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Räumlich wird der Grüne Salon gar nicht mehr für das à-la-Carte-Geschäft genutzt und der wunderbare Wintergarten offenbar auch nur bei entsprechender Buchungslage - bei meinen insgesamt drei Besuchen war er geschlossen. Im ehemaligen Bistro sitzt man etwas enger, in einem Design, das auf Gold- und Brauntöne und eine (An-)Sammlung von Kunstwerken setzt.
Anderer Stil, nicht meiner, aber natürlich ein Stil. Ich freute mich trotzdem, zumindest am Beginn des Abends noch ein Plätzchen auf der aufgebockten Terrasse zu bekommen und von dort den Verkehr auf der ruhigen, aber nicht langweiligen Königsstraße beobachten zu können.
Es defilierten viele festlich gekleidete junge Menschen vorbei, Jugendweihe vielleicht?
Nicht geändert hatte sich der engagierte Service durch viele schon oder noch gut ausgebildete junge Menschen, die mit Elan, Freundlichkeit und Professionalität ihre Sache gut machen. Nicht immer wird genau zugehört, aber ich bin ja nun auch ein Gast, der sehr genau weiß, was er will. Die Leitung liegt weiterhin bei der ungekünstelten Jana Schellenberg und bei zwei geführten zwei Telefonaten konnten wir schon die Weinauswahl klären. Es wurde - Surprise! Surprise! - ein weißer Burgunder, der bei meiner Ankunft in den Dekanter kam.
Schön, dass das so gut geklappt hat. Während der Wein an die Luft kam, war im Anfang mal wieder das Letzte Wort (10,5€).
Man sitzt draußen auf solidem Gartenmobiliar aus Holz und hochwertigem Kunststoff, aber die Tische sind fein eingedeckt. Zweierlei gut zugekauftes Brot bekämpfte den Heißhunger, begleitet von schlichter Butter, Olivenöl und Salzflocken.
Mein Menü startete sommerlich mit Pulpo, Lardo, Artischocke und Paprika.
Der Oktopus-Tentakel war festfleischig und teilweise auch knusprig, ohne Tadel, aber das geht noch besser. Unglücklich eine lange Scheibe Lardo, von der Idee her wohl surf‘n‘turf, die sich zu einem zähen Streifen geringelt hatte, der kaum zu schneiden war. Einzelne Stücke wären gastfreundlicher gewesen.
Überzeugend dagegen die Gemüse: Artischocke als süffige Créme und kräftiges Ragout. Paprika war gekocht und dann geräuchert, süß-sauer eingelegt und als gelungener Chip vertreten. Abgesehen von der Texturen-Parade war das vor allem geschmacklich stark.
Unauffällig blieb dagegen die grüne Salsa. Über alles gesehen ein solider Auftakt.
Auf den nächsten Gang war ich gespannt: Kirsch-Gazpacho, grüner Spargel und Kapuzinerkresse ist ja kein alltägliches Gericht!
Die kalte Suppe überraschte mit einer säuerlichen Note von Balsamico, gegen leider, leider wenigen Kirschen überhaupt nicht ankamen. Solo „gelutscht“ war der Kirschgeschmack da, aber das ist ja wohl nicht im Sinne des Erfinders. Der Spargel hatte genügend Biss und konnte sich schon eher behaupten, gegen Ende mit einer durchaus angenehmen Bitterkeit. Auch die klare Senfnote des Kräuter-Öl gefiel mir gut. Mit einem exakteren Säure-Süße-Spiel wäre das ein spannender Teller gewesen.
Eigentümlicherweise gab es keinen Fischgang.
Aber Kalbsbries ist natürlich auch immer eine schöne Alternative.
