Geschrieben am 29.11.2020 2020-11-29| Aktualisiert am
29.11.2020
Besucht am 08.09.2020Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 113 EUR
... wenn man in dieser trüben Zeit von erfreulichen Restaurantbesuchen berichten kann. Daher, wenn auch kurz, nochmals ein Bericht aus dem Canova.
Ambiente unverändert elegant, schön, entspannt.
Die Crew weiß, was sie tut, ist flott und gar freundlich zu dem einzelnen Herrn. Denn meine Frau war ehrenamtlich unterwegs und da wollte ich natürlich nicht zurückstehen und half fast völlig selbstlos der örtlichen Gastronomie, die wirtschaftlichen Folgen des (ersten) Lockdowns auszugleichen.
Eigentlich war ich auch nur für eine Flasche Löwengang von Lageder aufgebrochen, die mir bei der letzten Einkehr Volker angekündigt hatte, der inzwischen mit viel Herzblut die Weinauswahl in der ehemaligen Bibliothek der Kunsthalle verantwortet. Nun waren weder Volker, noch der Chef anwesend, was zu einer immer intensiveren Suche und einem immer verzweifelteren Service führte. Erst ein telefonischer Rückruf klärte auf, dass der Lageder-Bestand just am Abend vorher ausverkauft worden war. Ich blieb gewohnt entspannt und leerte derweil meine Burgunder-Cuvée aus dem Hause Tardieu (49€). Vorher hatte es schon einen Campari mit frisch gepresstem Orangensaft gegeben (7€).
Für einen abendlichen Restaurantbesuch bestellte ich mir einen etwas ungewöhnlichen Einstieg. Aber der Meersalz-Schinken und die Fenchel-Salami vom Swatbunten, also der bekannten Bentheimer Schweinerasse, schmecken einfach zu lecker. Schinken und Salami vom Bunten Bentheimer
Zur Räucherware hatte ich mir zum Snacken noch Taggiasca-Oliven in ihrem Öl von artefakt aus Wilstedt gewünscht. Die bekam ich auch, aber die Küche zauberte mal eben einen herzhaft-frischen Oliven-Pflaumen-Salat mit Schafskäse, Gurke und verschiedenen Zwiebeln dazu. Oliven-Pflaumen-Salat
Auf der Rechnung tauchte die individuelle Kombi als Frühstück für 13,5€ auf.
Eigentliche Vorspeise dann ein Tatar vom Heide-Saibling mit seinem Kaviar, Gurke, Bronzefenchel und Schmand. Tatar vom Heidesaibling
Die Gurke führte sich mit knackiger Textur ein und blieb später durch ein intensives Süppchen präsent. Auch der Fenchel blitzte auf. Der Fisch war angenehm im Biss, aber am Gaumen recht „leise“ Die salzigen Noten auch der Eier wurden durch den säuerlichen Schmand gedämpft, der aber für ein schön cremiges Mundgefühl sorgte.
Durch und durch nordisch, sieht man von ein paar Tropfen Olivenöl ab, aber mit 22€ auch heftig kalkuliert.
Insbesondere, weil der Fleischgang dasselbe kostete und sich als ein Fest der Slow-food-Küche herausstellte.
Ganz im Sinne des inzwischen ja fast im Mainstream angelangten Nose-to-tail-Konzept wurden Roastbeef, Herz, Zunge und Markknochen serviert. Nose-to-tail vom Rind
Schon die zarten, kräftig gebräunten Tranchen vom Roastbeef überzeugten medium mit vollem Rindergeschmack.
Aber das Herz, noch etwas blutig und eh das beste Muskelfleisch von allen, war schlicht fantastisch. Für mich auf einer Ebene mit den sogenannten edelsten Stücken.
Auch die - stark angebratene - Zunge gefiel mir sehr gut. Kannte ich so nicht, war einerseits typisch in der Konsistenz, andererseits kräftiger durch die Röstaromen.
Knochenmark liebt man oder hasst man, vermutlich. Ich gehöre zur ersten Gruppe. Allerdings fehlte mir doch inzwischen etwas Brot, Kartoffel oder andere „Trockenware“, um etwas Ausgleich zum Fett zu schaffen. Zumal das Petersilien-Püree, in das der Knochen gesetzt war, geschmacklich unauffällig blieb, aber wiederum von etwas Öl begleitet wurde. Dagegen waren die eingelegten Tropea-Zwiebeln und Würfel von verschiedenen Knollen mit ihrer Knackigkeit und feinen Säure eine willkommene Ergänzung.
Fazit: Gar nicht einsamer Low-carb-Abend vom Feinsten!
... wenn man in dieser trüben Zeit von erfreulichen Restaurantbesuchen berichten kann. Daher, wenn auch kurz, nochmals ein Bericht aus dem Canova.
Ambiente unverändert elegant, schön, entspannt.
Die Crew weiß, was sie tut, ist flott und gar freundlich zu dem einzelnen Herrn. Denn meine Frau war ehrenamtlich unterwegs und da wollte ich natürlich nicht zurückstehen und half fast völlig selbstlos der örtlichen Gastronomie, die wirtschaftlichen Folgen des (ersten) Lockdowns auszugleichen.
Eigentlich war ich auch nur für eine Flasche Löwengang von Lageder aufgebrochen,... mehr lesen
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Canova in der Kunsthalle Bremen
Besucht am 21.05.2020Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 403 EUR
Der Sommer in Norddeutschland fiel heuer auf Himmelfahrt. Da passte es doch gut, dass just an diesem Tag das hier schon mehrfach besungene Canova aus dem lock-down erwachte. Denn der Blick von der Terrasse in die voll ergrünten Wallanlagen gehört zu den schönsten der Stadt. Und, da das Lokal auch noch an unserer Walking-Strecke liegt, erwischten wir die Crew bei der morgendlichen Teambesprechung und konnten uns den schönsten Tisch aussuchen. Mit einem Sechser für deutsch-spanische Freunde und uns hielten wir die Abstandsregeln mehr als ein. Der Service trug stets Mundschutz; wir beim Aufsuchen des Innenbereiches. Desinfiziert wurde auch häufig und ein laues Lüftchen wehte; nach etwas Eingewöhnung waren diese Umstände kein wirklicher Beinbruch mehr. Für unsere spanische Freundin sowieso nicht, die gerade den mehrwöchigen, sehr strengen Ausgangsbeschränkungen im 17. Bundesland „entkommen“ war.
