätte.
Die hohen Parkplatzgebühren an der Amalienstraße geflissentlich ignorierend stellte ich des Volkes Wagen in kurzer, fußläufiger Distanz zum Wangji ab. Kalter Wind blies mir um die Ohren. Also nix wie rein in die nicht ungemütlich wirkende Hühnerherzhütte im gutbürgerlichen Gewand. Draußen vor dem Tore
Natürlich war er mal wieder vor mir da. Da brauchte es wieder eine gut funktionierende Ausrede des in dieser Hinsicht nie verlegenen Futterfreundes von der linken Rheinseite. Verkehr und Baustellen in und um Karlsruhe sowie der Stau auf der A65 lassen Pünktlichkeit in dieser Region eh zur reinen Glückssache avancieren.
Ich erkannte ihn sofort, besetzte er doch gleich den ersten Tisch im vorderen Bereich des langgezogenen Gastraumes, dessen alter Kachelofen wohl noch aus der Zeit von Prasses Kaiserplatzl – einer badischen Weinstube par excellence – herrührte. Skurrile Asiakulisse
Auch das viele dunkle Holz vergangener Tage (Deckenverkleidung, Stützpfeiler, Sitzmöbel) hatte man anscheinend kritiklos übernommen. Eine Art gastronomischer Denkmalschutz wehte durch anachronistisch anmutendes Gebälk. Der nostalgische Gastraum
Aber wie sagt der kulinarisch versierte Angelsachse: „Don’t judge the cook by its cutter!“. Spätestens als wir die Speisenkarten in Händen hielten, war klar, dass dies kein gewöhnlicher Ente-Süß-Sauer-Chinese sein würde. Dafür klangen die Gerichte in der umfangreichen Futterfibel viel zu ungewöhnlich – um nicht zu sagen abenteurlich. Die Anwesenheit vieler Asiaten werteten wir als weiteres Indiz für die Zubereitung authentischer Chinakost.
Dennoch hätte uns die Einhaltung der gängigen Hygieneregeln nicht gestört. Unterbesetzung hin oder her. Da sollte man keine Abstriche machen, wenn es um die gewissenhafte Kontrolle des Impfstatus und die ordnungsgemäße Registrierung (per Luca-App) der Gäste geht. War hier leider nicht der Fall und wurde von uns am Schluss auch höflich moniert. Ausflüchte seitens der Servicedame halfen uns da wenig weiter. Eine Bitte: lernt etwas daraus, Leute! In eurem Heimatland würdet ihr mit der Einstellung garantiert auch nicht durchkommen. Unsere Servicedame war nie auf Zack, aber immer am Handy (verdeckt)
Der hell gekachelte Fliesenboden und die weißen Kunststofftischdecken ließen die heimelige Weinstubennostalgie schnell in den Hintergrund treten. Sterile, dafür aber leicht abwaschbare Tischkultur, die den hochglänzenden PVC-Charme einer Uni-Mensa versprühte. Die anwesenden Studenten aus Fernost schienen es gewöhnt zu sein.
Den Schoppen Höpfner-Pils (3,80 Euro) brauchte ich dringend, um runter- bzw. anzukommen. Mein Kollege hatte da bereits einen alkoholfreien Gerstensaft (2,80 Euro) aus der gleichen örtlichen Brauerei am Start.
Was er vor meinem Erscheinen noch so alles gesoffen haben könnte, ist schwer zu sagen. Klar, war der Typ heiter drauf, was aber eher auf sein sonniges Gemüt zurückzuführen war, als auf eine alkoholbasierte Druckbetankung am späten Vor- bzw. frühen Nachmittag.
Eine fast schon groteske Aktion in puncto Dienst am Gast lieferte unsere Servicedame nach Abschluss des Bestellvorgangs ab. Sie brachte uns nämlich gut gelaunt die zweite Speisenkarte – wahrscheinlich die, mit den richtig guten Sachen drin. Gut, dass wir uns da bereits entschieden hatten. Das ersparte uns die Qual einer noch größeren Auswahl.
Aus purer Dankbarkeit beließen wir es natürlich bei den vorher georderten Gerichten. Nicht auszudenken, wenn das ein paar Minuten zuvor getätigte Bonierritual (natürlich per Handy) durch kurzfristige Änderung unserer Abmachungen ad absurdum geführt worden wäre. „Herr, lass Hirn regnen!“ – steht zwar so nicht in der Bibel, liegt einem aber bei solchen Erlebnissen gerne mal auf der Zunge…
Das Speisenangebot, das sich auf der Homepage als „Ideenort für den hungrigen Magen“ präsentiert, war mir viel zu umfangreich. Allzu viele „Ideen“ über die Frische der verwendeten Zutaten wollte ich an dieser Stelle gar nicht verschwenden. Über einen QR-Code konnte man sich übrigens eine deutlich ansehnlichere Version der Karte auf seinem Handy betrachten.
