Geschrieben am 19.10.2019 2019-10-19| Aktualisiert am
19.10.2019
Besucht am 27.03.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 68 EUR
Herbert Beltle, ein weiteres Urgestein der Berliner Gastronomie zieht sich nach und nach aus dem Geschäft zurück. Die Rotisserie Weingrün betreibt er noch, aber das Aigner am Gendarmenmarkt ist bereits geschlossen. Das Alte Zollhaus wird zum Jahresende an die RUTZ Masterminds Schmidt und Müller übergeben, die schon für nächstes Jahr ein neues Konzept angekündigt haben.
Da bin ich froh, dass ich im März noch einmal am Landwehrkanal vorbei geschaut hatte, denn Ermüdungserscheinungen konnte ich ganz und gar nicht ausmachen.
Als ich um Punkt 18.00 Uhr auf mein Klingeln
eingelassen wurde, begrüßte mich ein junger Mann mit gewohnter Berliner Direktheit. Naja, es ist ja nicht böse gemeint und so konnte ich mir unter einigen wenigen, nicht reservierten Tischen einen schönen in der Ecke aussuchen. Besten Blick auf den Kachelofen
und durch den schönen langgezogenen Raum, in dem die lange Tafel in der Mitte verschwunden ist. Besonders abgesehen hatte ich aber auf die vielen dicken Kissen
die mir auch auf der Holzbank einen sehr bequemen Aufenthalt ermöglichten. Das Publikum war gemischt, Paare mit und ohne Kind, eine kleine Familiengesellschaft, insgesamt angenehm, auch wenn trotz leiser Popsongs in loungigen Arrangements die Gespräche aus allen Ecken überraschend laut vernehmbar waren. Ich tippe auf den Fliesenboden. Aber nach dem Layla sowieso nur ein Säuseln. Der ausgebildete Ober blieb in der Ansprache unkompliziert, verrichtete seinen Job aber fachlich ohne jeden Tadel. Auch die Restaurantleiterin schaute ab und an bei mir vorbei und fragte nach der Zufriedenheit. Wünsche blieben nicht offen, angenehm und professionell.
Positiv die zumindest kosmetische Aufwertung der Toiletten durch einen neue Waschtisch, eine „vintage“ Kommode und Kerzenlicht im Vorraum.
Schon im Vorraum vorbei am großen eichenen Garderobenschrank wusste ich, dass mein stetes Käseverlangen an diesem Abend verlässlich und gut temperiert gestillt würde.
Aber noch stand ich ja Anfang, zu dem hier im Landhaus traditionell ein spitzenmäßiges Sauerteigmischbrot und ein auch sehr gutes, fluffiges Hefebrot
mit aufgeschlagener Butter in angenehmer Zimmertemperatur gereicht wurden. Mit dem warmen Brot einfach herrlich. Sonst kein Gruß, was leicht zu verschmerzen war.
Ich „tröstete“ mich mit dem bekannt guten alkoholfreien Traubensecco mit einem Spritzer Zitrone (5€); später gab es Quittensaft mit etwas Zitroneno-Soda (4€).
Die Karte war von Kopf bis Fuß auf Frühling eingestellt. Salat von frischem Spinat mit Ziegenkäse, Bärlauchsüppchen mit Flußkrebs-Knödel, Wildkräuter-Risotto (als Zwischengericht) und gebratenes Bachsaiblings-Filet hießen die Hits von heute. Und dann sollte es mich ja noch Käse regnen, in der Version vom Ander‘l Bauer.
Als 5-Gang Bankettmenü wurden dafür 59€ fällig, da sind 5 Sterne beim PLV verdient.
Der Salat war wie alles handwerklich tadellos gemacht und überzeugte mit guten Produkten.
Knackfrische Blattsalate, darunter der angekündigte Spinat waren geschmacklich gut erkennbar auf einem Bett von cremigem Ziegenkäse angerichtet, begleitet von Kürbiskernen und angemacht mit Kürbisöl. (Die roten Halbkugeln kamen mir verdächtig vor; ich ließ sie unbeachtet.)
You get what you see. Was bei diesem frischen, gut gemachten Auftakt überhaupt kein Manko war.