Unsere Service-Dame war aufgeräumter Stimmung und hatte alles im Griff. Durch ihre Zeit auf der MS Europa im Umgang mit Silberrücken gestählt, begrüßte sie uns u.a. mit der Aussage, sie habe vom Chef gehört, dass ein Riesling-Liebhaber unter uns sei. Ich schaute vorsorglich unter den Tisch, ob sich vielleicht Carsten1972 eingeschmuggelt hatte. Aber nein, sie meinte wohl mich. War ja auch kein so unschlauer Move, denn jetzt war ich unter Zugzwang. Die Wahl fiel dann aus der ansprechenden Karte mit deutschem Schwerpunkt auf ein Frühlingsplätzchen GG von Emrich-Schönleber. Nach dem etwas abgewandelten Monty-Python-Motto „Jede/r nur eine Flasche!“ hatte zu Beginn eine Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder aus dem Hause Jülg im Glas geperlt, die aufgrund eines 50%-igen Anteils französischer Trauben Crémant heißen darf. Gefolgt von einem Sauvignon von Wittmann. Nach dem tollen Nahe-Riesling wilderten wir wieder jenseits der Vogesen mit einem Meursault von Pierre Morey. Gegen einen Süßwein zum Käse wurde leider Veto eingelegt.
Für das Verbot, unter anderem keine Olivenölflaschen zum gemeinsamen Gebrauch auf die Tische zu stellen, haben Marius Ries und Sylvia Keller mit einer eigenständigen Idee reagiert. 100ml Olivenöl von Artefakt, in unserem Fall köstliches, leicht scharfes Picual aus Andalusien, wird im wiederverwendbaren Fläschchen zusammen mit sehr leckerem Brot von Knuf für eine Pauschale von 9€ verkauft. Das Brot wird den ganzen Abend auf Wunsch nachgelegt. Bleibt Öl über, nimmt man es in der Flasche mit nach Hause. Für uns 4 passte das sehr gut, ich bin sogar am Zweifel, ob die Brot-Flatrate nicht sogar die Bestellung des einen oder anderen Gang mehr „gekostet“ hat. Allerdings würde auch ein einzelner Gast die 9€ berappen, wobei es auch 100ml Öl, aber ja weniger Brot ist. Darüber scheint man aber schon nachzudenken. Bin auch noch nicht sicher, ob ich das wirklich nachhaltig finde. Kommt wohl darauf an, was das Lokal oder die Kunden mit den Flaschen machen. Geschmeckt hat es jedenfalls vorzüglich und um neue Ideen ist das Canova-Team nicht verlegen.
Dabei finde ich es toll, wie Marius Ries seinen slow-food-Weg weiter geht. Die Zwangspause hat er genutzt, neue nachhaltig arbeitende Produzenten zu finden oder alte Beziehungen wieder zu aktivieren. Besonders spannend finde ich gerade mimiferments, die mir schon in mehreren Spitzenrestaurants begegnet sind. Die Lieferanten werden im Netzauftritt und auch auf den Speisekarten vorgestellt. Luxusprodukte im Sinne der herkömmlichen Hochküche oder Exotischeres jenseits von Tropea-Zwiebeln (vermutlich aber auch in Norddeutschland gewachsen) findet man auf der Karte nicht, wohl aber Auerochse, Spargel, Rhabarber und Sauerampfer.
Letztere beiden wurden im Dessert (15€) mit einem spektakulären Fichtensprossen-Eis kombiniert, wie ich mich auf einem Probierlöffel überzeugen durfte. Ich hatte natürlich die kleine Käseauswahl von Kober bestellt, die ich teilweise schon vom guten Frühstück im Canova kenne. Abwechslungsreich, aber mit 15€ recht teuer. Wobei Feigensenf und besonders selbst gemachte Zwiebelmarmelade überzeugten. Die schwarzen Walnüsse waren gut, kamen aber nicht an das Referenzprodukt aus Idar-Oberstein heran.
Begonnen hatte meine Auswahl mit einer Spargel-Quiche grün/weiß (13€). Der Teig gut gewürzt und wunderbar saftig, aber nicht durchmatscht. Sehr gut. Mindestens genau so gut, ach was, besser die frischen Frühlingssalate! Knackig, würzig, manche scharf, manche leicht bitter, alle mit eigenem Geschmack statt Wasser. Dasselbe im nicht zu sauren Kräuter-Dressing. Das sind ganz einfache, aber eben exzellente Produkte.
Sehr gespannt war ich auf die Vorspeise Räucheraal mit Armem Ritter. Entgegen der jüngst geäußerten Kritik von Jürgen Dollase u.a. an Räucherfisch https://www.eat-drink-think.de/norddeutsche-fischkueche-wie-konnte-das-passieren/ war dieser hier geschmacklich deutlich als Aal erkennbar, also nicht vom Raucharoma erschlagen. Dabei keineswegs fetttriefend, sondern mit kräftigem, auch nicht zu salzigem Fleisch. Eine tolle Idee dazu die gebratenen Brioche-Stücke, außen leicht knusprig, innen fluffig und süß. Super Kombi! Damit das Ganze nicht zu süß und schwer wurde, stellte Marius Ries den Hauptdarstellern knackige Apfel- und Fenchelwürfel an die Seite, Sauerrahm für die Frische und eingelegt die tollen, süß-würzigen Cipolle di Tropea. Ach, wie habe ich das vermisst!
Für mich war es das schon bis zum Käse, - und es war ja immer leckeres Brot mit Olivenöl verfügbar - meine Frau lobte ihr saftiges, noch einen Tick glasiges Zanderfilet (28€) sehr. Mir hätte die krosse Haut besonders gefallen. Auch hier galt, dass die weiteren Zutaten locker mithalten konnten: knackige, intensive Frühlingsgemüse, Kräuter und Pilze, fermentierter Buchweizen für eine weichere Textur und geschmackliche Verbindung und Fenchel für den Kick.
Bei unseren Freunden gefiel das Zweierlei vom Auerochsen (32€), sowohl das Schmorstück als auch das Kurzgebratene wurden auch gegen kritische Nachfragen unmissverständlich verteidigt.
Fazit: Auch unser lock-down-Brechen hat wunderbar funktioniert. Wir haben sehr gut gegessen und getrunken, uns gut unterhalten, alle waren guter Laune und in der Sonne konnte man es wunderbar aushalten. Das Canova ist noch fokussierter geworden und trotzdem entspannt. Es geht wieder aufwärts!