Dem Publikum, das ohne moderne Technik hier speiste, stand lediglich die abgegriffene Laminierversion des schlecht kopierten Küchenprogramms in Schwarzweiß zur Verfügung. Eine Liste voller Kuriositäten. Nicht nur kulinarisch, sondern auch was die Rechtschreibung und die Grammatik anging.
Vorneweg herrschte am Tisch gedämpfte Einigkeit, was uns drei verschiedene Dim-Sum-Gerichte einbrachte. Darunter waren recht nichtssagende Shumai (3,90 Euro), die anstatt der typischen Schweinehack-Shiitake-Füllung eine langweilige Garnelenmasse in sich trugen. Keine Ahnung, ob die selbst gemacht waren. Geschmeckt haben sie jedenfalls nach nicht besonders viel. Shumai mit Garnele aber ohne Geschmack
Besser mundeten uns die gebratenen Jiaozi (4,90 Euro). Die hatten wesentlich mehr Bumms in ihrer Teigtasche versteckt. Ein Schälchen chinesischer Essig zum Reindippen wurde ihnen an die Seite gestellt. Erst dachten wir, es handele sich um Balsamico, was unsere Bedienung dann aber schnell klarstellte. Die würzigen „Asiamauldäschle“ konnten was, keine Frage. In Kombination mit der Säure vom Essig besuchten sie zwar keine gehobene, aber doch eine bessere Dim-Sum-Schule. Jiaozi mit China-Essig und mit Geschmack
Die Jiaozi mit Garnelen (4,90 Euro) entpuppten sich als klassische Har Gau. Gedämpfte chinesische Krabbenklößchen, die nicht nur nach Convenience aussahen, sondern auch genauso schmeckten. Am Gaumen hinterließen sie auch keinen nachhaltigen Eindruck. Schade, Dumpling-Ziel auch bei der Vorspeise Nr. 3 nicht erreicht. Nachdämpfen als kulinarische Ordnungsmaßnahme kam leider nicht in Betracht. Har Gau aus de Dutt!
Schon optisch machte der von mir georderte Schweinebauch mit Chili (12,90 Euro) nicht viel her. Eine regelrechte Enttäuschung für den gemeinen Scharfesser. Die grüne Paprika, die man hier großzügig den leicht pikanten, sehr dünn geschnittenen Schweinebauchfetzen beigemengt hatte, wollte nicht so recht zünden. Grüne Paprika an Schweinebauch
Essbar war dieses banale Wokgericht dennoch, wenn auch etwas einfallslos arrangiert und nicht nur räumlich mehrere hundert „Li“ von der Rüppurrer Yangda-Version entfernt. Zudem mit knapp 13 Euro auch nicht gerade schüchtern kalkuliert. Gewokter Schweinebauch der harmlosen Sorte
Gut, hätte ich drüber hinweggesehen, wenn wenigstens der Reis einen soliden Eindruck gemacht hätte. Hat er aber nicht, wie man ja bereits der Überschrift entnehmen konnte. Erst in der Küche ruiniert, dann ungeniert dem Gast serviert! Den hätten wir in der Tat bei jedem Schnellchinesen um die Ecke mit mehr Biss und Aroma aus dem Kocher geschaufelt bekommen. Schlechter als Uncle Ben's
Genauso unspektakulär wie mein Schweinebauchteller kam auch das Lamm mit Kreuzkümmel (14,90 Euro) aufs Porzellan. Lamm mit Kreuzkümmel
Den Zwiebeln fehlte jeglicher Feinschnitt. Anscheinend hantiert man mit den Gemüsebeigaben in der Küche eher grobmotorisch. Das Zwiebellamm
Dafür hatte man sich bei der Verwendung von Kreuzkümmel ganz der Homöapathie verschrieben. Das Fleisch war zwar nicht totgebraten, hätte aber ruhig noch ein wenig mehr Schärfe vertragen. Recht braver Teller mit genug Zwiebeln, um den Bad Herrenalbaner als Heißluftballon zurück in seine Kurstadt schweben zu lassen.
Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein paar frittierte Milchkrapfen. Sie waren als „gebratene Milch“ (5,90 Euro) in der Karte ausgewiesen und wurden etwas lieblos auf einer weißen Porzellanschale serviert. Dass zu diesem Zeitpunkt unsere weiße PVC-Tischebene noch von Reiskörnern und Gemüsefitzelchen der vorher verspeisten Hauptmahlzeiten bedeckt wurden, störte unsere Bedienung nicht im Geringsten. Vorne die Reste des Hauptgangs, hinten das Dessert...
