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Aber das gilt selbstverständlich weder für die mit teuren Ketten und Broschen geschmückten drei Damen, die sich bei Maultaschen und Zwiebelrostbraten so reizend schwäbelnd über die chinesische Schwiegertochter echauffierten, die mit den Kindern kein Deutsch reden könne (was sie doch eigentlich mit der Restfamilie verbinden müsste...;-) Noch für die vielen distinguierten Paare hohen und höchsten Lebensalters, die sich vermutlich vom überwältigenden Angebot dieses Feinkosttempels in der Stuttgarter Innenstadt erholen mussten. Auch in die Jahre gekommene Bohème ward gesichtet, stilecht mit schreiend buntem Beinkleid, der weiße (!) Schal ebenso wehend wie das lange, gleichwohl schüttere Haupthaar. Überhaupt die Kunst: Wie es sich für die Schwabenmetropole gehört, sponsort dieser Hort der Großbürgerlichkeit freien Eintritt in die Jubiläums-Ausstellung der Staatsgalerie. Nun ja, es trifft keinen armen Mäzen. Wie schon eine gut informierte Karibiksonne berichtete, hat sich nach einer Insolvenz Anfang des Jahrtausends Familie Piëch eingekauft.
Stilistisch regiert eher die Moderne in Anlehnung an das nahe Kunstmuseum. Klare Linie, letztlich ist der Raum ein Kubus, in dem die Tische streng und recht eng verteilt sind. Eher puristisch ausgestattet, daher umso beherrschender die großen modernen Fotografien
die ich als reiz-volle Bereicherung empfand.
Wer´s etwas lockerer mag und insbesondere auf das Sehen und Gesehenwerden Wert legt, wählt die (Austern)Bar vor dem Restaurant. Die Jeunesse dorée, aber auch alle anderen Liebhaber frischen Meeresgetiers zieht es schließlich in das teure, doch grundsätzlich empfehlenswerte Sushi-Ya ganz am anderen Ende des lebendigen Ladengeschäfts.
Ich kam im trubeligen Mittagsgeschäft und musste nach einer sehr kurzen Wartezeit zunächst mit einem Tisch in einer Nische hinter der Tür vorlieb nehmen. Später war ein Umzug nahe an die große, beschattete Fensterfront möglich, wo ein steter angenehmer Luftzug herrschte. Im August 2018 verbot sich die sonnendurchglühte Terrasse von selbst.
Der Service war flott, auch am Katzentisch wurde ich nicht übersehen. Man vergaß zwar, die Fehlanzeige in der Karte schon bei der Bestellung mitzuteilen, entschuldigte sich dafür aber sehr nett. Außerdem gab Restaurantleiter Bota ein Glas vom Hand-in-Hand aus, dem inzwischen doch häufig in der gehobenen Gastronomie anzutreffenden „Hochzeitswein“ Klumpp/Meier-Näkel. Ich wurde jedenfalls freundlich und niveauvoll umsorgt, so dass die kleinen Schnitzern gefühlsmäßig nicht ins Gewicht fielen.
Für den ersten Hunger wurde ein mäßig frisches Baguette gebracht, aber stilvoll mit Beurre salée de Charentes. Feinkost lässt grüßen.
Bei einem prickelnden Württemberger Rosé (Schloss Affaltrach, 6€) nahm ich erfreut zur Kenntnis, dass hier keineswegs nur Schwäbische Spezialitäten serviert werden. Oder wie klingen:
- Kopfsalat Mousse mit marinierten Kopfsalatherzen (19,5€)
- Gurkengazpacho und Joghurt-Gratiné (16,5€)
- Marinierter Toro mit Pomelo (9,5€)
- Gebratener Waller mit frischen Trauben (24,5€)
Dazu gab’s einen frischen weißen Garnacha aus der D.O. Somontano, der ein Sauvignon-ähnliches Bukett mitbrachte und am Gaumen etwas Holz spüren ließ. Angesichts der ansonsten gepfefferten Preise mit 28€ nicht zu hoch bezahlt.
Die Küche grüßte mit einem klar erkennbaren, doch arg sahnigen Paprikasüppchen
bei dem grobes, hartes Pfefferschrot irritierte. Der Berglinsensalat dazu störte nicht, er wurde vergessen. Die Nachlieferung konnte ich nur kurz genießen, wurde doch schon der erste Gang mit einem fröhlichen „Wird nicht kalt!“ auf den Tisch platziert.
Immerhin schon mal eine deutliche optische Verbesserung.