Der Sommer in Norddeutschland fiel heuer auf Himmelfahrt. Da passte es doch gut, dass just an diesem Tag das hier schon mehrfach besungene Canova aus dem lock-down erwachte. Denn der Blick von der Terrasse in die voll ergrünten Wallanlagen gehört zu den schönsten der Stadt. Und, da das Lokal auch noch an unserer Walking-Strecke liegt, erwischten wir die Crew bei der morgendlichen Teambesprechung und konnten uns den schönsten Tisch aussuchen. Mit einem Sechser für deutsch-spanische Freunde und uns hielten wir... mehr lesen
Geschrieben am 21.09.2019 2019-09-21| Aktualisiert am
07.05.2020
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Canova in der Kunsthalle Bremen
Besucht am 01.03.2019Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 146 EUR
Im hier schon mehrfach beschriebenen Canova setzt Chef und Mit-Inhaber Marius Rieß weiter auf slow food. Nachhaltig produzierte, möglichst regionale Lebensmittel schonend verarbeitet sind wichtiger als Trends oder neue Küchentechniken. Meine Favoriten sind u.a. die zeitaufwendigen Schmorgerichte, die von so vielen Karten verschwunden sind. Oder wo finden sich außerhalb der Luxushotels noch Eier Benedict als regelmäßiges Angebot? Und wo wir schon bei den Eierspeisen sind: Mit dem hervorragend interpretierten Shakshuka beweist der sympathische Vater von Zwillingen, dass durchaus auch Neues angenommen wird, wenn es denn ins Konzept passt. Die Weinkarte wurde nach und nach überarbeitet und stellt jetzt deutsche und österreichische Gewächse in den Fokus. Letzte Änderung war die Eröffnung des lässigen Café Sylvette auf der Vorderseite der Kunsthalle. Da ich ja eine Süße als Fan habe, aber selbst nicht so sehr einer bin, freue ich mich am wunderbaren Pastrami-Sandwich, in Bremen gibt es das in dieser Qualität nicht so oft. Draußen stehen Stühle und Tische mit schönem Blick in die Wallanlagen, im April beantragt und schon von der Bürokratie rechtzeitig zu den ersten Herbststürmen genehmigt...
Da meine Frau auf auswärtiger Fortbildung weilte, durfte ich mich im Canova trösten (aka nach Herzenslust schlemmen und zechen). Wobei drei Gänge hier ebenso ausreichend sind (Plus Käse. Natürlich.) wie auch drei Weine (Plus Süßwein. Natürlich). Ich hielt mich an Riesling
und hatte das Glück, dass mich der Chef persönlich betreute. So konnte ich auch Wünsche außerhalb der Karte äußern und entschied mich für Ceviche vom Kabeljau, als Fischgang Lumb, gefolgt von der Kalbfleisch-Super-Kombo Rücken kurzgebraten und Bäckchen langgeschmort! Alles auch noch freundlich als 4-Gang-Menü (Käse!) für 69€ berechnet.
Ich lass mal die Leistungen der leider zu häufig wechselnden Service-Crew bei meinen letzten Besuchen mit in die Wertung einfließen.
Ich ließ mir zu Beginn des Abends einen Cremant Rosé für 7€ schmecken.
Das gute Brot von Biobäcker Knuf aus Voltlage wurde nach wie vor im Stoffsäckchen serviert, dazu einfach Butter.
Die Küche grüßte dann mit einem Salat von Linsen und roter Bete mit mildem Joghurt und Kräutern.
Die an sich gelungene Kombination hätte viel stärkere Gewürze vertragen. So blieb sie sehr indifferent
Was man vom ersten Gang überhaupt nicht behaupten konnte.
Koriander und Thai-Basilikum waren mutig unter die marinierten Fischwürfel gemischt. Diese starken Kräuter hasst man oder liebt sie wie ich. Auch Tomate war vertreten, was Marius Keller als Mexico-Style erklärte. Erfreulich, dass die Limettensäure nicht zu stark in den Vordergrund trat und mit süßer Mango deutlich abgepuffert wurde. Guter Auftakt.
Der Lumb, auch Brosme genannt, war für mich eine Premiere.
Durchgegart, aber saftig, hat mich das weiße Fleisch an Kabeljau erinnert. Frittierte Kapern, Schalotten und Zitronenbutter sorgten für Textur und kräftige Akzente. Das süß-erdige Selleriepüree mit Fenchelschaum passte genauso schön zu diesem einerseits rustikal, andererseits kreativem Teller wie die sautierten, blättrig aufgeschnittenen Artischockenböden. Genau diese Art von reichhaltiger Wohlfühlküche ist ein Grund, immer wieder ins Canova einzukehren.
Auch der Fleischgang schmeckte sehr gut. Der Kalbsrücken war nicht ganz so rosa, wie er auf dem Foto wirkt.
Sicherlich für die meisten Fleischfreunde genau richtig, ich mag es etwas kürzer gegart. So oder so, noch saftig, sowohl mit Kalbfleischgeschmack als auch mit Röstaromen. Einfach gutes Fleisch. Trotzdem hätte ich mir mehr von der Jus gewünscht. Perfekt die Bäckchen, ein Traum von zartem Fleisch mit ganz kräftiger Bräunung.
Auch bei den Nebendarstellern ließ sich die Küche nicht lumpen und servierte auf einem sehr großzügigen Bett von Rote-Bete-Mus ein Potpourri von Knollen aus dem Hause Seiboldt. Darunter auch der von mir so geschätzte Knollenziest, der mit seiner gewissen Parfümiertheit aber nicht Jedermanns Sache ist. Das Püree gefiel übrigens durch eine mutige Würzung, die die Süße der Rübe in Schach hielt. Um Längen besser, als der süße Brei im Dezember bei Natusch in Bremerhaven.
Zum Abschluss eine formidable Auswahl von Käsen aus der Fromagerie Olivier. Käse aus der Fromagerie Olivier
Salers gibt es viel zu selten, dazu Comté, Fourme de Montbrison, ein Schafskäse und einen cremigen Rohmilchkäse Port-d‘Envaux (den ich hartnäckig für Pont l‘Eveque hielt - aber: Wer zählt die Käse, nennt die Namen?) Apfel-Chutney und Portwein-Zwiebelmarmelade aus der Küche des Canova vervollständigten mit roten Trauben den schmackhaften Abschluss eines gelungenen Schlemmer-Abends. Und der Moscato d’Asti. Natürlich.
Das Canova ist für mich eine feste Größe in der Bremer Restaurantszene. Keine Gourmetküche (im Sterne-Sinn) und nicht auf Effekte aus. Aber als ich mal sagte, dass Marius Rieß der unterschätzteste Koch der Stadt sei, entgegnete die Bedienung nur: „Der Beste!“ Könnte was dran sein.
Im hier schon mehrfach beschriebenen Canova setzt Chef und Mit-Inhaber Marius Rieß weiter auf slow food. Nachhaltig produzierte, möglichst regionale Lebensmittel schonend verarbeitet sind wichtiger als Trends oder neue Küchentechniken. Meine Favoriten sind u.a. die zeitaufwendigen Schmorgerichte, die von so vielen Karten verschwunden sind. Oder wo finden sich außerhalb der Luxushotels noch Eier Benedict als regelmäßiges Angebot? Und wo wir schon bei den Eierspeisen sind: Mit dem hervorragend interpretierten Shakshuka beweist der sympathische Vater von Zwillingen, dass durchaus auch Neues... mehr lesen
Geschrieben am 29.01.2017 2017-01-29| Aktualisiert am
29.01.2017
Besucht am 28.12.2016Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Etwas verspätet setze ich mich nun doch noch mit jenem denkwürdigen Abend in der Bremer Kunsthalle auseinander, den ich längst als kulinarisches Highlight auf meinem gustatorischen Cortex-Konto verbucht und mit mehreren Sicherheitskopien an Gaumen, Zunge, Kehldeckel und Speiseröhre abgespeichert habe. Der Faktor Zeit und der reichlich geflossene PX haben meine Entscheidung zur Verschriftlichung der Erlebnisse im Canova nicht gerade erleichtert. Ich war mir unsicher, ob den Worten des Bremer Lokalmatadors noch welche hinzugefügt werden sollten, hat er doch alles – wie gewohnt – äußerst eloquent und detailgetreu zum Besten gegeben. Ich habe es trotzdem versucht. Hier also meine „Version“ eines äußerst unterhaltsamen Abends, der neben einer tadellosen Küchenleistung und einem uns herzlich umsorgenden Service auch ein paar edle Tropfen für uns bereit hielt.