Um schnell für saubere Tischverhältnisse zu sorgen, hätte es lediglich eines feuchten Lappens bedurft. Aber der war wohl an diesem Mittag genauso abwesend wie Teile der Servicecrew.
Das leicht pelzige Gefühl am Gaumen, das ich beim Verzehr der leidlich süßen Milchkroketten verspürte, lag wohl an den verwendeten Zutaten. Diese wurden aber nicht verraten. Betriebsgeheimnisse mussten schließlich gehütet werden. Gebratene Milchkroketten
Na dann: Buenos dias, Glutamathias! Und zahlen bitte. Das nächste Lunchdate kommt bestimmt. Ob es allerdings wieder ein Asiaschuppen sein wird, kann ich jetzt nicht garantieren. Wie sagte schon Laotse: „Wang ji mals ni!“. Oder war es einer der chinesischen Studenten, die es sich neben dem Kachelofen bequem gemacht hatten?
Ich merke, es wird Zeit diese kleine Verzehrepisode nun enden zu lassen. Bertolt hilft mir beim Fazit:
Wir standen selbst enttäuscht und sahen betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.
In diesem Sinne, mal schauen, nach was es uns im neuen Jahr so gelüstet. Die Auswahl in und um Karlsruhe ist ja groß genug. Freue mich bereits jetzt auf das nächste kulinarische Intermezzo mit dem Razzo.
…fühlt sich der Gast gleich alarmiert!
Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen... mehr lesen
2.5 stars -
"Ist der Reis erst ruiniert…" Ehemalige User…fühlt sich der Gast gleich alarmiert!
Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen
Geschrieben am 21.11.2021 2021-11-21| Aktualisiert am
21.11.2021
Besucht am 19.11.2021Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 57 EUR
Für die Mehrzahl der chinesischen Restaurants in Deutschland gilt: Kennst du eins, kennst du alle. Drei oder so Soßen und eine begrenzte Zahl immergleicher Zutaten, die so lange durchpermutiert werden, bis eine dreistellige Anzahl von Gerichten zusammenkommt. Umso mehr freut sich dann der Gast, wenn er auf Ausnahmen trifft. Eine davon ist das Karlsruher Yangda, das es sogar in dreifacher Ausfertigung gibt und über das ich hier schon so oft berichtet habe, dass sich bereits vorsichtige Stimmen des Protests erhoben haben.
Deswegen hatte ich mich sehr gefreut, als Spachtelbuddy und Bruder im Weingeiste MarcO74 mir vor ein paar Wochen von einer Entdeckung erzählte, die der Internetform nach Optimismus weckte, das Wangji am Mühlburger Tor. Das gibt es zwar schon seit März letzten Jahres, liegt allerdings im toten Winkel, wenn wir aus Herrenalb in die große Stadt fahren, deshalb hatten wir es bisher glatt übersehen. Auch die Wangji-Karte ist voller Körperteile, die zu einer nose-to-tail-Küche gehören, wenn sie ihren Namen tatsächlich verdient, und die für Chinesen und die härter Gesottenen unter uns Nichtchinesen den Reiz ausmachen.
Hühnerherzen, Entenblut und Schweinefüße (etwas irreführend übersetzt mit Traber, wegen pigs’ trotters; ich frage mich jedes Mal, warum die Betreiber nicht einen Muttersprachler zu Rate ziehen, wenn sie die Speisekarte aufsetzen, aber vielleicht gehört das ja zur Folklore wie die roten Lampions) waren allerdings nicht der Grund, weswegen wir beiden uns aus entgegengesetzten Richtungen aufmachten, die schöne, wenn auch noch junge Tradition unserer Freitagmittagsdates fortzusetzen. Das war nur deshalb möglich, weil der junge Vater kurzfristig von seinen jungväterlichen Pflichten entbunden worden war. Herzlichen Dank dafür an seine liebreizende Gattin!
Das Restaurant ist eine kuriose deutsch-chinesische Mischung. Bis 2015 befand sich hier Prasses Kaiserplatzl, eine dank jeder Menge Holz, Schmiedeeisen und Butzenscheiben immer noch durchscheinende badische Weinstube. Danach dann die Casa Rustica, die aber keinen erkennbaren Stiefelabdruck hinterlassen hat. Seit März 2020 kann man nun sehen, wie sich mit überschaubarem Aufwand und etwas chinesischem Krimskrams fernöstliche Atmosphäre erzeugen lässt. Der Osten ist rot, das weiß man schon seit Mao. Dieses Vorgehen ist in diesen unsicheren Zeiten sicher vernünftiger als sich schon fürchterlich zu verschulden, bevor es überhaupt losgeht. Umso mehr, als das Wangji bereits eine Woche nach Eröffnung gleich wieder coronabedingt schließen musste.