Die geradlinige Landhausküche wurde mit einer aufgeschäumten, intensiv grünen Suppe fortgesetzt.
Der Bärlauchgeschmack war perfekt heraus gearbeitet, ohne penetrant zu werden. Kräftig abgeschmeckt, aber nicht überwürzt. Das ist Frühlingsgeschmack. Beim beherzten Löffelschwung (der Service gab einen Tip) offenbarte sich am Boden des Tellers ein wunderbar buttriges Kartoffelpüree, das zu einer süffigen Bindung führte. Genauso begeisterte der frittierte Knödel von Flusskrebswürfeln mit super feinem Knusper.
Kannste nicht besser machen.
Das vegetarische Kräuterrisotto hielt oder besser lief da vorbildlich mit.
Die nicht verkochten Körner wurden von frischem Gemüse begleitet. Romanesco, wilder Brokkoli und Karotten à point gegart, waren alle stark. Geschmacklich blitzten immer wieder Kräuter auf, besonders Estragon, der Frühlingsbote gefiel mir sehr. Dazu gaben die fruchtig-süß-säuerlichen Noten des Balsamessig einen leichten Kick. Gegen die geschmolzene Tomate hatte ich nichts einzuwenden. Das Parmesan-Netz war für etwas Crunch zuständig und überdies hübsch anzuschauen.
Im Hauptgang war der Saibling auf der Haut gebraten worden, was alle Saftigkeit dieses wohlschmeckenden Süßwasserbewohners bewahrt hatte.
Aber, oh Wunder! Die Haut war weitgehend abgenommen und dekorativ aufgerollt worden. So wünscht man sich das! Dagegen waren frittierter Rosmarin und eine gebackene Zitronenscheibe nicht nur hübsches Beiwerk, sondern auch sinnvolle Aromageber.
Die Kohlrabiwürfel hatten noch etwas Biss und würden zusammen mit Kartoffeln in einer leichten hellen Soße serviert, die durch frische Kräuter Freude machte. Wunderbar hier der genau dosierte Kerbel.
Die Käseauswahl - wie erwartet zimmerwarm mit vollem Aroma - wurde von Walnüssen, halbtrockener Pflaume und angenehm pikantem Aprikosensenf begleitet.
Besonders schön aber das angewärmte, mal nicht zu schwere Früchtebrot.
Der perfekte Abschluss eines Landhausmenüs, bei dem alles stimmte: Gute, frische Produkte der Saison, stimmig kombiniert, handwerklich fehlerlos umgesetzt und ab und an ein kleiner Clou. Was fehlt da für die Höchstbewertung? Nichts! Nach dem E.T.A. Hoffmann und dem Alt-Luxemburg ein weiterer Verlust an traditionell gehobener Küche in Berlin. Hoffen wir auf ein ansprechendes Nachfolge-Konzept! Und noch ist Zeit für einen Abschiedsbesuch...
Herbert Beltle, ein weiteres Urgestein der Berliner Gastronomie zieht sich nach und nach aus dem Geschäft zurück. Die Rotisserie Weingrün betreibt er noch, aber das Aigner am Gendarmenmarkt ist bereits geschlossen. Das Alte Zollhaus wird zum Jahresende an die RUTZ Masterminds Schmidt und Müller übergeben, die schon für nächstes Jahr ein neues Konzept angekündigt haben.
Da bin ich froh, dass ich im März noch einmal am Landwehrkanal vorbei geschaut hatte, denn Ermüdungserscheinungen konnte ich ganz und gar nicht ausmachen.
Als ich um... mehr lesen
Altes Zollhaus
Altes Zollhaus€-€€€Restaurant0306923300Carl-Herz-Ufer 30, 10961 Berlin
5.0 stars -
"Da fällt der Abschied schwer!" DerBorgfelderHerbert Beltle, ein weiteres Urgestein der Berliner Gastronomie zieht sich nach und nach aus dem Geschäft zurück. Die Rotisserie Weingrün betreibt er noch, aber das Aigner am Gendarmenmarkt ist bereits geschlossen. Das Alte Zollhaus wird zum Jahresende an die RUTZ Masterminds Schmidt und Müller übergeben, die schon für nächstes Jahr ein neues Konzept angekündigt haben.
