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Zwei Jahre später saß ich mit einem Freund kurz vor der Heimreise wieder beim gehypten Indochinesen und hätte vor lauter Glasnudelsalat fast meinen ICE zurück in die Pfalz verpasst. Wir hatten damals einen der Außenplätze ergattern können, während der Erstbesuch noch im trubeligen Inneren des Lokals stattfand. Aber auch außen saßen wir dicht an dicht neben netten fremden Menschen und so richtig gemütlich war es auf der knallroten Biergarnitur nun auch nicht. Aber das Essen schmeckte und das war die Hauptsache.
Nun, wieder gingen drei Jahre ins Land und eine auf Textilien fokussierte Einkaufstour meiner Freundin führte mich doch tatsächlich in die Alte Schönhauser Straße. Meine Präsenz beim Kleidungskauf war zwingend gefragt, weshalb ich mich für die Länge eines Mittagstischs beim Kultvietnamesen vom „Einkaufsstress“ erholte. Es war kurz nach 12 Uhr und der Laden hatte gerade aufgemacht. Über das allabendliche Schlangestehen der hier Einlass suchenden Klientel wurde in so manchem Food-Portal berichtet. An jenem Montagmittag im Juli war ich anscheinend so früh dran, dass mir der sehr freundliche Mann vom Service – ich wurde wie ein Stammgast mit Handschlag begrüßt – gleich mehrere Optionen anbieten konnte. Das warme Wetter ließ mich auf der gepolsterten Bierbank unter der roten Markise Platz nehmen. Ein guter Beobachtungsposten, wie sich herausstellen sollte.
Der von mir sehr geschätzte Kochbuchautor Gerd Wolfgang Sievers hat Berlin für Genießer kulinarisch porträtiert. In seinem 2013 veröffentlichten, mit Insidertipps und Anekdoten gespickten Buch (wirklich sehr empfehlenswert, auch wenn nicht mehr topaktuell!) beschreibt er die traditionelle Bindung Berlins zur asiatischen, und ganz speziell zur vietnamesischen Küche. Kein Wunder, studierten doch mehr als 100 000 Vietnamesen in der ehemaligen DDR. Bis heute scheint vielen gar nicht bewusst, dass sie mit mehr als 20 000 Personen die größte außereuropäische Zuwanderungsgruppe in Berlin stellen.
Etablierte Lokalitäten wie das „Miss Saigon“ in Kreuzberg, wo man Spezialitäten aus dem Süden Vietnams auftischt, oder das „Saigon-Green“ in Charlottenburg (Kantstraße), das Sievers in seinem Buch als „Vietnamese für Einsteiger“ empfiehlt, gibt es mittlerweile reihenweise. Viele dieser Läden zeichnen sich durch ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis aus und werden deshalb entsprechend frequentiert.
Mit dem Monsieur Vuong verhält es sich da nicht anders, auch wenn sich mir das ganze Tamtam um den Laden nicht so recht erschließen will. Dennoch lob ich mir die gute Auswahl an Shakes und alkoholfreien Cocktails, die ihrer Aperitif-Funktion gerecht werden. Preislich hat man mit den Jahren etwas angezogen ohne dabei ins Unverschämte abzudriften. Die Maracujaschorle (0,4l) stand mit 3,80 Euro auf der Rechnung, während ein aus frisch gepresstem Orangensaft, Rohrzucker und Limettensaft gemixter „Saigon River“ mit 4,20 Euro zu Buche schlug. Auch erfrischend: der mit Mineralwasser aufgefüllte „Tao Hung Shake“, der mit püriertem Apfel und Pfefferminze den Sommertag erträglicher machte.
Der Speisezettel gestaltet sich nach wie vor recht übersichtlich. Eine Handvoll Standards und Klassiker, wie beispielsweise der legendäre Glasnudelsalat (8 Euro), die leicht süßlich schmeckende Pho „Hanoi“ (8,50 Euro) oder die mit Garnelen, Wasserkastanien und Taro Kartoffeln gefüllten, frittierten Frühlingsrollen (5 Euro), werden wohl nie aus dem Programm genommen. Dafür sind sie einfach zu sehr gefragt. Ergänzt wird das Ganze von ein paar Tagesempfehlungen.