Dass die Zeiten nach wie vor unsicher sind, scheint man allerdings schon verdrängt zu haben. Impfnachweis und Kontaktdaten? Wollte keiner von uns haben. Das lässt sich auch dadurch nicht entschuldigen, dass, wie wir später hörten, die dafür zuständige Dame heute nicht vor Ort war und wir deshalb vom Koch empfangen wurden. Ein Glück fürs Wangji, dass wir beiden nicht vom Ordnungsamt waren, sondern nur von einem renommierten Bewertungsportal. So leidet eben die Bewertung der Sauberkeit und nicht das Betriebsergebnis.
Die Speisekarte bekamen wir ebenfalls noch vom Koch präsentiert; die Bestellung übernahm dann eine Servicedame, die mittlerweile ihren Dienst angetreten hatte. (Nicht die, die für Coronavorschriften zuständig war, die hatte ja frei.) Bei der Bestellung waren auch drei Gerichte, die ich später für daheim mitnehmen wollte.
Kurz darauf präsentierte uns die Kellnerin noch eine zweite, fast ebenso umfangreiche Karte „mit Spezialgerichten“, anscheinend zur Lektüre für den Fall, dass wir uns langweilen würden. (Wir! Haha...) Was anderes kommt kaum in Frage, denn als ich nach ein paar Minuten noch eines der Takeout-Gerichte austauschen wollte, wurde ich beschieden, dass es dafür jetzt zu spät sei. Soso, da war der Aufwand wohl doch zu groß, die Bestellung zu stornieren und durch eine andere zu ersetzen. Ich wollte nicht insistieren, dazu waren die beiden Gerichte dann doch zu ähnlich, aber so sammelt der Service keine Punkte.
Auf dem Tisch war übrigens noch ein Aufsteller, mit dem man sich über einen QR-Code die Speisekarte aufs Handy ziehen kann. Wie man sieht, ist das Resultat ist gar nicht so übel, vor allem wegen der bunten Bildchen (die gedruckte Karte ist schwarz-weiß bzw. grau-weiß), leider kam ich da erst zu spät drauf. Jetzt bin ich initiiert und werde von nun an auch an vorderster Technologiefront speisen.
Wir starteten mit ein paar Dimsums. Erfreulicherweise bietet das Wangji hier eine beachtliche Auswahl an Siumais, Jiaozis, Buns und Wantans. Das Yangda führt leider nur eine Sorte Siumai, die zugekauft und nicht zu empfehlen ist. (Für kurze Zeit gab es in Karlsruhe noch den Monkey King, bei dem es richtig gute Dimsums gab, aber der ist ja leider an Corona gestorben und hat dabei meine allererste GG-Bewertung mit sich in den Tod gerissen.)
Jetzt musste nur noch die Qualität stimmen, und das tat sie zumindest teilweise. Die gebratenen Jiaozi hatten Charakter, auch die Siumai mit Garnelen (das sind die oben offenen) hinterließen bei mir einen properen Eindruck, die Garnelen-Jiaozi kamen mir aber eher wie Fertigware vor. Der chinesische Essig, der aussah wie Balsamico, aber kräftiger schmeckte, konnte das teilweise wieder gutmachen (insgesamt 13,70 Euro).
Die Hauptgerichte teilten wir uns natürlich auch; jeder durfte eins aussuchen. Ich plädierte für das Lamm mit Kreuzkümmel (14,90 Euro), weil es im Yangda mein Lieblingsessen ist und sich deshalb für einen direkten Vergleich anbot. (Mapo Tofu wollte ich meinem Gegenüber nicht mehr zumuten; der Grund ist in den letzten Yangda-Bewertungen nachzulesen.) Der Punkt ging diesmal nicht ans Wangji: Das Fleisch war ok und weitgehend sehnenfrei, auch das Lamm schmeckte durch, doch war es für meinen Geschmack viel zu sparsam gewürzt. Das gilt für den Kreuzkümmel und auch für die Chilis. Die grob geschnittenen Zwiebeln waren irgendwo auf halbem Weg von roh nach gar stecken geblieben, so war ich ganz froh, dass ich auf dem Rückweg allein im Auto saß.