Da bin ich froh, dass ich im März noch einmal am Landwehrkanal vorbei geschaut hatte, denn Ermüdungserscheinungen konnte ich ganz und gar nicht ausmachen.
Als ich um
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Altes Zollhaus
Besucht am 09.03.2016
Wenn man vom jüdischen Museum kommend den Landwehrkanal auf der Zossener Brücke überquert und nach links abbiegt, findet man sich zwischen Wasser und der Blücherstraße in einem Gürtel sozialen Wohnungsbaus wieder. Fünf- und siebengeschossige Wohnblöcke, aber auch ein 10-Stöcker prägen das Bild dieses kleinen Viertels. Umso erstaunlicher, wenn sich der abendliche Wanderer plötzlich in einem Park wiederfindet, in dem wie aus der Zeit gefallen, ein stattliches Forsthaus-Ensemble erscheint. Mit Fachwerk und einem Garten mit mächtigen Kastanien, die Anfang März sicher schon von Gästen träumen, die da balde kommen wollen. Angestrahlt fast ein etwas unwirklicher Anblick, der lt. der Homepage des Alten Zollhauses indes ein Nachbau von 1979 des abgebrannten Originalhauses ist, über dessen Historie ebenfalls kurz berichtet wird. Inhaber Herbert Beltle ist inzwischen bekannter für sein (auch sehr unterschiedlich bewertetes) österreichisches Restaurant Aigner am Gendarmenmarkt und betreibt auch die Rotisserie WEINGRÜN.
Von der Straßenseite ist kein Einblick möglich und ein Schild an der massiven Holztür bittet die Gäste zu klingeln. Kaum getan, öffnete mir ein junger Kellner in weißem Hemd und mit Schürze und Krawatte und hieß mich freundlich willkommen, ohne nach Passwort oder Reservierung zu fragen. Von der rustikalen Diele führt rechts eine Holztreppe ins Obergeschoss, das von einer fröhlichen Gesellschaft belegt zu sein schien. Unser Weg führte jedoch an Toiletten und der Küche vorbei in den entlang des Kanals liegenden Mittelteil des Komplexes. In einem Vorraum befinden sich die Bar, Bonkasse, Garderobe. Dort wurde ich von einer Dame ebenfalls charmant begrüßt. Wie ich der zum Abschied überreichten Karte entnehmen kann, ist es die Restaurantleiterin Christiane Dutschmann gewesen, die mir die Garderobe abnahm und kurz die Reservierung checkte. Dann ging es durch zwei Torbögen in den eigentlichen Gastraum, der mich sofort in eine entspannte Stimmung versetzte.
Links eine Fensterfront zum Kanal. An der Stirnseite fängt ein grüner Kachelofen den Blick. Daneben und an der rechten Seite eine helle Holzbank mit dünnen Sitzkissen und dicken Dekorkissen, die ich mir schamlos in den Rücken stopfte, als ich am schönen Ecktisch Platz nahm, der mit der vorgesehenen, leider erkrankten Begleitung wohl etwas eng geworden wäre. Von dort aus ließ ich noch einmal ganz in Ruhe den Blick schweifen. In der Mitte des langen Raumes eine lange hölzerne Tafel mit einem ansprechenden Blumenbukett, davor eine große Etagere mit Edelbränden. Am Durchgang zum vorderen Teil ein wundervolles mechanisches Monstrum zum Schinkenschneiden. Macht mir sofort Appetit! An der Wänden entlang Zweier- und Vierertische, einige wenige mit weißen Tischdecken, bei den meisten blieb die mittelbraune Holzplatte sichtbar. Das System dazu erschloss sich mir nicht. Erst auf Nachfrage erfuhr ich, dass die Tischwäsche nur auf Wunsch aufgelegt wird oder, wenn dem Team ein besonderer Anlass des Besuches bekannt ist. So war denn ein Geburtstag und ein Hochzeitstag zu feiern. Eingedeckt war mit zweifach Besteck, Wasser- und Weinglas, Stoffserviette, Pfeffer- und Salzmühlen und auf allen Tischen Flötenvasen mit je einer einzelnen Blume. Dazu eine weiße Kerze im hohen silbernen Fuß, die sogleich entzündet wurde. Auch auf dem Mitteltisch standen etliche Kerzenleuchter, so dass wohl mehr als 20 Lichter zur angenehmen Atmosphäre beitrugen. Über den Tischen waren kleine Strahler in die Decke eingelassen. Über der Raummitte ein großes Viereck abgehängt, mit indirekter Beleuchtung nach innen und außen. Braun-, Oliv- und Cremetöne schmeicheln dem Auge. An den Wänden etliche Bilder, Originale, die vom Stil an die selbstbewusst-lasziven Frauen von Vettriano erinnern. Passend dazu leiser Smooth-Jazz. Alles sehr angenehm, stimmig, wohlig. Einzig die größeren dunkelroten Bodenfliesen haben für mich eine Kellerbar-Assoziation, stören farblich aber auch nicht wirklich. Bei einer Renovierung wäre hier Terrakotta für meinen Geschmack ideal.
