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Zunächst muss der Unternehmergeist gelobt werden, denn das Lokal im Erdgeschoss des Eventim-Gebäudes muss mit gleich mehreren Standortnachteilen kämpfen: So architektonisch interessant das spitz zulaufende Bürohaus sein mag, für das Greta‘s bedeutet das eine dreieckige Grundfläche, in die ein Küchen/Tresen/Toiletten-Block eingesetzt wurde. Heißt: Vorne ein schlecht auszunutzender spitzer Winkel, dann ein schmaler Gang und der normalste Raum verbirgt sich dahinter und vor den Toilettentüren. Da müssen die Tische schon intelligent verteilt werden und für vertrauliche Gespräche ist das Greta‘s eher suboptimal. Schon früher hat mich gewundert, dass sich die vielen Beamten und Politiker aus den umgebenden Behörden, die zumindest morgens und mittags das Hauptpublikum ausmachen, davon nicht beeindrucken lassen. Vielleicht soll das eine oder andere Gerücht ja auch bewusst gestreut werden, wer weiß...
Das Restaurant ist ebenerdig gelegen, auch die Toiletten. Aber alles ist eben auch sehr eng.
Dem Betreiber entgegen kam es, dass just zur Öffnung eine Schönwetter-Periode sogar den Norden der Republik erreicht hatte und so die (ausnahmsweise mal dank Covid) stark ausgedehnte Außenbestuhlung unter großen viereckigen Schirmen bestens ausgenutzt wurde, einschließlich der jenseits des Gehwegs aufgestellten Sonnenliegen.
Auch das Ordnungsamt schaute sofort vorbei, denn der stark frequentierte Weg für Rad- und Fußgänger wurde denn doch zu stark eingeschränkt. Dass dabei auch gleich das funky Lieferdreirad seines werbewirksamen Parkplatzes abseits der Engstelle verwiesen wurde, muss wohl als deutsche Gründlichkeit gelten.
Und so könnte der Blick ungestört über die liebliche Parkanlage und das imposante Finanzamt schweifen, wäre da nicht der zweite Standortnachteil, zumindest bei trockenem Wetter. Denn die Bänke hier am Wallgraben haben sich in den letzten Jahre zu einem Treffpunkt der Trinker-Szene entwickelt, was mit lautstarker, wenn auch meist harmloser Belästigung einhergeht. Schlimmer ist der Umstand, dass der hiesige Innensenator im Vor-Wahlkampf einen „Unser-Bahnhof-soll-sauberer-aussehen“-Plan gefasst hat, der dort zwar Drogenhandel und Konsum „erfolgreich“ verdrängt hat, aber erwartbar lediglich in die umliegenden Wohnviertel und damit auch vor das Greta‘s. Mal abwarten, wie sich das so entwickelt; Restaurant-Hund Hazel ist bereits Opfer von Beschaffungskriminalität geworden, selbst Hundedecken werden also geklaut.
Hazel - Vor dem Diebstahl
Hazel - Nach dem Diebstahl
Morgens gibt es ein Frühstück, das neben allerlei bekanntem Superfood von Avocado über Quinoa bis Chia-Samen mit pochierten Eiern für saarländische Gäste aufwartet. Eine kleine Auswahl frisch belegter Bagel lockt u.a. mit selbstgebeiztem Lachs so, wie auch das Granola in der winzigen Küche hergestellt wird. Das findet sich z.B. auf dem sehr leckeren Schokokuchen, der diese Woche die kleine Dessertkarte anführte. „Hauptspeisen“ sind ohne Frage die große Zahl unterschiedlicher Salat-Bowls, die über die bekannten California, India, Mexico und Arabic-Versionen auch Überraschungen wie eine norddeutsche Variante mit Kartoffeln, Zwiebeln und Speck bereit hält. Überhaupt konnte ich keinen veganen oder vegetarischen Schwerpunkt ausmachen, auch Fisch und Fleisch sind gut vertreten.
Mittags wird die Karte durch ein wöchentliches Angebot ergänzt, das in der Premieren-Ausgabe neben einer anscheinend preisreduzierten Bowl drei, in dieser Feelgood-Küche eher ungewöhnliche Offerten enthielt: Tafelspitz, Bremer Labskaus oder Wolfsbarschfilet hätte man auf der Karte eines gutbürgerlichen Gasthauses erwartet. Aber, nach Visiten in einer Woche kann ich sagen: Lars-Arne Küster versteht sein Handwerk ausgezeichnet und kocht alles andere als langweilig!
In der ersten Woche besuchte ich das Greta‘s einmal am Morgen und mit wechselnder Begleitung an zwei Tagen mittags.