Der Reis zu beiden Gerichten war eines asiatischen Restaurants unwürdig: Ein Matsch ohne Biss, zu Tode gekocht und frei von jedem Aroma. Sowas Trauriges habe ich mein Lebtag noch nirgends serviert bekommen, nicht mal beim Nullachtfuffzehn-Chinesen oder im 5-Euro-Imbiss.
Mein Freund und Mitesser entschied sich, nach dem oben gesagten durchaus überraschend, für den gebratenen Schweinebauch mit Chili (12,90). Schweinebauch ist ja immer eine sichere Bank, auch wenn er mir dicker geschnitten und dafür schärfer gebraten lieber ist. Auch hier wurde Chili, obwohl als einzige Zutat und auch als Icon präsentiert, nur in homöopathischer Dosierung verwendet (außer wenn mit Chili die ganze grüne Paprika gemeint war). Später erfuhren wir, dass man sich da bei deutschen Gästen lieber zurückhält. Es ist gut möglich, dass man das übliche Feedback leid war („Ich kann das nicht essen, da schmeckt man ja vor lauter Schärfe gar nichts mehr!!1!“), doch könnte man eigentlich auch vorher fragen, ob es die deutschen Gäste nicht vielleicht doch gerne à la chinoise hätten. Wo Chili dick draufsteht, soll schließlich auch Chili drin sein.
Überhaupt, deutsche Gäste. Wir waren die einzigen, alle anderen waren Chinesen, die meisten davon im Studentenalter. Nur einmal kam jemand Langnasiges herein, um eine Bestellung abzuholen. Eigentlich ist das kein schlechtes Zeichen, im Gegenteil. Ich glaube allerdings nicht, dass das, was wir gegessen hatten, die ganzen Landsleute angelockt hat. Vielleicht waren es ja Sachen aus der speziellen Speisekarte, die wir leider zu spät einsehen durften. Es ist zu befürchten, das möchte ich vorwegnehmen, dass wir das nie herausfinden werden.
Das Pfälzer Süßmaul bestellte sich übrigens noch einen ungewöhnlichen Nachtisch, von dem er selber erzählen soll. Ich kann ihm ja nicht alles wegschreiben, auch frühe Vögel müssen ein paar Würmer übriglassen.
Die Gesamtrechnung enthält auch etwas Bier und wurde wie immer nach Art des Hl. Martin geteilt.
Als besagter Kollege später auf dem Rückweg von der (sauberen) Toilette heftig fotografierend durch den Gastraum schritt, verriet er der Dame vom Service, dass er im Dienste eines führenden deutschen Gastroportals unterwegs sei. Es war überraschend, wie gesprächiger und verbindlicher man danach wurde; ich bin mir einigermaßen sicher, dass unter diesen Umständen sogar ein Wechsel beim Take-out möglich gewesen wäre. Zu spät, zu spät, lass fahren dahin...
Apropos Take-out und der Vollständigkeit halber: Dazu gehörte dann doch das schon oben erwähnte Mapo Tofu. Auch dieses Gericht, das per Definition zumindest vorhöllisch scharf sein sollte, schmeckte ein bisschen wie eigschloofne Fieß, wie mein innerer Pfälzer sagen würde. Auch dieser Punkt geht ganz klar ans Yangda.
Meiner Frau und ihrer Schwester sollte ich je eine Ente mit gebratenen Nudeln mitbringen. Da diese auf der zweiten, „zu spät“ überreichten Karte standen, hatte ich von der ersten zwei andere Enten ausgesucht und den Reis für einen Aufpreis von 2 Euro gegen Nudeln ausgetauscht.
Die „Entenbrust gebacken mit Mango und Currysoße“ ähnelte etwas der Ente mit der gelben Kanistersoße, die es in fast jedem Asia-Imbiss gibt und für die ich eine dieser befremdlichen Schwächen habe, über die man in Gourmetkreisen nicht gerne spricht, ein schwer zuzuordnender Geschmack aus dem kulinarischen sino-indischen Niemandsland. Die Ente war fleischig und zart und für mich mit Abstand das Beste an der ganzen Wangji-Unternehmung. Knusprig konnte sie am nächsten Tag natürlich nicht mehr sein, aber das war nicht schlimm. Mit 15,90 + 2,00 Euro war sie aber auch fürstlich, ach was, geradezu xijinpinglich bezahlt.
Ähnlich die „knusprige gebratene Ente“, auch hier das Fleisch das Highlight. Das dazu gereichte Gemüse in der braunen dicken Soße schmeckte allerdings so wie es aussah. 16,50 + 2,00 Euro waren auch hierfür schlichtweg zu teuer.