Gerade (oder nur), weil der Gastraum so stimmig ist, fielen die Sanitäranlagen ab.
Hier ist leider teilweise die Originalausstattung anno 1979 noch vorhanden, so z.B. die dünne Holztür mit Einfachst-Alugriff, die Kabinen und besonders schmerzlich deren wackeligen, nicht bodentiefen Sperrholzabtrennungen, die in einem "freundlichen steingrau" gestrichen sind. Das erinnert doch sehr an Turnhallenumkleide aus den 70ern. Die Wandfliesen waren erneuert und sollten wohl etwas "Pep" in die Tristesse bringen. Dafür sprechen die überaus farbige Bordüre, die in das vorherrschende Weiß eingestreuten Motivfliesen mit klassischen Enten(jagd)motive und die ebenfalls knallbunten, aufgeklebten, großen Buchstaben, die zur sortenreinen Entsorgung der genossenen Getränke auffordern. Wird andernorts nach Bier, Schnaps und Wasser getrennt, sind es hier Erzeugnisse des eigenen Weinguts, fremder Wein und Sonstiges. Schmunzeln oder Augenverdrehen, das ist Geschmacksache. Nicht aber der Zustand des Waschtisches, der zwar eine wertige Steinplatte hat, aber eben auch einen Pressspan-Unterbau. Ist da einmal die Beschichtung beschädigt, zumal recht großflächig, quillt das Material in der Feuchtigkeit, wirft Blasen und löst sich auf. Das muss nicht sein. Ein zumindest optisch ansprechenderer Ersatz dürfte in jedem Baumarkt für einen niedrigen dreistelligen Betrag zu erwerben sein, wenn nicht sogar darunter. Der Plastikspender für graue Recyclingpapiertücher passt sich zusammen mit dem Duftspender stilistisch ein. Gefallen hat mir dagegen der Spiegel in Nierenform aus den 50ern, noch mit originaler Blechumrandung. Sauber und frisch war es allerdings. Im Restaurant in puncto Sauberkeit alles tipptopp.
Frau Dutschmann agierte als Gastgeberin freundlich, ruhig und mit 100% Professionalität. Gewandet in einen etwas strengen dunklen Hosenanzug blieb eine gewisse Distanz. Aber das ist beim Erstbesuch ja kein Nachteil. Vielmehr war der junge Mann, der im Service unterstützte, trotz guter Leistung eher etwas zu locker und auch auf Nachfrage zum nicht angesagten Teller kam nur ein sehr eingeschränktes "So eine Art Toast." Umso bemerkenswerter, dass nur ein kurzer Hinweis zum gewünschten klassischen Service an die Chef de rang genügte, um diesen auch in Perfektion zu erhalten. Das hatte ja schon mit dem Garderobenservice begonnen und endete nach dem erneuten mit einer Begleitung vor (!) die Tür, der Erkundigung nach dem Heimweg und der Verabschiedung per Handschlag. Dazwischen lag alles, was aufmerksamen Service ausmacht. Sei es die entzündete Kerze, der Gourmetlöffel für die Sauce, das vollständige Ansagen, das Gespräch über die Speisen einschließlich einer Nachfrage in der Küche, das selbstverständliche Nachschenken des Wassers, die Erneuerung von dessen Kühlung, die neue Serviette, die ich nach meiner ausgedehnten Inspektion der Nassräume vorfand, seien es die Selbstverständlichkeiten wie ordentliches Einsetzen und Ausheben, die rechtzeitigen Erkundigungen nach der Zufriedenheit oder das Angebot eines Desserts oder Kaffees - eine konzentrierte, fehlerfreie Leistung - beeindruckend.