Zum Auftakt gab es einen mit Körnern getoppten Laugen-Bagel, der mit leicht knuspriger Kruste und fluffigen Teig gefiel. Der mild gebeizte Lachs war mit viel cremiger Avocado, recht süßem Mango-Chutney, Salat und Gemüsestreifen kombiniert.
Geschmacklich ein absolut sicheres Match. Leider quoll viel vom Chutney hinten und durch die Mitte heraus, so dass es etwas einseitig erst „lachsig“ und danach süß wurde.
Vielleicht bin ich auch nur sehr ungeschickt. Der Gang zum Händewaschen brachte mich zum Schmunzeln.
Dazu einen starken, aber nicht säuerlichen Espresso einer heimischen Craft-Rösterei. Auch der Macchiato und der Milchkaffee eine Woche später schmeckten ausgewogen.
Beim ersten Mittagsbesuch buchte ich dann den Tafelspitz. Drei reichliche, wunderbar mürbe Scheiben Rindfleisch in einer Meerrettich-Sauce, die auf Andi-isch gesagt „was konnte“.
Kultur-Heidelbeeren sorgten für einen fruchtig-säuerlichen Twist. Die Salzkartoffeln offensichtlich vor Ort geschält und gekocht; das muss ja inzwischen hervorgehoben werden. Sehr gut der Gurken-Radieschen-Salat in einer frischen Buttermilchsauce.
Für 9,90 Euro eine tolle Leistung.
Meiner Frau schmeckte ihr auf der Haut gebratenes Filet vom Wolfsbarsch zum gleichen Preis ebenfalls vorzüglich; die Menge der nicht übergarten Tagliatelle war fast nicht zu bewältigen.
Auch hier waren Blaubeeren und ein kleines Salatbukett mit im Spiel. Allein der Parmesan-Chip war sehr dick geraten und äußerst zäh. Die entsprechende Rückmeldung wurde vom Service freundlich und interessiert aufgenommen.
Am nächsten Tag kehrte ich mit einer Kollegin ein, wegen des Wetterumschwungs zogen wir aber den Innenraum vor.
Als drittes Wochengericht probierte ich diesmal den Klassiker Labskaus, das mit dem gefüllten Rollmops und weiterer Gewürzgurke extra schon mal zwei der üblichen Beilagen an der Seite hatte.
Die rote Bete war in die Mischung aus Rinderbrust und Kartoffeln gegeben worden, was dem Ganzen eine angenehme Farbe gab und auch etwas Stückigkeit ins ansonsten doch recht fein Durchgearbeitete brachte. Insgesamt für meinen Geschmack einen Tick zu sehr auf der sauren Seite, aber trotzdem tadellos, wie auch das gebratene Bio-Spiegelei mit wunderbar verlaufendem Gelb.
Meine Begleiterin war mit ihrer Bowl Oriental offenbar mehr als zufrieden. Als ich heute nachfragte, kam zunächst ein Das war sooo lecker! und danach hörte ich noch Aromenvielfalt von süß über fruchtig-säuerlich und würzig bis salzig, knusprige Falafel, Granatapfelkerne, cremiger Hummus sorgte für ein tolles Mundgefühl und wieder Soooo lecker! Muss ihr wohl geschmeckt haben...
Aber das Highlight war zweifellos das zusätzlich bestellte Naan-Brot aus glutenfreier Hirse, das heiß aus der Pfanne zu uns kam! Knusprig, im Inneren fluffig und mit einem mutigen Rosmarinöl benetzt. Die 1,5€ waren aber sowas von gut angelegt! Chef Küster erzählte mir heute noch, dass der Teig stets schnell verarbeitet werden muss, da er kaum Standzeit verträgt.
Zum Start von Woche 2 gönnte ich mir heute auf dem Weg zur Arbeit dann endlich das Funk me Frühstück, das viele gern gesehene Bekannte der ersten Besuche vereinte: Wildkräutersalat, reife Avocado, Naan-Brot, Heidelbeeren. Aber eben auch ein pochiertes Ei, das beim ersten Versuch zu lange gegart war.
Nach einem kurzen Hinweis stand bald darauf ein deutlich weicheres vor mir, natürlich ohne Berechnung.
Kurz überlegen musste ich beim orangefarbenen Topping, das einen feinen Knusper einbrachte: Frittierte Karottenschalen waren es, denn Zero waste ist das Ziel. Und nicht nur diese ganz praktische Umsetzung hebt das Greta‘s deutlich aus der Masse der vielen Bistros hinaus, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben haben. Aber sympathisch sind solche kleinen Schritte. Und deshalb bekommt jeder Gast noch einen knackigen Apfel mit auf dem Weg! Funk me, Greta‘s!