Über die Örtlichkeit, die Gastgeberfamilie Keller und das ganze Drumherum hat der Genussspecht von der Weser in seinen beiden Bewertungen schon alles Wissenswerte niedergeschrieben. Um diesen Bericht nicht komplett ausufern zu lassen, setze ich ganz deskriptiv mit dem Eintritt in das Restaurant ein. Nicht verschweigen möchte ich allerdings den kleinen Spaziergang dorthin. Er führte uns durch die grünen Wallanlagen und wurde in reichlich vorgeglühtem Zustand vorgenommen.
Schon beim Betreten des Anwesens war ich mittelschwer betrun….äh beeindruckt. Das klassizistische Gebäude, in dem das Restaurant untergebracht war, wirkte nicht nur von außen sehr feudal. Da wollte Borgi dem Pfälzer Landei mal so richtig zeigen, wo die vornehme Bremer Gesellschaft zu tafeln pflegt. Im Inneren des „hohen Hauses“ fühlten wir uns zwischen den weißen Säulen, der kunstvoll illuminierten Wandverkleidung, dem dunklen Parkettboden und den wie umgedrehte Regenschirme anmutenden Lampen eher wie in einer Museumshalle (für so modernes, zeitgenössisches Zeugs), als an einem Ort des Genießens. Doch dieser ganz besondere, individuell-artifizielle Touch verlieh den Räumlichkeiten ihren besonderen Charakter und machte neugierig auf den ambitionierten Küchenmix, den Chefkoch Marius Keller hier seit 2011 seiner aufgeschlossenen Klientel bietet.
Es war an diesem Abend nicht viel los im Canova und nach freundlicher Begrüßung seitens der jungen Servicedame befanden wir uns flugs an einem kultiviert eingedeckten Tisch direkt an der Fensterfront, durch deren Scheiben man die nächtlichen „Wall“ungen gut beobachten konnte. Wir hatten reichlich Gesprächsstoff im Gepäck (und nicht nur diesen, wie sich später noch herausstellen sollte…), immerhin war unsere letzte kulinarische Zusammenkunft in der Hansestadt (damals an Ostern beim leckeren Italiener „Due Fratelli“) schon ein gutes halbes Jahr her, und so vergaßen wir vor lauter Geplapper fast die Durchsicht der Speisen- und Getränkekarten.
Gran Borgo beauftragte mich nonchalant mit der Auswahl des passenden Weines. „Du suchst aus, ich lade ein!“ – Worte, denen ich beflissentlich Folge leistete. Ich blätterte in der gut bestückten Weinkarte im Ringbuchformat. Keine echte „Bibel“ wie in besternten Häusern, aber doch aller Ehren wert. Flaschenweise weiße Kreszenzen aus Deutschlands wichtigsten Anbaugebieten, ergänzt von einer Reihe ausgesuchter Spezialitäten aus Österreich, der Grande Nation und Italien. Bei den Rotweinen dominierten erwartungsgemäß die französischen, italienischen und spanischen Gewächse. Ich überschlug das Angebot und kam auf gute 120 Positionen. Die Qual der Wahl ergriff mich.
Soso, der Meister wollte also seinen Pfälzer Riesling-Padawan auf die Probe stellen. Würde er bei einem Fehlgriff seinen jungen Weinnovizen in die Tiefen seines Gewölbekellers in die Pfalz zurückschicken? Panik machte sich breit. Doch da, die Rettung. Unter den vier angebotenen Rieslingen aus den VDP-Lagen der Mittelhaardt (meine zweite Weinheimat!) stach mir sofort das Große Gewächs von A. Christmann aus Neustadt-Gimmeldingen („Mandelgarten“) ins Auge. Für 56 Euro gar nicht mal unfair kalkuliert. Die erste Flaschenweinhürde war genommen. Gut so.
Durch das intensive Studieren der breitgefächerten Palette an Rebensäften geriet ich in Sachen Speiseauswahl gegenüber meiner Tischnachbarn etwas ins Hintertreffen. Der Herr Borgfelder unn sin Fruu hatten anscheinend mächtig Hunger. Auch meine Herzensdame drängte auf eine baldige Entscheidung meinerseits.
Für einen Pfälzer Weinstubenhocker wie mich war das Entschlüsseln der hier gebotenen Speiseartikel gar nicht so trivial. Gut, dass es in der Karte ein kleines Glossar zur Begriffsklärung gab. „Knuf“, „Kikok“, „Kerbelknolle“ und „Knollenziest“ klang schon verdammt nach kulinarischer Alliteration. War aber keine. Dahinter verborg sich veganes Spitzen-Brot (Knuf), ein nur mit Getreide gefüttertes Hähnchen von Borgmeier (kein Scherz!!!) aus Delbrück (Kikok), eine wurmähnliche Wurzel, die angeblich nach Kohlrabi schmeckt (Knollenziest) und die süße, mehlige Wurzel des Kerbelgrüns (Kerbelknolle).
All das kommt bei Chefkoch Marius Keller auf den Tisch bzw. in den Kochtopf. Doch der war an jenem Abend gar nicht zugegen, wie uns seine Mutter Sylvia mitteilte. Er würde krank daheim im Bett liegen und sich für die kommenden Events zum Jahreswechsel noch etwas schonen. Aber seine rechte Hand, der talentierte Sous-Chef, würde unsere Erwartungen sicherlich genauso erfüllen, versprach uns die Chefin des Hauses und verschwand dann auch sehr zeitig.
Während sich der Wesergourmet aus der Karte ein 5-gängiges Mahl zusammenbastelte, musste ich bei der Bestellung dem mittäglichen Besuch in der Hamburger „Fischbeisl“ etwas Tribut zollen und konnte kulinarisch nicht ganz so in die „Vollen gehen“ wie mein scheinbar ausgehungerter Tischnachbar. Die mit Bedacht zusammengestellte Speisenkarte kündete von einer zeitgemäßen Interpretation der klassischen Küche, bei der auch gern die Produkte aus der näheren Umgebung mit einbezogen werden.