Auch die Leistungen auf dem Teller waren durchweg erfreulich.
Die Küche grüßte mit hellem Sauerteigbrot. Leicht warm, nichts Spektakuläres, aber schmackhaft. Dazu gesalzene Butter und eine Meerrettichcreme mit deutlicher, aber angenehmer Schärfe.
Von der aktuellen Karte wählte ich
- Brandenburger Räucheraal (14€)
- Bouillabaisse von heimischen Fischen (12€)
- Ragout von Entenherzen und Mägen (12€)
- Zweierlei vom Lamm (26€)
- und statt Dessert wie so oft eine Käseauswahl (10€)
Los ging's:
Der angenehmer Weise nicht allzu fette Fisch wurde auf einem Kräuterrührei platziert und dadurch etwas erwärmt, sehr gelungen. Die Basis bildete eine angeröstete Scheibe Bauernbrot (aka "So eine Art Toast."), die der Küche etwas zu dunkel geraten war. So verbrannt, wie es auf dem Foto aussieht, war es nicht, aber am Rand grenzwertig. Die einzige Schwäche der Küche an diesem Abend. Die karzinogenen Stellen entfernt, gab es ein gutes Zusammenspiel von lockerem Ei, dem kräftigen, festen Aal und den Röstnoten des knusprigen Brotes. Vegetarisch ergänzten die kalten Dillgurken (angenehm dünne Streifen) in Schmand, vegan der Mischsalat mit Blüten in leichtem Senfdressing. Auch ohne großes Brimborium ein authentischer, überzeugender Auftakt aus der Brandenburger Region.
Auch der Suppengang bescherte mir Fisch, aber wie angekündigt nicht aus dem Mittelmeer, sondern Zander, Saibling und Wels, die zu Recht so beliebten Eiweißlieferanten aus heimischen (Zucht-)Teichen. Alle drei in großzügiger Menge und saftig in der Suppe gezogen und mit ihrem jeweiligen eher zurückhaltendem Eigengeschmack.
Die passierte Suppe nicht auf Tomatenbasis, sondern auf grünem Gemüse, ich rätsele noch, vielleicht Fenchel, Paprika, Zucchini? Gar nicht rätselhaft der angenehme, kräftige Anisgeschmack des Estragons.
Die sehr helle Sauce Rouille war auf einer Weißbrotscheibe überbacken worden und wurde gesondert serviert. Mal was anderes, aber sehr fettig.
Eine ungewöhnliche, sehr schmackhafte Variation der berühmten Fischsuppe.
Der Zwischengang brachte Geflügel in Form des etwas in Vergessenheit geratenen Entenkleins, hier genauer Mägen und Herzen, in einer ungemein dunklen und intensiv-würzig-säuerlichen Sauce. Auf Nachfrage verriet die Küche, dass zum Ablöschen des Geflügels Rotwein und Portwein verwandt wurde. Dazu auf den Punkt gegartes frischer Spargel, Karotte, Kohlrabi. Das Fleisch war fest, aber nicht zäh. Das angekündigte Nudelblatt war mit Basilikum optisch und geschmacklich eingefärbt worden und fand sich eher unter dem Gemüse, als dass dieses darin eingeschlagen gewesen wäre, wie die Speisekarte angekündigt hatte. Sehr gut, um die formidable Sauce vollständig aufzunehmen, so dass der Gourmetlöffel kaum gebraucht wurde.
Im Übrigen eine schöne Vorbereitung auf mein Innereien-Festival im Herz&Niere einige Zeit später.