Wo wir schon bei den Preisen sind: Ganz dringend gehört die Website aktualisiert, inzwischen wurden nämlich fast überall 2 Euro draufgeschlagen. Und da alle vergleichbaren Gerichte auch deutlich teurer sind als im Yangda (das Kreuzkümmel-Lamm zum Beispiel 3 Euro), brauche ich nicht weiter auszuführen, wohin es uns ziehen wird, wenn uns wieder mal die Lust auf original chinesische Küche packt.
Für die Mehrzahl der chinesischen Restaurants in Deutschland gilt: Kennst du eins, kennst du alle. Drei oder so Soßen und eine begrenzte Zahl immergleicher Zutaten, die so lange durchpermutiert werden, bis eine dreistellige Anzahl von Gerichten zusammenkommt. Umso mehr freut sich dann der Gast, wenn er auf Ausnahmen trifft. Eine davon ist das Karlsruher Yangda, das es sogar in dreifacher Ausfertigung gibt und über das ich hier schon so oft berichtet habe, dass sich bereits vorsichtige Stimmen des Protests erhoben... mehr lesen
3.0 stars -
"Authentisch ist nicht immer gut" OparazzoFür die Mehrzahl der chinesischen Restaurants in Deutschland gilt: Kennst du eins, kennst du alle. Drei oder so Soßen und eine begrenzte Zahl immergleicher Zutaten, die so lange durchpermutiert werden, bis eine dreistellige Anzahl von Gerichten zusammenkommt. Umso mehr freut sich dann der Gast, wenn er auf Ausnahmen trifft. Eine davon ist das Karlsruher Yangda, das es sogar in dreifacher Ausfertigung gibt und über das ich hier schon so oft berichtet habe, dass sich bereits vorsichtige Stimmen des Protests erhoben
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Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen als Weinstube getarnten Chinarestaurant Wangji zugange. Seit März 2020 gibt es diesen unscheinbaren Chinatempel in der Nähe des Mühlburger Tores, an dem ich bestimmt schon gefühlte zwanzigmal vorbeigefahren bin ohne davon jemals Notiz zu nehmen.
Kaum hatte ich den Shumaischuppen entdeckt, war der Eintrag hier auf GG natürlich oberste Rezensentenpflicht. Herr Oparazzo zeigte sich interessiert an einem erneuten Mittagessen, war es doch ein paar Wochen (oder waren es Monate?) zuvor beim Rüppurrer „Chinaladen mit Y“ ganz erträglich.
Die Zeiten von Zechprellerei, vulgären Tischmanieren und anstößigen Witzen auf Kosten des Servicepersonals bzw. der anderen Gäste gehören ja Gott sei Dank seit ein paar Jahren (oder waren es Monate?) der Vergangenheit an. Gastroguerilla war gestern! Heute nimmt man sich da eher gegenseitig und ohne Anstrengung in Sittenhaft.
Ein Wort noch zu dem freundlichen Verzehrveteran aus dem nördlichen Schwarzwald. Der Oparazzo wirkt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild zu urteilen - wenig großväterlich. Man kann es kaum glauben, dass sich dieser Best-Ager bereits im Rentenalter befindet, so jugendlich schelmisch kommt der sympathische Genusskurstädter daher.
Keine Frage, vom Humor her surfen wir auf der gleichen Welle, was eine angeregte Tischkonversation mit ihm quasi unvermeidlich macht. Ich freute mich deshalb auf unser erneutes Lunchdate, auch wenn mir die überstandene Arbeitswoche ganz schön zugesetzt hatte und ich das ein oder andere Sekundenschläfchen auf der Fahrt von Wörth nach Karlsruhe gerne abgehalten hätte.
Die hohen Parkplatzgebühren an der Amalienstraße geflissentlich ignorierend stellte ich des Volkes Wagen in kurzer, fußläufiger Distanz zum Wangji ab. Kalter Wind blies mir um die Ohren. Also nix wie rein in die nicht ungemütlich wirkende Hühnerherzhütte im gutbürgerlichen Gewand.
Natürlich war er mal wieder vor mir da. Da brauchte es wieder eine gut funktionierende Ausrede des in dieser Hinsicht nie verlegenen Futterfreundes von der linken Rheinseite. Verkehr und Baustellen in und um Karlsruhe sowie der Stau auf der A65 lassen Pünktlichkeit in dieser Region eh zur reinen Glückssache avancieren.
Ich erkannte ihn sofort, besetzte er doch gleich den ersten Tisch im vorderen Bereich des langgezogenen Gastraumes, dessen alter Kachelofen wohl noch aus der Zeit von Prasses Kaiserplatzl – einer badischen Weinstube par excellence – herrührte.