Da fiel mir die Entscheidung für den Norddeutschen Fischeintopf (in der kleineren Vorspeisenversion für 16 Euro) nicht allzu schwer. Dass hier die komplette Fischeinlage vom Bremer Spezialist für Meeresdelikatessen - F.L. Bodes - stammte, wusste ich beim Bestellen noch nicht. Die Dame an meiner Seite wählte vorweg den Winterlichen Blattsalat mit knackigem Wintergemüse und delikater Kräuter-Vinaigrette (8,90 Euro). Beim Hauptgang trotzte ich der raffinierten Regionalküche ein bodenständiges Schmorgericht ab. Den zarten Kalbsbäckchen (22,90 Euro), die von bunter Möhre und einem Gratin von der „mittelfrühen“ Lilly Kartoffel begleitet wurden, konnte ich nicht widerstehen. Sehr positiv fiel auf, dass man etliche Gerichte auch als kleinere Vorspeise bzw. als Zwischengang ordern konnte. Bei der Pasta mit Hirschragout, Preiselbeeren, Quitte, Waldpilzen und Parmesan (16,90 Euro) durfte es für meine Begleitung aber schon eine „ausgewachsene“ Hauptspeisenportion sein.
Das Große Gewächs aus der Pfalz wurde entkorkt. Schon beim Anblick dieses Pfälzer Highend-Gesöffs wurde mir ganz warm um die Leber. Ich stammelte etwas von Mineralität, intensiver Frucht und Finesse und wollte damit eigentlich nur sagen: was für ein genialer Tropfen funkelt uns denn da grüngelb aus dem auf Hochglanz polierten Glas entgegen. Die kaum spürbare, der Fachmann würde sagen: gut integrierte Säure, ist ja nicht gerade typisch für den Riesling aus meiner Heimat. Da hilft ja in vielen Fällen nur der Griff zum Mineralwasser, um die Säure im Schorle zu ertränken. Aber in so einem GG steckt eben die ganz hohe Kunst des Weißweinmachens und das schmeckt man dann eben auch. Geiler Stoff, der meine Freude auf den Fischeintopf noch zu steigern vermochte.
Bei dem Ess-Enthusiasten neben mir herrschte eine Stimmung wie in der Altsteinzeit kurz nachdem das Mammut zerlegt wurde. Seine Freude auf das Tatar und Knochenmark vom Auerochsen war genauso herrlich authentisch wie das Soulfood für Jäger und Leckereiensammler auf dem Teller vor ihm. Zeitgleich wurde die wohl portionierte Vorwegvariante des Fischeintopfes serviert. Die Protagonisten aus Neptuns Reich schwammen in einem herrlich aromatischen Sud. Fenchel, Queller und Estragon verliehen den perfekt gegarten Fischfiletstücken (Rotbarbe, Kabeljau) und Meeresfrüchten (Mies- und Jakobsmuscheln, Garnelen und Kalmar) einen mildwürzigen Frischerahmen, der den eigenaromatischen Meeresbewohnern noch genügend Geschmacksspielraum ließ. Insgesamt war der Teller von seinem Aromenbild viel geradliniger, als ich zunächst in Anbetracht des ungewohntem „Grünzeugs“ in meinem Teller vermutet hätte. Grundiert von einer wunderbar abgeschmeckten Suppe, die ich bis auf den letzten Tropfen lustvoll auslöffelte. Ein leichter Vorspeisengang, der mir geschmacklich sehr gut balanciert erschien und von frischen Grundzutaten geprägt war. Der korrespondierende Pfälzer Riesling passte dazu perfekt. So konnte es weitergehen.
Während Borgi sein verloren geglaubtes Eigelb unter 5 Gramm italienischem Wintertrüffel wiederfand, leerte sich so allmählich unser Großes Gewächs. Ich erhoffte mir insgeheim einen schweren Roten zu meiner mürben Kalbsbacke. Doch die Tischgemeinschaft sprach sich mehrheitlich für eine Flasche Rosé aus. Die Auswahl an lachsfarbenen Kreszenzen beschränkte sich auf gerade mal vier Flaschen. Der 2012er, aus der Pinot Noir-Traube gekelterte Sancerre Rosé von der Domaine Michel Thomas (34,50 Euro) war schnell beschlossene Sache. Doch der war vergriffen. Lediglich sein jüngerer „Bruder“ aus dem Jahre 2015 lag im für die Servicekraft unzugänglichen, da abgeschlossenen Weinkeller. Den Schlüssel dafür besaß sie nicht, den hatte nur der krank im Bett liegende Chef (vielleicht unterm Kissen?). Deshalb bot sie uns zwei Alternativen zum Probieren an, die uns jedoch nicht so recht überzeugten. Was tun also, wenn der gewünschte Wein nicht vom Personal geliefert werden konnte? Na klar, der kranke Chefkoch musste sich aus den Federn quälen und den Hochsicherheitsweinkeller aufsperren – nicht wegen einer Flasche Sancerre – ehe um der Zufriedenheit seiner Gäste willen. Nicht dass wir darauf beharrt hätten, all das lief ohne unser Wissen – quasi hinter den Kulissen ab und gab Aufschluss darüber, wie selbstverständlich man hier mit den Wünschen seiner Gäste umgeht. Für mich ist so eine Vorgehensweise definitiv nicht selbstverständlich – eher vorbildlich und höchst professionell.
Mit seinem dritten Gang, dem Nordsee-Kabeljau mit Bronzefenchel, Lauch und Bunter Beete zog mir mein Tischgenosse so richtig die Feinschmeckernase lang. Besonders das abwechslungsreiche Farbenspiel beim Gemüse wusste zu gefallen. Vom perfekt gebratenen Kabeljau ließ er mich zusammen mit einer leicht angerösteten, noch knackigen Scheibe Porree probieren. Da wirkte der Fisch beinahe wie ein Nebendarsteller bei dem wunderbar dichten Lauch-Aroma.
Zum durchaus trinkbaren, mit viel Aufwand herbeigeschafften Loire-Wein gesellten sich allmählich unsere Hauptgänge. Die stundenlang geschmorten und deshalb sagenhaft mürben Kalbsbäckchen thronten stolz übergossen auf einer kräftigen, handwerklich gut gelungenen Jus, die Borgi als „samtige Rotweinreduktion“ bezeichnete. Das Kartoffelgratin war noch leicht süffig, aber eher verhalten gewürzt. Seine dezente und deshalb gut korrespondierende Süße bot zusammen mit dem deftigen Fleischgericht einen äußerst ausgewogenen Gesamteindruck auf dem Teller. Kurzum: ein schnörkellos gut gekochtes Hauptgericht!
Das gleiche Urteil traf auch auf die mit Hirschragout getoppte Pasta meiner Begleitung zu. Die noch leicht bissfesten Fettuccine lagen kaum sichtbar unter einer erdig-würzigen Ragout-Haube, die mit angebratenen Waldpilzen, etwas Preiselbeersauce und frisch gehobeltem Parmesan geschmacklich unterfüttert war. Die Produktkombination passte sehr gut zusammen und stellte ein sauber ausgearbeitetes, winterliches „Waldgericht“ mit ordentlich „Schmackes“ dar. Ähnliches könnte ich an dieser Stelle über den Canova-Burger des Herrn Borgfelder berichten. Auch der sah handwerklich fundiert zubereitet und verdammt gut“burger“lich aus.