Vor dem Hauptgang wurde keine Erfrischung angeboten und von mir auch nicht erbeten.
Stattdessen ging es nach erneut angenehmer Wartezeit mit dem vorösterlichen Lamm weiter, das auf KPM-Porzellan serviert wurde. Die drei Scheiben aus der Keule mit etwas Kerbel waren ausnehmend zart und perfekt rosa. Eine erfreuliche, da seltene Überraschung außerhalb der griechischen (und weiter östlichen) Küche, war die zurückhaltend gewürzte, dem Fleischgeschmack Vorrang einräumende Lammfleischbulette. Gekrönt von sanft gerösteten Zwiebeln, die leider schon einen Tick abgekühlt hatten. Intelligent fand ich die in extra Schälchen gereichte selbst gemachten Saucen, einmal Paprika (à la Ratatouille) und einmal Joghurt (à la Tsatziki). So wurden die üblichen Lammassoziationen geschickt und geschmacklich passend aufgegriffen.
Sehr überzeugend die "Sättigungsbeilage" in Form einer warmen Ziegenkäse-Zucchini-Tarte. Auf einem Mürbeteigboden die Gemüsekäsemasse gestockt. Erfreulich, dass der Ziegenmilchgeschmack deutlich, aber nicht zu streng war. Schön saftig und auf der Oberseite ein schönes Grillmuster. Ein wirklich feiner Teller.
Als abschließender Gang wurde eine interessante Käseauswahl präsentiert: zweimal Ziege mit Rosmarin und Thymian sowie mit Pfeffer, ferner Bergkäse, ein Allgäuer mit Rotschmierrinde und Fourme d'Ambert. Das erwärmte, leicht knusprige Früchtebrot hat ebenso geschmeckt, wie der Feigensenf. Highlight waren aber die Pflaumen in Portwein.
Etwas lieblos noch Walnüsse und helle und dunkle Trauben. Etwas angeröstet oder gar karamellisiert wäre es sicher noch ein Schmankerl gewesen und Weintrauben natur scheinen mir recht einfallslos. Insgesamt aber ein würdiger Abschluss.
Das Preisneveau gehoben, aber der Leistung angemessen.
Übersichtlich und sportlich bepreist die Weinkarte, natürlich mit einem Schwerpunkt auf dem eigenen Weingut Horcher in Kallstadt.
In der Fastenzeit begnügte ich mich aber mit einem geperlten weißen Traubensaft für 2,5€ den Fingerhut. Fein moussierend, fruchtig und weniger süß, als erwartet. Auch dieses Getränk vom Pfälzer Weinberg, wobei die dortige Homepage zwischen den Zeilen offen lässt, wie weit zugekauft wird.
Ansonsten bat ich nur um kaltes Leitungswasser. Ein Wunsch, der nicht nur freundlich akzeptiert, sondern ebenfalls mit Blick auf das Wohl des Gastes erfüllt wurde. Das Getränk kam aus einer hohen Karaffe mit schmalem Hals ins Glas, die dann zurück in einen runden Metallfuß gestellt wurde. Der Clou war dessen Füllung mit Eiswürfeln. Eine perfekte, elegante "Dockingstation".
Auf einen Kaffee habe ich angesichts der fortgeschrittenen Zeit verzichtet. Das Wasser wurde nicht berechnet. Eigentlich selbstverständlich und trotzdem lobesam.
Fazit:
Im Alten Zollhaus wird eine gehobene regionale Küche mit Anspruch, aber ohne großes Geschrei blitzsauber umgesetzt. Die Präsentation tritt hinter die Produkte zurück. Gleichwohl sind die Gerichte alles andere als einfach. Vielmehr durchdacht und dann handwerklich sauber auf den Teller gebracht. Das ist für den Gast oft viel mehr, als ein vor sich her getragenes Konzept. Man agiert, das gilt auch für den Service, mit gelassener Professionalität, aber konzentriert. Das Ambiente kann nur als wohltuend beschrieben werden.
Ein rundum gelungener Abend in einer weniger besuchten Ecke Kreuzbergs, den ich so angenehm nicht erwartet hätte. Jederzeit gerne wieder und eine vorbehaltlose Empfehlung.