Die leckeren Innereien waren paniert und leicht knusprig gebraten, tadellos und auch die Jus gelungen. Genauso gut die Pfifferlinge, denn nicht nur die Crème hatte einen eindeutigen Pilz-Geschmack, sondern trotz der Größe auch die gebratenen Exemplare. Diesen vielleicht als „zu schlicht“ empfundenen Komponenten, die das oben beschriebene Motto ja durchaus erfolgreich umgesetzt haben, sollte sich Salzzitrone und Thai-Spargel etwas Finesse eingehaucht werden. Nur leider waren von der Zitrone nur sehr wenige, winzige Stückchen in der Soße verarbeitet worden. Was das das Gemüse dem Teller „bringen“ sollte, habe ich leider nicht verstanden. Vielleicht eine Alternative zu den erwartbaren Erbsen? Aber das ist ja immer eine Frage des persönlichen Geschmacks.
Auch hier also Licht und Schatten.
Der nächste Gang mit Bresse-Hahn gelang der Küche wieder deutlich besser. Während die Brust noch etwas zu lange gegart war, was die überragende Qualität der Ware weitgehend wettmachen konnte, begeisterte die Roulade vom Keulenfleisch, auch mit einer Füllung aus kräftigem Erbspüree. Die leckeren kleinen Hülsenfrüchte waren auch naturell und mit ihrem Grün vertreten. Letzter geschmacks- und farbstarker Akteur dann Karotte, deren intensiver Saft für mich der Gewinner des Tellers war.
Das passte und war eine schöne Umsetzung eines Drei-Komponenten-Tellers.
Einzig die zusätzliche Yuzu-Majonäse ließ mich rätseln: Ging es um Frische oder um Süffigkeit? Beide Ideen wurden in der Kombi nicht wirklich erfüllt.
Begeisterter war ich vom erfrischenden Apfel-Sorbet, das gegen Dehydrierung vorsorglich mit Wodka aufgegossen wurde (7€).
Statt eines weiteren, dann roten Fleischgangs hatte ich auf das vegetarische Hauptgericht gesetzt:
Gemüse-Mille-feuille, Bohne, Aubergine, Wildkräuter.
Die Schichten bestanden aus Aubergine, Zucchini, Karotte und Kartoffel. Leider nicht sehr fein gearbeitet (müssen ja nicht gleich tausend sein...), kaum gesalzen, weich und sehr kartoffellastig. Mit einem Wort: Langweilig.
Dafür glänzte die Pilzjus ebenso wie die ansehnlichen Toppings: Die gebackenen Auberginenscheiben genau richtig zum Knabbern, die gelben Tomberries mit feiner, frischer Tomatensäure und die Brechbohnen mit Biss und kräftigem Bohnenkraut. Das machte dann wieder Spaß. Die angekündigten Wildkräuter hätten sicher auch noch ätherische und bittere Akzente setzen können. Leider wurden sie von der Küchenmannschaft vergessen. Chef Vogel war im Nachgespräch zerknirscht, dass der Teller unvollständig über den Pass gegangen war, aber die Personalnot sei so dramatisch, dass er zwei Posten abdecken musste.
Wäre mir das vorher bewusst gewesen, hätte ich bestimmt auf meinen spontanen Wunsch nach etwas Käse (12€) verzichtet. So lieferte die Küche nach einer kurzen Wartezeit eine dünne Scheibe Fourme d‘Ambert (der durch Wärme noch gewonnen hätte), nicht nur optisch sehr hübsch begleitet von Aprikosen (getrocknet und als Marmelade), Pistazien, würziger Korianderkresse und vor allem knusprigem Buchweizen - endlich mal Crunch, auch dies war bislang weitgehend Fehlanzeige gewesen. Ein versöhnlicher Abschluss, dem noch ein Pimm‘s Cup für 10,5€ folgte.
Das Caroussel beschreitet neue Wege, aber die ersten Schritte waren doch unsicherer als gedacht. Natürlich hat man in der Dresdner Neustadt das Kochen nicht verlernt, aber ob die vereinfachte Richtung den Gästen gefällt, muss sich noch herausstellen. Der Guide Michelin war jedenfalls nicht überzeugt und entzog den Stern. Schade für das sehr sympathische und engagierte Team.