Kurz vor dem Dessert erklommen wir dann gemeinsam den siebten Sherry-Himmel. Peter Siemens, ein treuer Soldat Karls des V., soll die nach ihm benannte Rebsorte im 16. Jahrhundert vom Rhein nach Südspanien – genauer gesagt nach Jerez – gebracht haben. Die Trauben unseres 1947er (!!!) PX aus Borgis Privatbeständen (keine Ahnung wie viel Korkgeld er dafür hat hinblättern müssen…) stammten aus der Nachbarregion Montilla-Moriles, wurden in der Bodegas Toro Albalá vinifiziert und kamen laut Etikett im Jahre 2009 als großartiger Süßwein in die Flasche. Am Anfang etwas verhalten, dann aber mit üppiger Frucht nur so um sich werfend, waren wir alle sprachlos über dessen phänomenales Bouquet. Ein Erlebnis, das meine bis dahin eher kritische Einstellung gegenüber Sherrys komplett in Wohlgefallen auflöste. Und das bei jedem Schluck mit einem unendlich langen Finish. Der Sherry stahl unserem Dessert, einer soliden Crème brulée mit Tonkabohneneis (8,90 Euro), zwangsläufig die Schau, aber das nahmen wir gerne in Kauf.
„Ich stand von süßem Rausche trunken, wie in ein Meer von Seligkeit versunken…“ (Anfang von „Canovas Hebe“). Der gute Johann Gottfried Seume, der ja eigentlich ein Hardcore-Asket war, liefert mir die Worte, um den weiteren Verlauf dieses sensationellen Abends anzudeuten. Vielen Dank an unsere beiden kulinarischen Komplizen von der Bremer Genussfraktion, die uns diesen tollen Abend beschert haben. Das Rückspiel findet aber in der Pfalz statt.
Etwas verspätet setze ich mich nun doch noch mit jenem denkwürdigen Abend in der Bremer Kunsthalle auseinander, den ich längst als kulinarisches Highlight auf meinem gustatorischen Cortex-Konto verbucht und mit mehreren Sicherheitskopien an Gaumen, Zunge, Kehldeckel und Speiseröhre abgespeichert habe. Der Faktor Zeit und der reichlich geflossene PX haben meine Entscheidung zur Verschriftlichung der Erlebnisse im Canova nicht gerade erleichtert. Ich war mir unsicher, ob den Worten des Bremer Lokalmatadors noch welche hinzugefügt werden sollten, hat er doch alles –... mehr lesen
Geschrieben am 10.01.2017 2017-01-10| Aktualisiert am
29.01.2017
Es existiert eine neue Bewertung von diesem User zu Canova in der Kunsthalle Bremen
Besucht am 28.12.2016Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 323 EUR
Überraschung! Vorfreude!! Panik!!!
MarcO der 74., kulinarisch-literarische Doppelzunge der Pfalz beehrt die nicht nur gastronomisch darbende Hansestadt an der Weser. Zwar in sympathischster Begleitung, trotzdem sollte die Location für das Abendessen zu viert ja auch den Großkritiker aus dem Südwesten überzeugen.
Also, ein Plan musste her:
1. Vorglühen (in eigenen vier Wänden)
2. Auswahl eines guten Restaurants (auf mehr ist nicht zu hoffen)
3. Verschleierung dortiger Schwächen durch eigene, anhaltende Geschwätzigkeit
4. Nachglühen, s.o.
Nun, die Vorräte für 1. und 4. waren vorhanden, die persönliche Voraussetzung für 3. sowieso. Blieb die Wahl der Verköstigungsstätte. Zwischen den Jahren war die Auswahl etwas eingeschränkt, aber schon seit längerem wollte ich die Halle des Canova wieder ausführlich besuchen. Da traf es sich gut, dass Chef Marius Keller Anfang Dezember eine neue, winterliche Karte aufgelegt hatte. Etwas rustikaler, aber hoffentlich kein Anzeichen dafür, dass die Gastlichkeit letzthin etwas nachgelassen hat, aka für das derzeit bei den Wirten beliebte (erzwungene?) Simplyfying. Außerdem liegt die Kunsthalle, an deren Rückseite sich das Restaurant befindet, nur einen kleinen Spaziergang von unserer Wohnung entfernt.
Die Reservierung erfolgte schon vor Wochen persönlich bei Sylvia Keller, der Mitinhaberin und Mutter des Küchenchefs. Auch die Tochter/Schwester, obwohl Designerin, packt regelmäßig im Service mit an. Da sich Punkt 1. meiner Liste etwas ausdehnte (Notiere: Pastis-Vorräte ergänzen), meldete ich telefonisch ein späteres Erscheinen an, auch das kein Problem. Als wir schließlich den von niedrigen Regalen und beeindruckenden dorischen Säulen strukturierten hohen Raum mit seinem dunklen Parkett betraten, die großen, mit gerafftem lila Stoff bezogenen Lampen-Ufos und die raffinierte Wandgestaltung aus zahllosen weißen und goldenen Metallleisten betrachteten, die aus der Entfernung Canovas Psyche entstehen lassen, war diese Entspanntheit gut nachvollziehbar. Von den vielleicht 24 Tischen waren gerade zwei weitere besetzt und voller wurde es auch nicht. Eher im Gegenteil, als wir uns frohgemut auf den Heimweg begaben, waren wir schon länger die letzten Gäste gewesen. In unserem großzügig verglasten Erkerplatz, etwas "eingebaut" durch einen Beistelltisch, war es an dem für vier Esser mit Ambitionen etwas knapp bemessenen runden Tisch aber überhaupt nicht ungemütlich.
Über die Sanitäranlagen (jedenfalls bei den Herren) schweigen wir besser. Am nächsten Tag sah ich den Klempnerwagen vor der Tür stehen. Ansonsten alles tipptopp.