Wenn man vom jüdischen Museum kommend den Landwehrkanal auf der Zossener Brücke überquert und nach links abbiegt, findet man sich zwischen Wasser und der Blücherstraße in einem Gürtel sozialen Wohnungsbaus wieder. Fünf- und siebengeschossige Wohnblöcke, aber auch ein 10-Stöcker prägen das Bild dieses kleinen Viertels. Umso erstaunlicher, wenn sich der abendliche Wanderer plötzlich in einem Park wiederfindet, in dem wie aus der Zeit gefallen, ein stattliches Forsthaus-Ensemble erscheint. Mit Fachwerk und einem Garten mit mächtigen Kastanien, die Anfang März sicher... mehr lesen
Altes Zollhaus
Altes Zollhaus€-€€€Restaurant0306923300Carl-Herz-Ufer 30, 10961 Berlin
4.5 stars -
"Klare Empfehlung am Landwehrkanal. Gehobene, regionale Küche in sehr angenehmen Ambiente." DerBorgfelderWenn man vom jüdischen Museum kommend den Landwehrkanal auf der Zossener Brücke überquert und nach links abbiegt, findet man sich zwischen Wasser und der Blücherstraße in einem Gürtel sozialen Wohnungsbaus wieder. Fünf- und siebengeschossige Wohnblöcke, aber auch ein 10-Stöcker prägen das Bild dieses kleinen Viertels. Umso erstaunlicher, wenn sich der abendliche Wanderer plötzlich in einem Park wiederfindet, in dem wie aus der Zeit gefallen, ein stattliches Forsthaus-Ensemble erscheint. Mit Fachwerk und einem Garten mit mächtigen Kastanien, die Anfang März sicher
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Da bin ich froh, dass ich im März noch einmal am Landwehrkanal vorbei geschaut hatte, denn Ermüdungserscheinungen konnte ich ganz und gar nicht ausmachen.
Als ich um Punkt 18.00 Uhr auf mein Klingeln
eingelassen wurde, begrüßte mich ein junger Mann mit gewohnter Berliner Direktheit. Naja, es ist ja nicht böse gemeint und so konnte ich mir unter einigen wenigen, nicht reservierten Tischen einen schönen in der Ecke aussuchen. Besten Blick auf den Kachelofen
und durch den schönen langgezogenen Raum, in dem die lange Tafel in der Mitte verschwunden ist. Besonders abgesehen hatte ich aber auf die vielen dicken Kissen
die mir auch auf der Holzbank einen sehr bequemen Aufenthalt ermöglichten. Das Publikum war gemischt, Paare mit und ohne Kind, eine kleine Familiengesellschaft, insgesamt angenehm, auch wenn trotz leiser Popsongs in loungigen Arrangements die Gespräche aus allen Ecken überraschend laut vernehmbar waren. Ich tippe auf den Fliesenboden. Aber nach dem Layla sowieso nur ein Säuseln. Der ausgebildete Ober blieb in der Ansprache unkompliziert, verrichtete seinen Job aber fachlich ohne jeden Tadel. Auch die Restaurantleiterin schaute ab und an bei mir vorbei und fragte nach der Zufriedenheit. Wünsche blieben nicht offen, angenehm und professionell.
Positiv die zumindest kosmetische Aufwertung der Toiletten durch einen neue Waschtisch, eine „vintage“ Kommode und Kerzenlicht im Vorraum.
Schon im Vorraum vorbei am großen eichenen Garderobenschrank wusste ich, dass mein stetes Käseverlangen an diesem Abend verlässlich und gut temperiert gestillt würde.
Aber noch stand ich ja Anfang, zu dem hier im Landhaus traditionell ein spitzenmäßiges Sauerteigmischbrot und ein auch sehr gutes, fluffiges Hefebrot
mit aufgeschlagener Butter in angenehmer Zimmertemperatur gereicht wurden. Mit dem warmen Brot einfach herrlich. Sonst kein Gruß, was leicht zu verschmerzen war.