Auch das viele dunkle Holz vergangener Tage (Deckenverkleidung, Stützpfeiler, Sitzmöbel) hatte man anscheinend kritiklos übernommen. Eine Art gastronomischer Denkmalschutz wehte durch anachronistisch anmutendes Gebälk.
Aber wie sagt der kulinarisch versierte Angelsachse: „Don’t judge the cook by its cutter!“. Spätestens als wir die Speisenkarten in Händen hielten, war klar, dass dies kein gewöhnlicher Ente-Süß-Sauer-Chinese sein würde. Dafür klangen die Gerichte in der umfangreichen Futterfibel viel zu ungewöhnlich – um nicht zu sagen abenteurlich. Die Anwesenheit vieler Asiaten werteten wir als weiteres Indiz für die Zubereitung authentischer Chinakost.
Dennoch hätte uns die Einhaltung der gängigen Hygieneregeln nicht gestört. Unterbesetzung hin oder her. Da sollte man keine Abstriche machen, wenn es um die gewissenhafte Kontrolle des Impfstatus und die ordnungsgemäße Registrierung (per Luca-App) der Gäste geht. War hier leider nicht der Fall und wurde von uns am Schluss auch höflich moniert. Ausflüchte seitens der Servicedame halfen uns da wenig weiter. Eine Bitte: lernt etwas daraus, Leute! In eurem Heimatland würdet ihr mit der Einstellung garantiert auch nicht durchkommen.
Der hell gekachelte Fliesenboden und die weißen Kunststofftischdecken ließen die heimelige Weinstubennostalgie schnell in den Hintergrund treten. Sterile, dafür aber leicht abwaschbare Tischkultur, die den hochglänzenden PVC-Charme einer Uni-Mensa versprühte. Die anwesenden Studenten aus Fernost schienen es gewöhnt zu sein.
Den Schoppen Höpfner-Pils (3,80 Euro) brauchte ich dringend, um runter- bzw. anzukommen. Mein Kollege hatte da bereits einen alkoholfreien Gerstensaft (2,80 Euro) aus der gleichen örtlichen Brauerei am Start.
Was er vor meinem Erscheinen noch so alles gesoffen haben könnte, ist schwer zu sagen. Klar, war der Typ heiter drauf, was aber eher auf sein sonniges Gemüt zurückzuführen war, als auf eine alkoholbasierte Druckbetankung am späten Vor- bzw. frühen Nachmittag.
Eine fast schon groteske Aktion in puncto Dienst am Gast lieferte unsere Servicedame nach Abschluss des Bestellvorgangs ab. Sie brachte uns nämlich gut gelaunt die zweite Speisenkarte – wahrscheinlich die, mit den richtig guten Sachen drin. Gut, dass wir uns da bereits entschieden hatten. Das ersparte uns die Qual einer noch größeren Auswahl.
Aus purer Dankbarkeit beließen wir es natürlich bei den vorher georderten Gerichten. Nicht auszudenken, wenn das ein paar Minuten zuvor getätigte Bonierritual (natürlich per Handy) durch kurzfristige Änderung unserer Abmachungen ad absurdum geführt worden wäre. „Herr, lass Hirn regnen!“ – steht zwar so nicht in der Bibel, liegt einem aber bei solchen Erlebnissen gerne mal auf der Zunge…
Das Speisenangebot, das sich auf der Homepage als „Ideenort für den hungrigen Magen“ präsentiert, war mir viel zu umfangreich. Allzu viele „Ideen“ über die Frische der verwendeten Zutaten wollte ich an dieser Stelle gar nicht verschwenden. Über einen QR-Code konnte man sich übrigens eine deutlich ansehnlichere Version der Karte auf seinem Handy betrachten.
Dem Publikum, das ohne moderne Technik hier speiste, stand lediglich die abgegriffene Laminierversion des schlecht kopierten Küchenprogramms in Schwarzweiß zur Verfügung. Eine Liste voller Kuriositäten. Nicht nur kulinarisch, sondern auch was die Rechtschreibung und die Grammatik anging.
Vorneweg herrschte am Tisch gedämpfte Einigkeit, was uns drei verschiedene Dim-Sum-Gerichte einbrachte. Darunter waren recht nichtssagende Shumai (3,90 Euro), die anstatt der typischen Schweinehack-Shiitake-Füllung eine langweilige Garnelenmasse in sich trugen. Keine Ahnung, ob die selbst gemacht waren. Geschmeckt haben sie jedenfalls nach nicht besonders viel.