Außerdem hatten wir durch den schwachen Besuch die volle Aufmerksamkeit des Service. Der, unterstützt durch einen Kollegen, von Samira mustergültig versehen wurde. Eigentlich in der Küche ausgebildet, wollte sich die junge Frau wohl eher mit kritischen Borgfeldern herumärgern, als mit dem rauen Umgangston der weißen Brigade. Freundlich, natürlich, mit Witz und Gefühl für die sich am Tisch entwickelnde Stimmung. Dazu sehr aufmerksam, stets zur Stelle, ohne zu nerven und in allen Dingen professionell. Nur den guten P.X. wollte sie aus noch zu schildernden Gründen nicht öffnen, aber der Gast ist ja König. Und natürlich brach dann der wohl etwas verklebte Korken, obwohl der Sherry erst seit 2010 auf der Flasche ruhte. Angesichts des Umstandes, dass mir Nämliches eine Woche vorher mit einer 93er Riesling Auslese passiert war - und der Rest der Tischgesellschaft eh von freundlicher Natur ist - kein Malheur. Der noch im Flaschenhals steckende Rest konnte sogar mit Fingerspitzengefühl und etwas Ermutigung von MarcO im Ganzen geborgen werden. Erst nach dem glücklichen Ausgang des gemeinsamen Abenteuers fiel den Herren auf, welch hübsche junge Frau uns da bediente. Bis dahin hatten wir ja nur Augen für unsere reizenden Begleiterinnen und das Essen gehabt. Aber unsere tiefe Sympathie gewann Samira durch ihre Offenheit gegenüber unseren Foto-Exzessen. Denn, so erzählte sie, während die Flaschen präsentiert, der Tisch umdekoriert, die Speisen ins Licht gerückt wurden, eine Freundin sei auch Foodie und poste ihr Essen. Ein Glück! Nur ein Foto von ihr selbst wurde standhaft verweigert. Schade, an Leistung und Optik hat es sicher nicht gelegen.
Da ich schon seit Tagen (hüstel) hungerte, konnte ich mich bei der Bestellung etwas gehen lassen:
Tatar & Mark vom Auerochsen mit eingelegter Roter Zwiebel und gerösteter Brotschnitte (18,9€)
Verlorenes Eigelb mit italienischem Wintertrüffel und Kartoffelcreme (19,9€)
Nordsee-Kabeljau und Broncefenchel, Muschelfumet, Porree, Bunter Bete, Petersilienwurzel (15,9€)
Cheeseburger Canova Style mit trocken gereiftem Färsenfleisch (dachte ich...) (15,9€)
Original Beans Schokolade en texture und Orange (15,9€)
Das ergibt für mich ein sehr gutes PLV.
Um mich herum wurden u. a.
Winterliche Blattsalate mit Wintergemüsen, Kernen und Kräuternvinaigrette
Norddeutscher Fischeintopf mit Kalmar und viel mehr Zeugs, Knuf's Bio-Brot und Sauce Rouille
In Sahne gegarte Pastinake und geröstetes Filderkraut
Pasta mit Hirschragout, Preißelbeeren, Quitte, Waldpilzen und Parmesan
Geschmorte Kalbsbäckchen mit Jus, bunter Möhre und Gratin von der Lilly-Kartoffel
Crème brûlée und Tonkabohneneis
geordert.
Dazu Vilsa-Wasser, mit 5,5€ für den 3/4-Liter erträglich bepreist.
Die Weinauswahl überließ ich schlau der Pfälzer Edelfeder. Erst recht, nachdem ich den famosen Brunello als Gastgeschenk nur mit einer ordinären südfranzösischen Cuvée erwidern konnte, immerhin aus einem beiderseits bekannten Cave aus Montpellier. Mag also ein Berufenerer die gewählten Gewächse besprechen; mir hat der Stoff jedenfalls extraordinär gut geschmeckt!
Nur zum Dessert hatte ich dann meinen eigenen Kopf. Da ich um die großen Lücken der Karte bei den Süßweinen im Allgemeinen und den riesenhaften bei den roten im Speziellen wusste (entsprechend dem derzeitigen Publikumsgeschmack, das sei eingeräumt), bat ich schon bei der Tischreservierung, einen P.X. Sherry aus eigenen Beständen mitbringen zu dürfen. Es wurde mir (mit etwas Stammkunden-Bonus) gewährt. Da wusste ich allerdings noch nicht, dass großzügige Geburtstagsgäste einen 47er Toro Albala aus der Montilla-Moriles-Region (DOP) bei mir vermutlich vergessen hatten (Augen auf bei der Einladungsliste!). Genau das Richtige für uns vier Genießer! Samira verweigerte mit dem Hinweis "Wer mitbringt, macht auf!" zwar zunächst die Entkorkung. Hat ihr aber nichts genutzt, siehe oben... Als Plan B hatte ich noch einen Spinoza...falls der alte Tropfen Schwächen zeigen sollte. Zunächst kam auch ein etwas muffiger Duft aus dem Gläschen und am Gaumen machte sich eine etwas irritierende ähnliche Nuance unter den Fruchttönen bemerkbar. War aber dem von mir verschmähten Dekantieren geschuldet. Nach genügend Zeit im Glas entfalteten sich intensive rote Früchte, wenig Kakao, Holz. Fast überflüssig, dass die Kombination mit den dunklen Schokoladen perfekt war.
Gern haben wir unsere Servicefee und den Kollegen zu einem Glas eingeladen und die junge Dame setzte sich unkompliziert und sympathisch zu uns.
Bis dahin hatte sie auch schon einiges an Laufarbeit zwischen Küche und unserem sich fast biegenden Tisch verrichtet.
Los ging es mit confierter Ente und eingelegter Birne auf Pumpernickel. Mit dem Feingeist aus Dorsten: Schmackig!
Dazu das ausgezeichnet kräftig schmeckende, saftige Demeter-Vollkornbrot von Knuf aus Voltlage mit streichzarter Butter.
Der erste Gang ein Genuss für Steinzeitjäger Tatar und Mark vom Auerochsen
Das Mark halt so, wie Knochenmark schmeckt und schlürft. Muss man mögen. I love it. Das sehr fein geschnittene Fleisch etwas kräftiger als übliches Rind. Einige süßliche Zwiebeln waren fein gewogen eingearbeitet, hätten ruhig mehr sein dürfen. Dafür passte die Kresse und einige Wildkräutern mit Bitternoten gut dazu. Die Brot-Soldiers nicht (mehr?) sehr knusprig, vermutlich etwas zu früh auf den Teller gelangt. Gut, aber noch Luft nach oben.
Am folgenden Teller gab es kaum noch etwas zu meckern. Das verlorene Ei hier auf das Gelb beschränkt, handwerklich sehr gut Verlorenes Eigelb
Außen leichter Wachs, innen flüssig. Der reichlich gehobelte Trüffel verbreitete seinen intensiven Duft, war aber am Gaumen angenehm leicht. Das war auch notwendig, da die Kartoffelcreme eher sahnig, als nach Erdäpfel schmeckend daher kam. Meine Frau hat regelrecht geschwärmt, kann sich als süßer Fan aber auch sonst für Weichkram auf dem Teller - durchaus auch herzhaft - begeistern.
Es folgte Fisch, ein auf der Haut perfekt knusprig gebratenes Rückenstück vom Nordsee-Kabeljau, die Segmente lösten sich auf leisesten Gabeldruck, auf den Punkt super saftig. Nordsee-Kabeljau
Ein Muschelschaum setzte vorsichtig jodige Akzente. Die Beilagen standen dem nicht nach. Ein elegantes Selleriepüree, das sich harmonisch gegen die roten und gelben Beten, die Lauchstücke und die Petersilienwurzel behauptete. Die Wintergemüse waren von perfektem Biss und wunderbar kräftigem Röstaroma. Das war allererste Güte, sage selbst ich als kein großer Freund von Knollengemüsen.