Und nach ein paar Gabeln war klar, dass die sommerliche Kombi von Orangenfilets, cremiger Burrata und Kopfsalat in Texturen hervorragend funktionierte.
Fruchtige Süße, „grüne“ Frische und milde Sahnigkeit ergänzten sich zu einem leichten Genuss. Grüne Chili sorgte zudem für den leicht scharfen Kick. Den Kopfsalat auch als Gel und Mousse zu präsentieren, war für mich jetzt kein Muss, aber geschmacklich waren alle Varianten präsent. Allenfalls etwas „zum Beißen“, vielleicht in Form von Nüssen oder Kernen, hätte ich mir noch gewünscht.
Frisch ging es auch weiter. Bevor die kalte Suppe angegossen wurde
und einen schönen Duft von Gurke und Dill verbreitete, durfte ich mich an der farbenfrohen Einlage erfreuen.
Geschälte aufgerollte Scheiben (auch für die Textur), Joghurtgranité und Olivenölperlen bildeten ein hübsches Potpourri. Am Gaumen dominierte dann aber eine kräftige Süße, gegen die der zu kleinteilige Joghurt und das geschmacklich ganz unauffällige Öl nicht durchdrangen. Bei kräftigeren Gegenspielern oder beherzter Würze einer klassischen Gazpacho wäre die Kombination bestimmt gut aufgegangen, so blieb sie eindimensional.
An meinen nächsten Gang musste ich erinnern, er war vergessen worden. Das mag daran liegen, dass zunächst mit Kalbskopf doch ein Klassiker geordert worden war. Leider nicht mehr verfügbar. Die Alternative war für mich eine Premiere, als Carpaccio hatte ich fetten Thunfischbauch noch nicht.
Geschmacklich per se ein Knaller, allerdings litt der Genuss der dünnen Scheiben an einigen Sehnen. Wenn Toro nicht japanisch puristisch serviert wird, braucht der fette Fisch überzeugende Begleiter. Die Pomelo-Filets und das Yuzu-Gel gefielen mir da schon gut. Auch mit der Rosmarin-Emulsion war die Küche auf dem richtigen Weg, nur leider zu sparsam dosiert! Der neutrale cremige Schafskäse konnte leider nichts beisteuern. Anders als beim Gurke-Joghurt-Duo des vorigen Tellers, verstand ich den Sinn der Kombination auch nicht. Licht und etwas Schatten.
Der Hauptgang war dagegen sehr stimmig.
Gebratener Waller mit frischen Trauben, Pfifferlingen, Rettich
Sehr saftiger Waller perfekt gebraten
mit Trauben und einer schönen Traubenjus (im Kännchen Nachschub)
die von süßer Topinamburcrème abgepuffert wurden. Gehobelter Rettich steuerte eine salzige Note bei und von den ersten Pfifferlingen war ich ebenfalls angetan.
Das war ein rundum gelungener Teller.
Gegen 15.00 Uhr hatte sich der Raum weitgehend geleert und so kam auch mal der Herr der Töpfe vorbei. Man weiß ja nie, welcher Profession ein einzelner Gast nachgeht, der sich intensiv mit den Tellern auseinander setzt... Ich klär das dann aber immer sehr schnell auf. Es ergab sich wie so oft ein ebenso spannendes wie entspanntes Gespräch. Gute Köche brennen für ihren Beruf; wenn nicht, bleiben sie es bei den Arbeitsbedingungen nicht lange. Jedenfalls kam ich - auf Kosten des Hauses - noch zu einer tollen Käseauswahl
bei der natürlich wieder aus dem Vollen geschöpft wurde: U. a. Sainte-Maure mit Asche, ein milderer Ziegenkäse mit Honig und ein toller Blue Stilton, den ich mir erst nach dem Gläschen Sauternes (10,5€) schmecken ließ. Auch bei der Begleitung ging die Küche in die Vollen: Feigen, Feigensenf, kandierte Nüsse, zweierlei Nussbrot
und mit japanischem Togarashi-Gewürz eingeriebene Grissini! Nicht meine schlechteste Idee im Feinkosttempel einzukehren...
Insgesamt eine ambitionierte Küche, die mit etwas mehr Mut richtig durchstarten könnte. Der sympathische Chef Simon Förster bringt dafür sicher die Fähigkeiten mit. Zu vermuten steht aber, dass von den Stuttgarter Honoratioren Sturm und Drang eher auf der Bühne als auf dem Teller geschätzt wird.