Besser mundeten uns die gebratenen Jiaozi (4,90 Euro). Die hatten wesentlich mehr Bumms in ihrer Teigtasche versteckt. Ein Schälchen chinesischer Essig zum Reindippen wurde ihnen an die Seite gestellt. Erst dachten wir, es handele sich um Balsamico, was unsere Bedienung dann aber schnell klarstellte. Die würzigen „Asiamauldäschle“ konnten was, keine Frage. In Kombination mit der Säure vom Essig besuchten sie zwar keine gehobene, aber doch eine bessere Dim-Sum-Schule.
Die Jiaozi mit Garnelen (4,90 Euro) entpuppten sich als klassische Har Gau. Gedämpfte chinesische Krabbenklößchen, die nicht nur nach Convenience aussahen, sondern auch genauso schmeckten. Am Gaumen hinterließen sie auch keinen nachhaltigen Eindruck. Schade, Dumpling-Ziel auch bei der Vorspeise Nr. 3 nicht erreicht. Nachdämpfen als kulinarische Ordnungsmaßnahme kam leider nicht in Betracht.
Schon optisch machte der von mir georderte Schweinebauch mit Chili (12,90 Euro) nicht viel her. Eine regelrechte Enttäuschung für den gemeinen Scharfesser. Die grüne Paprika, die man hier großzügig den leicht pikanten, sehr dünn geschnittenen Schweinebauchfetzen beigemengt hatte, wollte nicht so recht zünden.
Essbar war dieses banale Wokgericht dennoch, wenn auch etwas einfallslos arrangiert und nicht nur räumlich mehrere hundert „Li“ von der Rüppurrer Yangda-Version entfernt. Zudem mit knapp 13 Euro auch nicht gerade schüchtern kalkuliert.
Gut, hätte ich drüber hinweggesehen, wenn wenigstens der Reis einen soliden Eindruck gemacht hätte. Hat er aber nicht, wie man ja bereits der Überschrift entnehmen konnte. Erst in der Küche ruiniert, dann ungeniert dem Gast serviert! Den hätten wir in der Tat bei jedem Schnellchinesen um die Ecke mit mehr Biss und Aroma aus dem Kocher geschaufelt bekommen.
Genauso unspektakulär wie mein Schweinebauchteller kam auch das Lamm mit Kreuzkümmel (14,90 Euro) aufs Porzellan.
Den Zwiebeln fehlte jeglicher Feinschnitt. Anscheinend hantiert man mit den Gemüsebeigaben in der Küche eher grobmotorisch.
Dafür hatte man sich bei der Verwendung von Kreuzkümmel ganz der Homöapathie verschrieben. Das Fleisch war zwar nicht totgebraten, hätte aber ruhig noch ein wenig mehr Schärfe vertragen. Recht braver Teller mit genug Zwiebeln, um den Bad Herrenalbaner als Heißluftballon zurück in seine Kurstadt schweben zu lassen.
Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein paar frittierte Milchkrapfen. Sie waren als „gebratene Milch“ (5,90 Euro) in der Karte ausgewiesen und wurden etwas lieblos auf einer weißen Porzellanschale serviert. Dass zu diesem Zeitpunkt unsere weiße PVC-Tischebene noch von Reiskörnern und Gemüsefitzelchen der vorher verspeisten Hauptmahlzeiten bedeckt wurden, störte unsere Bedienung nicht im Geringsten.
Um schnell für saubere Tischverhältnisse zu sorgen, hätte es lediglich eines feuchten Lappens bedurft. Aber der war wohl an diesem Mittag genauso abwesend wie Teile der Servicecrew.
Das leicht pelzige Gefühl am Gaumen, das ich beim Verzehr der leidlich süßen Milchkroketten verspürte, lag wohl an den verwendeten Zutaten. Diese wurden aber nicht verraten. Betriebsgeheimnisse mussten schließlich gehütet werden.
Na dann: Buenos dias, Glutamathias! Und zahlen bitte. Das nächste Lunchdate kommt bestimmt. Ob es allerdings wieder ein Asiaschuppen sein wird, kann ich jetzt nicht garantieren. Wie sagte schon Laotse: „Wang ji mals ni!“. Oder war es einer der chinesischen Studenten, die es sich neben dem Kachelofen bequem gemacht hatten?
Ich merke, es wird Zeit diese kleine Verzehrepisode nun enden zu lassen. Bertolt hilft mir beim Fazit:
In diesem Sinne, mal schauen, nach was es uns im neuen Jahr so gelüstet. Die Auswahl in und um Karlsruhe ist ja groß genug. Freue mich bereits jetzt auf das nächste kulinarische Intermezzo mit dem Razzo.