Direkt neben der Eingangstür befand sich eine Aufstelltafel mit den „Specials“, die sich laut Information des Servicepersonals ca. alle zwei Wochen wiederholten. Die Tafel versprach Köstliches. Gedämpfte Reispapierrollen mit Garnelen-Hühner-Pâté-Füllung (6 Euro), gegrillte Entenbruststreifen mit Gemüse auf Reisbandnudeln (9,80 Euro), Rotes Curry mit zarter Hühnerbrust auf Jasminreis (8,20 Euro) und eine kühle Kokoscreme (5 Euro) zum Nachtisch klangen verheißungsvoll.
Nach dem bereits erwähnten „Tao Hung Shake“ servierte man mir drei in Reispapier gewickelte Preziosen, die wie ein Y angeordnet auf dem Teller lagen und in einem fruchtig-scharfen Limetten-Chili-Dressing badeten. Bei allen schauten ein paar Pfefferminzblätter keck aus der weichen Reis-Robe. Bestreut mit geröstetem Sesam, etwas Frühlingszwiebel und geraspelter Karotte waren die mit aromatischer Garnelen-Hühner-Farce, Minze und Gurke gefüllten Sommerrollen ein echter Genuss. Und da ich nicht so sehr auf Salatgurke stehe, bestellte ich mir gleich noch eine zweite Portion ohne das lästige „Gegurke“.
Wie bei meinem Erstbesuch vor fünf Jahren, konnte ich auch diesmal nicht vom Glasnudelsalat aus der Standardkarte lassen. Den leicht scharfen, mit Erdnüssen, Lauchzwiebeln, Möhren-, Rotkohlstreifen sowie Sprossen und vietnamesischen Kräutern verfeinerten Salat hatte ich mir in der Hühnerbrustversion bestellt. Kein Fehler, wie sich gleich nach dem ersten Zupacken mit den Ess-Stäbchen herausstellen sollte. Das Dressing gefiel dabei mit einer subtilen Ingwer-Note. Sein fein ausbalanciertes Schärfe-Säure-Spiel verlieh dem liebevoll zusammengeschnippelten Häufchen genügend Geschmackstiefe ohne dabei die Ingredienzien an den Schüsselrand zu drängen.
Bei Monsieur Vuong liegt, wie bei den meisten Vietnamesen, das Hauptaugenmerk auf der handwerklich einwandfreien Verarbeitung frischer Produkte. Die Gerichte sind fein abgeschmeckt, unprätentiös arrangiert und authentisch schlicht in ihrer Darbietung. Inhaber Dat Vuong, Sohn von Monsieur Vuong, dessen Porträt großformatig an der rot gestrichenen Wand des Gastraums hängt, scheint mit seiner traditionellen Vietnamküche ein seit Jahren erfolgreiches Konzept zu verfolgen.
Dennoch wundert mich der Hype um diesen Laden schon ein wenig. „Etwas überbewertet“, so auch die häufige Meinung vieler Besucher, die nach dem Besuch des mittlerweile Kultstatus genießenden Asiaten etwas enttäuscht ihre Erfahrungen bei diversen Portalen digital zum Besten geben. Deren Ansicht kann ich nicht nur nachvollziehen, ich teile sie auch. Am Essen gab es zwar nie etwas auszusetzen, aber das Besondere dieser Location konnte auch ich nicht entdecken.
Im roten Licht des Gastraums sitzt man leidlich bequem auf funktionalem Holzmobiliar. Der Geräuschpegel ist im meist vollbesetzten Inneren des Lokals recht hoch. Dementsprechend eng fallen die Platzverhältnisse aus, die andere vielleicht als „kuschelig“ bezeichnen würden. Würde man hier zufällig vorbei kommen und würde noch zufälliger einen Platz bekommen (vor allem am Abend!), wäre man aufgrund der schnörkellos guten vietnamesischen Frischeküche sicherlich positiv überrascht. Erwartet man hingegen den ganz großen kulinarischen Wurf, wird man von einer soliden, aber eher banalen Küchenleistung desillusioniert in die Berliner Nacht entlassen. Insofern war auch für mich der Erstkontakt im Jahr 2013 am Eindrucksvollsten. Enthusiasmus vergeht – Glasnudelsalat bleibt. Auch eine Erkenntnis.