Auch der Fleischgang ein Prachtstück von einem Burger Burger Canova Style
Bewusst wollte ich mich mit einem kleineren Gericht bescheiden. Ich schwelgte im Anblick der geschichteten Wonne, dem knusprigen Speck, den ofengebackenen Kartoffelspalten, als von der Seite Enttäuschung an mein Ohr drang. Meine Frau hatte die in der Tat sehr hohe gelatinierte Collagenschicht der Kalbsbäckchen entdeckt, die nach dem Einsetzen noch sekundenlang vor sich hin zitterte.
Nun, ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Also goodbye Burger und hello Bäckchen. Super-saftiges Bäckchen in einer samtigen Rotweinreduktion Kalbsbäckchen
Auch hier die Möhren von Geschmack und Mundgefühl eine Wonne. Das Kartoffelgratin ganz klassisch, fein gehobelte Scheiben und nicht mit einer zu mächtigen Schicht Käse überladen. Genau zum rechten Zeitpunkt aus dem Ofen. Perfekt!
Blieb das Dessert. Lasse ich ja gelegentlich ausfallen, was sich hier wg. des edlen spanischen Tropfen verbot. Aber wenn, dann soll es schon lang und schmutzig sein. Also Schokolade Schokolade en texture
als Fondant mit gelungenem halb-flüssigen Kern, als dunkle Raspel, als zart schmelzende Eisnocke und als Mousse. Letztere etwas zu flatschig, da fehlte Standfestigkeit und damit auch Luftigkeit. Ansonsten ein köstlicher, nicht zu süßer Abschluss, zu dem Mus und Filet von der Blutorange einen herb-fruchtigen Beitrag leisteten.
Wobei der Abend ja noch nicht vorbei war, als wir unter vielen wechselseitigen Verabschiedungen das schöne Canova verließen. Aber das ist eine andere Geschichte...
Überraschung! Vorfreude!! Panik!!!
MarcO der 74., kulinarisch-literarische Doppelzunge der Pfalz beehrt die nicht nur gastronomisch darbende Hansestadt an der Weser. Zwar in sympathischster Begleitung, trotzdem sollte die Location für das Abendessen zu viert ja auch den Großkritiker aus dem Südwesten überzeugen.
Also, ein Plan musste her:
1. Vorglühen (in eigenen vier Wänden)
2. Auswahl eines guten Restaurants (auf mehr ist nicht zu hoffen)
3. Verschleierung dortiger Schwächen durch eigene, anhaltende Geschwätzigkeit
4. Nachglühen, s.o.
Nun, die Vorräte für 1. und 4. waren vorhanden, die persönliche... mehr lesen
Ambiente unverändert elegant, schön, entspannt.
Die Crew weiß, was sie tut, ist flott und gar freundlich zu dem einzelnen Herrn. Denn meine Frau war ehrenamtlich unterwegs und da wollte ich natürlich nicht zurückstehen und half fast völlig selbstlos der örtlichen Gastronomie, die wirtschaftlichen Folgen des (ersten) Lockdowns auszugleichen.
Eigentlich war ich auch nur für eine Flasche Löwengang von Lageder aufgebrochen, die mir bei der letzten Einkehr Volker angekündigt hatte, der inzwischen mit viel Herzblut die Weinauswahl in der ehemaligen Bibliothek der Kunsthalle verantwortet. Nun waren weder Volker, noch der Chef anwesend, was zu einer immer intensiveren Suche und einem immer verzweifelteren Service führte. Erst ein telefonischer Rückruf klärte auf, dass der Lageder-Bestand just am Abend vorher ausverkauft worden war. Ich blieb gewohnt entspannt und leerte derweil meine Burgunder-Cuvée aus dem Hause Tardieu (49€). Vorher hatte es schon einen Campari mit frisch gepresstem Orangensaft gegeben (7€).
Für einen abendlichen Restaurantbesuch bestellte ich mir einen etwas ungewöhnlichen Einstieg. Aber der Meersalz-Schinken und die Fenchel-Salami vom Swatbunten, also der bekannten Bentheimer Schweinerasse, schmecken einfach zu lecker.
Zur Räucherware hatte ich mir zum Snacken noch Taggiasca-Oliven in ihrem Öl von artefakt aus Wilstedt gewünscht. Die bekam ich auch, aber die Küche zauberte mal eben einen herzhaft-frischen Oliven-Pflaumen-Salat mit Schafskäse, Gurke und verschiedenen Zwiebeln dazu.
Auf der Rechnung tauchte die individuelle Kombi als Frühstück für 13,5€ auf.
Eigentliche Vorspeise dann ein Tatar vom Heide-Saibling mit seinem Kaviar, Gurke, Bronzefenchel und Schmand.
Die Gurke führte sich mit knackiger Textur ein und blieb später durch ein intensives Süppchen präsent. Auch der Fenchel blitzte auf. Der Fisch war angenehm im Biss, aber am Gaumen recht „leise“ Die salzigen Noten auch der Eier wurden durch den säuerlichen Schmand gedämpft, der aber für ein schön cremiges Mundgefühl sorgte.
Durch und durch nordisch, sieht man von ein paar Tropfen Olivenöl ab, aber mit 22€ auch heftig kalkuliert.
Insbesondere, weil der Fleischgang dasselbe kostete und sich als ein Fest der Slow-food-Küche herausstellte.
Ganz im Sinne des inzwischen ja fast im Mainstream angelangten Nose-to-tail-Konzept wurden Roastbeef, Herz, Zunge und Markknochen serviert.
Schon die zarten, kräftig gebräunten Tranchen vom Roastbeef überzeugten medium mit vollem Rindergeschmack.
Aber das Herz, noch etwas blutig und eh das beste Muskelfleisch von allen, war schlicht fantastisch. Für mich auf einer Ebene mit den sogenannten edelsten Stücken.
Auch die - stark angebratene - Zunge gefiel mir sehr gut. Kannte ich so nicht, war einerseits typisch in der Konsistenz, andererseits kräftiger durch die Röstaromen.
Knochenmark liebt man oder hasst man, vermutlich. Ich gehöre zur ersten Gruppe. Allerdings fehlte mir doch inzwischen etwas Brot, Kartoffel oder andere „Trockenware“, um etwas Ausgleich zum Fett zu schaffen. Zumal das Petersilien-Püree, in das der Knochen gesetzt war, geschmacklich unauffällig blieb, aber wiederum von etwas Öl begleitet wurde. Dagegen waren die eingelegten Tropea-Zwiebeln und Würfel von verschiedenen Knollen mit ihrer Knackigkeit und feinen Säure eine willkommene Ergänzung.
Fazit: Gar nicht einsamer Low-carb-Abend vom Feinsten!