Ich „tröstete“ mich mit dem bekannt guten alkoholfreien Traubensecco mit einem Spritzer Zitrone (5€); später gab es Quittensaft mit etwas Zitroneno-Soda (4€).
Die Karte war von Kopf bis Fuß auf Frühling eingestellt. Salat von frischem Spinat mit Ziegenkäse, Bärlauchsüppchen mit Flußkrebs-Knödel, Wildkräuter-Risotto (als Zwischengericht) und gebratenes Bachsaiblings-Filet hießen die Hits von heute. Und dann sollte es mich ja noch Käse regnen, in der Version vom Ander‘l Bauer.
Als 5-Gang Bankettmenü wurden dafür 59€ fällig, da sind 5 Sterne beim PLV verdient.
Der Salat war wie alles handwerklich tadellos gemacht und überzeugte mit guten Produkten.
Knackfrische Blattsalate, darunter der angekündigte Spinat waren geschmacklich gut erkennbar auf einem Bett von cremigem Ziegenkäse angerichtet, begleitet von Kürbiskernen und angemacht mit Kürbisöl. (Die roten Halbkugeln kamen mir verdächtig vor; ich ließ sie unbeachtet.)
You get what you see. Was bei diesem frischen, gut gemachten Auftakt überhaupt kein Manko war.
Die geradlinige Landhausküche wurde mit einer aufgeschäumten, intensiv grünen Suppe fortgesetzt.
Der Bärlauchgeschmack war perfekt heraus gearbeitet, ohne penetrant zu werden. Kräftig abgeschmeckt, aber nicht überwürzt. Das ist Frühlingsgeschmack. Beim beherzten Löffelschwung (der Service gab einen Tip) offenbarte sich am Boden des Tellers ein wunderbar buttriges Kartoffelpüree, das zu einer süffigen Bindung führte. Genauso begeisterte der frittierte Knödel von Flusskrebswürfeln mit super feinem Knusper.
Kannste nicht besser machen.
Das vegetarische Kräuterrisotto hielt oder besser lief da vorbildlich mit.
Die nicht verkochten Körner wurden von frischem Gemüse begleitet. Romanesco, wilder Brokkoli und Karotten à point gegart, waren alle stark. Geschmacklich blitzten immer wieder Kräuter auf, besonders Estragon, der Frühlingsbote gefiel mir sehr. Dazu gaben die fruchtig-süß-säuerlichen Noten des Balsamessig einen leichten Kick. Gegen die geschmolzene Tomate hatte ich nichts einzuwenden. Das Parmesan-Netz war für etwas Crunch zuständig und überdies hübsch anzuschauen.
Im Hauptgang war der Saibling auf der Haut gebraten worden, was alle Saftigkeit dieses wohlschmeckenden Süßwasserbewohners bewahrt hatte.
Aber, oh Wunder! Die Haut war weitgehend abgenommen und dekorativ aufgerollt worden. So wünscht man sich das! Dagegen waren frittierter Rosmarin und eine gebackene Zitronenscheibe nicht nur hübsches Beiwerk, sondern auch sinnvolle Aromageber.
Die Kohlrabiwürfel hatten noch etwas Biss und würden zusammen mit Kartoffeln in einer leichten hellen Soße serviert, die durch frische Kräuter Freude machte. Wunderbar hier der genau dosierte Kerbel.
Die Käseauswahl - wie erwartet zimmerwarm mit vollem Aroma - wurde von Walnüssen, halbtrockener Pflaume und angenehm pikantem Aprikosensenf begleitet.
Besonders schön aber das angewärmte, mal nicht zu schwere Früchtebrot.
Der perfekte Abschluss eines Landhausmenüs, bei dem alles stimmte: Gute, frische Produkte der Saison, stimmig kombiniert, handwerklich fehlerlos umgesetzt und ab und an ein kleiner Clou. Was fehlt da für die Höchstbewertung? Nichts! Nach dem E.T.A. Hoffmann und dem Alt-Luxemburg ein weiterer Verlust an traditionell gehobener Küche in Berlin. Hoffen wir auf ein ansprechendes Nachfolge-Konzept! Und noch ist Zeit für einen Abschiedsbesuch...